Erstens: Wenn in einem reichen Land, speziell in einer so wohlhabenden Stadt wie Hamburg, das Einkommen, das man aus Vollzeitarbeit bezieht, nicht mehr zum Überleben ausreicht, dann ist dieses keine x-beliebige Frage, über die man zur Tagesordnung übergehen darf. Deshalb sagen wir, wenn wir das zulassen, dann wird das Gerechtigkeitsempfinden der Menschen - nicht nur der Betroffenen, sondern der Menschen im ganzen Lande - zutiefst verletzt.
Drittens: Die Würde des Menschen - das ist ein Verfassungsgrundsatz - wird mit Füßen getreten. Das dürfen wir nicht zulassen.
Gestatten Sie, dass ich an die richtigen Worte von Gräfin Dönhoff, Ehrenbürgerin unserer Stadt, erinnere. Sie hat bei anderer Gelegenheit öffentlich gesagt, sie sei der Auffassung, dass eine Marktwirtschaft, ein reiner Kapitalismus, ethische Regeln benötige. Wenn die nicht vorliegen, dann führt der knallharte Kapitalismus zu Kannibalismus.
Nur das gewählte Parlament, also wir, sind in der Lage, das Geschacher um Hungerlöhne endlich zu beenden. Es ist überfällig, meine Damen und Herren.
Wir schulden den Bürgerinnen und Bürgern in diesem Lande ein Versprechen. Das Versprechen heißt: Wer ehrlich und hart arbeitet, der muss von dem Lohn leben können. Deshalb muss der Mindestlohn her, und zwar so schnell wie irgend möglich.
Verfahren Sie deshalb nicht nach dem Prinzip "ttv", tarnen, täuschen und verpieseln, und verweisen auf andere Zuständigkeiten. Es geht um Hamburgerinnen und Hamburger, die hier leben und unter solchen Bedingungen leiden. Deshalb haben Sie die Verantwortung.
Unterstützen Sie die Gesetzesinitiative beim Bundesrat von Rheinland-Pfalz. Es ist aller Ehren wert.
Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Herr Grund, am 15. November 1918, in schwieriger Zeit, gab es in Deutschland etwas zu feiern. An diesem Tage schlossen die Arbeitgeberverbände und die Gewerkschaften ein Abkommen, mit dem sie sich gegenseitig anerkannten. Sie vereinbarten den Abschluss von Kollektivvereinbarungen und die Einrichtung von Schlichtungsstellen. Das war die Geburtsstunde des heutigen Tarifsystems. An diesen Tag sollten wir heute noch einmal denken.
Nach 100 Jahren möchte nun die SPD das gemeinsame Kind der Gewerkschaften und der Arbeitgeberverbände zu Grabe tragen und durch den staatlich geregelten Mindestlohn ersetzen.
(Petra Brinkmann SPD: Er hat es doch gerade erklärt! Ist Ihnen das aufgeschrieben worden? Sie sollten zuhören!)
Es ist unwidersprochen, dass es Dumpinglöhne und Billiglohnkonkurrenz gibt. Man darf an dieser Stelle auch nichts beschönigen und man darf die Realität nicht außer Acht lassen.
Eine vernünftige Wirtschaftspolitik muss sich aber an realen Verhältnissen orientieren und nicht an Wunschbildern. Deswegen stellt sich die Frage, welche Konsequenzen wir aus dieser Situation zur Analyse ziehen.
Ich möchte einige Probleme des geforderten Mindestlohns darstellen. An diesem Punkt muss ich Herrn Grund widersprechen. Man muss ganz klar feststellen, dass durch Mindestlohn kein einziger Arbeitsplatz geschaffen wird. Im Gegenteil. Es werden dadurch Arbeitsplätze wegfallen.
Das muss man den Wählern klar sagen, wenn man für einen Mindestlohn Werbung macht. Ehrlichkeit im politischen Geschäft erfordert, den Wählern zu sagen, dass ein geforderter Mindestlohn Arbeitsplätze kosten wird.
Wer soll diese Mindestlöhne festsetzen oder berechnen? Sollen das Sachverständige sein oder Funktionäre, die noch nie erfahren haben, wie es ist, wenn man um den eigenen Arbeitsplatz bangt? Ich kann mir das sehr schwer vorstellen.
Dann stellt sich die Frage, wie hoch ein Mindestlohn sein soll. Der DGB fordert 7,50 Euro, der Wirtschaftsweise, Herr Bofinger, fordert 4,50 Euro, Herr Lafontaine fordert 8,00 Euro. An dieser Stelle habe ich eine gruselige Vision, die mich nachts nicht schlafen lässt. Das ist nämlich
die Vision von Parteien, die sich im Wahlkampf mit Mindestlohnforderungen überbieten. Es ist kein Zufall, dass der schlimmste Populist in Deutschland, Herr Lafontaine, jetzt schon von allen Politikern den höchsten Mindestlohn fordert.
In Deutschland tragen die Gewerkschaften zusammen mit den Arbeitgebern die Verantwortung für die Lohnfindung.
Gucken Sie sich das doch an. Es gibt eine ganze Reihe von Tarifverträgen, die jetzt schon Mindestlöhne vorsehen. Zum Beispiel ist das im Bauhauptgewerbe, im Dachdeckerhandwerk und bei den Malern ganz vernünftig in Tarifverträgen geregelt. Wir sind der Meinung, dass das auch so sein soll.
Welche Strategien kann man gegen derart niedrige Löhne entwickeln? Wir müssen zusammen Instrumentarien entwickeln, die mit unserer Wirtschaftsordnung, die jetzt noch keine Planwirtschaft ist, im Einklang stehen. Solche Instrumentarien sind zum Beispiel das Entsendegesetz, Tarifabschlüsse und natürlich Maßnahmen der Wirtschaftsverbände und der Kammern. Vertrauenssiegel und Ähnliches sind Maßnahmen, die mit unserer Wirtschaftsordnung im Einklang stehen. Der Schlüssel zu besseren Arbeitsbedingungen sind natürlich auch das Wirtschaftswachstum und die Produktivitätszunahme. Wenn wir dieses weiterhin erfüllen können, dann wird der Arbeitsmarkt auch mehr Möglichkeiten zur persönlichen Weiterentwicklung bilden. Aber wenn Stagnation vorliegt, dann steigt natürlich der Druck auf die Löhne. Insofern könnten die von der Opposition vorgeschlagenen Eingriffe in die Wirtschaft im Ergebnis sogar zu schlechteren Arbeitsbedingungen führen als vorher.
(Karin Timmermann SPD: Das ist ja nicht auszu- halten! Ich könnte mir zum Beispiel vorstellen, dass durch Min- destlöhne Arbeitnehmer auch in die Selbstständigkeit gedrängt werden, weil es dort keine festgelegten Arbeits- bedingungen gibt. Das kann doch wohl nicht Ihr Ziel sein. Ich kann die Opposition wirklich nur bitten, noch einmal in sich zu gehen, eine Auszeit zu nehmen und das, was Sie hier beantragen, noch einmal zu überdenken. Die Wirt- schaft funktioniert so nicht, wie Sie sich das vorstellen. - Vielen Dank. (Beifall bei der CDU)