Drittens: Wenn denn der Klimaschutz der neue Schwerpunkt der Senatspolitik ist, dann stelle ich einfach mal die Frage, warum denn der Senator schweigt, wenn das Parlament diesen neuen Schwerpunkt debattiert.
Wenn Ihnen Klimaschutz wirklich wichtig ist, Herr Senator, dann stellen Sie sich doch heute endlich mal hier hin und erklären Sie uns, was Sie in dem verbleibenden Jahr in Hamburg für den Klimaschutz tun wollen. Das sind Sie diesem Parlament schuldig, Herr Senator.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich halte kurz fest, Herr Maaß, Frau Dr. Schaal, dass Kernenergie kein CO2 produziert.
Frau Dr. Schaal hat dann verkündet, dass Kernenergie kein CO2 spart. Zur gleichen Zeit haben Sie gesagt, Sie seien in der Lage, nach und nach die Kernkraftwerke durch regenerative Energien zu ersetzen. Mit der Logik, Frau Dr. Schaal, spart man mit regenerativen Energien auch keinen Gramm CO2, weil Sie nur die eine nicht produzierende durch die andere nicht produzierende ersetzen. Wir kommen nur voran, wenn Sie dieses Potenzial, das Sie gut geschildert haben, der regenerativen Energien der Energiesparmaßnahmen nutzen, um die fossile Energieerzeugung zu reduzieren. Solange Sie da nicht mitspielen, werfe ich Ihnen vor, dass Sie das Wort Klimaschutz zwar im Munde führen, es politisch instrumentalisieren wollen, aber inhaltlich nehmen Sie es nicht ernst.
Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Dann kommen wir zur Abstimmung. Wer stimmt einer Überweisung der Drucksachen 18/5829 und 18/5832 an den Umweltausschuss zu? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Das ist einstimmig so beschlossen.
Wir kommen zu Punkt 46, Drucksache 18/5833, Neufassung. Antrag der GAL-Fraktion: Umsetzung des Prostitutionsgesetzes in Hamburg.
[Antrag der Fraktion der GAL: Umsetzung des Prostitutionsgesetzes in Hamburg – Drucksache 18/5833 (Neufassung) –]
Die SPD-Fraktion möchte diese Drucksache an den Sozialausschuss überweisen. Wer wünscht das Wort? – Frau Dr. Lappe.
Vielen Dank, Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich für die Begründung unseres Antrages ein bisschen in die Geschichte gehen und etwas weiter ausholen.
Seit 1901 gilt Prostitution rechtlich als sittenwidrig. Damit hatte Prostitution endgültig ihre legale Position, die sie durchaus in der Gesellschaft einmal hatte, verloren. Das bedeutete damals schon, dass es für Prostituierte keinen Zugang zu irgendeiner Sozialversicherung gab. Honorar konnte gerichtlich nicht eingeklagt werden, wenn Freier nicht bezahlen wollten.
Gleichzeitig wurden damals die Lokalitäten der Prostituierten mit Sperrgebietsverordnungen geregelt, das heißt, spätestens damals hielt die Doppelmoral Einzug. Einerseits wurden Prostitution und Prostituierte für sittenwidrig, für rechtlos und vogelfrei erklärt und andererseits wurden Orte geschaffen, an denen Männer ihren Bedarf nach sexuellen Dienstleistungen befriedigen konnten, ohne selbst für irgendetwas belangt zu werden.
Ein Richterspruch im Jahre 1965 stufte Prostituierte sogar als Berufsverbrecherinnen ein und das bedeutete in der Konsequenz, dass sich im Verborgenen, im Geheimen peu à peu eine immer größere Sexindustrie zu einem wahren Wirtschaftsfaktor entwickelte. Bundesweit zählt man ungefähr 400 000 Sexarbeiterinnen. 1,2 Millionen Kunden werden täglich angenommen und es kommt zu einem Jahresumsatz von ungefähr 14,5 Milliarden Euro. Das ist ungefähr das, was auch die MAN AG oder KarstadtQuelle als Jahresumsatz haben.
Die rechtlose Situation der Prostituierten und die gleichzeitig ökonomisch attraktive Sexindustrie führten natürlich auch dazu, dass sich immer mehr Begleitkriminalität entwickelt hat, Prostituierte ausgebeutet wurden. Gewalt, Menschenhandel und Zwangsprostitution sind die Auswüchse dieses Wirtschaftsbereichs.
1995 gelang es erstmals einer Prostituierten vor Gericht, ein Honorar, das ein Freier nicht zahlen wollte, einzuklagen. Das Gericht sah Prostitution als Rechtsgeschäft an, für das der Lohn gegebenenfalls auch einklagbar sein sollte. Spätestens da war klar, dass der Gesetzgeber handeln musste. Wir Grüne haben uns sowieso seit 1990 dafür eingesetzt. Auf Bundesebene gelang es dann 2002 mit unserer Koalitionspartnerin SPD, endlich das Gesetz zur Regelung der Rechtsverhältnisse der Prostituierten, das sogenannte Prostitutionsgesetz, in Kraft treten zu lassen. Rein theoretisch wurde Prostitution nun als Arbeit und Erwerbsarbeit anerkannt und auch vom Makel der Sittenwidrigkeit befreit.
Das ist durchaus etwas zum Klatschen. Prostituierte können sich als Selbstständige bei den Behörden anmelden und sozial versichern oder als Angestellte in Bordellen beschäftigt werden. Doch selbstkritisch muss man an dieser Stelle auch sagen, dass dieses Gesetz damals in einer sehr abgespeckten Form in Kraft getreten ist, weil man die christdemokratische Mehrheit im damaligen Bundesrat umgehen wollte. Das ist bedauerlich und die Folgen sehen wir jetzt in dem Bericht, der nach fünf Jahren von der Bundesregierung vorgelegt worden ist. Die Bundesländer handhaben das Prostitutionsgesetz unterschiedlich. Die Behörden legen es variierend aus. Es fehlt an Rechtssicherheiten und vor allem sind andere die Prostitution betreffende Gesetze, wie zum Beispiel Sperrgebietsverordnung, Gaststättengesetz, Gesetz über Ordnungswidrigkeiten ausgenommen worden. Nun schlägt
die Bundesregierung neben der umfangreichen Analyse auch einige Handlungsbereiche zu dem vor, in denen was getan werden sollte. Aber wichtig erscheint mir vor allem, dass sich trotz der Probleme um das Prostitutionsgesetz ein paar Sachen als wirklich wichtig und richtig erwiesen haben, denn der angestrebte gesellschaftspolitische Paradigmenwechsel, die Sittenwidrigkeit abzuschaffen, ist vollzogen und wird auch von der jetzigen Bundesregierung nicht umgekehrt. Das ist, glaube ich, ein wichtiger und richtiger Erfolg und auch eine breite Basis, die sich bei den demokratischen Parteien ergeben hat.
Es hat ein langsamer Umdenkprozess eingesetzt. Das zeigt auch die Untersuchung, die Evaluierung von fünf Jahren Prostitutionsgesetz. Prostituierte trauen sich langsam aus der Anonymität und dem Doppelleben heraus und werden selbstbewusster. Das ist für sie selbst und für ihre ökonomische Unabhängigkeit wichtig und ist meiner Ansicht nach auch die Basis dafür, dass wir im Kampf gegen die Begleitkriminalität von Prostitution Erfolg haben.
Offen bleiben die rechtlichen Baustellen auf Länder- und auf Bundesebene. In Hamburg hat sich seit 2002 quasi nichts verändert. Im Jahr 2006 haben wir aus Anlass der ganzen Debatten um Prostitution, Zwangsprostitution im Umfeld der WM diskutiert. Wir haben in der Stadt diskutiert.
Herr Kienscherf, die Debatten waren wichtig. Wir haben eine Reihe von Diskussionen außerhalb dieses Parlaments geführt. Frau Meyer-Kainer und Frau Mandel waren dabei und es waren Vertreter und Vertreterinnen der Polizei und anderer behördlicher Einrichtungen dabei. Auch von der HAW waren Forscherinnen dabei. Es hat sich gezeigt, dass es zum einen Veränderungen bedarf und dass wir in der Folge des Prostitutionsgesetzes Dinge umsetzen müssen. Es hat darüber eine Debatte in der Stadt begonnen und jetzt ist meiner Ansicht nach der Zeitpunkt gekommen, dass wir auch parlamentarisch die Konsequenzen ziehen müssen.
Ich hatte gehofft, dass wir durch die Diskussionen, die wir im letzten Jahr hatten, auch einen gewissen Konsens und eine Basis finden würden, auf der wir tatsächlich Verbesserungen für Prostituierte erreichen können, was die Arbeitsbedingungen, die Gewaltfreiheit und die Begegnung und den Kampf gegen Ausbeutung angeht. Das habe ich verschiedenen Äußerungen im letzten Jahr entnommen und unsere Initiative ist jetzt letztlich auch so ausgestaltet, dass es das aufgreift, was wir diskutiert haben und vielleicht auch eine Basis für eine Einigung bietet.
Ich möchte noch auf ein paar Punkte im Detail eingehen. Es geht uns insbesondere um die Frage einer Erlaubnispflicht im Gewerberecht, dem sogenannten Bordell-TÜV. Das ist auch schon einmal durch die Presse gegangen. Wir würden uns dafür einsetzen, dass wir darüber diskutieren, ob es eine freiwillige Gewerbeanmeldung für Sexarbeiterinnen oder eine Reisegewerbekarte für Straßenprostituierte geben kann. Wenn Prostitution nicht mehr als sittenwidrig gilt, muss man sich natürlich auch die Frage stellen, ob die Hamburger Sperrgebietsverordnung nicht völlig überholt ist. Wenn man Anwohnerinnen und
Anwohner zufriedenstellen möchte, gibt es andere rechtliche Möglichkeiten, das zu tun, aber ein ausgesprochenes Verbot von Prostitution für ganze Stadtteile ist meiner Ansicht nach nicht unbedingt tragbar. In St. Georg führt es derzeit nur dazu, dass drogenabhängige Prostituierte durch Platzverweise und Bußgelder, die sie dann nicht bezahlen können, immer wieder in die Situation kommen, dass sie, um die nicht bezahlten Bußgelder abzusitzen, ins Gefängnis gehen müssen. Das ist, glaube ich, nicht das, was wir als Parlament und Gesetzgeber unterstützen dürfen.
TAMPEP, das ist ein EU-Projekt von Amnesty for Women in Hamburg, schätzt, dass etwa 60 Prozent der Sexarbeiterinnen Migrantinnen sind. Nur für eine Minderheit von ihnen kann dieses Prostitutionsgesetz überhaupt Anwendung finden. Das gilt also nur für die, die einen geregelten Aufenthaltsstatus und eine Arbeitsgenehmigung haben. Alle anderen sind so rechtlos und schutzlos wie vorher und auf eine gewisse Art vielleicht leichter ausbeutbar für die entsprechenden Menschenhändler als das vorher der Fall gewesen ist, weil sie noch viel stärker von Abschiebungen bedroht sind.
Für Sexarbeiterinnen aus Tschechien oder Ungarn hat sich die Situation seit der EU-Erweiterung etwas verändert, weil sie sich leichter selbstständig machen können. Aber Prostitution ist ein globales Thema und die Nachfrage nach Prostituierten aus Osteuropa und Asien ist weiterhin ungebremst. Deshalb stellt sich die Frage, ob nicht Prostituierte ausländerrechtlich anderen Arbeitskräften aus dem Ausland gleichgestellt werden können und vielleicht sogar müssen.
Für Opfer von Menschenhandel ist die Situation sogar noch problematischer. Deutschland hinkt wieder einmal bei der Umsetzung einer EU-Richtlinie hinterher, nämlich der EU-Opferschutz-Richtlinie vom April 2004. Eigentlich hätte diese Richtlinie bereits im August 2006 in nationales Recht umgesetzt werden müssen. Das ist nicht der Fall. Dies würde erhebliche Verbesserungen an Erleichterungen für Opfer von Menschenhandel in Deutschland und dann natürlich auch in Hamburg bedeuten. Aber schon das sogenannte Palermo-Protokoll würde es Hamburg ermöglichen, die Hilfen für Opfer von Menschenhandel zu verbessern. Das gilt insbesondere für die Bereiche Ausbildung und Beschäftigung sowie der Eröffnung einer Lebensperspektive. Wir haben zwar KOFRA, wir haben die Zusammenarbeit mit dem LKA und es ist vermutlich das Beste, was es in Deutschland gibt, aber auch das ist zu verbessern und das betrifft insbesondere die Bereiche, die ich gerade genannt habe.
Die Bundesregierung will dafür sorgen, dass es ausstiegswillige Prostituierte zukünftig leichter haben sollen, in Qualifizierungs- und Förderungsprogramme zu kommen. Da hat sich der Bund das sicherlich leicht gemacht, weil das konkret Arbeit für die Bundesländer heißt und da ist die Frage, was in diesem Bereich in Hamburg getan wird. Ich habe in einer Schriftlichen Kleinen Anfrage nachgefragt und mir wurde mitgeteilt, dass es 18 Plätze bei dem Projekt Tagarbeit für Aussteigerinnen in der
Kaffeeklappe gebe. Ich habe dann nachgefragt und diese 18 Plätze sind konkret sieben Plätze, wo alle drei Monate sieben Frauen eine erste Ausstiegsorientierung machen können. Das heißt, es sind keinesfalls 18 Plätze im Jahr, sondern es sind drei Monate für maximal 28 Frauen. Wie sich dieser Widerspruch erklären lässt, ist mir leider nicht klar, aber aus dem, was die Realität in dem Projekt ist, denke ich, dass es auch darüber Bedarf zu sprechen gibt, ob das wirklich ausreichend ist und nicht ganz anders aussehen muss.
Die Themen Werbeverbot oder Prävention will ich an dieser Stelle nicht weiter ausführen. Ich denke, wir werden Gelegenheit dazu haben, das im Ausschuss zu tun. Darüber hinaus gibt es, wenn man den Bericht der Bundesregierung und die Gutachten dazu genau anguckt, noch diverse andere Themen, rechtliche Fragen und andere Konsequenzen, über die wir dort auch sehr gut sprechen können. Heute will ich es bei diesen Bereichen belassen, um das als Anregung mit auf den Weg zu geben. Wir schlagen vor, dass ein Runder Tisch "Sexarbeit" eingerichtet werden sollte. Er sollte alle Fragen, die durch das Prostitutionsgesetz berührt und im Bericht der Bundesregierung dargelegt worden sind, diskutieren und mit Blick auf die Hamburger Situation Lösungen vorschlagen.