Protokoll der Sitzung vom 17.01.2007

(Unruhe im Hause – Glocke)

Frau Machaczek, entschuldigen Sie die Unterbrechung, ich habe eine längere Zeit mit angesehen, dass Zwiegespräche in der Senatsbank geführt werden. Es wäre ganz gut, wenn Sie sich daran erinnern würden, dass wir

vereinbart haben, dass auch in der Senatsbank keine Zwiegespräche geführt werden. Das stört die Rednerin. – Danke.

In einem auch bei Kritikern unumstrittenen offenen Prozess wurde im letzten halben Jahr das vorliegende Konzept erarbeitet.

(Glocke)

Frau Machaczek, es tut mir wirklich Leid. Der Abgeordnete hat offenkundig ein Hörproblem, aber jetzt hat er es doch gemerkt. Sie können jetzt fortfahren.

Gemeinsam mit Migrantenorganisationen, Fachpublikum und den Bezirken, die viel näher an den Problemen sind, wurde dieses Konzept erarbeitet. Vorbei war die Zeit der fruchtlosen Diskussionen um Ideologie und Rechthaberei. Es waren wirklich alle dabei, als der große Integrationskongress im Herbst letzten Jahres tagte.

Zur Diskussion waren auch von außerhalb interessante Leute gekommen, wie Frau Böhmer, unsere Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, und auch Cem Özdemir von der GAL, die uns interessante Einblicke gegeben haben.

Die Kongressleitung, also die Behörde für Soziales, nahm dort jede Anregung auf, bezog sie entweder in den Prozess mit ein oder lehnte sie auch mit Begründung ab. Die breite Partizipation war richtig und wichtig, damit die Menschen, um die es geht, ernst genommen werden und natürlich ihr Know-how mit einbezogen wird.

Es würde zu weit führen, hier alle Felder aufzuführen.

(Dirk Kienscherf SPD: Nennen Sie doch nur ein paar!)

Wir werden im Sozialausschuss weiter über dieses Thema debattieren.

Wo stehen wir denn heute? Wie an diesem Ort schon des Öfteren erwähnt – und ich werde das heute noch einmal tun –, haben wir in Hamburg einen Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund von rund 27 Prozent. Fast jedes zweite Schulkind kommt heutzutage aus einer Familie, in der mindestens ein Eltern- und Großelternteil ausländische Wurzeln hat. Daher ist es in unserem ureigenen Interesse, dass wir als Staat dort, wo wir Verantwortung haben, alles tun, um die Potenziale dieser Menschen zu fördern und zu fordern. Sie sind alle Hamburger und Hamburgerinnen dieser Stadt.

Es gibt insbesondere zwei Felder, in denen der Senat Schwerpunkte setzt, die in diesem Konzept eine große Rolle spielen. Das ist zum einen die Bildung der Kinder und zum anderen die Arbeitsmarktpolitik. Entscheidend ist, dass es uns in Hamburg gelingt, das Bildungsniveau der jungen Migranten erheblich zu steigern. Die schlechten oder fehlenden Abschlüsse in diesem Bereich führen nicht nur dazu, dass Jugendliche kein selbstbestimmtes Leben führen und von staatlichen Leistungen leben müssen, sondern dass inzwischen ein Fachkräftemangel um sich greift, der schleunigst behoben werden muss.

So fehlen beispielsweise im Hamburger Verlagswesen langsam die Verlagskaufleute und erst recht jene aus dem Bereich der Migration. Schon an diesem Beispiel

zeigt sich, dass Bildungspolitik die Voraussetzung für eine erfolgreiche Arbeitsmarktpolitik ist. So ist es ein echter Erfolg, dass die Wirtschaftsbehörde – ich freue mich, dass Herr Uldall anwesend ist – nun federführend ein Konzept zur aktivierenden Arbeitsmarktpolitik für Menschen mit Migrationshintergrund zusammen mit den Hauptakteuren der Agentur für Arbeit, der team-arbeit hamburg und den existierenden Netzwerken zur beruflichen Qualifikation, die unter anderem selbst von Migranten geführt werden, entwickeln wird.

Ich möchte Ihnen heute nur schlaglichtartig weitere Themen nennen, um die inhaltliche Breite des Konzeptes aufzuzeigen. Es geht um Kinder und Jugendliche, Frauen und Familien, ältere Zuwanderer, Sport, Kultur und Religion, Wohnen und bürgerschaftliches Engagement. Zu allen diesen Themen wurden konkrete Handlungsansätze und Ziele beschrieben.

Kritiker dieses Konzepts bemängeln, dass es zu viele Prüfaufträge geben würde. Die CDU ist der Ansicht, dass es nun darum geht, diese Prüfaufträge zu begleiten und den Senat im Zweifel daran zu erinnern. Allerdings hat der Senat sich selbst ein Controlling verschrieben, das alle betroffenen Behörden mit einbezieht. Über ein strategisches Management soll laufend über die Erfüllung und Fortentwicklung dieses Konzeptes intern und auch uns berichtet werden.

Neu ist, dass Ziele operationalisiert und nachprüfbar werden, um zu sehen, wohin das Geld geht und ob es auch, beispielsweise nach ein oder zwei Jahren, etwas gebracht hat, denn bei sozialen Maßnahmen ist oft das Problem, dass die Beträge das eine oder andere Mal verpuffen.

Das ist wirklich gut und neu: Nicht nur eine Behörde ist zuständig, sondern Integration wird als Gesamtverantwortung dieses Senats wahrgenommen.

Kulturelle Vielfalt ist eine Chance und Bereicherung für Hamburg. Wir wissen aus verschiedenen Studien, dass Städte mit einem hohen Anteil an Zugewanderten auch ein großes Potenzial für Innovationen und positiver Veränderungen haben. Integration ist nicht Assimilation. Der Rahmen, in dem sich all dieses zu verhalten hat, ist natürlich unser Grundgesetz. Und hier werden niemals Abstriche gemacht.

In der Präambel des Konzepts wurde verdeutlicht, was uns besonders wichtig ist. Zuwanderer unterstehen natürlich – wie wir alle – nicht nur der gesamten Rechtsordnung – das heißt, dass beispielsweise frauenfeindliche Praktiken oder religiöser Extremismus in Hamburg und in Deutschland nichts verloren haben – sondern es gelten auch explizit historisch bedingte politische Grundlagen der Bundesrepublik, wie beispielsweise die europäische Einigung und das Existenzrecht Israels. Auf diesem Fundament können unterschiedliche Traditionen, Religionen und Lebensauffassungen gelebt werden.

Integration ist gelungen, wenn Zuwanderer auf obigem Fundament gleichberechtigt in allen Bereichen, wie beispielsweise im sozialen und gesellschaftlichen oder wirtschaftlichen – ich möchte nicht alle Bereiche aufzählen –, ein Teil unserer Gesellschaft geworden sind. Das unterstreicht, dass Integration eine der wichtigsten Herausforderungen für die Zukunft ist. Sie darf nicht bei der Sprachförderung stecken bleiben, sondern muss dafür Sorge tragen, dass möglichst viele Menschen in Ausbildung und Arbeit kommen. Erst dann sind sie fähig, ein

selbstbestimmtes Leben zu führen und – wie soeben beschrieben – eine Identität mit Hamburg und Deutschland zu entwickeln.

Wenn Menschen mit ihrem Leben zufrieden sind, dann werden sie nicht gegen die Werte der Gesetze und unseres Grundgesetzes verstoßen, sondern sie achten und fortentwickeln. Der allergrößte Teil der Menschen, die zu uns gekommen sind, sind dazu bereit. Aber es liegen noch zu viele Potenziale brach. Diese müssen wir aktivieren und hierzu ist das Handlungskonzept ein ganz wichtiger Schritt.

Integration ist eine Querschnittsaufgabe, an der alle Akteure, egal welcher Herkunft, eingeladen sind, mit uns zu arbeiten. Wir wissen, dass die kulturelle Vielfalt, die wir in unserer Stadt vorfinden, eine Chance ist. Wo Chancen sind, sind auch Risiken. Diesen klar entgegenzuwirken, ist genauso Ziel des Konzeptes, wie das Ergreifen, Entwickeln und Umsetzen der Chancen zum Wohle dieser Stadt.

Das uns vorliegende Konzept ist ein Meilenstein in Hamburg

(Dirk Kienscherf SPD: Wir wollen es nun nicht übertreiben!)

und es hat auch schon bundesweit Maßstäbe gesetzt. Wir sind stolz darauf, dass Frau Senatorin SchnieberJastram auch auf Bundesebene mitarbeitet, um die Integration als Gemeinschaftsaufgabe von Bund und Ländern weiter zu entwickeln. Daher nehmen wir dieses Konzept mit großer Sympathie zur Kenntnis und überweisen es gemäß dem GAL-Antrag in den Sozialausschuss. – Danke schön.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort bekommt Frau Özoguz.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Es ist ohne Zweifel anzuerkennen, dass hier eine Arbeit geleistet wurde, die gut für uns alle und gut für unsere Stadt ist.

(Beifall bei Karen Koop CDU)

Danke, Frau Koop.

Hier wurden Gedanken und Anregungen von Menschen aus Hamburg, die sich mit einzelnen Punkten der Zuwanderungspolitik und der Integrationspolitik intensiv beschäftigten, zusammengestellt und strukturiert. Das ist eine längst überfällige und wichtige Arbeit

(Dirk Kienscherf SPD: Seit Jahren haben wir dar- auf gewartet!)

und dies, obwohl die Senatorin zwischenzeitlich öffentlich sogar einen Rückzieher gemacht hatte. Gut und sehr wichtig finde ich auch den Punkt der behördlichen Zusammenarbeit. Ich bin wirklich gespannt, wie dies weiterhin klappen wird. Bei den Gesprächen hatte man mitunter nicht das Gefühl, dass alle auch nur annähernd eine ähnliche Ausgangslage haben, aber gerade deshalb ist es natürlich wichtig, überfällige Berührungsängste weiterhin abzubauen.

Nun kann man sich an dieser Stelle aber auch fragen, was der Senat denn daraus machen kann oder machen

möchte. Schauen wir einmal hin. Zunächst einmal, Frau Machaczek, freue ich mich sehr, dass Sie schon angekündigt haben, dass wir dieses im Sozialausschuss debattieren wollen. Es wäre natürlich völlig unmöglich, jetzt das ganze Handlungskonzept miteinander zu debattieren.

(Dirk Kienscherf SPD: Da steht ja nichts Inhalt- liches drin!)

Was Sie aber auch noch sagten, hat mich eben irritiert. Sie sagten, an einigen Punkten lehnte der Senat mit Begründungen ab. Die Begründungen finde ich nirgendwo und ich würde diese gerne noch einmal sehen, denn ich finde es auch ganz wichtig, welche Begründungen der Senat an der einen oder anderen Stelle hat, Dinge doch nicht so zu machen, wie es bestimmt einige in Hamburg gerne hätten.

Gehen wir das nur an ein, zwei Beispielen durch. An einer Stelle hat dem Senat offensichtlich der Mut gefehlt, tatsächlich etwas Umfassendes zu gestalten, denn vorsichtshalber wurden diejenigen im Handlungskonzept nicht mit berücksichtigt, deren Aufenthaltstitel nicht langfristig gesichert sind. Dass diejenigen häufig auch ihr halbes oder sogar ihr ganzes Leben oder doch viele Jahre bei uns verbringen, bleibt hierbei unberücksichtigt. Irgendwie fehlte da wohl der Mut, auch diese Leute auf das Schiff zu holen.

Ein zweiter Bereich würde in eine inhaltliche Auseinandersetzung führen. Ich möchte an die endlosen Male erinnern, in denen wir den Senat gefragt haben, was nun der Vorstellung von Viereinhalbjährigen folgen solle. Lange passierte bekanntlich gar nichts. Dazu haben Sie nun im Handlungskonzept festgehalten, dass ein Rückstand in der Sprachentwicklung zum Besuch einer Vorschulklasse verpflichte. Weiter steht dort: Nur auf ausdrücklichen Wunsch der Eltern könne dies möglicherweise auch in einer Kita abgeleistet werden. Leider bleiben Sie an dieser Stelle die Erklärung hierfür schuldig. Sie belegen nicht, warum Sie der Vorschule den Vorzug geben. Könnten Sie dies, wäre der eine oder andere möglicherweise sehr schnell auf Ihrer Seite. Solange dies aber willkürlich wirkt, hat man den Eindruck, dass auch diese Handlungsempfehlungen ein Stück weit dafür herhalten müssen, Ihre Ideologien zu untermauern, ohne dafür passende Argumente zu finden.

Mein zweites Beispiel bezieht sich auf einen Punkt, in dem Ihr eigener Senat offensichtlich völlig zerstritten ist. Der Religionsunterricht für alle wird von Ihnen eben nicht, wie es auf Seite 21 steht, fortentwickelt. Da haben Sie nun ganz andere Wege eingeschlagen. Vorsichtshalber schreiben Sie dann auch, dass die deutschsprachige Ausbildung von Imam und Religionswissenschaftlern an der Universität Hamburg nur geprüft werde. Wer den Ausführungen von Staatsrat Salchow im letzten Schulausschuss vor Weihnachten folgen durfte, konnte sich dort folgendes Schauspiel ansehen: Während die Bildungssenatorin Frau Dinges-Dierig den Job hatte, den anscheinend unüberlegten und willkürlichen Vorstoß des Bürgermeisters zu verteidigen und einen islamischen Religionsunterricht zu fordern, meinte Staatsrat Salchow, die Lehrer hierfür müssten aber schon in anderen Bundesländern ausgebildet werden, dafür stünde er nicht zur Verfügung und in Hamburg käme das gar nicht infrage. Einigkeit eines Senats sieht anders aus.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der GAL)

Ich hoffe natürlich, dass wir über diese Dinge dann auch sehr detailliert sprechen können. Sie erlauben mir sicher, dass ich auch mein Lieblingsthema – Frau Machaczek, ich weiß nicht, wie oft ich es hier erwähnt habe, es ist wahrscheinlich schon Guiness-Buch-reif in solch einer kurzen Zeit – anspreche: Was ist eigentlich mit Ihrem Welcome-Center?

(Petra Brinkmann SPD: Ja, das stimmt!)

Sie können sich nicht über Gegenwind aus den Fraktionen beklagen. Sie haben den Handelskammerpräses an Ihrer Seite, der selbst vor einigen Jahren einmal beklagte, es solle dabei nicht nur eine muffelige Bürokratenamtstube herauskommen.

(Bettina Machaczek-Stuth CDU: Fragen Sie selber mal!)