Protocol of the Session on February 1, 2007

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… physisch und psychisch erkranken oder die Schule wechseln müssen. Wir wollen nicht warten, bis auch in Hamburg ein Präzedenzfall einen Aufschrei durch die Presse gehen lässt, sondern handeln. Dazu sind wir alle gefordert.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort bekommt Frau Fiedler.

Sehr verehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist leider richtig, dass das Thema Mobbing in den letzten Jahren auch die Schulen mit der gesamten Palette seiner Brutalität erreicht hat. Mobbing ist für eine nicht unbeträchtliche Zahl von Jungen und Mädchen, aber auch für Lehrerinnen und Lehrer oft ein Grund für Angst und Panik vor der Schule.

(Dr. Willfried Maier GAL: Genau!)

Umgekehrt lassen sich immer mehr Menschen in Mobbingaktivitäten verstricken, als ob Mobbing der neue, moderne gesellschaftliche Bazillus wäre. Da sich das Phänomen heimtückisch und subtil manifestiert, ist es einerseits nicht so leicht, es zu erkennen beziehungsweise Schutz für die Opfer oder wirksame Maßnahmen zu entwickeln. Doch andererseits, und das ist positiv, gibt es seit einigen Jahren ein wachsendes Bewusstsein und eine öffentliche Diskussion über die Schwere dieser Problematik. Mobbing wird als das erkannt, was es ist, nämlich als eine hundsgemeine Form der Gewalt.

Seit einigen Jahren gibt es bundesweit Überlegungen zu Mobbingprävention auch in Schulen. Die Handreichung des Landesinstituts für Lehrerbildung und Schulentwicklung aus den letzten Jahren ist in diesem Sinne eine gute erste Maßnahme, aber es ist zutreffend, Frau Strasburger, dass weitere Maßnahmen unbedingt folgen müssen. Die SPD-Fraktion unterstützt deswegen den Antrag für ein Anti-Mobbing-Projekt in Hamburger Schulen ohne Wenn und Aber. Ich sehe verschiedene Ansatzpunkte, um das Thema Mobbingprävention in Hamburgs Schulen zu integrieren, wobei es grundsätzlich unter zwei Aspekten aufgegriffen werden sollte.

Erstens muss es unser Ziel sein, dass Schule für alle ein Lebensort der persönlichen Entfaltung sein sollte, wo Angst und Gewalt nichts zu suchen haben. Es geht also auch unmittelbar um die Entwicklung einer adäquaten sozialen Kompetenz und um den Schutz aller, die an Schule teilhaben, Schülerinnen und Schüler wie auch Lehrerinnen und Lehrer. Seit einigen Jahren werden mit beachtlichen Erfolgen Schülerstreitschlichterprogramme in unseren Schulen durchgeführt. Es ist naheliegend, diese Programme mit Blick auf das Ziel Mobbingprävention und -abwehr weiterzuentwickeln und auszubauen.

Es gibt einen zweiten Aspekt, warum das Thema Mobbing in der Schule uns Gedanken machen muss. Ich will ihn mit einem Zitat aus der Hessischen Lehrerzeitung der GEW umreißen:

"Die Schule stellt das gruppendynamische Übungs- feld …"

sozusagen eine Art Zukunftswerkstatt –

"… für das spätere Mobbing am Arbeitsplatz … und … auch für die Diskriminierung von Minderheiten in der Gesellschaft dar."

Es muss also darum gehen, Schülerinnen und Schüler für ihr weiteres Leben gegen Mobbing zu sensibilisieren und Werte zu vermitteln. Die Opfer müssen Strategien entwickeln und Gegenwehr erlernen. Sie müssen lernen, Stopp zu sagen. Es ist wichtig, dass Kinder lernen, die Grenzen des Erträglichen und Zulässigen zu erkennen und zu verbalisieren. Wir wollen die Schule nicht nur als gewaltfreie Insel, sondern wir wollen die Gesellschaft insgesamt als eine Gesellschaft, in der keine Gewalt herrscht und wo die Werte der Achtung und der Toleranz gelebt werden können.

(Beifall bei der SPD)

Wenn dieser Antrag, liebe Frau Kollegin Strasburger, mithilft, in diese Richtung zu gehen, dann können wir das nur begrüßen und unterstützen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei Martina Gregersen GAL)

Das Wort bekommt Frau Goetsch.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wenn wir Mobbing tatsächlich so ernst nehmen, wie wir das eben – getragen und pathetisch – gehört haben, dann ist der Antrag von Frau Strasburger unnötig und überflüssig wie ein Kropf, weil die Wirksamkeit, ein Projekt an zwölf Schulen in Klasse 5 bis 7 durchzuführen, überhaupt keinen Grund dafür hergibt, dass es gerade da passieren soll und vor allen Dingen ist es eine Pauschalisierung, die vollkommen unangemessen ist. Mobbing gibt es in so unterschiedlicher Form, ob Schüler/Schüler, Schüler/Lehrer oder Lehrer/Lehrer, muss also immer individuell als einzelner Fall gesehen werden und dann muss die Beratung, die zur Verfügung steht, in Anspruch genommen und jeder Fall individuell von der Schule angegangen werden. Ich halte diesen Antrag für nicht wirksam, wenn wir Mobbing wirklich ernst nehmen wollen. Wir haben das Landesinstitut, wir haben Beratungslehrerinnen und -lehrer, wir haben REBUS, die übrigens sehr gut in Fällen von Mobbing beraten. Insofern sollte man die Behörde an anderer Stelle arbeiten lassen und nicht durch so einen unsinnigen Antrag belasten. – Danke.

(Beifall bei der GAL)

Ich sehe keine weiteren Wortmeldungen mehr. Dann kommen wir zur Abstimmung. Wer dem CDU-Antrag aus Drucksache 18/5636 seine Zustimmung geben möchte, den bitte um das Handzeichen. – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Das ist mehrheitlich gegen die Stimmen der GAL angenommen.

Wir kommen zum Tagesordnungspunkt 28, Antrag der SPD-Fraktion: Rückführung der auswärtig untergebrachten psychisch erkrankten Menschen.

[Antrag der Fraktion der SPD Rückführung der auswärtig untergebrachten psychisch erkrankten Menschen – Drucksache 18/5536 –]

Hierzu liegt Ihnen als Drucksache 18/5694 ein Antrag der CDU-Fraktion vor.

[Antrag der Fraktion der CDU: Rückführung der auswärtig untergebrachten psychisch erkrankten Menschen – Drucksache 18/5694 –]

Beide Drucksachen möchte die GAL-Fraktion an den Gesundheitsausschuss überweisen. Wer möchte das Wort? – Frau Brinkmann, bitte.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Eine 75-jährige Hamburgerin sucht für ihren psychisch kranken Sohn einen Heimplatz in Hamburg. Im Jahr 2005 befindet sich dieser Sohn in stationärer Behandlung in der Asklepios-Klinik in Rissen. Anfang Juli 2005 fährt diese Frau mit ihrem Sohn nach Rickling, weil der Sohn jetzt entlassen werden soll und sie einen Heimplatz suchen. Sie fahren also nach Rickling in eine Einrichtung, die von dem Sohn nicht gewünscht wird, weil sie nicht in Hamburg liegt und er in der Nähe seiner Mutter bleiben möchte.

Am 11. August 2005 fand in der Einrichtung "Die Fähre" am Graumannsweg ein Besuch statt. Dort war auf ab

sehbare Zeit kein Platz vorhanden. Am 15. August 2005 fand ein Telefonat mit der Einrichtung Rautenberg-Haus, Hufnerstraße, statt. Auch dort war auf absehbare Zeit kein Platz vorhanden. Am 17. August 2005 fand ein Telefonat mit dem Diakoniezentrum Hummelsbüttel statt: Die Bewerbung sei sinnlos, da der Patient für die Einrichtung nicht geeignet sei und es auf absehbare Zeit keinen Platz gäbe. Ende August 2005 wurde Kontakt zu pflegen & wohnen in Farmsen aufgenommen. Dort stünden vor dem Sohn fünf Personen auf der Warteliste. Anfang September 2005 gab es ein Gespräch in der Sozialbehörde. Das Gespräch endete ohne jede Hilfe. Am 12. September 2005 gab es ein Gespräch in einer Einrichtung in Kropp. Dort gab es keinen Platz, weil der Sohn nicht krank genug sei.

Ich könnte die Suche nach einer geeigneten Unterbringung dieser 75-jährigen Mutter für ihren Sohn noch weiter fortführen. Der Sohn hatte im Mai 2006 immer noch keinen Platz gefunden. Ich wollte mit diesem Beispiel eigentlich nur die Situation psychisch erkrankter Menschen in Hamburg deutlich machen – wie katastrophal die Möglichkeiten für eine Unterbringung in Hamburg sind. Deshalb haben wir diesen Antrag heute gestellt und haben ihn auch zur Debatte angemeldet, damit auch in der Öffentlichkeit dieses Problem bewusster gemacht wird.

Das Thema wird seit über zehn Jahren immer wieder durch Anträge und Anfragen in der Bürgerschaft diskutiert. Die wohnortnahe Versorgung aller psychisch Kranken ist das Kernstück der Psychiatriereform 1975 gewesen. Danach wurden erst in den Achtziger- und Neunzigerjahren einige dezentrale Einrichtungen aufgebaut, die bewirkten, dass wenige chronisch psychisch Kranke weiter in ihrem Stadtteil leben konnten. Erst Mitte der Neunzigerjahre wurde klar, dass nur ein Teil der Psychiatriepatientinnen und -patienten wirklich davon profitiert hatten. Parallel zu dem Aufbau der stadtteilintegrierten Einrichtungen expandierte völlig ungesteuert und fast unbemerkt der Heimbereich im näheren und ferneren Umland. Für viele psychisch Erkrankte bedeutete jetzt Enthospitalisierung somit nicht Rückkehr nach Hause in den Stadtteil, sondern Verlegung in ein weit entferntes Heim, wo sie meist bis zu ihrem Lebensende geblieben sind.

Auf Antrag der SPD- und GAL-Fraktion hat der letzte rotgrüne Senat Anfang 2001 ein Berichtsersuchen der Bürgerschaft beantwortet und Lösungsansätze dargestellt. Es wurde eine Steuerungsgruppe zur Weiterentwicklung der psychiatrischen Versorgung in Hamburg eingesetzt mit dem Ziel, die Vernetzung der klinischen und außerklinischen Versorgungsangebote und eine Verbesserung der regionalen Versorgungsmöglichkeiten zu erreichen. Erste Ergebnisse sollten der Bürgerschaft Ende 2001 mitgeteilt werden. Dazu kam es leider nicht mehr. Dazu kam es bis heute nicht. Dieser Senat hat nie mitgeteilt, was aus der Steuerungsgruppe geworden ist. – Ich muss auch leider feststellen, dass die Senatorin nicht anwesend ist und der Staatsrat eigentlich nicht zuhört, sondern sich mit seinen Kollegen unterhält, was ich sehr bedauerlich finde.

(Beifall bei der SPD – Michael Neumann SPD: Pfui! – Zurufe von der CDU: Oh, oh!)

Dieser Senat hat nicht mitgeteilt, ob es diese Steuerungsgruppe noch gibt. Er hat auch nicht mitgeteilt, ob er noch an irgendwelchen Lösungen arbeitet. Gar nichts haben wir seit 2001 gehört.

Der rotgrüne Senat hatte allerdings mit der Umsetzung von konkreten Lösungen begonnen. So wurde für ältere psychisch Kranke ein gerontopsychiatrisches Pflegeheim gebaut. Es wurden weiterhin ein neues ambulantes Leistungssystem und pädagogische Betreuung im eigenen Wohnraum eingerichtet.

(Vizepräsidentin Bettina Bliebenich übernimmt den Vorsitz.)

Und es wurde für hamburgische Träger die Möglichkeit geschaffen, ihre Einrichtungen bis mindestens 100 Prozent, zum Teil sogar darüber hinaus, auszulasten, wenn dadurch eine Verlegung nach außen vermieden werden konnte. Sieht man sich die damals dazu durchgeführte Bürgerschaftsdebatte einmal an, so sind die Ausführungen des damaligen Oppositionssprechers Dietrich Wersich schon interessant.

(Dr. Andrea Hilgers SPD: Der ist schon weg!)

Ich bedaure es, dass er nicht anwesend ist und sich …

Jetzt kommt er ja.

Ich zitiere Herrn Wersich aus dem Bürgerschaftsprotokoll aus der sechzehnten Legislaturperiode:

"Für die CDU ist ganz klar, dass die stationären Hamburger Angebote für psychisch kranke Menschen unzureichend sind. Sie befinden sich … in einem baulich katastrophalen Zustand, …"

Weiter unten geht er noch einmal darauf ein, dass keine Plätze vorhanden sind

(Martina Gregersen GAL: Kann der auch einmal zuhören?)

und sagt: