Protokoll der Sitzung vom 07.11.2007

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Das Wort bekommt Frau Machaczek.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Frau Güclü, den Problemaufriss, den Sie hier zeichnen, geht soweit in Ordnung und ich will ihn im Augenblick plus/minus stehen lassen. Über den einen oder anderen Punkt können wir uns in der Tat im Ausschuss noch einmal genau beschäftigen.

Aber grundsätzlich finde ich schon sehr bemerkenswert, dass die GAL es nicht auf sich sitzen lassen kann, was der CDU-geführte Senat im Bereich der Migrationspolitik derzeit als echtes Feuerwerk von Maßnahmen in dieser Stadt zeigt und abbrennt.

(Antje Möller GAL: So ein Feuerwerk verpufft ganz schnell! - Heiterkeit bei der GAL)

Ich weiß doch genau, an welchen Terminen ich zurzeit gerade teilnehme, was alles unternommen wird und wer sich dort alles beteiligt. Ich will auch gar nicht bestreiten, dass das natürlich Ihr Leib- und Magenthema ist. Aber wir haben hier einige Maßstäbe gesetzt, und zwar über Hamburg hinaus.

Daher werden wir Ihnen nicht vorwerfen, dass Sie das anerkennen und immer wieder entlang unseres Handlungskonzepts, dem wir im Grunde genommen alle zugestimmt haben, fortwährend Anträge stellen, die die Themen, die wir dort identifiziert haben, noch einmal neu beleuchten, denn schließlich wollen Sie Ihrer Klientel zeigen, dass auch Sie etwas unternehmen.

Zum Glück wollen wir alle, dass Talente, die bei uns in Deutschland und in Hamburg leben, auch eine Chance erhalten. Es ist leider die Wahrheit, dass im wohl organisierten Deutschland oft die förmlich bestätigten Fähigkeiten wichtiger sind als die tatsächlichen. Aber das ist nicht nur eine Frage für Menschen mit Migrationshintergrund, sondern trifft auch auf den einen oder anderen sogenannten einheimischen Deutschen zu.

Gestern hörte ich beispielsweise von einer Plakatkampagne von Migrantinnen - ich habe sie leider noch nicht gesehen -, die unter anderem eine Frau mit Doktorhut und Putzkittel zeigt. Sie haben soeben ein ähnliches Beispiel genannt. Dieses Bild ist leider gut gewählt und zeigt das Problem drastisch auf. Menschen mit guter Bildung müssen aufgrund fehlender formaler Anerkennung Arbeiten annehmen, die ihnen intellektuell nicht entsprechen,

(Nebahat Güclü GAL: Ja, richtig!)

weil sie bisher diese Anerkennung über ihre formalen Abschlüsse nicht erhalten haben. Natürlich ist das nicht integrationsfördernd.

Wie man unserem Handlungskonzept entnehmen kann, hat der Senat - Sie werden es selbst gelesen haben beziehungsweise auch sehen - federführend die Wissenschafts- und Forschungsbehörde aufgefordert, gemeinsam mit den anderen Fachbehörden zu prüfen, welche Maßnahmen zur Vereinfachung der Anerkennung ausländischer Schulabschlüsse von Zuwanderern ergriffen werden können. Soweit ich erfahren habe, soll das bereits in den nächsten Tagen besprochen werden. Aber auch über Hamburg hinaus ist der Senat für dieses Thema tätig.

Auf Initiative Hamburgs hat der Schulausschuss der Kultusministerkonferenz den Auftrag erhalten, eine Vereinfachung der Anerkennung von ausländischen Bildungsabschlüssen zu prüfen, deren Behandlung im Februar des nächsten Jahres vorgesehen ist.

Zu den aufgeführten Punkten der GAL möchte ich im Einzelnen wie folgt Stellung nehmen:

Zum einen möchten Sie eine Bündelung. Das kann sicherlich vorteilhaft sein, denn zurzeit werden diese Informationen in der Tat an verschiedenen Stellen bereitgehalten. Ob es nun das Hamburg Welcome Center oder es sinnvollerweise eine andere Stelle in der Stadt wird, würden wir gern mit Ihnen in den Ausschüssen beraten. Eine Broschüre kann hilfreich sein, aber die Frage ist, ob sie auch immer aktuell ist. Sie wissen vielleicht, dass die Kultusministerkonferenz eine Homepage eingerichtet hat, auf der es Bewertungen der Ausbildungsabschlüsse aus dem Ausland gibt. Aber hierüber kann man sicherlich noch weitere Gespräche führen und möglicherweise Broschüren in anderen Sprachen in Hamburg erstellen.

Im dritten Spiegelstrich fordern Sie den Senat auf, ein Stipendienprogramm aufzulegen. Ich glaube, die Frage ist Stipendienprogramm oder Steuergelder. Wir sollten zunächst einmal abwarten, welche Ergebnisse sich in Hamburg aus Nachqualifizierung und eventueller Teilanerkennung von Abschlüssen ergeben. Die Stadt hat sich selbst dazu verpflichtet, dieses zu tun. Denn - das haben Sie auch erwähnt -, wir haben heutzutage ein Defizit an qualifizierten Arbeitskräften und können es uns volkswirtschaftlich gesehen gar nicht mehr leisten, dass wir die Qualifikation zugewanderter Menschen nicht anerkennen. Es ist nicht auszuschließen, dass Hamburg eine Teilanerkennung und gezielte Nachqualifizierungen beschließen wird. Erst dann kann man schauen, ob der Staat tatsächlich mit Geld nachhelfen muss oder ob man nicht Stiftungen privater Natur gewinnen kann, die sich dieser Aufgabe annehmen.

(Aydan Özoguz SPD: Das sind dann auch Stipen- dien!)

Es gibt eine ganze Menge Stiftungen, die gerade im Bereich der Migration tätig sind. Es gibt sicherlich auch den einen oder anderen erfolgreichen Unternehmer mit Migrationshintergrund, der vielleicht eine Aufgabe sucht, wie er dem einen oder anderen Menschen helfen kann.

Zum Schluss komme ich zur Aufklärungskampagne. Letztendlich ist die Aufklärung Sache der Verbände. Ich bin der Meinung, dass wir das noch einmal im Ausschuss besprechen sollten, ob es die Aufgabe der Freien und Hansestadt ist, die Aufklärungskampagne zu starten. Wir als Stadt können auf jeden Fall initiativ werden und mit den Kammern sprechen, aber ich bin mir sicher, dass viele bereits auf diesem Gebiet tätig sind.

Ich glaube, eine Sache ist ganz wichtig. Die Unternehmen müssen wissen, wo sie mit ihren Fragen hingehen und entsprechend Antworten erhalten können, wenn sie bei der Einstellung von Personen mit fehlenden Qualifikationen unsicher sind.

Die Debatte zeigt, dass es noch einigen Beratungsbedarf gibt. Es ist zwar nicht der Fall, dass wir das Thema nicht bereits erkannt haben, aber wir können natürlich nicht akzeptieren, dass Sie Ihren Wählern suggerieren, die CDU sei in diesen Fragen beratungsresistent. Daher werden wir natürlich den Antrag an die Ausschüsse überweisen und dort noch einmal klar zum Ausdruck bringen, dass die Kinder, Jugendlichen und Erwachsenen aus Familien mit Zuwanderungshintergrund in der CDU genauso in guten Händen sind, wie alle anderen Menschen in Hamburg auch. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort bekommt Frau Özoguz.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Frau Machaczek, habe ich Sie jetzt richtig verstanden? Inhaltlich verstehen Sie den Antrag eigentlich nicht und wollen ihn so auch nicht ausführen. Da aber nun gerade einmal Wahlkampf ist, können Sie sich nicht verweigern. Das kann wirklich nicht die einzige Antwort auf einen solchen Antrag sein. Das finde ich ein bisschen schwach.

(Klaus-Peter Hesse CDU: Dann haben Sie das falsch verstanden! - Beifall bei Nebahat Güclü GAL und Silke Vogt-Deppe SPD)

Frau Möller hat soeben sehr schön ausgeführt, dass Feuerwerke in der Regel schnell verpuffen.

(Beifall bei Manuel Sarrazin GAL und Silke Vogt- Deppe SPD)

Ich möchte hinzufügen, dass sie auch eher Asche als Modernisierung und Fortschritt hinterlassen. Daher ist meine Meinung, dass wir uns diesem Thema in den verschiedenen Ausschüssen doch noch einmal anders nähern sollten.

Jetzt noch einmal zu Ihnen, Frau Machaczek. Im Handlungskonzept wurde gerade diese Situation von Flüchtlingen und Asylsuchenden bewusst nicht mit aufgenommen, in die Akademikerinnen oder Akademiker aber häufig kommen und genau vor diesem Problem stehen.

Es macht also Sinn, das Ganze in den Ausschüssen zu beraten. Ich denke, Frau Güclü hat einen sehr schönen Einblick gegeben, wie viele unterschiedliche Regelungen und Anlaufstellen es für die Anerkennung von Abschlüssen und Ausbildungen gibt. Ich stimme ihr hierbei ausdrücklich zu. Es ist im Übrigen nicht nur für Zuwanderer eine wahre Zumutung, sich durch alle diese Verordnungen zu arbeiten. Diejenigen, die es dann doch geschafft haben, berichten uns genau das, nämlich, dass immer wieder dieses Signal ausgesendet wird, egal wie gut jemand qualifiziert ist, dass man sie einfach nicht will. Das müssen wir dringend ändern, und zwar geht das nur gemeinsam.

Ein erster, wenn auch - wie in den vorherigen Debatten bereits betont - sehr kleiner Schritt war diese Einrichtung des Hamburg Welcome Centers. Frau Machaczek, liebe

CDU-Fraktion, Sie werden sich erinnern, der Senat hat verkündet und dann viele Jahre gebraucht, bis er nun tatsächlich das Welcome Center dort errichtet beziehungsweise eingerichtet hat.

(Petra Brinkmann SPD: So ist es!)

Ich halte die Forderung, in diesem Welcome Center eine solche Arbeit durchzuführen, das heißt, dort die Möglichkeiten für eine gebündelte und sinnvolle Beratung zu nutzen, für sehr angebracht.

Die Idee, ein Stipendienprogramm einzurichten, ist in meinen Augen auch überlegenswert. Aber hierzu würde ich noch Folgendes anmerken wollen. Es gibt in Hamburg viele junge Menschen, die hier studieren wollen und inzwischen mit Studiengebühren belastet werden. Wir dürfen diese Debatte nicht getrennt voneinander führen, denn auch diese Jugendlichen wollen hier ihre Abschlüsse tätigen und daher darf es dort nicht zu irgendwelchen Ungerechtigkeiten kommen. Von daher ist es wirklich vorteilhaft, wenn verschieden Ausschüsse sich hiermit befassen.

Es ist nicht notwendig, die gesamte Komplexität des Themas noch einmal darzustellen. Der Senat hat das im Übrigen auf die Kleine Anfrage meiner Fraktionskollegin Britta Ernst im Oktober 2006 bereits sehr detailliert aufgezeigt. Hieraus möchte ich zwei Punkte kurz zitieren. Erstens:

"Alle Bundesländer bewerten ausländische Abschlüsse nach einheitlichen Kriterien. [...] Die Hamburger Bewertungen haben bundesweit Gültigkeit."

Weiter heißt es, ich zitiere:

"Die EU-Zugehörigkeit spielt für das Anerkennungsverfahren keine Rolle, wohl aber die 'Europäische Konvention über die Gleichwertigkeit der Reifezeugnisse' des Europarats vom 10.12.1953, der zahlreiche Länder aus dem europäischen Raum beigetreten sind."

Das wollte ich noch einmal verdeutlichen.

Nun ist aber seit dieser Zeit einiges passiert und hieran möchte ich Sie, Frau Machaczek, erinnern, denn Sie haben soeben ein Beispiel genannt. Unter Bundeskanzler Schröder hat sich die Bundesregierung 1998 mit den Ministern Frankreichs, Großbritanniens und Italiens im Sorbonne-Vertrag verpflichtet, sich für einen gemeinsamen Rahmen in Bezug auf die Hochschulausbildung und die Anerkennung akademischer Abschlüsse im Ausland einzusetzen. Dieser Vertrag war, wie die Bildungspolitiker unter Ihnen sicherlich wissen, der Vorgänger für die in Bologna von 29 europäischen Bildungsministern verabschiedete gemeinsame Erklärung unter dem Titel "Der Europäische Hochschulraum". Das Ziel ist, bis zum Jahre 2010 einen solchen gemeinsamen europäischen Hochschulraum zu schaffen.

Nun geht es uns heute nicht nur um die Anerkennung von europäischen Bildungsabschlüssen in Europa. Ich möchte daran erinnern, dass es inzwischen 46 Staaten gibt, die diese Unterzeichnung vorgenommen haben und darunter sind auch Länder wie die Türkei, Ukraine, Armenien, Aserbaidschan, Georgien, et cetera. Das ist schon eine Chance und wir alle wissen, dass Studierende und Forscher mobiler, flexibler und internationaler als je zuvor geworden sind.

Die Internationalisierung und die Anerkennung von Vielfalt und von interkulturellen Fähigkeiten - für uns immer noch ein schwieriger Begriff - sind wichtige Formschrittmacher für die Entwicklung und Modernisierung, nicht nur unseres Landes, sondern auch unserer Stadt Hamburg, die wir so gern das Tor zur Welt nennen.

(Olaf Ohlsen CDU: Sehr schön!)

Die Länder sind für diese hochschulpolitische Umsetzung in der Pflicht.

Ich möchte Ihnen noch ein Beispiel nennen, wie gering die Anerkennung in Hamburg ist. So wurden beispielsweise von 48 Anträgen im Erziehungs- und Bildungsbereich aus EU-Ländern nur neun positiv beschieden. Insgesamt gab es sogar 168 Anträge auf Anerkennung im Erziehungs- und Bildungsbereich, davon waren 120 Anträge aus Nicht-EU-Ländern.

Die Behörde sagt hierzu, dass Anträgen zur Anerkennung aus dem Erziehungs- und Bildungsbereich in der Regel nicht vollständig entsprochen werden kann. Wie ist dann die Situation für diejenigen - wie bereits Frau Güclü erwähnte -, nämlich die Asylsuchenden und Geduldeten in Hamburg. Diese Gruppe darf oder durfte nach unseren Gesetzen vor allem ihr Wissen hier niemals einbringen. Wir haben für diese Menschen jetzt eine Bleiberechtsregelung. Sie sollen bis 2009 eine Arbeit finden und uns erklären, dass sie etwas verdienen, damit sie hier bleiben dürfen, aber gleichzeitig haben wir ihnen nie erlaubt, ihr Wissen und ihre Abschlüsse in irgendeiner Form bei uns bis heute zu nutzen.

Es sind nicht wenige Eltern, die einfache Tätigkeiten ausüben müssen. Das möchte ich jetzt gar nicht weiter ausführen, denn das hat Frau Güclü bereits hinreichend getan. Aber wir sind diejenigen, die dafür verantwortlich sind, dass die Situation für diese Familien so ist und wir wissen natürlich auch, dass sie diese einfachen Tätigkeiten sehr schnell wieder verlieren können.

Wir als SPD-Fraktion unterstützen daher diesen Antrag. Wir sehen hierin die Chance, eine entsprechende Vorsorge zu treffen, denn Menschen mit akademischer Vorbildung sollten unbedingt an geeigneter Stelle über ihre Möglichkeiten besser informiert werden. Das Welcome Center ist hierfür die geeignete Stelle. Lassen Sie uns gemeinsam in beiden Ausschüssen, im Bildungs- und Wissenschaftsausschuss, genau über diese Bereiche beraten, um dann zu einem guten Ergebnis zu kommen. - Vielen Dank.