Protokoll der Sitzung vom 23.11.2005

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Wir haben immer darauf hingewiesen, dass wir zu einer Zusammenarbeit bereit sind. Wir haben unsere eigenen Vorschläge eingebracht und wollen nicht, dass es nur Appelle an die Bürgerinnen und Bürger gibt, Herr Bürgermeister, sondern Sie müssen vielmehr Ihrer Verantwortung gerecht werden, die Sie haben und die die Bürgermeisterin auch hat.

(Glocke)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nein, das können wir nachher bei der Bezirksreform machen, da können Zwischenfragen gestellt werden.

Herr Bürgermeister, Sie müssen nun Taten folgen lassen, keine Ankündigungen, keine Hotlines. Ich kann nur jedem Hamburger und jeder Hamburgerin raten,

(Frank-Thorsten Schira CDU: Bei Herrn Kienscherf melden!)

bei Problemen doch bei der Bürgermeisterin direkt anzurufen: 428 63 3001. "Hier werden Sie geholfen"; mal sehen, ob es wirklich so ist.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Das Wort bekommt der Abgeordnete Kausch.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kienscherf, Sie haben gerade eine Polemik an den Tag gelegt, die sich beim besten Willen nicht ziemt und aus meiner Sicht jeglicher Beschreibung spottet; das möchte ich an dieser Stelle einmal ganz deutlich sagen.

(Beifall bei der CDU)

Ich frage mich beim besten Willen, wo denn Ihr Konzept lag. Was haben Sie uns denn als Konzept hier in den letzten Wochen präsentiert?

(Klaus-Peter Hesse CDU: Nur Schnellschüsse!)

Wenn Sie einmal mit sich selbst ins Gericht gehen würden, dann müssten Sie selber sagen, dass es kein Konzept war, das waren Einzelmaßnahmen. Was die Zweite Bürgermeisterin heute präsentiert hat, hat eindeutig gezeigt, dass wir weiter sind. Wir haben nämlich die Chance genutzt und ein entsprechendes Konzept hier vorgestellt.

(Beifall bei der CDU – Petra Brinkmann SPD: Was denn für ein Konzept?)

Aus meiner Sicht sind das die richtigen Maßnahmen, um dem Problem in jedem Fall kurzfristig Herr zu werden und mithilfe der Telefonnummer, der Ansprechmöglichkeiten, der Angebote langfristig das Thema zu besetzen und damit auch die Kinder aus der schwierigen Situation zu befreien.

Trotzdem – das möchte ich an dieser Stelle auch sagen – kann es nicht dabei bleiben, sondern ich glaube, dass es weitere Maßnahmen geben muss. An der Stelle möchte ich deutlich machen, dass der Vorschlag von Frau Blömeke ein Vorschlag ist, über den ich gerne einmal im Ausschuss diskutieren möchte. Gerade vor dem Hintergrund habe ich mich in der letzten Bürgerschaftsdebatte sehr stark dafür eingesetzt, Ihre Anträge auch an den Ausschuss zu überweisen, weil ich glaube, dass gute Ansatzpunkte dabei sind, über die wir im Einzelfall reden sollten; das wollen wir an dieser Stelle auch einmal zubilligen.

(Beifall bei der GAL)

Wir sind gar nicht so. Wenn gute Vorschläge kommen, nehmen wir die auch an. Aber was ich bis dato von der SPD gehört habe, ist nichts anderes als Polemik und der werden wir uns nicht anschließen.

(Beifall bei der CDU – Dr. Till Steffen GAL: Das war zu billig!)

Nichtsdestotrotz ist mir noch ein anderer Punkt wichtig, und zwar würde ich gerne über die Thematik der Werte und darüber reden, wie wir Familien an der Stelle weiter unterstützen können.

(Michael Neumann SPD: Deutschlandllied singen!)

Kinderlärm – das ist für mich ein ganz wichtiger Punkt – muss endlich wieder Musik sein und darf kein Lärm mehr sein. Das ist ein Ansatz, über den wir uns in der breiten Gemeinschaft der Fraktion und auch fraktionsübergreifend unterhalten sollten. Familien in Not sollen und werden auch in Hamburg weiterhin die Hilfe bekommen, die sie benötigen, und wir werden bei denen Abhilfe leisten, bei denen es bis dato noch nicht der Fall war.

Dieses Thema – ich komme noch einmal darauf zurück – bietet aus meiner Sicht überhaupt keine Art von politischer Profilierung. Mir ist dieses Thema viel zu wichtig, als dass ich mich damit zufrieden geben könnte, mithilfe von polemischen und aus meiner Sicht völlig übertriebenen Forderungen hier Punkte machen zu wollen. Es geht um die Kinder und nicht darum, hier ein paar Akzente zu setzen. – Schönen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort bekommt die Abgeordnete Goetsch.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Kausch, es sind immer so schöne Worthülsen zu sagen, man meint es mit den Kindern ernst, aber dann sollten Sie auch Ihre Rede mit weniger Plattheiten füttern. Frau Senatorin Schnieber-Jastram, Sie verstricken sich schon in Widersprüche, wenn Sie einerseits noch vor einigen Wochen dem Bezirksamtsleiter einen Maulkorb gegeben haben und ihn jetzt in die Verantwortung nehmen wollen.

(Petra Brinkmann SPD: Ja!)

Ich möchte gerne Mäuschen spielen, wie Sie das Herrn Fuchs erklären wollen.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Wenn man mit Hotlines und Internet in Sachen Kinderschutz kommt, dann ist das natürlich ein Ablenken vom langen Weg des Versagens, den Sie gegangen sind; da müssen wir nur Ihre Reden der letzten Wochen nachlesen.

Ich möchte mich jetzt einmal auf die fachliche Ebene begeben und da haben Sie, Frau Senatorin, leider nichts dazugelernt, weil der Senat einfach nicht mehr das kleine Einmaleins der Kinder- und Jugendhilfe beherrscht.

Die Jugendhilfe ist seit 2001 nicht mehr weiterentwickelt, sondern eher abgewickelt worden. Es findet keine konzeptionelle Weiterentwicklung mehr statt, geschweige denn eine Vernetzung bestehender Angebote. Was ist denn mit den Schnittstellenprojekten passiert, die in Richtung Verbesserung gegangen sind? Was ist denn mit den Modellprojekten zur familiären Krisenintervention passiert, die es in verschiedensten Stadtteilen gegeben hat? Warum haben Sie, Frau Schnieber-Jastram, das Berichtswesen abgeschafft? 1997 gab es den letzten Kinder- und Jugendbericht, der immer über einen Zeitraum

von sechs Jahren berichtet. Dieses Berichtswesen haben Sie genauso abgeschafft wie das Berichtswesen über die Armut. Das muss aber Basis für die Weiterentwicklung fachlicher Art sein. Wie wollen Sie denn eine solide Arbeit machen, wenn Sie keine qualitative Datenbasis haben, wie soll da Jugendhilfe optimiert werden?

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Herr von Frankenberg, wenn Sie von Substanz sprechen, aber keine verlässlichen Daten und Fakten vorliegen, wo ist denn die Substanz in dieser Zeit gewesen? Insofern ist viel Symbolpolitik passiert, aber von Fachaufsicht habe ich in dieser Behörde nichts gesehen, geschweige denn von Führung. Sie müssen sich wirklich einmal die Jugendberichte der Vergangenheit anschauen. Da finden Sie alles, was man braucht, um dieses Behördenhandeln zu optimieren, das wir aufgrund der Expertenanhörung im Ausschuss "Vernachlässigte Kinder" gefordert haben. In den Jugendberichten der Vergangenheit wurde im Zusammenhang mit Armut immer der Mangel an sozialen Netzen mit dem Bedarf von Hilfsangeboten hervorgehoben und weiterentwickelt. Das fehlt bei Ihnen alles und so verwehren Sie den Familien die Zugänge zur Erziehungshilfe, zur Teilhabe an unserem Gemeinwesen. Ich habe die große Befürchtung, dass dieser Senat Hamburg in eine so soziale Schieflage bringt, dass wir die Folgen für den sozialen Zusammenhalt unseres Gemeinwesens gar nicht mehr absehen können.

Es ist klar, dass wir Ganztagesplätze in der Kita, in der Schule brauchen, all diese übergeordneten strukturellen Angebote, aber wir brauchen ebenfalls – und da mangelt es und da haben Sie uns keine Antworten geben können – verbindliche Standards für das Behördenhandeln. Geld allein ersetzt keine vernetzten Strukturen und bei der Vielschichtigkeit der Ursachen müssen die Hilfsangebote vernünftig angelegt werden, damit sie proaktiver werden. Irgendjemand sprach eben schon davon, dass man wieder zur aufsuchenden Sozialarbeit zurückkehren müsste.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD)

Sie werden sich vielleicht noch daran erinnern, dass es Zeiten gab, wo eine Sozialarbeiterin wusste, wie es in ihrem Straßenzug in den Haushalten und Familien aussah.

(Wolfhard Ploog CDU: Die hat doch Rotgrün vor Jahren längst abgeschafft!)

Aber Sie müssen auch die personellen Möglichkeiten schaffen. Ich glaube nicht, dass das, was uns eben gesagt wurde, ausreicht, weil es nicht mehr auf einer fachlichen Debatte in der Behörde beruht. Die Fachdebatte über Kinder- und Jugendhilfe ist seit 2001 in Hamburg beendet worden; das ist das Drama für unsere Kinder und Jugendlichen.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Wir Grüne wollen ein Netzwerk Kindeswohl, das haben wir schon in vielen Reden gefordert. Aber für dieses Netzwerk muss das Rad nicht neu erfunden werden. Die Konzepte liegen in der Schublade oder werden in allen möglichen Modellprojekten, die noch laufen, erprobt. Sie müssen sie wieder auf den Tisch bringen, Sie müssen sie zusammenführen. Was der Stadt und den Kindern fehlt, ist diese Zusammenführung der Regel- und Projektförderung.

Ich komme zum Schluss. Letztendlich, Herr Bürgermeister, sind Sie verantwortlich. Sie haben bisher nur ein paar warme Worte gesagt, aber Ihre Behörde und Ihre Senatorin nicht dahingehend gebracht, dass sie wirklich wieder Fachaufsicht und Führung beweist. – Danke.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Das Wort erhält der Erste Bürgermeister.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Im Großen und Ganzen bin ich zunächst sehr dankbar, dass diese Debatte in erheblich ruhigerer und, wie ich finde, sachlicherer und angemessenerer Form stattfindet, als wir es in den vergangenen Wochen zu diesem Thema erlebt haben – mit einer Ausnahme. Ich finde es geschmacklos, den Tod von Kindern politisch zu instrumentalisieren und ihn der Senatorin indirekt vorzuwerfen, Herr Kollege Kienscherf. Das tut man einfach nicht, das ist geschmacklos.

(Beifall bei der CDU)