Protokoll der Sitzung vom 11.12.2006

Der Senator kündigt vage an, man wolle einmal prüfen, ob vielleicht andere Bundesländer diese Haftplätze mieten wollen. Diese Idee ist schon mehrfach geprüft worden. Sie ist auch unrealistisch, weil die anderen Bundesländer natürlich nicht bereit wären, die Preise zu zahlen, für die es sich für Hamburg lohnen würde, diese Plätze vorzuhalten. Da werden andere Bundesländer eher an ihrer Überbelegung festhalten, als Hamburg genau die Kosten zu ersetzen, die durch den Betrieb dieser Anstalten entstehen.

Aber man muss es auch ganz deutlich sagen. Diese Situation ist das Verschulden der CDU-geführten Senate, nicht nur des jetzt ausgeschiedenen Senators, sondern auch das des Bürgermeisters und eines Finanzsenators, der eine derart fahrlässige Investitionsentscheidung wie den Bau von Billwerder II hat durchgehen lassen.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Hier wurden damals 30 Millionen regelrecht in den Sand gesetzt. Diese Entscheidung war schon damals auf eine absolut irrsinnige Prognose gestützt. Ich habe mir in den letzten Tagen gerade noch einmal die Drucksache zu Gemüte geführt.

Frau Spethmann, in der Drucksache steht sogar, dass die Gefangenenzahlen steigen werden, weil die Strafverfolgung intensiviert werden wird. Und Sie sagen jetzt das Gegenteil. Sie sollten sich einmal an die eigene Nase fassen, warum Sie damals diese Prognose nicht infrage gestellt haben. Tatsächlich ist es doch so – das sagen nun wirklich alle Menschen, die sich intensiver damit beschäftigen –, dass die Gefangenenzahlen weniger von solchen kurzfristigen Faktoren wie einer Intensivierung der Strafverfolgung oder etwa Veränderungen der Rechtsprechung beeinflusst werden, sondern dass die demografischen Faktoren entscheidend sind. Es ist nun einmal so – darüber kann man sich auch freuen –, dass ältere Menschen im Durchschnitt weniger delinquent sind als jüngere Menschen. Wenn die Gesellschaft altert, dann haben wir weniger Straftäter in den Haftanstalten sitzen. Das ist schön, dass es so ist, aber das ist keine neue Erkenntnis, sondern eine absehbare Erkenntnis.

Damals sind 384 zusätzliche Haftplätze geschaffen worden. Dass wir heute aufgrund der kontinuierlich sinkenden Gefangenenzahlen nicht noch einen viel größeren Leerstand haben, liegt nur daran, dass zwischenzeitlich drei Haftanstalten mit insgesamt 315 Haftplätzen geschlossen wurden, mit denen seinerzeit noch geplant worden ist. Diese Entscheidung hätte niemals durch einen Senat und durch eine Bürgerschaft gehen dürfen.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Man muss der Wahrheit jetzt ins Gesicht sehen. Wir müssen diese Überkapazitäten, die entstanden sind, abbauen. Wir schlagen vor, Teile von Haftanstalten zu schließen. Billiger wäre es gewesen, sie nicht zu bauen, aber wir meinen, es sollten jetzt Teile von Haftanstalten

geschlossen werden. Das Personal, das dort frei wird, sollte dann im Jugendvollzug eingesetzt werden, wo wir es dringend brauchen.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD)

Jetzt kommt der dritte Punkt, wo dringender Handlungsbedarf ist. Beide Vorredner haben das Thema angesprochen. Das sind die überlangen Verfahrenszeiten. Wir haben an den Sozialgerichten schon länger lange Verfahrenszeiten. Wir haben zum Beispiel in der Verwaltungsgerichtsbarkeit deutlich steigende Verfahrenszeiten – in erster Instanz 15 Monate, in zweiter Instanz 15 Monate. Wer also zum Beispiel eine Baugenehmigung oder eine Gewerbeerlaubnis – alle möglichen Dinge, die auch Grundlagen für wirtschaftliche Aktivität sind – erstreiten will und vielleicht auch durch zwei Instanzen muss, darf 30 Monate warten. Auch das ist verheerend.

Ich würde das gar nicht relativieren wollen, was Herr Klooß zu der Situation von Rechtssuchenden bei Sozialgerichten gesagt hat. Das ist mindestens so verheerend. Ich will es überhaupt nicht in Relation zueinander stellen, ich will nur deutlich machen, dass wir eine Situation haben, in der die Verfahrenszeiten steigen, obwohl die Eingangszahlen bei den Verwaltungsgerichten zurückgehen. Das sollte doch zu denken geben. Warum ist das so, dass die Verfahrenszeiten so deutlich steigen? Da ist dann auch die Frage: Was tut eigentlich ein Justizsenator in dieser Frage?

Wir können an dieser Stelle keine einzige Initiative sehen, die darauf gerichtet ist, die Verfahrenszeiten zu verkürzen. Es ist mitnichten so, dass man immer gleich zu mehr Personal greifen muss. Das ist gar nicht unbedingt notwendig. Sondern der rotgrüne Senat hat es seinerzeit vorgemacht und den Grundstein für eine grundlegende Modernisierung der Justiz gelegt, die auch sehr wirksam war, die natürlich – das ist absolut anzuerkennen – kontinuierlich fortgesetzt wird.

Aber wir brauchen auch weitere Initiativen. Es gibt eine Initiative, die sich in anderen Bundesländern sehr bewährt hat, und das ist die Einführung der gerichtlichen Mediation. Es ist kein neues Thema, aber ich muss es wiederholen, weil der Senator sich an dieser Stelle so dickfällig zeigt und auf ausdrückliche Nachfrage in den Haushaltsberatungen deutlich gemacht hat, dass es weiterhin keinerlei Initiative seitens der Justizbehörde geben wird, die gerichtliche Mediation an Hamburger Gerichten zu verstärken und auch regelhaft einzuführen.

Wir haben in anderen Bundesländern Modellversuche, die zeigen, dass die Entlastung bei bis zu 35 Prozent liegt, weil Richter in den Verfahren der gerichtlichen Mediation deutlich mehr Fälle erledigt bekommen, als in der streitigen Entscheidung. Selbst wenn sich die Zahlen im Durchschnitt niedriger darstellen sollten und wir am Ende vielleicht bei einer Entlastung von 20 Prozent landen, dann lohnt sich das sofort. Jeder Richter, den man für die gerichtliche Mediation ausbildet und dann dort einsetzt, lohnt sich unmittelbar für sämtliche Rechtsuchenden, weil eine Entlastung auch der streitigen Verfahren eintritt und wir eine Verkürzung der Verfahrenszeit bekommen können.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD)

Diese dringende Maßnahme müsste umgehend angegangen werden; der Senat zeigt sich hier dickfellig. Wir haben die Situation, dass mittlerweile sogar die Richter

an den Verwaltungs- und den Arbeitsgerichten zur Selbsthilfe greifen und auf eigene Initiative hin die gerichtliche Mediation eingeführt haben. Sie haben aus eigener Tasche 1000 Euro für die Fortbildung bezahlt und müssen selbst gestrickt auch die Werbung machen, damit die Rechtsuchenden überhaupt wissen, dass es so ein Angebot der Mediation gibt und was es damit auf sich hat.

Hier wäre es dringend erforderlich, dass der Senat das in die Hand nimmt, dass das regelhaft an den Gerichten eingeführt wird, dass Werbung gemacht wird, dass das genutzt wird und es auch als etwas Positives bei den Leuten wahrgenommen wird, die natürlich erst einmal mit gewissem Ärger zum Gericht laufen, dass sie dies als eine positive Alternative zur streitigen Entscheidung erleben. Die Mediation muss dringend nicht nur an den Fachgerichten eingeführt werden, sondern endlich auch in der Zivilgerichtsbarkeit.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD)

Herr Lüdemann, insgesamt besteht Fehlanzeige in vielen Bereichen, wo dringender Handlungsbedarf erforderlich ist. Ich kann Sie nur auffordern, Ihre phlegmatische Amtsführung aufzugeben, es wird Zeit.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD)

Das Wort erhält Senator Lüdemann.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Dr. Steffen, dafür, dass Sie eine angeschlagene Stimme haben, haben Sie ziemlich viel geredet.

(Kai Voet van Vormizeele CDU: Ganz wenig ge- sagt!)

Nur, bei dem vielen Reden haben Sie relativ wenig gesagt. Das hätte man auch mit weniger Worten sagen können.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren! Während der Haushaltsberatungen der Bürgerschaft spielen die Zahlen über die Entwicklung der Einzelpläne naturgemäß eine wesentliche Rolle. Deshalb möchte ich auch die Eckdaten kurz nennen. Wir haben zwar einen kleinen Haushalt mit nur vier Prozent, aber einen feinen. Die veranschlagten Einnahmen von rund 155 Millionen Euro im Jahr 2008 steigen aufgrund einmaliger Erlöse auf 158 Millionen Euro.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Langweilen Sie mich jetzt nicht mit Zahlen!)

Eigentlich, Herr Dr. Dressel, haben Sie recht. Ich habe gedacht, ich nerve Sie erst einmal ein bisschen mit Zahlen; also kommen wir gleich zum Wesentlichen.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Das ist immer eine gu- te Entscheidung! – Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Ich überblättere ein paar weitere Seiten.

(Glocke)

Herr Senator, darf ich Sie kurz unterbrechen? Ich wollte dem Abgeordneten Hesse noch einmal ins Gedächtnis rufen, dass das auch für Gespräche mit Staatsräten gilt.

Fahren Sie bitte fort.

Danke, Herr Präsident.

Herr Dr. Steffen, ich finde Ihre Reaktion nicht ganz fair. Wir haben im Rechtsausschuss vier Stunden beraten und in der Tat war ich bei einer Sitzung des Haushaltsausschusses nicht da. Ich habe es schon einmal erklärt. Ich muss meinen Urlaub sehr langfristig planen und hatte die eine Woche geplant. Wenn dann der Haushaltsausschuss den Termin sehr kurzfristig eine Woche nach hinten verlegt, nämlich genau in meinen Urlaub hinein, und ich Ihnen vorher noch sage, dass ich verreist bin

(Dr. Andreas Dressel SPD: Entschuldigung, dass wir Sie nicht gefragt haben!)

und Sie die Umstände kennen, dann ist es nicht ganz fair, mir hier vorzuhalten, ich hätte keine Arbeitsmoral; das ist kein fairer Umgang.

(Beifall bei der CDU)

Sie haben sich beklagt und gesagt, es wären zu wenig Akzente im Justizhaushalt, was die anstehenden Aufgaben angehe. Dazu muss man sagen, dass 60 Prozent der veranschlagten Ausgaben zur Finanzierung der Gerichte aufgewandt werden und in dem Bereich wollen Sie ja nicht unbedingt viel ändern. Unter Einbeziehung der Staatsanwaltschaften sind sogar zwei Drittel der Mittel fest verplant.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Mal die Verfahren be- schleunigen! Wie wär's damit?)

Wie Sie wissen, ist die dritte Staatsgewalt bekanntermaßen nur Recht und Gesetz unterworfen – dazu sage ich gleich noch etwas – und auch die Gesetzgebungskompetenz ist nach der Föderalismusreform nicht auf die Länder übergegangen, sie bleibt weiter beim Bund. Wir arbeiten sehr intensiv mit den Kollegen Justizministern an einer Justizreform, aber dazu brauchen wir immer einen Kompromiss und die Beteiligung der anderen Bundesländer und des Bundestages.

Wo wir Gestaltungsspielräume haben, haben wir in den letzten Jahren massiv gearbeitet. So hat Hamburg im Jahr 2005 mit rund 500 000 Straftaten den bisher niedrigsten Stand der Kriminalitätsbelastung seit 1984 erreicht.

(Viviane Spethmann CDU: Hört, hört!)

Zugleich ist die Zahl der Anklagen durch die Staatsanwaltschaft und die Zahl der Verurteilungen durch die Gerichte angestiegen. Während es im Jahr 2000 rund 20 000 Verurteilungen gab, ist die Zahl im Jahre 2005 auf rund 25 000 Verurteilungen angestiegen und das bei gleichzeitig rückläufiger Kriminalität. Im Übrigen – wir haben es vorhin bei der Generaldebatte auch schon gehört – führt das dazu, dass das Thema Innere Sicherheit in Hamburg Gott sei Dank nicht mehr das Thema ist, über das wir uns ständig unterhalten müssen.

(Beifall bei der CDU – Dr. Andreas Dressel SPD: Da braucht man ja nur jeden Tag die Zeitung auf- zuschlagen!)

Ich bin sehr froh, Herr Klooß, dass Sie darauf eingegangen sind und gesagt haben, wir hätten unsere Versprechungen nicht gehalten. Die steigenden Zahlen – das haben Sie in der Anfrage auch gefragt – bei der ordentli

chen Gerichtsbarkeit gehen nicht einher mit steigenden Richterzahlen und Ausstattungen.