Protocol of the Session on April 18, 2007

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Die SPD-Fraktion möchte diese Drucksache an den Sozialausschuss überweisen. Wer wünscht das Wort? - Herr Grund, bitte.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wir hatten in den vergangenen Jahren immer wieder den Senat zu dem Thema befragt, was der Senat über das Schicksal der Menschen in dieser Stadt weiß, die ihre Wohnung durch Zwangsräumung verlieren. Der Senat war in den vergangenen Jahren dazu nie auskunftsfähig. Auf Drängen und Wunsch der SPD-Fraktion, gemeinsam mit anderen Initiativen im Bereich der Obdachlosigkeit in der Stadt, hat sich die Universität in Hamburg, konkret das Ethnologische Institut, dazu entschlossen, näher zu untersuchen, was mit Zwangsräumungen in dieser Stadt passiert.

Diese qualitative Untersuchung - es handelt sich natürlich nicht um eine Massenuntersuchung - war Anlass für uns, noch einmal konkreter nachzufragen. Immerhin, meine Damen und Herren, handelt es sich nicht um eine Bagatelle, sondern in Hamburg werden an jedem Arbeitstag, also auch heute, etwa acht Wohnungen zwangsweise geräumt. Über 2.000 im Jahre 2006, im Jahre 2005 waren es übrigens noch 300 Zwangsräumungen mehr, also eine gegenwärtig sinkende Tendenz. Wir kommen nachher noch einmal darauf.

Wir haben uns nun etwas intensiver mit den Problemen auseinandergesetzt und fragen den Senat, was geschehen kann, um Zwangsräumungen zu vermeiden. Zwangsräumungen haben viele negative Auswirkungen. Im Detail wird dazu etliches in dieser Großen Anfrage nachgearbeitet.

Ich will an dieser Stelle noch einmal ausdrücklich betonen, bevor nachher wieder das Gegenteil gesagt wird: Die Sozialdemokraten haben, wenn ich es richtig sehe, gemeinsam mit der GAL die Einrichtung des sogenannten Fachstellenkonzepts gegen Wohnungsverlust einhellig begrüßt. Das Konzept wird schon seit vielen Jahren bearbeitet. Wir haben es damals auf den Weg gebracht und der Senat hat nach einigen Jahren begonnen, es auch inhaltlich umzusetzen. Dieses Konzept wird inhaltlich prinzipiell von uns begrüßt. Wir drängen seit geraumer Zeit, dass wir im Sozialausschuss und auch im Parlament dazu kommen, die Ergebnisse dieser bisherigen neuen Regelung der Wohnungssicherungskonzeption in der Stadt zu überprüfen und zu diskutieren. Dazu sind wir bislang nicht gekommen. Ich hoffe, es gelingt mit der Überweisung dieser Großen Anfrage, dem Thema ein Stück näherzukommen.

Auf folgende Aspekte will ich eingehen, weil ich meine, dass sie besonders wichtig sind.

Warum verlieren Menschen ihre Wohnung? Die Ursachen sind vielschichtig. Sie sind an verschiedener Stelle genannt worden. Das hat mit dem Thema Verschuldung, mit dem Thema Erkrankung, mit den Suchtproblemen, mit Arbeitslosigkeit, vor allem auch mit Zerstörung von Familienstrukturen zu tun. Oft sind es mehrere Wirkungsursachen zusammen, die dazu führen, dass Menschen ihre Wohnung verlieren und obdachlos werden. Die Frage ist natürlich, wie man durch politisches Handeln, Intervention und Zusammenarbeit der richtigen Stellen Zwangsräumungen, die per Gerichtsvollzieher durchgeführt werden, in dieser Stadt vermeiden kann? Der entscheidende Punkt ist die Frage, ob die Betroffenen selbst dem drohenden Wohnungsverlust erfolgreich begegnen können, also ob sie in der Lage sind, selbst sehr maßgeblich Handlungsspielräume für sich zu eröffnen und Möglichkeiten zu nutzen, um dem zu begegnen, zum Beispiel, ob sie überhaupt über die Fähigkeit verfügen, sich selbst zu helfen oder helfen zu lassen.

Die Untersuchung, die die Universität durchgeführt hat, hat belegt, dass sehr viele objektiv gar nicht in der Lage sind, sich selbst zu helfen. Viele sind schon nicht mehr in der Lage, sich von Fremden helfen zu lassen. Das bedeutet - so ist die erklärende Position -, dass man an diese Menschen herantreten muss, bevor das Schlimmste, nämlich der Wohnungsverlust, eintritt.

Nun haben wir nachgefragt, wie es mit dieser aufsuchenden Arbeit der Einrichtungen im Bereich der Wohnungsfachstellen aussieht. Da ist das Ergebnis, wie ich finde, doch eher traurig. Herausgekommen ist, dass in Gesamt-Hamburg durchschnittlich je Bezirk jede Woche drei Besuche vor Ort stattfinden. Das ergeben die Zahlen. In den entsprechenden Fachstellen ist eine beachtliche Anzahl von Mitarbeitern beschäftigt. Wie wir aber wissen, sind es viel zu wenige, die in der Lage wären, eine solche aufsuchende Arbeit vor Ort qualitativ zu leisten. Vor dem Hintergrund der Problemlage, wie ich sie gerade dargestellt habe, führt natürlich diese aufsuchende Arbeit in dieser Größenordnung dazu, dass nur in den seltenen Fällen wirklich erfolgreich in letzter Minute, also vor der Zwangsräumung, interveniert werden kann.

Ich sage ausdrücklich, dass wir nicht die Arbeit der Beschäftigten in den Fachstellen kritisieren, sondern wir sagen, dass der Senat hier zu wenig tut, um am Ende Zwangsräumungen zu verhindern. Nun werden der Senat und wahrscheinlich auch die CDU-Fraktion gleich antworten: Aber die Zahl der Zwangsräumungen sind vom Jahr 2005 auf das Jahr 2006 gesunken. Das ist richtig und auch erfreulich, dass das so ist. Nur, wenn man genauer hinschaut, dann sieht man, dass die Zahl der Menschen, die wegen Wohnungslosigkeit in öffentlichen Unterbringungen sind, nicht wegen Flüchtlingsproblematik, exakt dieselbe ist wie im Jahre 2005, nämlich 2766. Das heißt, wenn es nicht gelingt, Zwangsräumungen rechtzeitig zu verhindern, dann geschieht ein sehr merkwürdiger Kreislauf. Die Stadt gibt sich viel Mühe, mit viel Geld und Aufwand, Menschen aus öffentlichen Unterbringungen herauszubekommen und in reguläre Wohnungen zu bekommen. Gleichzeitig füllt sich die Stadt ihre Einrichtungen wieder auf, weil ein nicht kleiner Teil der Menschen, die durch Zwangsräumung obdachlos geworden sind, am Ende doch wieder in öffentlichen Unterbringungen landen. Dieser Kreislauf, meine Damen und Herren, muss dringend unterbrochen werden. Das muss die Zielsetzung dieser Debatte sein.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Weil es uns besonders wichtig ist, möchte ich darauf eingehen, welches der hauptsächliche Ansatzpunkt ist und das ist, meine Damen und Herren, wen darf es wundern: Wir haben in Hamburg entschieden zu wenig günstigen und bezahlbaren Wohnraum für solche Fälle.

(Beifall bei der SPD und bei Martina Gregersen und Christiane Blömeke, beide GAL)

Um das Segment des günstigen und bezahlbaren Wohnraums gibt es einen regelrechten Wettbewerb auf hohen Touren in der ganzen Stadt. Viele tausend Menschen in der Stadt werden, weil sie zur Gruppe der Niedrigverdiener oder zur Gruppe der Studenten, die inzwischen ihre Studiengebühren bezahlen müssen, oder der Arbeitslosen gehören, vor allem natürlich sehr viele Arbeitslosengeld-II-Empfänger, die über Hartz-IV-Regelungen in solche Unterkünfte und billigen Wohnraum hineingedrängt werden. Es entsteht ein richtiger Wettbewerb und das Ergebnis ist verheerend. Es ist auch deshalb verheerend, weil entsprechender Wohnraum kaum geschaffen wird, jedenfalls nicht ausreichend.

Ein Schlüssel der Problematik liegt also darin - so sehen wir das nach dieser Großen Anfrage -, dass es uns gelingen muss, erstens Zwangsräumungen dadurch zu vermeiden, dass man rechtzeitig an die Betroffenen herantritt, nicht aufgibt, wenn man nicht sofort Kontakt bekommt oder Kontakte auch abgebrochen werden, weil das am Ende die Stadt und die Betroffenen viel günstiger kommt, wenn man da Lösungen sucht. Zweitens, dass endlich wieder bezahlbarer Wohnraum, gerade auch für sozial benachteiligte Menschen in dieser Stadt gefunden wird. Das sind die wichtigsten Punkte und Ergebnisse für diese Untersuchung. Ich bitte Sie sehr herzlich darum, dass wir in der Lage sind, das fachlich vertieft im Sozialausschuss debattieren zu können. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei Martina Gregersen GAL)

Das Wort bekommt Herr von Frankenberg.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die eigenen vier Wände, die eigene Wohnung ist für die Menschen und die Familien sehr wichtig. Das ist uns allen, glaube ich, klar. Freunde und Bekannte, vertraute Umgebung, es ist die Heimat, es ist der Lebensmittelpunkt und insofern kommt dem eine große Bedeutung zu. Da besteht zwischen uns allen in der Einschätzung auch keine Differenz. Sie haben selber gesagt, dass Sie seinerzeit vonseiten der Opposition das Fachstellenkonzept aus guten Gründen mitgetragen haben.

Ich will noch einmal, weil Sie es eben erwähnt hatten, auf das Gutachten des Ethnologischen Institutes zu dem Thema eingehen. Ich habe mir das auch noch einmal angesehen und das Fazit daraus gezogen, dass das Fachstellenkonzept an sich positiv bewertet wird. Es stehen sicherlich auch sehr interessante Anregungen darin. Wir können uns noch einmal darüber unterhalten. Allerdings muss man die Basis des Gutachtens berücksichtigen, die mit 25 Befragungen etwas dünn ist. Das steht auch in dem Gutachten. Wissenschaftlich ist das in Ordnung. Aber man muss es von der Gewichtung her so

sehen. Zumindest hatte ich den Eindruck, dass von dort ein positives Echo kam.

Das neue Fachstellenkonzept trägt dieser Sache insofern Rechnung, dass es im Juli 2005 mit dem Ziel eingeführt wurde, obdachlosen und wohnungslosen Menschen Wohnraum zu vermitteln und den Verlust der eigenen Wohnung durch präventive Maßnahmen frühzeitig zu verhindern, sodass die Probleme rechtzeitig bekämpft werden und man nicht wartet, bis es schon zu spät ist. Das ist in dem Zusammenhang als wichtig zu sehen, nämlich Hilfe aus einer Hand in den zuständigen Bezirken. Dann gibt es für Menschen, die keinen zuständigen Bezirk haben, noch eine weitere Fachdienststelle.

Insofern ist das Konzept als solches eine gute Sache. Wir sind - mittlerweile sind zwei Jahre ins Land gegangen - an den Punkt gekommen, wo man eine Zwischenbilanz ziehen sollte. Ich persönlich kann nicht bestätigen, dass wir im Ausschuss nie darüber gesprochen haben und kann mich an mehrere Ausschusssitzungen erinnern. Das Konzept ist dort vorgestellt worden und wir haben auch darüber gesprochen. Ich möchte das Fazit ziehen, dass das schon mal ein großer Erfolg ist, der dort erreicht worden ist.

(Beifall bei der CDU)

Insbesondere im Bereich der Wohnungssicherung ist die Zahl der Räumungsanträge durch frühzeitig einsetzende Präventionsarbeit von über 1.000 als Beispiel im vierten Quartal 2004 auf 749 im vierten Quartal 2006 gesunken. Auch die Räumungen sind nach den vorliegenden Zahlen um ein Drittel zurückgegangen. Das sind Erfolge für Menschen, denen in der Not konkret geholfen worden ist. Das muss man erst einmal festhalten.

(Beifall bei der CDU)

Die Zahlen der Anträge auf Räumungsklage und auch der Räumungen sind insgesamt rückläufig. Das zeigen die Zahlen eindeutig.

(Petra Brinkmann, Uwe Grund und Doris Mandel, alle SPD: Das stimmt so nicht!)

Wir brauchen uns jetzt auch nicht aufzuregen. Wir werden uns die Zahlen in Ruhe noch einmal im Ausschuss anschauen, aber das sind auf jeden Fall die Fakten, denen Sie sich nicht verschließen können.

Uns von der CDU-Fraktion liegt besonders die Situation der Kinder am Herzen. Daher sind wir froh, dass vielen Familien in konkreter Not durch das Konzept geholfen werden konnte. Ansonsten muss man auch sehen, dass sich die Verwaltung dort in einem schwierigen Umfeld bewegt. Man wird nicht jede Räumung verhindern können. Darüber sind wir uns alle klar. Aber ein großer Erfolg ist, dass die Zahlen deutlich gesunken sind.

Ein weiterer Punkt, den ich interessant finde, ist, dass die Arbeitsweise in den sieben Bezirken und der einen zusätzlichen Stelle ganz unterschiedlich ist. So werden bei unterschiedlichen Situationen auch verschiedene Lösungen zur Geltung kommen. Das ist immer eine gute Sache, wenn man voneinander lernen kann und dort zu unterschiedlichen Ergebnissen kommt.

Was das Thema Wohnungslosigkeit angeht, sind wir in Hamburg breit aufgestellt. Es gibt ein umfangreiches Angebot. Ich will nur einige nennen. Jedes für sich ist

wieder wichtig, darüber zu sprechen. Wir haben Tagestreffpunkte für Obdachlose, wir haben ein breites Angebot ärztlicher Versorgung. Dort wird Vorbildliches bereitgestellt. Es gibt Essensausgabestellen, Kleiderkammern, umfangreiche Straßensozialarbeit in den Bezirken, Übernachtungsstätten, Wohnungsprojekte, Winternotprogramm, die eben schon erwähnten Fachstellen und sehr umfangreiche Beratungsangebote. Wir sind, was das Thema angeht, in Hamburg sehr gut für eine Großstadt aufgestellt. Das muss ich noch einmal betonen.

Auch was das Thema günstiger Wohnraum angeht, hat der Senat nicht, wie das eben anklang, verschlafen oder nicht gesehen, sondern es ist so, dass es eine Kooperation mit der Wohnungswirtschaft gibt.

(Dirk Kienscherf SPD: Wie viele Wohnungen ha- ben Sie denn da?)

Das finde ich ganz vernünftig, dass dort die Zusammenarbeit gesucht wird.

Die Antwort auf die Große Anfrage zeigt, dass die Entwicklung positiv ist. Nach zwei Jahren ist es Zeit für eine Zwischenbilanz. Ich bin der Auffassung, dass man fast alles optimieren kann. Wir werden auch daran arbeiten. Insofern werden wir dort auch konstruktiv zusammenarbeiten. Ich kann mich entsinnen, Herr Grund und auch Frau Gregersen waren dabei, dass wir vor nicht allzu langer Zeit zu dem Thema ein Gespräch bei der Diakonie hatten, das ich recht konstruktiv fand. Ich denke, wenn wir in dem Sinne anknüpfen, dann werden wir auch zu einer vernünftigen Ausschussberatung kommen.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort bekommt Frau Gregersen.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr von Frankenberg, Sie verweisen hier auf Hilfen wie Suppenküchen und Kleiderkammern. Das ist das, was das Ehrenamt versucht, auszugleichen, was wir von staatlicher Seite nicht hinbekommen oder Sie nicht hinbekommen. Es ist traurig, dass wir immer darauf verweisen müssen und dass so etwas überhaupt notwendig ist.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD)

Kommen wir zum Fachstellenkonzept. Es läuft fast zwei Jahre und sollte die Leute vor Wohnungslosigkeit bewahren und sollte den Leuten die Wohnung sichern, die eine haben. Auch wenn Sie uns jetzt erzählen wollten, dass das alles so toll läuft und dass die Zahlen optimistisch stimmen, muss man ehrlich sagen, dass es nicht läuft.

Es ist Zeit, langsam aus den Kinderkrankheiten herauszukommen. Als das Fachstellenkonzept ein Jahr gelaufen ist, hatte ich eine Große Anfrage dazu gestellt und bin sehr enttäuscht gewesen, als ich jetzt die Große Anfrage von der SPD gelesen habe. Es gibt weitere Schwachpunkte und es ist nichts verbessert worden.

Bei der Umsetzung, Frau Schnieber-Jastram, müssen einige Sachen noch einmal angepackt werden. Ich möchte kurz eine Auflistung geben, wo die Probleme liegen. Sie versuchen uns weiszumachen, dass es läuft, aber die Realität sieht anders aus. Die Bezirke arbeiten total unterschiedlich. Es gibt keine Vernetzung der ver

schiedenen Hilfesysteme. Es gibt keine Abstimmungen untereinander. Es gibt viel zu wenig aufsuchende Arbeit. Ihre Dokumentation des Ganzen, was Sie uns hier vorlegen, ist skandalös. Ich will nachher darauf eingehen.