Protokoll der Sitzung vom 11.12.2006

Allein ein Blick in die HafenCity ist doch aufschlussreich. Dort hätte man die einmalige Chance, in einem neuen Stadtviertel moderne Verkehrskonzepte zu etablieren. Was machen Sie? Sie planen kaum sichtbare Schmalspurfahrradwege, die so unsicher und unfallträchtig sind, dass sogar die Polizei sagt, dass sie hier die Benutzungspflicht aufheben wird. Sie planen zwei U-BahnStationen für viel Geld, das gereicht hätte, um den Einstieg in eine moderne Stadtbahn voranzutreiben.

Was macht der Senat weiter? Er fährt ein volles Programm zur Autobeschleunigung. Er diskriminiert die Fußgänger durch die Bettelampeln. Er stampft – ich bin immer noch in der ersten Phase Ihrer Zeit – für Jahre das Geld für Radwege auf ein Minimum ein. Das ist unverantwortlich und ist eine Verkehrspolitik sowie vor allen Dingen das Denken von vorgestern.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD)

Soweit erst einmal die Zeit des Durchregierens mit absoluter Mehrheit, bequem und brachial. Aber wenn es dem Esel zu wohl wird, geht er aufs Eis. Das kennen wir. Was wir nun in der zweiten Phase der Legislatur erleben können, ist sehr interessant, denn plötzlich bröckelt es dann

doch an allen Ecken und Enden. Fangen wir bei Ihrem Personal an, Herr von Beust.

Nehmen wir als erstes Ihren Justizsenator, Herrn Kusch, den Sie ursprünglich angeworben hatten, um bei der öffentlichen Sicherheit mehr Profil zu zeigen. Das hatte er dann auch zur Genüge getan. So viel Profil war manchmal in einem Mann kaum unterzubringen. Interessanterweise haben Sie ihn letztendlich nicht entlassen, weil die Grundzüge seiner Politik unerträglich waren, also nicht aus inhaltlichen Gründen, sondern weil er sehr viel schlechte Presse bekommen hat.

Oder nehmen wir Ihre Sozialsenatorin, die leider noch nicht entlassen ist.

(Zurufe von der SPD)

Sie hat aber jetzt immerhin einen neuen Staatsrat, damit einer im Hause Bescheid weiß, denn sie selbst bekommt leider immer so wenig mit.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD)

Aber mit dieser Thematik beschäftigen sich inzwischen zwei PUAs. Hier kann man hoffen, dass wir bald mehr wissen.

(Barbara Ahrons CDU: Beides Geldverschwen- dung!)

Ähnlich ist es bei der Schulsenatorin. Hier gab es gleich zwei neue Staatsräte. Vielleicht ist das auch das neue Senatsprogramm, schwache Senatoren durch starke Staatsräte zu stützen – von den Amtsleitern in der Schulbehörde ganz zu schweigen, die sich in dieser Legislatur munter die Klinke in die Hand geben –.

Nun, Herr von Beust, verlässt Sie auch noch Ihr Finanzsenator, der Kopf des Senats, wie man immer wieder geschrieben sehen kann. Das könnte dann ab Januar ein richtiges Problem werden, denn bekanntlich ist man kopflos auch eher richtungslos.

(Olaf Ohlsen CDU: Da machen Sie sich mal keine Gedanken!)

Auch Ihre fachlichen Fehler fallen Ihnen langsam auf die Füße. Manche sogar ständig, ob das nun in der Sozial-, Bildungs- oder in der Verkehrspolitik ist. Jetzt beginnen Sie hektisch mit weißer Kreide, kleine Reparaturmaßnamen vorzunehmen, die Sie dann als zukunftsweisendes Programm verkaufen. Hier sollen plötzlich benachteiligte Stadtteile, in denen Menschen besonders von Armut, Ausgrenzung und Arbeitslosigkeit betroffen sind, gefördert werden. Es ist schon ein bisschen zynisch, Herr Reinert, wenn Sie dann erzählen, dass die Anzahl der Betroffenen angeblich weniger wäre. Also, 2001 waren es 69 000 Menschen. Das sind viel zu viele. Jetzt sind es 100 000 Menschen. Hier von Erfolgen zu sprechen, ist wirklich nicht angebracht.

Nachdem Sie jahrelang die soziale Struktur in diesen Stadtteilen zerschlagen und die Ausgaben für die soziale Stadtteilentwicklung drastisch reduziert haben, fällt Ihnen nun auf, dass vielleicht ein Schaden entstanden sein könnte. Was machen Sie? Von 13 Stadtteilen nehmen Sie sich gerade einmal sechs heraus, die gefördert werden sollen, und zwar mit 100 Millionen Euro zusätzlich gestreckt auf die nächsten fünf Jahre. Wie großzügig!

Meine Damen und Herren von der CDU, Herr Schira, das wird bei weitem nicht reichen, um die von Ihnen angerichteten Schäden wieder zu beseitigen.

(Beifall bei der GAL und der SPD – Zurufe von der CDU)

Das kommt mir vor wie eine Art Feuerwehrpolitik, bei der Sie dann auch noch mit dem Wasser geizen.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Eine solche kleine Notreparatur reicht nicht, um die soziale Spaltung weiter zu verhindern. Hier müssen Sie ganz andere Zeichen setzen, nämlich Anhängen anstatt Abkoppeln und nicht nur Anhübschen und ein paar kleine Modellversuche.

Aber reparaturfreudig wird neuerdings auch Frau DingesDierig. Jetzt sollen die überfüllten Grundschulklassen plötzlich nicht mehr als 24 Kinder haben. Das wird dann noch als ein tolles Programm verkauft. Ich spreche jetzt von den Klassen, die Sie nachgebessert haben, neben denen in den sozialen Brennpunkten. Aber das ist Ihnen spät genug aufgefallen.

Unter Rotgrün hatte eine Grundschulklasse im Schnitt noch 23 Kinder. Sie haben die Klassengröße erst einmal auf 27 Kinder erhöht, teilweise – wie bekannt – sogar bis zu 30 Kinder. Jetzt werden aber diese Absenkungen nicht durch Einstellung von Lehrern durchgeführt, sondern man nimmt den Lehrern die Teilungsstunden weg. Hier wandert das Geld von der rechten in die linke Tasche. Was ist denn das für ein Erfolg?

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD)

Nun sollen die Vorschulklassen für benachteiligte Kinder wieder kostenfrei sein und das wird dann als tolles Programm gefeiert.

(Doris Mandel SPD: Ja, klasse!)

Dabei war die Vorschule unter Rotgrün immer kostenfrei. Das ist wirklich Augenwischerei.

(Beifall bei der GAL und der SPD – Zuruf von der CDU)

Also, mit seriöser Schulpolitik hat das schon lange nichts zu tun.

Wenn wir uns jetzt den Verkehrsbereich anschauen – Herr Hesse ist schon entschwunden, der seinen Radverkehr so preist – wurden zu rotgrünen Zeiten 4,4 Millionen Euro pro Jahr ausgegeben. Diesen Betrag haben Sie erst einmal auf einen Bruchteil reduziert und jetzt wird wieder ordentlich Geld hineingepumpt, aber trotzdem liegen die Ausgaben immer noch unterhalb der rotgrünen Regierungszeiten und das soll dann Ihr Fahrradprogramm sein. Meine Damen und Herren von der CDU, das ist noch nicht einmal ein Programm für Stützräder. Die armen Fahrradfahrer.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD)

Aber wissen Sie, was alle diese Beispiele deutlich machen? Sie reparieren nicht, weil Sie dazugelernt haben. Sie reparieren auch nicht, weil Sie einen Politikwechsel für Ihre falschen Ansätze vornehmen. Sie reparieren nicht inhaltlich, sondern Sie reparieren einzig und allein Ihr Image. Erst seitdem die Umfragen eingebrochen sind und Ihr Image deutliche Kratzer bekommen hat, machen Sie sich langsam Sorgen. Wie Herr von Beust so schön auf

der Klausurtagung hat durchblicken lassen – man könnte auch sagen – kokettiert hat, es geht darum, dass ein paar schöne Bilder in der Zeitung sind. Das, meine Damen und Herren von der CDU, ist nun wirklich die Entpolitisierung der Politik in Reinkultur. Das wollen wir nicht.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Die GAL-Fraktion will eine gute und vor allen Dingen eine solide finanzierte Politik machen. Hierfür haben wir die besseren Konzepte und einen Haushaltsleitantrag, der die Fragen der Zukunft für unsere Stadt beantwortet.

Wir wollen eine Bildungsoffensive für eine neue Hamburger Schule "Neun macht klug". Das ist eine Schule, die alle Kinder optimal und individuell fördert.

Wir wollen die kreativen Potenziale in der Stadt halten und in die Stadt holen. Wirtschaft, Wissenschaft und Kultur brauchen diese kreativen Köpfe.

Wir wollen den Klimaschutz fördern. Wir setzen auf regenerative Energien und Energieeffizienz, denn das ist der Arbeitsmarkt der Zukunft.

Wir wollen die soziale Stadt. Wir brauchen die Offensive gegen Ausgrenzung. Wir wollen ein Netzwerk Kindeswohl und eine Verknüpfung der Instrumente der aktiven Arbeitsmarktpolitik mit sozialer Stadtentwicklung.

Wir müssen und wollen die Einwanderungsstadt gestalten sowie die Interkulturalität voranbringen. Formelvielfalt lautet hier unser Konzept.

Wir wollen gerade in den Bildungsberufen den Anteil von Migranten erhöhen und wir wollen die Stadt bewegen. Entspannt mobil lautet unser Verkehrskonzept der Zukunft mit einer Umweltzone in der Innenstadt.

Zu allen diesen Punkten hat meine Fraktion, auf die ich stolz bin, gute Konzepte erarbeitet und solide durchfinanziert. Herr von Beust, sorgen Sie sich weiter um Ihr Image. Solange schöne Bilder von Ihnen in der Zeitung sind, brauchen wir uns keine großen Sorgen zu machen. Die GAL-Fraktion entwickelt weiter ihr Leitbild der kreativen Stadt.

(Lars Dietrich CDU: Sie sind ja nur neidisch!)

Sie reparieren und wir haben die Konzepte der Zukunft für Hamburg. – Vielen Dank.

(Lang anhaltender Beifall bei der GAL und verein- zelt bei der SPD)

Das Wort bekommt der Erste Bürgermeister.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Bevor ich auf die Haushaltsdebatte und die bisherigen Redebeiträge beziehungsweise auf dieses Thema selbst eingehe, erlauben Sie mir, kurz etwas zu der aktuellen Diskussion zu sagen, die am Wochenende – wie ich glaube – viele Hamburgerinnen und Hamburger besorgt gemacht hat. Ich glaube, es schmerzt uns alle, dass unsere Stadt wieder einmal wegen terroristischer Aktivitäten beziehungsweise internationaler Kriminalität ins Gerede gekommen ist.

(Christian Maaß GAL: Terrornetz hätte Herr Schill gesagt!)