Wer möchte Ziffer 4 seine Zustimmung geben? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Auch das war einstimmig.
Wer möchte Ziffer 5 annehmen? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Das ist mit großer Mehrheit angenommen.
Wer stimmt Ziffer 6 zu? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Das war einstimmig bei einigen Enthaltungen.
Ich rufe Punkt 49 auf, Drucksache 18/4187, Antrag der SPD-Fraktion: Geschichtswerkstätten sichern – lebendige Bürgerkultur fördern!
[Antrag der Fraktion der SPD: Geschichtswerkstätten sichern – lebendige Bürgerkultur fördern! – Drucksache 18/4187 –]
Diese Drucksache möchte die GAL-Fraktion an den Kulturausschuss überweisen. Wer wünscht das Wort? Frau Fiedler, bitte.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Metropole Hamburg ist nicht nur dort, wo die großen Schiffe anlegen und die Leuchttürme leuchten, sondern die Stadt ist für uns vor allem da, wo die meisten Menschen wohnen. Auf ihrer Geschichte und ihren Geschichten gründet ihr historischer und kultureller Reichtum. Es ist für mich daher eine wahre patriotische Aufgabe, wenn sich Bürgerinnen und Bürger ehrenamtlich in Geschichtswerkstätten und Stadtteilarchiven der Geschichten ihres Stadtteils annehmen und widmen.
In jahrelangen akribischen Recherchen erforschen, dokumentieren und bewahren sie die Geschichte der Quartiere, indem sie eine Fülle an Material und mündlicher Überlieferung zusammentragen und dadurch das Vergessene und Vergangene wieder erstehen lassen. Die Lateiner sagten dazu: per aspera ad lucem, von unten nach oben ans Licht. Diese Geschichten sind zwar keine Heldengeschichten, sie erzählen vielmehr vom Leben der einfachen Menschen, aber gerade das Unspektakuläre, das Verborgene, das Gewöhnliche macht diese Stadt unverwechselbar.
Heute ist dank dieser Arbeit unser Bild von Hamburg, von seinen Menschen und ihrer Geschichte differenzierter und vielfältiger denn je. In der Großen Anfrage "Erinnern statt vergessen", 60 Jahre nach Kriegsende, wird auf eindrucksvolle Weise ihr Beitrag zur Erinnerungskultur dieser Stadt dokumentiert. Gerade diese Ergebnisse machen es für Schulen unverzichtbar, vor Ort auf historische Quellen zurückgreifen zu können.
Ich möchte deswegen an dieser Stelle ein paar Beispiele nennen, stellvertretend natürlich für alle 14 Geschichtswerkstätten in dieser Stadt. Ich nenne die eindrucksvolle Ausstellung zum Feuersturm 1943, die die Geschichtswerkstatt Hamm erarbeitet hat und die auch in diesem Hause gezeigt worden ist. Ich nenne eine ganze Reihe von Buchveröffentlichungen der Galerie Morgenland in Eimsbüttel, die Maßstäbe der Sozialgeschichtsschreibung des Dritten Reiches und der Nachkriegszeit gesetzt hat. Ich nenne Migrationsgeschichte, die in Wilhelmsburg mit dem Projekt "Wilhelmsburg – Williamsburg" aufgearbeitet wurde. Bei diesem Projekt wurden Theater und Literatur als Mittel der historischen Aufarbeitung genutzt. Daraus wurde schließlich in Kooperation mit dem Gymnasium Kirchdorf/Wilhelmsburg ein Theaterstück erarbeitet, dessen Aufführung sowohl auf der Veddel als auch in New York – auf Einladung der dortigen deutschen Gemeinde – Furore gemacht hat. Hier zeigt sich, wie Erinnerungskultur eine Quelle der Auseinandersetzung mit unserer Gegenwart sein kann. Es zeigt aber auch, wie wichtig Geschichtswerkstätten als außerschulische Kooperationspartner und Orte des Lernens sind.
Unser Antrag hat heute zum Ziel, diese wertvollen Hamburger Institutionen zu erhalten, und zwar in vollem Umfang. Der erste Senat unter Bürgermeister von Beust hat die Zuwendungen für die Geschichtswerkstätten um 139 000 Euro gekürzt und das ist ein Minus von 25 Prozent. Der Senat hatte sogar einen totalen Kahlschlag beschlossen. Wir wissen alle in diesem Haus, wie sehr diese Stadt aufgestanden ist,
wie massiv diese Proteste von allen Seiten gekommen sind, auch von Ihrer Seite, aus allen Verbänden und deswegen ist uns dieser Kahlschlag erspart geblieben. Nach dem Motto "Vogel friss oder stirb" haben die Geschichtswerkstätten die Kürzungen als Herausforderung annehmen müssen und angenommen und mit großem Engagement versucht, die drastischen Verschlechterungen ihrer Arbeitsbedingungen zu kompensieren.
Der Bestand der Geschichtswerkstätten ist jedoch strukturell nicht gesichert. Viele Vorhaben mussten zeitlich gestreckt, neue Projekte verschoben oder aufgegeben werden, weil einfach keine Kapazitäten vorhanden sind. Wir hatten im Kulturausschuss dazu eine Anhörung. Im Protokoll ist nachzulesen, dass die Vertreter der Behörde von Stellenreduzierungen, Entlassungen, demotivierten Ehrenamtlichen und kürzeren Öffnungszeiten berichten mussten. Das bedeutet, weniger Kultur für die Stadtteile in dieser Stadt, weniger Kultur für die Menschen vor Ort.
Aufgrund der drastischen Kürzungen mussten die Kooperationen mit Schulen, zum Beispiel in Ottensen, aufgege
ben werden und das ist schon skandalös, wenn wir die ganze Zeit darüber diskutieren, wie wir bessere Schulen schaffen können, wie wir uns vernetzen können mit den Einrichtungen in den Stadtteilen und dann haben wir so eine wunderbare Geschichtswerkstatt und diese muss geschlossen werden, weil die Kapazitäten nicht ausreichen.
Es reichen auch keine Wunderformeln wie die Optimierung der Zusammenarbeit mit Schulen, die der Senat einforderte, was wir im Ausschuss gehört haben und im Protokoll zu lesen war. Ohne zusätzliche Ressourcen, Frau Senatorin, wird es wohl nicht gehen. Schließlich können sich Stadtteile wie Wilhelmsburg oder Bramfeld, in denen eine chronische Unterversorgung der kulturellen Institution vorhanden ist, wie Sie alle wissen, weniger auf die so genannten Synergieeffekte berufen, denn wo nichts ist, kann auch nicht fusioniert werden. Also gilt auch dieser Aspekt Fusionierung der Synergieeffekte nur für Stadtteile, in denen mehrere kulturelle Einrichtungen vorhanden sind.
Meine Damen und Herren! Wir beantragen deswegen für das laufende Jahr, die Kürzungen von 139 000 Euro rückgängig zu machen und dafür nicht verwendete Mittel aus den Töpfen für Kinder- und Jugendkultur sowie besondere Kulturförderung zu verwenden. Natürlich reicht es nicht, nur zu sagen, es soll mehr Geld regnen. Die Kultursenatorin verweist oft – ich finde auch zu Recht – auf erfolgreiche Projekte privater Kulturförderung, auf die so genannten Sponsoren. Unser Antrag enthält daher als zweites Petitum das Ersuchen, einen Leitfaden für kleinere Kultureinrichtungen in den Stadtteilen zu entwickeln, für kleine Oasen, für kleine Bausteine der menschlichen Qualität vor Ort. Dieser Leitfaden soll eine Art Lotse für das Akquirieren von Sponsoren werden. Statt die Geschichtswerkstätten mit Lippenbekenntnissen abzuspeisen, sollte ihnen jetzt und heute geholfen werden. Vollkommen unverständlich ist jedenfalls, dass die Regierungsfraktion trotz der Fülle an positiven Fakten nicht einmal im Ausschuss darüber reden will, wie denn den Geschichtswerkstätten substanziell, und zwar mit Ressourcen, geholfen werden kann. Das finde ich in Anbetracht der Tatsache, dass es sich hier um eine richtige Hamburgensie handelt, wirklich schade. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wenn Frau Fiedler eben die Arbeit der Geschichtswerkstätten gewürdigt hat, so kann ich ihr nur zustimmen; die Meinung vertritt unsere Fraktion auch. Wenn aber die SPD in ihrem Antrag dem Senat unterstellt, dass er kein Interesse an der Arbeit der Geschichtswerkstätten habe und wenn ferner unterstellt wird, dass er diesen Werkstätten jegliche Unterstützung versage, dann sind beide Aussagen falsch.
Immerhin wird im Antrag nicht unerwähnt gelassen, dass im Haushalt 400 000 Euro für die Geschichtswerkstätten bereitgestellt worden sind, eine Zahl, die nicht gerade Kleingeld darstellt. Eine Erhöhung dieses Betrags nun
durch Heranziehung von vorhandenen Haushaltsresten zu erreichen, verehrte Frau Fiedler, ist schlicht illusorisch,
denn Reste stehen nach der Ihnen allen bekannten Landeshaushaltsordnung nicht zur beliebigen Zweckbestimmung zur Verfügung, sondern nur für ihren ursprünglichen Bestimmungszweck. Wenn Sie Ihren Kollegen, Herrn Zuckerer, gefragt hätten, hätte der Ihnen das sagen können, der ist in diesen Dingen ein ausgesprochener Fachmann.
Richtig! – Die im Antrag genannten Reste bei beiden Titeln werden aber wie geplant benötigt und sind wegen längerfristiger Planung auch nicht disponibel.
Was die SPD in ihrem Antrag aber unerwähnt lässt, sind die vielfältigen Aktivitäten, mit denen die Kulturbehörde die Geschichtswerkstätten bei ihren wichtigen Aufgaben berät, fördert und unterstützt. So fördert die Kulturbehörde zum Beispiel den Landesverband Soziokultur, in dem die Geschichtswerkstätten zusammen mit anderen kleineren Kultureinrichtungen in hohem Maße organisiert sind. Dieser Verband erfüllt seine Aufgabe, über Förderungsperspektiven zu informieren und zu beraten, nach meiner Kenntnis zu voller Zufriedenheit. Zusätzlich informiert der Fachreferent der Kulturbehörde in den Arbeitstreffen mit den Geschichtswerkstätten regelmäßig über aktuelle Fördermöglichkeiten und berät auch einzelne Projekte in ihrer Entwicklung. Darüber hinaus werden entsprechende Informationen und Hinweise auch in der Fachinformation "Querlight" regelmäßig veröffentlicht und auch das wird von der Kulturbehörde gefördert.
Deswegen ist ein zusätzlicher Leitfaden, wie er hier zur Unterstützung kleinerer Kultureinrichtungen gefordert wird, völlig überflüssig und eine unnötige Geldausgabe, weil es eine ausreichende Menge an Beratungsliteratur auf dem Markt gibt. Viel wichtiger ist aus meiner Sicht eine auf den Einzelfall zielende qualifizierte Beratung, wie sie in der Praxis von der Kulturbehörde ausgeübt wird.
Auf Initiative der Kulturbehörde wird ferner im Kinder- und Jugendkulturbereich ein monatlicher Newsletter erstellt – auch das dürfte nicht unbekannt sein –, den alle Initiativen kostenlos abonnieren können.
Eine Datenbank – auch darüber ist schon gesprochen worden – mit Anbietern kultureller Projektarbeit für Kinder und Jugendliche wurde in Kooperation zwischen Kulturbehörde, Bildungsbehörde und dem Kinder- und Jugendkulturverein installiert und erfreut sich großer Beliebtheit. Ich empfehle Ihnen, einen Blick dort hineinzuwerfen. Die Adresse lautet: www.kulturnetz.hamburg.de.
Aus all den genannten Gründen – das ist genau der Punkt zwei des SPD-Antrags – kann dieser Antrag nur abgelehnt werden. Die Geschichtswerkstätten können
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich finde zunächst einmal, dass diese Geschichtswerkstätten eine ganz erstaunliche Erfolgsgeschichte sind. Man muss sich vergegenwärtigen, dass sie mit äußerstem Misstrauen betrachtet wurden, als das vor etwa 25 Jahren losging, denn sie waren aus dem Motiv heraus in Gang gekommen, die Geschichte von Verfolgung, von Widerstand während des Dritten Reiches und von Erfahrungen des Krieges abzurufen, da das in unserer Gesellschaft verdrängt wurde. Sie entstanden in dem Moment, in dem diese Erinnerungen gerade noch mündlich abrufbar waren, weil die Vertreter dieser Generation allmählich verschwanden und deswegen die große Bedeutung hatten, mündliche Erzählungen zu sammeln, Oral History zu betreiben.