Protocol of the Session on September 12, 2007

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Meine Damen und Herren! Es gibt viel zu tun, es gibt viele Vorschläge. Der Senat tut nichts. Er erhebt keine Daten über die Stadtteile, evaluiert nicht die Sanierungspolitik, er ist nicht bereit, ernsthaft über die soziale Erhaltensverordnung und vor allem die Umwandlungsverordnung für betroffene Quartiere nachzudenken. Er ist nicht

bereit, jetzt ein neues und ehrliches Wohnanlagenverzeichnis zu erstellen, er schiebt es auf später. Er ist nicht bereit, die SAGA zu steuern in ihrer Verantwortung für günstige Wohnungen, auch in Quartieren, die prosperieren, obwohl sonst die Menschen verdrängt werden. Er ist nicht bereit, eine Verkaufspolitik in Hamburg bei städtischen Grundstücken durchzuführen, die sich an dem Konzept orientiert, welches für einen Stadtteil am besten ist, sondern ist gerade in diesen Quartieren vorneweg dabei, wenn es um das Höchstgebotsverfahren geht.

All diese Vorschläge, die ich eben zitiert habe, lagen schon im Juni auf dem Tisch. Dem Senat waren sie der Prüfung nicht wert, der CDU-Fraktion auch nicht. Stattdessen geht die Verdrängung weiter. Die Menschen in dieser Stadt haben aber ein berechtigtes Interesse, eine berechtigte Erwartung an uns, dass wir etwas tun. Sonst verliert die soziale Stadtteilentwicklung in den betroffenen Quartieren an Akzeptanz und die Mitwirkung der Menschen, die so wichtig ist, schwindet und das können auch Sie nicht wollen. Deswegen fordere ich Sie auf: Kehren Sie um, tun Sie etwas für die innerstädtischen Quartiere, bevor diejenigen, die dort leben, verdrängt werden, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und bei Farid Müller GAL)

Bevor Herr Roock das Wort bekommt, möchte ich noch einmal darum bitten, die Gespräche einzustellen. Die Unruhe kommt nicht nur von einer Seite, sondern ist im ganzen Plenarsaal. Bitte, Herr Roock.

Verehrter Herr Kollege Quast, diese Auffassung ist einmal mehr falsch und ich will Ihnen zum wiederholten Mal deutlich machen, warum. Quartiersbezogene Aufwertungsmaßnahmen werden in Hamburg immer mit dem Ziel durchgeführt, den Verbleib und den Zuzug leistungsstarker Haushalte zu fördern, ohne dabei sozial schwächere Bürgerinnen und Bürger zu verdrängen. Die Sanierungsträger und Quartiersentwickler, zum Beispiel Lawaetz-Stiftung und Stattbau, beziehen ohne Zweifel sehr sorgfältig die in den Stadterneuerungsgebieten lebenden Menschen in ihrer Gesamtheit mit ein und bemühen sich, sie zu aktivieren. Ich habe gerade in dieser Woche vom Bundesamt für Bau und Raumordnung eine Studie über die Erschließung von Genossenschaftspotenzialen zugesandt bekommen. Die sollten Sie einmal lesen. In dieser Studie steht zum Beispiel auf Seite 75: "Prima Klima: Von Hamburg lernen". Das zeigt doch, dass viele Dinge in unserer Stadt hervorragend laufen.

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(Beifall bei der CDU)

Ich komme jetzt zu dem Punkt, den Sie als Skandal bezeichnet haben. Herr Quast, es ist tatsächlich so, dass in Stadterneuerungsgebieten viele Maßnahmen im Bereich der kulturellen und sozialen Infrastruktur eingesetzt werden. Gerade diese Maßnahmen - und das ist wirklich so - kommen den Schwächeren zugute. Was haben Sie eigentlich dagegen?

Lieber Herr Kollege Quast, Ihre Große Anfrage - das liegt wahrscheinlich auch an den gestellten Fragen - gibt im Grunde genommen nichts her. Deshalb sollten Sie Ihr Augenmerk auf die Antworten der Fragen 11 bis 13 richten. Dort hat der Senat ausführlich begründet, wie behutsam und sorgfältig in Stadterneuerungsgebieten umgegangen wird. Dieses habe ich Ihnen schon in der letzten Debatte aufgezeigt und ich will das heute nicht alles noch einmal wiederholen.

Sie haben auch gefragt, was wir tun. Natürlich tun wir in dieser Stadt eine ganze Menge. Mit den Senatsprogrammen Sanierungsgebiete, aktive Stadtteilentwicklung und lebenswerte Stadt, die wirklich ein riesiges Investitionsvolumen beinhalten, sind wir - so meine ich - deutlich auf dem richtigen Weg. Das haben uns im Übrigen auch alle Experten in einer Anhörung im Stadtentwicklungsausschuss bestätigt. Wir überlassen Gebiete mit Entwicklungsbedarf nicht ihrem Schicksal, sondern handeln und ergreifen gezielte Maßnahmen zur Aufwertung. Dieses geschieht in Hamburg konsequent und vor allen Dingen behutsam unter Einbeziehung möglichst vieler vor Ort lebender Menschen. Ich hüte mich aber davor, vom Idealzustand zu sprechen. Der Idealzustand, Aufwertung ohne Verdrängung, ist schlicht und ergreifend nicht zu erreichen. Wer so etwas behauptet und derartige Versprechungen macht, handelt unseriös und unverantwortlich. Er fördert letztlich Misstrauen gegenüber Parteien und Politik. - Danke schön.

(Beifall bei der CDU)

Herr Lieven hat das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Roock, Sie haben gerade gesagt, das Problem, dem sich diese Große Anfrage widmet, existiere überhaupt nicht. Vorher hat Herr Quast in seiner Rede eine Aussage des Bürgermeisters zitiert, wo er sagt, die Schickimickisierung einiger Stadtviertel mache ihm große Sorgen. Entweder leiden Sie unter Wahrnehmungsstörungen, Herr Roock, oder der Bürgermeister leidet unter Wahrnehmungsstörungen. Bitte, entscheiden Sie sich jetzt, dann kann ich besser weiterdiskutieren.

(Beifall bei der GAL und der SPD - Petra Brink- mann SPD: So ist es! - Dr. Till Steffen GAL: Oder beide! - Hans-Detlef Roock CDU: Das sollten Sie vielleicht noch ein bisschen erläutern!)

Lieber Herr Roock, meine Damen und Herren! Ich glaube, in diesem Fall schenke ich doch mehr dem Glauben, was der Bürgermeister gesagt hat, denn dieses Problem existiert sehr wohl, wenngleich die Zahlen, die der Senat auf diese Große Anfrage genannt hat, ziemlich dürftig sind. Dennoch kann man auch daraus einiges ermitteln, denn man sieht auch hier, dass der Wohnungsmarkt in Hamburg auseinanderfällt. Was in diesen Quartieren besonders auffällig ist, ist der starke Rückgang der Menschen

unter 18 Jahren. Das ist genauso ein Effekt der Entmischung, der Verdrängung. Die Wohnungen in diesen Gebieten sind viel teurer geworden. Bereits im letzten Mietenspiegel 2005 hatten wir in den Altbauquartieren, der Baualtersklasse vor 1918, Mietsteigerungen von 11 bis 15 Prozent. Genau in diesen Quartieren ist der Anteil der jungen Menschen stark gesunken, denn Familien, Haushalte mit mehr Wohnflächenbedarf sind die ersten, die dort verdrängt werden, weil sie sich die teuren Wohnungen nicht mehr leisten können und das ist ein äußerst kritischer Indikator, ein äußerst kritisches Zeichen, wenn wir feststellen müssen, dass die Familien und die jungen Menschen aus den sanierten Altbauquartieren wegziehen, denn wir brauchen eine gemischte Stadt, wir brauchen eine Stadt, in der alle Altersgruppen leben und nicht nur double income, no kids oder gut verdienende Familien, meine Damen und Herren!

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD)

In dieser Entmischung liegt eine große Gefahr für die Stadt.

Vielleicht war dem Senator Dräger das nicht bewusst, als er sich kürzlich über die kreativen Viertel ausgelassen hat, denn mit seiner gegenwärtigen Politik drängt der Senat die Kreativen aus den Vierteln hinaus. Der Senat hat aber offensichtlich kein Talent für kreative Politik.

Meine Damen und Herren! Zwei Punkte aus der Großen Anfrage verdienen hier auch noch einmal die Diskussion. Einmal das immer wieder erzählte Märchen von der Wirkungslosigkeit der Erhaltungsverordnung.

(Hans-Detlef Roock CDU: Das ist so!)

Ich zitiere einmal aus dem Gutachten, aus der Evaluation, die damals 2003 veröffentlicht worden ist:

"Das Ziel der Verordnung, die Umwandlung nur noch in restriktiven Rahmen zuzulassen, ist in vollem Umfang erreicht worden."

Dieses haben die Gutachter festgestellt und kamen zu dem Schluss:

"Ohne eine Verlängerung der Umwandlungsverordnung würden wieder verstärkt Verkaufsaktivitäten mit den bekannten Folgen, insbesondere der Vertreibung der Angestammten, auf das Gebiet angewiesenen Mieter einsetzen."

Genau das ist auch passiert. Mit diesem Zitat ist auch belegt, dass die Umwandlungsverordnungen durchaus ihre Wirkung erbracht haben.

Wenn Umwandlungen in verstärktem Maße stattfinden, dann wirkt sich das schnell auf den Bodenwert aus.

(Präsident Berndt Röder übernimmt den Vorsitz.)

Eine hohe Verkaufsaktivität treibt den Bodenwert nach oben und das wirkt sich auch auf die Mietwohnungen aus, denn die sind durch die Wohnlage an diesen Bodenwert gekoppelt und aus diesem Grunde hat das Thema Bodenwert bei der aktuellen Aufstellung des Mietenspiegels auch so an Bedeutung gewonnen. Denn wenn aus einer normalen Wohnlage eine gute Wohnlage wird, kann die Wohnung deutlich teurer werden.

Meine Damen und Herren! Der Senat hat jetzt in dieser Anfrage geantwortet:

"Ziel der Behörde ist es, das Verfahren für die Aufstellung des Wohnlagenverzeichnisses behutsam fortzuschreiben."

Aber das ist eine sehr billige Antwort, meine Damen und Herren, denn das nächste Wohnlagenverzeichnis, die nächste Aufstellung ist 2011 dran. Die Aufstellung von 2007 hat der Senat verpasst und ich denke, das war mit Absicht, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Kurz und gut, die Quintessenz aus dem Ganzen ist, dass die Stadt ihre Steuerungsmöglichkeiten nutzen muss, die sie hat, um dämpfend auf die Mietentwicklung in der inneren Stadt einzuwirken. Wir haben im Frühjahr in unserem Antrag eingebracht, welche Steuerungsmöglichkeiten es sind. Herr Quast hat sie genannt: von der aktiven Wohnungsbaupolitik über eine aktive Politik bei SAGA und GWG, bis hin zu einer engagierten Mieterschutzpolitik zum Beispiel durch den Mietenspiegel. Wer dies nicht tut, meine Damen und Herren, leistet der sozialen Spaltung der Stadt weiteren Vorschub, wer dies nicht tut, macht die kreativen Quartiere in Hamburg kaputt, und wer dies nicht tut, gehört abgewählt.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Das Wort bekommt Senator Gedaschko.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist wie bei einem Déjàvu. Wir haben dieses Thema vor Kurzem einmal bereits diskutiert und die Ergebnisse, die in realiter in der Stadt passieren, sind seither nicht anders geworden. Die Geschichte dieser Stadt ist aber auch nicht anders geworden und die wird von Ihnen völlig ausgeblendet.

Maßgeblich für das, was hier passiert, ist vieles, was gut gemeint war, was von Ihnen zu verantworten ist. Das ist Ihnen auch nicht vorzuwerfen, weil es sich um Dinge handelt, die selbstverständlich sind, damit in einer Stadt eine aktive Stadtteilentwicklung gefahren wird. Es ist aber Realität, dass gerade in Stadtvierteln, in denen Sie diese aktive Stadtteilentwicklung gefahren haben, genau diese Dinge passiert sind. Wenn jetzt beispielsweise gesagt wird, durch die soziale Erhaltenssatzung könnte das Problem gelöst werden, so dürfen wir feststellen, dass die soziale Erhaltenssatzung, die 1995 bis 2003 für die Gebiete Eimsbüttel-Nord, Hoheluft-West, Barmbek-Süd, Uhlenhorst galt, nicht verhindern konnte, dass das Mietniveau weit über den Durchschnitt des Mietenspiegels anstieg und dadurch letztendlich eine deutliche Änderung in der Sozialstruktur auch in diesen Vierteln eingekehrt ist. Das heißt, diese Mittel sind nicht zielführend.

(Beifall bei der CDU)

Wenn wir uns jetzt darüber unterhalten, welche Mittel zielführend sind - darüber müssen wir uns in der Tat Gedanken machen -, ist das Wohnlagenverzeichnis das eine. Die Unterstellung, wir hätten das mit Absicht verzögert, ist recht preiswert. Sie wissen selbst am besten genau, wann und in welchem Umfang ein Mietenspiegel erstellt wird, dass es einen enormen Vorlauf und ein enormes Abstimmungsverfahren gibt und dass Sie das nicht kurzfristig einspeisen können. Insofern wäre es bei der Kenntnis ein Stück weit Fairness, nicht so eine Behauptung zu erheben.

(Beifall bei der CDU)

Das Nächste ist das Thema Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum. Wir werden demnächst einen Gesetzentwurf vorlegen, der auch das Zweckentfremdungsverbot als Inhalt haben wird, weil wir denken, dass dieses für Hamburg in bestimmten Teilen ein Thema sein wird und wahrscheinlich auf absehbare Zeit bleiben muss.

Von daher sind das zwei Instrumente, mit denen man arbeiten kann und mit denen wir auch arbeiten wollen.

Ein weiteres Thema ist die Nachverdichtung. Wenn gesagt wird, es sind bestimmte Dinge, die zum Beispiel im Reihenhausbau oder im Eigentumsbereich passieren, halte ich das für richtig, weil wir dadurch vielen Hamburgern, die bisher zur Miete gewohnt haben, die Chance geben, ihren Traum vom Eigenheim und Eigentum innerhalb der Stadtgrenze zu erfüllen und sie nicht ins Umland treiben. Das ist der erste Punkt.