Protocol of the Session on June 7, 2007

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Ich rufe den Tagesordnungspunkt 61 auf, Drs. 18/6313, Antrag der GAL-Fraktion: Die soziale Mischung in den innerstädtischen Wohngebieten bewahren - Sanierungserfolge sichern.

[Antrag der Fraktion der GAL: Die soziale Mischung in den innerstädtischen Wohngebieten bewahren – Sanierungserfolge sichern - Drs. 18/6313 -]

Wer wünscht das Wort? - Herr Lieven, bitte!

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wir haben gestern schon einmal das Thema Wohnungsbau andiskutiert. Ich denke, es ist aus dieser Debatte hängengeblieben, dass der Wohnungsneubau in Hamburg zu niedrig liegt und dass mehr Anstrengungen nötig sind, um dies zu ändern. Dies ist aber nur die eine Seite der Probleme im Wohnungswesen in Hamburg. Heute wollen wir auf die andere Seite zu sprechen kommen. Die liegt in der galoppierenden Mietentwicklung in den inneren Stadtteilen.

Bereits der Mietenspiegel 2005 hat für die Altbauwohnungen Mietsteigerungen von 11 bis 15 Prozent ausgewiesen. Bei einer Laufzeit von zwei Jahren sind das 5 bis 8 Prozent pro Jahr in der Baualtersklasse vor 1918. Das sind im Wesentlichen die inneren Stadtviertel. Dieser Trend der rapiden Mietsteigerungen wird sich voraussichtlich bei dem im Herbst dieses Jahres neu erscheinenden Mietspiegel fortsetzen. Man muss deshalb die Furcht vor der sogenannten "Latte Macchiatoisierung" dieser Stadtteile ernst nehmen, das heißt vor der rasanten Aufwertung und Verdrängung alteingesessener Mieterinnen. Denn wenn die Mieten weiter so steigen, können sich wohl in einigen Jahren auch Normalverdiener Wohnungen in der inneren Stadt kaum mehr leisten. Besonders Familien haben unter dieser Entwicklung zu leiden, denn bei einem vergleichsweise hohen Raumbedarf

haben sie durchschnittlich ein relativ gesehen niedrigeres Einkommen als beispielsweise gerade die sogenannten Double-income-no-kids-Haushalte. Wir müssen aber verhindern, dass diese Entwicklung der Mietsteigerung zu einer Entmischung der inneren Stadtteile führt und damit auch die Erfolge der städtischen Sanierungspolitik der letzten 20 Jahre zunichte macht.

(Beifall bei der GAL und bei Dr. Dorothee Stapel- feldt SPD)

Hamburg hat seit den Achtzigerjahren aktiv die Sanierung und Revitalisierung der gründerzeitlichen Wohnquartiere betrieben. Die Abkehr von der Flächensanierungs- und Abrisspolitik der Sechziger- und Siebzigerjahre hin zu einer behutsamen Stadterneuerung hat sich als sehr großer Erfolg für die Stadt erwiesen. Die sanierten Viertel, gerade auch in der westlichen inneren Stadt aber auch in St. Georg, sind heute beliebte heterogene und sozial sehr integrationsstarke Quartiere, die auch für Familien sehr attraktiv sind. Allerdings führt dieser Erfolg - vom Problemquartier zum In-Viertel - mittlerweile auch zu erheblichen Mietpreissteigerungen und zu verstärkter Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen. In einem gewissen Umfang ist das die logische und akzeptable Folge des Bemühens um die Aufwertung, das ist klar. Es besteht aber die Gefahr eines Überschießens, eines Abkippens in Spekulation und Verdrängung.

Zwei Beispiele dazu: In St. Georg wurden nach der Aufhebung der Sanierungssatzung 2001 in nur 17 Monaten fast 5 Prozent der Mietwohnungen in Eigentumswohnungen umgewandelt. Gierige Spekulanten - ich sage das bewusst - kauften ganze Wohnblocks, um sie umzuwandeln. In einigen Häusern brannte es - wie in der Langen Reihe 57/59, wo es sich nach Aussage der Kripo eindeutig um Brandstiftung handelte. Die Häuser in der Koppel, Gurlittstraße und in der Langen Reihe gehörten damals der Cantina Bau & Boden. Gegen deren Geschäftsführer ermittelte die Hamburger Staatsanwaltschaft wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung - Osmani & Co. KG sage ich dazu nur. Die Cantina kaufte die Grundstücke im Jahr 2004 für 1,8 Millionen, die Volksbank Lauenburg hat sie mitfinanziert. Nach dem Brand zahlte die Firma Frank Heimbau 2,35 Millionen für die Immobilien, obwohl oder vielleicht gerade weil das Haus Lange Reihe 57/59 abgebrannt war. Das ist Spekulation, wirklich harte Spekulation, mit der Menschen vertrieben und Menschenleben gefährdet werden.

(Beifall bei der GAL und bei Dr. Dorothee Stapel- feldt SPD)

Dies ist nur ein Beispiel. Die Liste lässt sich aber mit anderen Beispielen aus Ottensen, St. Pauli und anderen Stadtteilen fortsetzen. Der Senat lässt diese Dinge einfach laufen. Es scheint so, als habe man kein Interesse daran, die rasante Umstrukturierung bestimmter Stadtviertel zu bremsen, obwohl dabei, wie beschrieben, teilweise mit kriminellen Methoden vorgegangen wird. Im Gegenteil: Der Senat treibt diese Bonanza teilweise noch voran. Der Verkauf städtischer Immobilien im Höchstgebotsverfahren treibt regelmäßig die Preise nach oben.

Wenn dann allein wegen gestiegener Bodenpreise aus einer normalen Wohnlage plötzlich eine gute Wohnlage wird, ist die SAGA die Erste, die die Mieten um 20 Prozent erhöht - erhöhen muss vielleicht, durch die hohen Abgaben, die sie an den Haushalt abführen muss. Das ist kurzsichtig und unsozial. Schließlich kommt den

städtischen Wohnungsunternehmen eine entscheidende Rolle bei einer sozial ausgewogenen Entwicklung des Wohnungsmarktes zu. Sie dürfen nicht zu Pionieren der Verdrängung werden, indem sie bei Veränderungen im Mietenspiegel die Mieterhöhungsspielräume sofort voll ausnutzen, sondern sie müssen die Mietentwicklung in der Stadt durch eine moderate Mietenpolitik stabilisieren. Die Wohnungspolitik des Senates geht völlig in die falsche Richtung, wenn sie darauf aus ist, Wertsteigerungen möglichst schnell abzuschöpfen und von Spekulation und Verdrängung zu profitieren.

(Beifall bei der GAL)

Sie muss im Gegenteil danach streben, die strukturellen Erfolge der Sanierung in der inneren Stadt zu sichern, denn "Ohne Mix is' nix!" in diesen Quartieren, wie sich dort auch eine Bürgerinitiative genannt hat.

Unser Antrag listet die Instrumente auf, die man dazu in die Hand nehmen kann. Sie sind alle vorhanden. Wir brauchen dazu keine neuen Gesetze. Sie sind erprobt und bewährt. Man muss es nur wollen. Zusammengenommen kann man mit diesen Instrumenten eine sozial ausgewogene Bevölkerungsentwicklung in den inneren Stadtvierteln erreichen, damit auch die Auslastung von Gemeinbedarfseinrichtungen wie Schulen und Kindergärten sichern und die negativen Auswüchse eines überhitzten Immobilienmarktes in Hamburg verhindern. Wir fordern den Senat mit diesem Antrag auf, diese Aufwertung nicht länger unkontrolliert laufen zu lassen, sondern die Instrumente zur Steuerung einzusetzen. - Vielen Dank.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD)

Herr Roock hat das Wort. - Bitte, Herr Roock.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Verehrter Herr Kollege Lieven, Ihr Antrag strotzt geradezu vor Regulierungswut und Sie scheinen dabei zu übersehen, dass Erhaltungsverordnung und Vorkaufsrecht an rechtliche Voraussetzungen geknüpft sind. Diese Instrumente lassen sich von daher nicht beliebig einsetzen. Wir stehen hingegen - das habe ich Ihnen gestern schon einmal gesagt - für Deregulierung und Transparenz. Nicht nur deshalb werden wir Ihren Antrag ablehnen.

Ich will das bei diesem komplizierten Thema zusätzlich mit einigen sachlichen Argumenten unterlegen und klarstellen, dass Ihre Forderungen keinen Sinn machen. Ihr Fingerzeig auf den Senat geht insofern völlig daneben. Das Instrument der sozialen Erhaltungsverordnung nach Baugesetzbuch - ich schenke mir jetzt den Paragrafen und die einzelnen Absätze - soll dem Erhalt der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung in dem Gebiet dienen. Diesen Zweck will der Gesetzgeber gewährleisten, indem er den Rückbau, die Änderung und Nutzungsänderung baulicher Anlagen in diesen Gebieten unter einen Genehmigungsvorbehalt stellt. Bei geplanten Modernisierungen können nur sogenannte Luxusmodernisierungen versagt werden. Alle anderen Modernisierungen, die nur zur Herstellung der zeitgemäßen Ausstattungsstandards einer durchschnittlichen Wohnung dienen, sind nach Baugesetzbuch zu genehmigen.

Insofern ist entscheidend, dass die Wohnraummiete unter Anwendung einer sozialen Erhaltungsverordnung unter Anderem bei vorgenommenen Modernisierungen, bei

Neuabschluss des Mietvertrags, zum Beispiel aufgrund von Mieterwechsel, oder auch in Anpassung an die ortsübliche Vergleichsmiete erhöht werden kann. Das bedeutet, dass die soziale Erhaltungsverordnung keine Mietpreis dämpfende Wirkung für das gesamte Gebiet entfalten kann.

Wir haben in der letzten Legislaturperiode über die Abschaffung der sozialen Erhaltungsverordnung in Eimsbüttel-Nord, Hoheluft-West sowie in Barmbek-Süd und Uhlenhorst diskutiert. Dort wurden mehrjährige Erfahrungen mit sozialen Erhaltungsverordnungen gesammelt. Es konnte dort nicht verhindert werden, dass das Niveau der Mieten weit über den Durchschnitt des Mietenspiegels anstieg und eine deutliche Änderung der Sozialstruktur eintrat. Das wurde im Übrigen durch ein unabhängiges Gutachten klar belegt. Insofern war es richtig, untaugliche Instrumente abzuschaffen.

Das eben Gesagte gilt gleichermaßen für Punkt 2 Ihres Antrags. Im Übrigen sieht das Gesetz in Paragraf 172 Baugesetzbuch als Ziel der sozialen Erhaltungsverordnung nicht die Sicherung von regelmäßig vielschichtigen Sanierungszielen vor, sondern ausschließlich die Erhaltung der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung.

Zu Punkt 3 will ich bemerken, dass das Wohnlagenverzeichnis regelmäßig zu Beginn der Mietenspiegelerhebung aktualisiert und dann zusammen mit dem Mietenspiel veröffentlicht wird. Nach meiner Kenntnis, Herr Lieven, sind die Fertigstellung und die Veröffentlichung des neuen Hamburger Mietenspiegels für das vierte Quartal 2007 vorgesehen. Die Arbeiten sind aufgenommen. Insofern kann die Überprüfung der Kriterien für das Wohnlagenverzeichnis erst mit Wirkung für den Mietenspiegel 2009 erfolgen. Diese Erkenntnis haben Sie selbst gestern dargestellt. Ich gehe davon aus, dass die entsprechenden Vorarbeiten und Erörterungen im Arbeitskreis Mietenspiegel zeitnah aufgenommen werden.

Zu Punkt 4 Ihres Antrags kann ich nur sagen, dass der Mittelwert bei SAGA und GWG gängige Praxis ist. Das vom Aufsichtsrat beschlossene Mietenkonzept sieht bereits jetzt eine grundsätzliche Orientierung auf den Mittelwert des einschlägigen Rasterfeldes des Hamburger Mietenspiegels vor.

Es muss im Einzelfall aber schon aus wohnungswirtschaftlichen Gründen eine Abweichung möglich bleiben.

Auch Ihr Punkt 5 ist jetzt schon gängige Praxis. Ich will Ihnen aus Zeitgründen nur das Projekt Familienfreundliches Wohnen in Altona nennen.

(Zuruf von Claudius Lieven GAL)

- Das ist keine Ausnahme. Wir haben beide daran mitgearbeitet, Herr Lieven, Sie können sich erinnern.

Da ist man schon vom Höchstgebotsverfahren abgewichen.

Zu Punkt 6 Ihres Antrags ist noch keine Entscheidung getroffen worden, aber wir könnten noch einmal ernsthaft darüber nachdenken.

In Punkt 7 beziehen Sie sich offensichtlich auf das allgemeine Vorkaufsrecht nach Paragraf 24 Baugesetzbuch, welches sowohl in förmlich festgelegten Sanierungsgebieten als auch im Geltungsbereich einer sozialen Erhaltungsverordnung gilt. Aber auch hier sind die gesetzli

chen Voraussetzungen jeweils einzelfallbezogen zu prüfen.

Von vornherein kann das Vorkaufsrecht naturgemäß nur im konkreten Verkaufsfall ausgeübt werden. Fehlt dieser oder ist er in Wirklichkeit für einen späteren Zeitpunkt vorgesehen, so greift auch dieses Instrument nicht.

Ich gehe davon aus, es ist deutlich geworden, dass wir Ihrem Antrag in dieser Sache nicht zustimmen können. - Danke schön.

(Beifall bei der CDU)

Herr Quast hat das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die Entwicklung, die der Kollege Lieven hier eingangs geschildert hat, sehen wir mit Sorge. Die Verdrängung der alteingesessenen Bevölkerung aus einer Reihe ehemaliger innerstädtischer Sanierungsgebiete ist ein Problem. Gleichwohl führt kein Weg an der Fortführung der Sanierungspolitik und der sozialen Stadtteilentwicklungspolitik vorbei. Ziel dieser Politik muss auch künftig sein, einseitige Bevölkerungsstrukturen zu vermeiden und Segregationstendenzen zu stoppen.

(Beifall bei der SPD und Claudius Lieven GAL)

Wir dürfen im Ergebnis aber nicht über das Ziel hinausschießen, indem wir durch die Sanierungspolitik - drastisch formuliert - aus Armutsquartieren Schickimickiviertel machen.

(Hans-Detlef Roock CDU: Hören Sie auf mit Schi- ckimicki!)

Die wachsende Stadt darf die alteingesessenen Menschen nicht aus ihren Heimatvierteln vertreiben. Sollte dieser Eindruck entstehen, wäre es für die Stadtteilentwicklungspolitik in Hamburg fatal, denn diese lebt bei der Quartiersentwicklung von der aktiven Beteiligung der Bevölkerung. Ohne die Menschen geht es nicht. Das Engagement für seinen Stadtteil darf nicht dazu führen, dass man sich am Ende das Leben in ihm nicht mehr leisten kann.

Die GAL-Fraktion hat heute einen Maßnahmenkatalog vorgelegt, mit dem Verdrängungstendenzen gestoppt werden sollen. Ich bin mir nicht sicher, ob tatsächlich jedes der Instrumente den gewünschten Effekt haben kann. Das gilt besonders für den Einsatz der sozialen Erhaltungsverordnung. Herr Roock hatte schon einiges dazu gesagt.