Protokoll der Sitzung vom 25.08.2005

(Beifall bei der SPD, der GAL und vereinzelt bei der CDU)

Ich will hier ausdrücklich keine Richterschelte betreiben.

(Marcus Weinberg CDU: Dann lassen Sie es!)

Wir müssen uns darüber Gedanken machen, dass Richter natürlich immer in einem gesellschaftlichen Umfeld Urteile treffen. Wenn ich dann in diesem Urteil lese, ich zitiere:

"Hinzukommt, dass laute Kinderstimmen im Verhältnis zu Erwachsenenstimmen eine deutlich höhere Fre

quenz haben und daher als deutlich lästiger empfunden werden. Vor diesem Hintergrund muss nach Ansicht des Gerichtes eine erhebliche Beeinträchtigung der Kläger anzunehmen sein, selbst wenn die Kinder nur 60 Minuten pro Tag draußen sind."

Ich empfinde das nicht als Vorwurf gegenüber der Richterin,

(Michael Fuchs CDU: Das machen Sie doch!)

sondern als Vorwurf an unsere Stadt, die zeigt, welches Klima wir in der Kinder- und Familienpolitik haben, dass offensichtlich Autos besser hingenommen werden, als Kinder.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Auch in dieser Frage müssen die Menschen in der Stadt merken, dass sich etwas für Familien tut. Aber was tut sich in Hamburg? In Hamburg tut sich, dass die Schulpolitik miserabel ist. Wir haben bereits gestern darüber diskutiert. Frau Dinges-Dierig setzt das Chaos von Herrn Lange fort. Büchergeld, Schulinvestitionen und Schulschließungen sind hier nur drei Stichworte.

Die Zahl unserer Hamburger Lehrer ist heute so niedrig, wie vor der deutschen Einheit. Alles wird teurer, nichts wird besser.

(Lydia Fischer CDU: An die roten Zahlen denken!)

Kitagebühren, Mittagessengeld, Vorschulgeld, Abschaffung der Lernmittelfreiheit, Schülerfahrgeld, Schulschwimmgebühren sowie Sportsteuer

(Lars Dietrich CDU: Können Sie mal zum Thema zurückkommen!)

sind nur einige Beispiele für die Familien und damit vor allem für die zukunftsfeindliche Politik des CDU-Senats.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Herr Dietrich, ich nehme das gern auf. Sie sagen immer, dass

(Lars Dietrich CDU: Meckern, motzen, mosern!)

wir alles schlecht reden würden. Ich zitiere einfach nur Ihren Kollegen Heinemann. Er hat gesagt und wer will ihm hier widersprechen: Die Bildungspolitik der Frau Dinges-Dierig in dieser Stadt ist chaotisch und dilettantisch.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Aber, da Sie Ihrem eigenen Fraktionskollegen nicht trauen und mir ohnehin nicht, schauen wir uns einmal die vorhandenen Studien an.

(Robert Heinemann CDU: Sie lügen wie gedruckt, Herr Neumann!)

Es gibt das Berliner Institut für Weltbevölkerung, welches dazu schreibt, ich zitiere:

"Bloß, weil der Senat sich das wünscht, wird die Stadt nicht auf zwei Millionen Kinder anwachsen. Kinder bekommen auch nicht immer das, was sie sich zum Geburtstag wünschen. Manche Wünsche sind eben unrealistisch."

(Dr. Andreas Mattner CDU: Sie bekommen auch nicht immer das, was Sie sich wünschen!)

"Hamburg ist einfach nicht familienfreundlich genug. Dem Senat fehlt ein zusammenhängendes familienpolitisches Konzept. In der Baupolitik würden Projekte, wie die HafenCity stark betont, die aber nicht für Familien, sondern in erster Linie für Yuppies interessant sind. Diese aber hätten kein großes demographisches Potenzial, sprich: Sie sind oft Singles und bekommen meistens keine Kinder."

Soweit schreibt das Hamburger Abendblatt über Ihre Politik.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Wir müssen gemeinsam begreifen, dass in Zukunft der Standortfaktor Nummer 1 Familienfreundlichkeit heißen wird. Dort, wo Familien gern leben, steigen, Herr Peiner, – Sie müssen nicht nervös werden –, auch die Steuereinnahmen.

(Michael Fuchs CDU: Wird er gar nicht!)

Wenn es uns gelingt, Menschen in Hamburg zu halten und gut auszubilden, dann zieht das auch Unternehmen an. Das ist gut für unsere Innovationskraft und auch für die Wettbewerbsfähigkeit unserer Stadt. Es ist aber auch gut für die Menschen. Darauf kommt es an.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der GAL)

Diesen Zusammenhang haben Sie jedenfalls bisher nicht verstanden. Vor zwei Monaten stellten Sie dann als einen angeblichen Ausgleich hier eine lange Liste von 35 familienpolitischen Maßnahmen vor.

Die Kollegin Veit hat sehr fleißig und sehr rezipiert Kleine Anfragen zu diesem Thema gestellt. Das Ergebnis ist: Konkrete Pläne gibt es nicht. Woher das Geld kommen soll, weiß man auch nicht. Der Umsetzungsstand ist gleich null.

Nehmen wir das konkrete Beispiel der großangekündigten Kinderzimmerzulage.

Erstens: Mit dieser Zulage sollen nur Ehepaare gefördert werden. Ich finde, liebe Kolleginnen und Kollegen der CDU, dass Sie damit Ihr Familienbild entlarven, welches Sie aus dem vorletzten Jahrhundert hinüberzuretten versuchen.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Ich will Ihnen auch deutlich sagen: Familie ist nicht nur dort, wo der Trauschein ist, sondern Familie ist vor allem dort, wo Kinder sind. Das müssen wir fördern und nichts anderes.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Zweitens: Die Zulage soll nur den Immobilienbesitzern zugute kommen, also nicht den Menschen mit kleinem Geldbeutel.

Drittens: Die Zulage wird voraussichtlich noch nicht einmal mit der normalen Förderung der Wohnungsbaukreditanstalt kombinierbar sein.

Das bedeutet also im Ergebnis, dass diese Kinderzimmerzulage, wenn sie überhaupt wahrgenommen wird, in erster Linie ein PR-Gag ist und eine Zulage für die ohnehin schon vermögenden Immobilienbesitzer ist. Das ist aber nicht die Familienpolitik, die wir uns als Sozialdemokraten für Hamburg vorstellen,

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der GAL)

denn das ist ein weiterer Beweis, wie hohl der Satz von Frau Schnieber-Jastram ist, dass derjenige unsere Hilfe bekommt, der sie benötigt. Es ist genau das Gegenteil, was der Senat und die CDU in Hamburg betreibt.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der GAL)

In der Familienpolitik reicht es beim besten Willen nicht aus, einmal im Jahr die Schirmherrschaft im RathausInnenhof für ein Familienfest zu übernehmen. Familienpolitik wird nur dann richtig gemacht, wenn man bei allen politischen Entscheidungen mit bedenkt, was jede einzelne Entscheidung für Konsequenzen für die Kinder und Familien unserer Stadt bedeutet.

(Karen Koop CDU: Machen wir doch!)

Das muss nicht nur für die Bildungspolitik gelten, sondern auch für die langfristige Wirtschafts- und Finanzpolitik.