Protokoll der Sitzung vom 26.10.2005

"Im Prinzip sei es so, je länger diese Jugendlichen in der Einrichtung sind, desto besser seien eigentlich für sie die Resozialisierungs- oder Wiedereingliederungsmöglichkeiten."

Insoweit zeigt es sich hier auch, dass der Untersuchungsausschuss sehr wertvoll gewesen ist und ich möchte aus den Beratungen des Untersuchungsausschusses berichten.

Wir haben einen Fall etwas eingehender untersucht. Da war ein Jugendlicher tatsächlich zwölfeinhalb Monate in dieser Einrichtung. Zwölfeinhalb Monate ist eine überdurchschnittlich lange Zeit. Man möchte in der Tat meinen, zwölfeinhalb Monate ist auch eine ausreichend lange Zeit, damit sich die Behörde überlegen kann, was mit diesem Jugendlichen angefangen wird, wenn er dann entlassen werden muss, weil natürlich irgendwann die entsprechenden gerichtlichen Beschlüsse auslaufen. Was macht die Behörde in diesem Fall? Sie steckt diesen Jugendlichen in ein Hotel am Hansaplatz.

(Beifall bei Katja Husen GAL)

Das muss man sich wirklich einmal auf der Zunge zergehen lassen. Das ist die Verantwortung, die diese Behörde übernimmt, wenn die Jugendlichen aus ihrer Vorzeigeeinrichtung der geschlossenen Unterbringung entlassen werden. Das ist das Ergebnis, was mit den Jugendlichen passiert, wenn sie aus dieser teuren Einrichtung, die die Mittel für jede andere adäquate Behandlung von intensiv betreuungsbedürftigen Jugendlichen auffrisst, entlassen werden. Sie werden in ein Hotel am Hansaplatz entlassen.

Man muss sich das wirklich einmal vorstellen: Dieser Ort, wo das Abendblatt nur noch sozusagen leicht sarkastisch berichtet, dass es immer wieder mal Verkehrsprobleme wegen der kreisenden Freier gibt. Und wir wissen auch – und der Justizsenator hat das von seiner Wohnung aus auch schon beobachten dürfen –, dass die Drogenszene an der Stelle überhaupt nicht zu übersehen ist. Offener Drogenkonsum, offener Drogenhandel und dort wird dieser Jugendliche untergebracht, nachdem er zwölfeinhalb Monate in der geschlossenen Unterbringung war.

(Dr. Willfried Maier GAL: Da sollte Herr Kusch per- sönlich aufpassen!)

Es bleibt einem richtig die Spucke kleben, wenn man sich erst einmal anschaut, was die Vorgeschichte dieses Jugendlichen war. Bevor dieser Jugendliche in die Obhut der Jugendhilfe kam, hatte er sich einem Päderasten

angeschlossen. Man muss sich wirklich einmal vor Augen halten, dass dieser Jugendliche ernsthaft gefährdet ist, sich wiederum in Prostitution zu begeben oder in ähnliche Verhältnisse.

Das ist das, was dieser Senat unter Verantwortung für schwer gefährdete Jugendliche versteht. Dieser Fall macht mehr als deutlich, dass der Senat alles andere vergessen hat und nur noch auf diese sehr teure Vorzeigeeinrichtung "Geschlossene Unterbringung" schaut, die zweifelhaft genug in ihren Erfolgen ist. Das hat der Untersuchungsausschuss sehr deutlich herausgearbeitet.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD)

Dann gebe ich das Wort dem Abgeordneten Dr. Jäger.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Böwer, ich muss zuerst kurz auf das eingehen, was Sie gesagt haben, was von Ihnen hier schon zweimal vorgetragen wurde und was Sie wahrscheinlich gleich noch das dritte Mal erzählen werden nach dem Motto "ewig grüßt das Murmeltier, Böwer und andere".

(Beifall bei der CDU)

Sie haben natürlich auch hier nicht richtig zitiert. Es ging darum, den Jugendlichen und die Fahrer zu schützen. Es heißt nämlich in der Beantwortung:

"Von dem Moment an, in dem das Dienstfahrzeug am 7. August das Gelände des Kinder- und Jugendnotdienstes verließ, folgten ihm zwei Fahrzeuge. Diese beiden Fahrzeuge folgten dem Wagen bis auf die Autobahn und bedrängten ihn teilweise stark."

(Gesine Dräger SPD: Was macht man dann? – Dr. Andrea Hilgers SPD: 110)

Es ging wirklich darum, Leib und Leben der Insassen zu schützen. Ihre Versuche, das für eine Kampagne zu nutzen, sind beschämend.

(Jenspeter Rosenfeldt SPD: Es ist unglaublich, was Sie da sagen! – Beifall bei der CDU – Glocke)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Lühmann?

Nein. – Lassen Sie mich weiter auf die Formulierung in der heutigen Aktuellen Stunde eingehen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren von der GALFraktion, es ist schon ein starkes Stück, wenn Sie hier von der "Siesta der Senatorin" sprechen.

Sie wissen ganz genau, dass sich Frau SchnieberJastram in der Woche, in der das Thema Feuerbergstraße in den Fokus trat, auf einer Dienstreise in der Türkei befand. Sie hat sich auf dieser Reise informieren lassen und dann sofort am Montag nach ihrer Rückkehr zu den Vorwürfen ausführlich Stellung genommen. Hier nun den Eindruck zu erwecken, dass die Senatorin "Siesta" gemacht habe und quasi in Urlaub gewesen sei, das ist mehr als dreist.

(Beifall bei der CDU)

Doch eines, meine Damen und Herren von der GAL, muss man Ihnen lassen. Sie sind in Ihrer Haltung wenigstens konsequent. Sie haben die geschlossene Unterbringung von vornherein abgelehnt. Diese Auffassung hält die CDU-Fraktion zwar für grundfalsch, aber sie zwingt Sie immerhin nicht zu dem Eiertanz, den die SPD in dieser Sache aufführt.

(Beifall bei der CDU)

Seit der Einrichtung der geschlossenen Unterbringung gaukelt die SPD vor, dass sie in dieser Frage geläutert sei. Sie seien nun auch für eine geschlossene Unterbringung von schwerstkriminellen Jugendlichen, aber gleichzeitig, meine verehrten Damen und Herren von der SPD, tun Sie alles, um die Einrichtung in der Feuerbergstraße

(Dr. Andrea Hilgers SPD: Diese!)

und ihre Mitarbeiter in Misskredit zu bringen. Ihnen geht es nicht um die Sache, Ihnen geht es nur um den Skandal.

(Beifall bei der CDU)

Sie sollten anerkennen,

(Dr. Andrea Hilgers SPD: Wir ja!)

dass hier engagierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nach einem guten Konzept

(Dr. Andrea Hilgers SPD: Welchem?)

schwierige und wichtige Arbeit verrichten. Sie sollten diesen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern lieber einmal danken, als ihnen immer nur Knüppel zwischen die Beine zu werfen.

(Beifall bei der CDU – Petra Brinkmann SPD: Das ist eine Unterstellung!)

Für meine Fraktion kann ich hier sagen, dass wir hohen Respekt vor der Leistung haben, die in der Feuerbergstraße tagtäglich im Umgang mit den schwierigsten Jugendlichen,

(Jürgen Schmidt SPD: Auch für die Senatorin?)

die es in dieser Stadt gibt, erbracht wird.

Ich möchte hier einmal ausdrücklich eine Lanze für diese Arbeit brechen und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der Feuerbergstraße Dank und Anerkennung zollen.

(Beifall bei der CDU – Petra Brinkmann SPD: Plötzlich!)

Natürlich sind auch Fehler gemacht worden. Das wird weder von der Senatorin, noch von meiner Fraktion bestritten. Aber diese Fehler haben bei weitem nicht das Ausmaß, das Sie ihnen zu geben versuchen. Zunächst geht es um Fehler, die überwiegend in der Vergangenheit lagen und inzwischen behoben sind. Weiterhin haben sie nicht die Dimensionen, die insbesondere Herr Böwer ihnen zu geben versucht.

Nehmen wir doch das Beispiel der fehlenden Rechtskraft der Einweisungsbeschlüsse. Natürlich ist das eine Sache, die an sich nicht vorkommen darf.

(Petra Brinkmann SPD: Ach?)

Aber dieser formelle Fehler hat doch nicht zur Folge, dass aus diesem Grunde gleich Freiheitsberaubung vorliegt. Hier fehlt es am Vorsatz. Gleichwohl läuft aber Herr

Böwer von Pressetermin zu Pressetermin und verbreitet seine abenteuerlichen juristischen Vorstellungen. Spätestens die Staatsanwaltschaft, die in diesem Bereich auch tätig ist und zu deren Arbeit ich großes Zutrauen habe, wird mit diesen Vorstellungen endgültig aufräumen.

(Beifall bei der CDU)

Gleiches gilt für die Behauptung im Hinblick auf die Vergabe von Psychopharmaka lägen Körperverletzungen vor. Auch hier muss doch zunächst der Sachverhalt genau aufgeklärt werden. Fest steht doch nur, dass etwaige Einwilligungen der Sorgeberechtigten zumindest nicht in den Akten dokumentiert sind. Natürlich ist auch das nicht in Ordnung, aber das heißt doch noch lange nicht, dass überhaupt keine Einwilligungen vorgelegen haben. Aufklärung muss hier vor Vorverurteilung gehen.

(Beifall bei der CDU – Glocke)