Protocol of the Session on July 4, 2007

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Das Wort bekommt die Abgeordnete Ernst.

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Zu den Ausführungen von Herrn Hesse möchte ich sagen, dass es eine Vereinbarung gegeben hat, dass die Drucksache heute auf der Tagesordnung ist. Das ist sie, und insofern verstehe ich die Anmerkung nicht.

Ich will etwas Grundsätzliches sagen. In fast allen demokratischen Parlamenten gibt es die Möglichkeit, Gesetze in zwei Lesungen zu beraten. Das ist sozusagen ein eingebauter Qualitäts-TÜV für Gesetzesvorhaben, weil man verhindern will, dass Regierungen Vorhaben, die nicht abgewogen sind, unverhältnismäßig schnell durchpeitschen.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Die Beratung der Drucksache heute wird zeigen, dass es notwendig wäre, diesen Qualitäts-TÜV sehr ernst zu nehmen, weil die Anhörung über den Börsengang der HHLA sehr deutlich gezeigt hat, dass es eine Reihe von Argumenten gibt, die dagegen sprechen, dieses zu tun, dass Sie die Interessen der Stadt nicht abgewogen behandelt haben und dass hier ein Ausverkauf des Hafens stattfinden soll. Deshalb werden wir der sofortigen zweiten Lesung heute nicht zustimmen. Wir appellieren an Sie: Nutzen Sie die Zeit, beraten Sie das, um diesen Entwurf zu verändern. - Danke.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Alsdann bekommt der Abgeordnete Kerstan das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Hesse, wir werden heute der zweiten Lesung nicht zustimmen, gerade weil es eine wichtige strategische Entscheidung ist, um die es heute geht und weil wir kritisieren und auch schon in den Ausschüssen kritisiert haben, in welch unheiliger Hast Sie eine solche wichtige Entscheidung durch die Ausschüsse und diese Bürgerschaft peitschen. Das wird dem Anlass dieser - wie auch immer sie ausgeht - historischen Entscheidung nicht gerecht, Herr Hesse.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Wenn die Stadt seit 150 Jahren zum ersten Mal Teile eines solchen Unternehmens verkauft, Herr Hesse, hätten wir uns gewünscht, dass man, bevor so etwas passiert, Sachverständige anhört. Dazu mussten wir Sie erst bringen. Sie haben dem nur unter einer Bedingung zugestimmt, dass man erstens zunächst die Sachverständigen anhört, dass man zweitens sich gar nicht mehr darüber berät, sondern sofort im Anschluss an die Anhörung den Senat befragt und beschließt, wodurch diese Anhörung eine Farce geworden ist und drittens, dass es heute gleich auf die Tagesordnung gesetzt wurde, bevor die Kollegen auch nur die Gelegenheit bekommen haben, das Wortprotokoll dieser Anhörung zu lesen. Meine Damen und Herren, das ist wirklich ein unerhörtes Verfahren, das der Bedeutung dieser Entscheidung nicht gerecht wird. Ich möchte Sie auffordern, heute nicht darüber zu beschließen, sondern erst angemessen darüber

zu beraten und dann in einer zweiten Lesung die letzte Entscheidung zu treffen. - Vielen Dank.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Weitere Wortmeldungen sehe ich nicht. Wer dem CDU-Antrag folgen und zum Tagesordnungspunkt 34b am heutigen Sitzungstag die erste Lesung durchführen und für die morgige Sitzung die zweite Lesung vorsehen möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. - Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? - Das ist mehrheitlich so beschlossen.

Dann wird die erste Lesung zum Tagesordnungspunkt 34b heute im Anschluss an die dazu angemeldete Debatte erfolgen und die zweite Lesung am morgigen Sitzungstag durchgeführt.

Wir kommen zur

Aktuellen Stunde

Dazu sind drei Themen angemeldet worden, und zwar von der GAL-Fraktion:

Krümmel, Brunsbüttel, von Beust, HafenCity: Viele Baustellen und verpasste Chancen

von der CDU-Fraktion:

Wirtschaftswachstum und Arbeitsmarkt: Hamburg ist und bleibt der Motor Norddeutschlands

und von der SPD-Fraktion:

Hochschulkrise und Fachkräftemangel: Wie der Senat Hamburgs Talente vergrault

Ich rufe das erste Thema auf. Das Wort wird gewünscht von der Abgeordneten Goetsch, und sie bekommt es.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Atomkraftwerke sind und bleiben in diesem Jahrhundert lebensbedrohlich und unkontrollierbar. Die aktuellen schweren Störfälle in Brunsbüttel und Krümmel in den vergangenen Tagen sprechen für sich. Aber noch viel schlimmer ist, dass in der üblichen Beschwichtigungsmanier verkündet wird: Keine Gefahr für die Bevölkerung. Doch das, meine Damen und Herren, glaubt kein Mensch mehr. Heute wurde bekannt, dass auch in Krümmel der Reaktor selbst vom Störfall betroffen war, was zunächst erst einmal geleugnet wurde. Zudem haben Mitarbeiter per Hand mal Sicherheitsventile geöffnet, um den Druckabfall zu beeinflussen. Es gab Fehlfunktionen in der Pumpe im Kühlsystem. Das heißt, die Sicherheitssysteme funktionieren nicht.

Meine Damen und Herren und ganz besonders Herr Engels, weil Sie das im letzten Jahr bei "20 Jahre Tschernobyl" angemerkt haben, als Sie von sehr feiner Störfallprogrammatik in Deutschland gesprochen und das hochgelobt haben. Sie ist eben nicht vorhanden. Im Gegenteil, es lief immer nach demselben Motto: Erst einmal beruhigen und dann alles herunterspielen. Jetzt kommt sukzessive die Wahrheit heraus und es zeigt sich wieder deutlich: Atomkraftwerke sind nicht sicher, sie sind hoch gefährlich und dass Sie, Herr von Beust, noch über Laufzeitverlängerung nachdenken, ist mir unbegreiflich.

(Beifall bei der GAL und der SPD - Michael Neu- mann SPD: Das gilt auch für den Bürgermeister!)

Meine Damen und Herren! Deshalb müssen Krümmel und Brunsbüttel so schnell wie möglich abgeschaltet werden.

(Michael Neumann SPD: Herr von Beust auch!)

Wir alle wissen, dass diese beiden Atomkraftwerke eine ganz traurige Spitzenreiterfunktion in der Pannenstatistik haben. In Krümmel im vergangenen Jahr 16 Störfälle, in Brunsbüttel 9. Seit Bestehen in Krümmel 303 Störfälle, in Brunsbüttel 427. Brunsbüttel hält noch einen weiteren traurigen Rekord, nämlich seit der Inbetriebnahme im Jahre 1976 summieren sich allein die längeren Stillstandszeiten auf rund sechseinhalb Jahre. Kein anderer deutscher Reaktor musste so lange abgeschaltet werden und in jeder Pannensituation wieder das Motto Wirtschaftlichkeit vor Sicherheit. Es ist eben doch so, dass die Atomkraftwerke in Westeuropa nicht sicherer sind als in der ehemaligen Sowjetunion, Herr Engels, sie sind genauso gefährlich.

(Beifall bei der GAL und bei Dr. Monika Schaal SPD)

Auffällig ist doch, dass alle schweren Störfälle in Kraftwerken vorgefallen sind, die von Vattenfall und E.on betrieben wurden. Das trifft auf Krümmel zu, auf Brunsbüttel, auf Ringhals, auf Forsmark, wo im vergangenen Juli fast ein Super-GAU stattgefunden hätte. Wo ist denn hier die Sicherheitskultur der Betriebe? Wo ist denn hier ein Hinterfragen der Sicherheitsmechanismen? Nichts.

Meine Damen und Herren! Eine Technologie, bei der ein Unfall eine Entvölkerung ganzer Landstriche zur Folge hätte, eine Technologie, die sich menschliches Versagen überhaupt nicht leisten kann, weil es unkontrollierbare Folgen hat, eine Technologie, wo auf keinen Fall ein Fehler passieren darf, weil es sonst verheerende Folgen hat, eine solche Technologie dürfen wir uns nicht erlauben.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Der Atomausstieg, der unter Rot-Grün ausgehandelt wurde, sicherlich nicht einfach und nicht leicht erreichbar - ich möchte an dieser Stelle nicht darüber reden, dass mir persönlich die Laufzeiten immer noch zu lang sind -, aber ich freue mich über jeden Tag, an dem ein Reaktor seinem letzten Betriebstag wieder einen Tag näher gekommen ist und ich freue mich über jeden Tag, an dem nichts passiert ist. In solch einer Situation, Herr von Beust, reden Sie von längeren Laufzeiten für Atomkraftwerke. Brunsbüttel, dieser Schrottreaktor soll fünf Jahre länger laufen. Da sträuben sich bei mir alle Nackenhaare. Das ist unverantwortlich, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD)

Herr von Beust und Sie von der CDU spielen russisch Roulette mit den Hamburgerinnen und Hamburgern. Es geht hier um öffentliche Sicherheit, die Sie sonst immer so wichtig nehmen.

(Wolfhard Ploog CDU: Ist auch wichtig!)

Und bringen Sie an dieser Stelle bitte nicht das Argument mit dem von Ihnen neu entdeckten Klimaschutz ins Spiel. Sie können nicht leugnen, dass die CDU Deutschland immer mit Atomstrom versorgen wollte. Sie haben immer schon behauptet, dass diese Technologie sicher sei, und Sie wollten immer den Atomausstieg rückgängig machen.

Jetzt ist Ihnen dafür jedes Argument recht, auch der Klimaschutz, weil der gerade so modern ist.

Meine Damen und Herren! Klimaschutz versus Atomausstieg geht mit uns nicht. Wir sagen weiterhin: Atomkraft - nein danke. Wir brauchen dringend den Ausstieg. Hören Sie auf, Herr von Beust, von längeren Laufzeiten zu reden. Wir müssen dringend sofort diese beiden Kraftwerke abschalten. - Danke.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Präsident Ernst Röder Dann bekommt der Abgeordnete Engels das Wort.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch wir von der CDU nehmen Störfälle natürlich sehr ernst, insbesondere, wenn sie in der Nähe von Kernkraftwerken stattgefunden haben. Aber es geht nicht - und da sind Ihnen wirklich die Gäule durchgegangen, Frau Goetsch -, hier nur mit Hysterie und Angstmacherei zu argumentieren, obwohl Sie es eigentlich besser wissen.

(Beifall bei der CDU)