Protokoll der Sitzung vom 10.05.2006

Das müssten Sie tun. Sie messen mit zweierlei Maß und das, meine sehr verehrten Damen und Herren von der Opposition, ist in höchstem Maße unredlich. Das nenne ich Missbrauch und damit tun Sie genau das, was Sie uns vorwerfen.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort bekommt die Abgeordnete Goetsch.

(Dr. Willfried Maier GAL: Das war keine Rede, das war Gehoppel!)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Jäger, Sie haben dazu beigetragen, dass man erst recht dafür plädieren muss, dass sich die Bürger ihre Abgeordneten selbst auswählen. Der eine hat das Thema verfehlt, der andere hat seinen Leistungskurs nicht besucht. Das spricht nur dafür.

Aber am meisten an der ganzen Debatte ärgert mich, dass Sie hier eine Skrupellosigkeit an den Tag legen und immer dreister werden in Ihren Argumentationen.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD)

Sie sind nicht nur Wiederholungstäter, sondern inzwischen zum Intensivtäter in Sachen Machtmissbrauch und Missbrauch der demokratischen Spielregeln geworden. Ihr Gedächtnis haben Sie sowieso an der Garderobe abgegeben. Ich erinnere Sie ganz bewusst noch einmal an den LBK-Verkauf, Herr Mattner, und das kann man nicht oft genug tun; wir hatten uns damals schon bitter getäuscht. Die CDU-Fraktion, der CDU-Senat haben kaltlächelnd die Mehrheit der Wählerinnen und Wähler übergangen, aber Sie setzen wohl auf die Vergesslichkeit der Wähler. Beim Wahlrecht ist es jetzt dasselbe Spiel. Demokratische Spielregeln gelten anscheinend nicht für absolute Mehrheiten. Mit durchsichtigen Argumenten ziehen Sie zu Ihrem Vorteil die Gesetzesänderung durch und hier von Modifizierung zu reden, ist schon mehr als zynisch. Ich bin immer wieder überrascht, wie der Bürgermeister sich da heraushält und frage mich, wo denn seine demokratischen Grundsätze bleiben. Vielleicht haben Sie die auch an der Garderobe abgegeben, Herr von Beust. Was muss jemand denken – im Publikum ist bestimmt der eine oder andere dabei –, der sich für die direkte Demokratie engagiert hat, der vielleicht sogar Unterschriften gesammelt und das Verfahren bis zum Volksentscheid mitgemacht hat, wenn Sie das einfach so einkassieren? Man fühlt sich doch auf den Arm genommen, wenn man sich als Hamburgerin und Hamburger in den letzten Jahren für diese Art der direkten Demokratie zur parlamentarischen Demokratie entschieden hat. Dann kommt tatsächlich das durch, was eben schon von einer meiner Vorrednerinnen angedeutet wurde: Die da oben machen sowieso, was sie wollen. Zwei Drittel der Hamburgerinnen und Hamburger haben sich für dieses neue Wahlrecht entschieden und da können Sie doch nicht sagen, was schert mich Mehrheit und Demokratie. Das ist ein politischer Dammbruch, den Sie sich da erlauben.

(Beifall bei der GAL und der SPD und Zurufe von der CDU)

Brüllen Sie nicht so herum, Herr Voet van Vormizeele. Sie tun es trotzdem und können es natürlich auch. Damit zementieren Sie das Urteil über absolute Mehrheiten: Absolute Mehrheiten sind gefährlich für die Demokratie. Das ist ein ziemlich riskanter Stil Ihrer Fraktion und da wollen Sie Hamburg-Partei werden. Daran kann man nicht glauben, wenn Sie Ihre Vorbildfunktion aufgeben, wenn Sie Ihre Verantwortung abgeben und wenn Sie vor allen Dingen Politikverdrossenheit und Resignation produzieren.

Meine Damen und Herren von der CDU! Wovor haben Sie eigentlich Angst?

(Barbara Ahrons CDU: Nicht vor Ihnen!)

Probieren Sie doch wenigstens einmal dieses neue Wahlrecht aus, das sich die Hamburgerinnen und Hamburger gegeben haben.

(Klaus-Peter Hesse CDU: Wir sind doch nicht im Kindergarten!)

Das wäre doch die Lösung. Sie schicken alle Leute, die sich für die direkte Demokratie engagiert haben, wieder zurück auf Los und das Spiel ist erst mal aus. Besser wäre es, wenn Sie zurück auf Los gingen oder noch besser: Sie setzen mal eine ganze Runde aus

(Beifall bei der GAL und der SPD)

und denken erst einmal darüber nach und dann können Sie wieder starten. – Danke.

(Beifall bei der GAL und der SPD – Klaus-Peter Hesse CDU: Das darf doch nicht wahr sein!)

Das Wort bekommt der Abgeordnete Grund.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die CDU behauptet von sich, eine Volkspartei zu sein und hat die letzte Koalition unter dem Namen geführt, es sei eine bürgerliche. Seit dieses Gesetz existiert, hat diese Regierung unter der Führung von Ole von Beust auf der bezirklichen Ebene mehrere Bürgerbegehren schlicht weggestimmt und niedermanipuliert,

(Bernd Reinert CDU: Was?)

in Altona im Zusammenhang mit der Stresemannstraße – das Thema Bismarckbad ist noch gar nicht alt – und zwei Vorfälle bereits in Wandsbek.

Der Volkswille zum Landesbetrieb Krankenhäuser wurde durch diese Regierung mit Füßen getreten. Die betriebliche Mitbestimmung am Beispiel des Personalvertretungsrechts für die Beschäftigten im öffentlichen Dienst wurde demontiert, anders kann man das gar nicht sagen. Das ist nicht reformiert, sondern demontiert.

(Beifall bei der SPD)

Und nun der Gipfel: Das Wahlrecht, vom Volk mehrheitlich so bestimmt, wird verbogen, bevor es überhaupt in der Lage ist, sich zu bewähren. Es wird durch diese Regierungsmehrheit hinweggetrickst. Eine Partei, die von sich behauptet, bürgerlich zu sein, muss sich für diese Vorgänge schämen; anders kann man das nicht sagen.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Die CDU ist jedenfalls auf dem besten Weg, die Fähigkeit, von sich als Volkspartei zu sprechen, zu verlieren.

(Klaus-Peter Hesse CDU: Machen Sie sich mal keine Sorgen um unsere Partei!)

Es gibt viele von Ihnen – das wissen wir –, die sagen, da müssen wir durch, wir nehmen den Ärger auf uns, es ist notwendig wegen der Parteiräson; das wird sich bitter rächen.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Das Wort bekommt der Abgeordnete Dr. Langhein.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Das Wahlrecht gehört zu den originären Aufgaben, die der Gesetzgeber zu bestimmen hat. Es ist völlig legitim, wenn Abgeordnete und Fraktionen sich über das Wahlrecht Gedanken machen und im demokratischen Diskurs als Gesetz festlegen.

(Beifall bei der CDU)

Auch das derzeit gültige Wahlrecht hat sich den Fragen und Gedanken von frei gewählten Abgeordneten in diesem Parlament zu stellen. Dies ist kein Missbrauch, sondern primäre Aufgabe der Abgeordneten in diesem Hause. Es gibt keinen Grundsatz, der besagen würde, das derzeit gültige Wahlrecht sei das einzig richtige und mögliche. Es unterliegt auch der Prüfung, der sich die CDU-Fraktion angenommen hat.

(Beifall bei der CDU)

Meinungen zum Wahlrecht müssen erlaubt sein. Sie als Schlag gegen das Volk oder als Missbrauch zu bezeichnen, hat wenig – wenn nicht gar nichts – mit parlamentarischer Demokratie zu tun.

(Beifall bei der CDU – Gesine Dräger SPD: Mei- nungen sind erlaubt!)

Demokratie lebt von der Fähigkeit, einen Kompromiss zu erzielen.

(Dr. Andrea Hilgers SPD: Ja! – Manuel Sarrazin GAL: Ja, eben!)

Das derzeit gültige Wahlrecht spiegelt nur eine Meinung zum Wahlrecht wieder und nicht die einzige. So ist die Kopplung der Bezirksversammlungswahl mit der Wahl zum Europäischen Parlament verfassungsrechtlich problematisch, denn was passiert, wenn sich das Europaparlament auflöst? Dies kann nicht zur Folge haben, dass damit zugleich die Bezirksparlamente aufgelöst sind. Auch das Überlassen des Rechts zur Bildung von Wahlkreisen durch die Bezirksversammlung ist verfassungsrechtlich problematisch, denn nur der Gesetzgeber ist dazu legitimiert, das Wahlrecht auszugestalten.

Wenn aber nun – wie man sieht – Fehler im derzeitigen Wahlrecht vorhanden sind, kann kein vernünftiger Mensch es bei solchen Fehlern belassen. Auch die Opposition ist dazu aufgerufen, solche Fehler zu beseitigen. Die weiteren Änderungsvorschläge der CDU-Fraktion zum derzeitigen Wahlrecht führen zu mehr Übersichtlichkeit und Vereinfachung.

(Vizepräsidentin Bettina Bliebenich übernimmt den Vorsitz.)

Ein komplizierteres Wahlrecht ist nicht demokratischer, weil es kompliziert ist, als ein übersichtliches und etwas einfacher ausgestaltetes Wahlrecht, das die CDU-Frak

tion nun nach langer Diskussion vorschlägt. Es ist doch unbestreitbar, dass das derzeitige Wahlrecht sehr kompliziert ist und einem intellektuellen Systemdenken entspricht, das nicht zwingend zu mehr Demokratie führt.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

Um mit den Worten des Altkanzlers Helmut Schmidt zu sprechen: Die intellektuellen Spinner sind nicht die Einzigen, die den Anspruch auf die Richtigkeit ihrer Antworten auf Fragen zu bestimmten Problemen haben.

(Beifall bei der CDU – Jens Kerstan GAL: Sie hal- ten die Mehrheit des Volkes also für intellektuelle Spinner?)

Die CDU-Fraktion knüpft mit ihren Verbesserungsvorschlägen an das derzeitige Wahlrecht an und lässt es in seinem Kernbereich unangetastet. Ob dies bei der praktischen Durchführung dieses realitätsangepassten Wahlrechts ausreicht, ist in der nächsten Wahlperiode zu überprüfen. Die CDU-Fraktion wird nicht ein fehlerhaftes, weil verfassungsrechtlich unzulässiges Wahlrecht zur Anwendung kommen lassen. Als Regierungsfraktion kann sie dies auch nicht verantworten. Nur die Opposition versperrt sich einer undogmatischen Überprüfung des derzeitigen Wahlrechts, was aber keineswegs konstruktiv ist. Ich rufe Sie also auf, sich inhaltlich mit den Vorschlägen der CDU-Fraktion zum derzeitigen Wahlrecht auseinanderzusetzen und nicht mit Schlagworten diesen Kernbereich parlamentarischer Tätigkeit zu untergraben.

(Beifall bei der CDU)