Protokoll der Sitzung vom 28.03.2007

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Herr Dr. Maier, ich rüge dieses Wort mit "I" nicht, weil ich annehme, dass dieser Besagte nicht Mitglied des Hauses ist. Von daher ist das okay. Wir sind am Ende der Aktuellen Stunde und kommen nun zum Punkt 2 der heutigen Tagesordnung, nämlich der Wahl von 27 Abgeordneten für die Regionalkonferenz der Metropolregion Hamburg 2007.

[Unterrichtung durch den Präsidenten der Bürgerschaft: Wahl von 27 Abgeordneten für die Regionalkonferenz der Metropolregion Hamburg 2007 – Drucksache 18/5923 –]

Bevor wir in diesen Wahlgang eintreten, bekommt die Abgeordnete Mandel nach Paragraf 38 Absatz 5 der Geschäftsordnung das Wort für zwei Minuten. Frau Mandel, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, insbesondere von der CDUFraktion! Auch wenn ich in den letzten zehn Jahren immer wieder Anlass genug hatte, zu diesem Thema einen Beitrag zu geben, möchte ich es heute nicht versäumen, Ihnen den Absatz 2 des Artikels 3 der Hamburgischen Verfassung vorzulesen. Da heißt es:

"Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird nach Maßgabe der Verfassung und der Gesetze ausgeübt. Sie hat auch die Aufgabe, die rechtliche und tatsächliche Gleichstellung von Frauen und Männern zu fördern. Insbesondere wirkt sie darauf hin, dass Frauen und Männer in kollegialen öffentlich-rechtlichen Beschluss- und Beratungsorganen gleichberechtigt vertreten sind."

Dann wundert man sich als erwachsener Mensch, wenn man heute in die Sitzung kommt und einen Stimmzettel als Vorlage vorfindet, der nahezu arabisch anmutet. Es sind arabische Verhältnisse, die Sie uns hier bieten. Selbst im Iran sind mehr Frauen in den Parlamenten vertreten als Sie es zustande bekommen. Es ist einfach unerträglich, dass Sie glauben, mit diesem Verhalten die Metropolregion Hamburg auch nur annähernd beachtenswert und geachtet vertreten zu können. Auch in der Metropolregion Hamburg leben zur Hälfte Frauen. Ich weiß gar nicht, ob Sie sich immer die Augen verbinden, wenn Sie durch die Gegend laufen.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der GAL)

Es ist doch nicht zu fassen, das ist ja kein Zufall bei Ihnen und ich bitte alle Abgeordneten dieses Hauses, durch ihr Wahlverhalten deutlich zu machen, dass es nicht ausreicht, dass Frau Koop auf Podiumsdiskussionen als Frauenvertreterin in der CDU immer wieder erklärt, wir wollen die gleiche Teilhabe von Frauen und Männern und Sie sich dann in der täglichen Praxis, in der politischen Wirklichkeit absolut anders verhalten. Von den 14 zu benennenden Delegierten für die Metropolregion der CDU ist eine Frau benannt und das ist ein Skandal.

(Beifall bei der SPD und bei Antje Möller und Christiane Blömeke, beide GAL)

Wir kommen nun zur Wahl der 27 Abgeordneten. Die Stimmzettel liegen Ihnen vor. Diese haben heute zwei Seiten und enthalten bei den Namen jeweils ein Feld für Zustimmung, Ablehnung und Enthaltung. Sie dürfen bei jedem

der 27 Namen ein Kreuz machen, aber bitte nur eines. Mehrere Kreuze beziehungsweise weitere Eintragungen oder Bemerkungen würden zur Ungültigkeit dieses Stimmzettels führen. Auch unausgefüllte Stimmzettel gelten als ungültig. Bitte, nehmen Sie nun Ihre Wahlentscheidung vor.

(Unruhe im Hause)

Mit dem Einsammeln werden wir etwas warten, insbesondere wenn sich da die Wogen geglättet haben.

(Die Wahlhandlungen werden vorgenommen.)

Ich darf die Schriftführerinnen nun bitten, mit dem Einsammeln der Stimmzettel zu beginnen. Es wäre hilfreich, wenn Sie die Stimmzettel hochhalten würden, sodass die Schriftführerinnen erkennen können, wo noch welche eingesammelt werden müssen. Sind alle Stimmzettel abgegeben worden?

(Zurufe: Nein, nein!)

Dann bitte noch einmal hochhalten, wo die Stimmzettel nicht abgegeben worden sind. Ich gehe jetzt davon aus, dass alle Stimmzettel abgegeben worden sind. Dann schließe ich die Wahlhandlung. Die Wahlergebnisse werden nun ermittelt und ich gehe von Ihrem Einverständnis aus, dass wir diese zu Protokoll geben werden.

Wir kommen zum Tagesordnungspunkt 35, dem Antrag der SPD-Fraktion: Handeln statt Reden gegen die zunehmende Jugendgewalt.

[Antrag der Fraktion der SPD: Handeln statt Reden gegen die zunehmende Jugendgewalt – Drucksache 18/5906 –]

Diese Drucksache möchte die GAL-Fraktion an den Innenausschuss überweisen. Wer wünscht das Wort? – Frau Boeddinghaus, bitte.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die Frage, wie unsere Gesellschaft, wie wir mit unseren Kindern und Jugendlichen umgehen, wie wir sie aufwachsen lassen, wie wir sie unterstützen und fördern ist gleichermaßen eine Frage, die leicht und schwer zu beantworten ist, leicht, weil natürlich sofort mit großer Geste konstatiert wird, die Kinder seien unsere Zukunft, wir müssten alles tun, um ihnen die denkbar besten Chancen zu geben, damit sie ein vollwertiges Mitglied unserer Gemeinschaft werden können. Schwer wird es aber, wenn es darum geht, die Rahmenbedingungen zu definieren und dementsprechend auch ausreichende Mittel zur Verfügung zu stellen.

(Vizepräsidentin Bettina Bliebenich übernimmt den Vorsitz.)

Es gibt mittlerweile einen großen Konsens in Fragen der Frühförderung, der familienbegleitenden und unterstützenden Maßnahmen. Auch die Einsichtsfähigkeit in die notwendige Veränderung unserer Schulen zu fördernden Bildungseinrichtungen ist gestiegen. Einigkeit besteht hoffentlich darüber, dass es einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen früher, gezielter und konsequenter Präventionsarbeit und gelungener Integration der Heranwachsenden in unsere Gesellschaft gibt beziehungsweise

Ergebnisse siehe Anlage 1 Seite 4126

dass bei fehlender Unterstützung und fehlenden Perspektiven die Gefahr zunimmt, dass sich junge Menschen nicht aufgenommen und gebraucht fühlen und so auf die sogenannte schiefe Bahn geraten und eine kriminelle Karriere beginnen, wenn keine andere in Aussicht steht.

(Beifall bei der SPD)

Die SPD-Fraktion legt mit ihrem Antrag zur Jugendgewalt eine fundierte Analyse und ein schlüssiges Maßnahmenpaket vor, von dem wir uns wünschen, dass es auch Ihre Unterstützung, liebe Kolleginnen und Kollegen der CDU, findet, denn Sie müssen, bei Lichte betrachtet, einsehen, dass die vollmundigen Ankündigungen beider CDUSenate, die Jugendgewalt deutlich reduzieren zu wollen, bloße Ankündigungen geblieben sind. Die Ergebnisse belegen in besorgniserregendem Ausmaß leider das Scheitern der CDU-Politik.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der GAL)

Wir brauchen hingegen ein Gesamtkonzept, das präventive und repressive Handlungsoptionen wieder in ein vernünftiges und sinnvolles Gleichgewicht bringt.

(Beifall bei der SPD)

Dabei ist natürlich völlig klar, dass es keine einfachen Antworten und schon gar keine Patentrezepte gibt. Wir zeigen vielmehr mit unserem Antrag, dass das immer stärker werdende Problem der Jugendgewalt ein sehr komplexes Problem ist und dementsprechend auch differenziert und umfassend darauf reagiert werden muss. Populistische Forderungen, die sich vordergründig toll und schlagkräftig anhören, sind Sprechblasen und werden dem Problem in keiner Weise gerecht.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der GAL)

Wir setzen auf eine eingehende Beschäftigung mit Formen, Entstehungszusammenhängen und Ursachen von Jugendgewalt. Um herauszufinden, wie Jugendkriminalität wirkungsvoller vermieden werden kann, brauchen wir eine systematische, qualifizierte und objektive Evaluation der in den vergangenen Jahren erprobten Gegenmaßnahmen, um daraus Rückschlüsse ziehen zu können, in welcher Weise und in welchem Umfang sie zukünftig zur Anwendung gebracht werden sollen. Wir müssen die Gewaltpräventionsarbeit in Kitas und Schulen deutlich verstärken und konsequenter durchführen. Sie muss integraler Bestandteil des normalen Schulunterrichts werden.

(Beifall bei der SPD)

Das erfolgreiche Cop4U-Programm ist dahingehend umzustellen, dass die Polizeibeamtinnen und -beamten diese Aufgabe nicht als zusätzliche Funktion, sondern mit ausreichenden zeitlichen Kapazitäten als wesentlichen Teil ihres Dienstes versehen können.

(Beifall bei der SPD)

Dies würde natürlich eine Reduzierung ihres sonstigen Aufgabenspektrums bedeuten. Wir brauchen Antigewalttraining schon in der Frühphase einer kriminellen Karriere, nicht erst bei Intensivtätern, wir brauchen eine konsequente Entwaffnungsstrategie, insbesondere bei Jugendlichen, wir brauchen – ganz wichtig – eine Medienpolitik, die mehr Verantwortung im gewaltpräventiven Bereich durch eine verbesserte Medienfrüherziehung übernimmt, wir brauchen verlässliche Kontroll- und Sicherheitsstandards für Videoverleihautomaten und natürlich auch

Verbote von Killerspielen und gewaltverherrlichenden Videos.

(Beifall bei der SPD und bei Christa Goetsch GAL)

Wir müssen erreichen, dass die Eltern in Fällen, in denen sie eine mangelnde Bereitschaft zeigen, Verantwortung für ihre Kinder zu übernehmen, dazu notfalls auch gezwungen werden können, indem das Familienrecht so zu überarbeiten ist, dass familiengerichtliche Maßnahmen hinsichtlich schwerwiegend verhaltensauffälliger, insbesondere straffälliger Minderjähriger erleichtert werden. Die Erziehungsberechtigten müssen zur Inanspruchnahme von Jugendhilfemaßnahmen verpflichtet werden. Als Ultima Ratio bleibt mit neuem Konzept und neuem milieufernen Standort die geschlossene Unterbringung.

Wir wollen das Haus des Jugendrechts in einem Pilotversuch schon zum 1. Januar 2008 nach Stuttgarter Vorbild beginnen lassen, indem die Jugendsachbearbeiter der Polizei, die Jugendstaatsanwaltschaft und die Jugendgerichtshilfe zusammengefasst werden, um so ein effektives Fallmanagement und eine Beschleunigung der Verfahren zu ermöglichen, denn die Strafe muss der Tat auf dem Fuße folgen, weil ein zügiges Verfahren gerade bei der Bekämpfung der Jugendkriminalität von elementarer Bedeutung ist.

(Beifall bei der SPD und bei Christiane Blömeke GAL)

Mit verbindlichen Verfahrensleitlinien zwischen Staatsanwaltschaft und Gerichten soll dafür Sorge getragen werden, dass das vereinfachte Jugendverfahren beziehungsweise das beschleunigte Verfahren wesentlich intensiver in geeigneten Fällen zur Anwendung kommt. Eine Weiterentwicklung des Jugendstrafrechts, eine noch konsequentere Anwendung des Jugendarrests als wichtiges Instrument klarer Grenzsetzung und weitere erzieherische Maßnahmen wie die Möglichkeit des Fahrverbots oder Meldeauflagen sollen dazu beitragen, kriminelle Karrieren in geeigneten Fällen zu stoppen.

Die verschiedenen Ansätze präventiver und repressiver Bekämpfung der Jugendgewalt müssen in entsprechender Weise gebündelt werden, die Akteure aus den staatlichen und zivilgesellschaftlichen Institutionen müssen kontinuierlich vernetzt sein. Dafür sollen die bezirklichen Fachkommissionen gestärkt und eine zentrale, mit angemessenen personellen Ressourcen ausgestattete Einrichtung geschaffen werden, zum Beispiel nach dem Vorbild der Berliner Landeskommission gegen Gewalt.

Dabei brauchen wir natürlich ein strenges Controlling. Sämtliche laufenden Programme etwa der Sozialbehörde, der Innenbehörde und der Bildungsbehörde im Bereich der Jugendgewalt sollen qualifiziert evaluiert und die Ergebnisse der Bürgerschaft und der Öffentlichkeit vorgelegt werden.

(Beifall bei der SPD)

Wir glauben, dass wir mit unserem Antrag eine ganzheitliche und systematische Vorlage bieten unter der Überschrift: Konsequent gegen die Ursachen, konsequent gegen die Erscheinungsform von Jugendgewalt, sodass eine höhere Wirksamkeit bei der Vermeidung von Jugendgewalt entsteht.