Protocol of the Session on November 8, 2007

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Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Mandel, ich glaube, in der Sache sind wir uns einig, dass wir die Opfer schützen wollen. Aber das, was Sie hier gemacht haben, war Aktionismus und Blendwerk pur und das kann ich nicht verstehen.

(Beifall bei der CDU)

Es gibt keine Regelungslücke. Sie führen den Fall vom 9. Oktober an, als eine junge Frau von einem Stalker überfallen worden ist. Hätten wir die Ingewahrsamnahme, wie Sie sie sich vorstellen, dann hätte das gar nichts gebracht.

(Doris Mandel SPD: Das Näherungsverbot!)

- Das gibt es schon.

Frau Mandel, ich habe als Anwältin gerade gestern einen Fall bekommen. Heute haben wir die Wohnungswegweisung und das Näherungsverbot. Das ist alles nicht das Problem. Sie wollen eine Ingewahrsamnahme. Das hätte in dem Fall, den Sie hier ansprechen, gar nichts genützt, denn der Mann war noch nie gewalttätig geworden. Er hat die Frau seit drei Jahren belästigt, aber mehr nicht.

(Zuruf von Doris Mandel SPD)

- Frau Mandel, Sie müssen mir zuhören. Es hätte Ihnen nichts genützt. Einen Haftbefehl hätte kein Richter unterschrieben. Es gab keinen Haftgrund.

(Doris Mandel SPD: Aber natürlich, weil Stalking ein Straftatbestand ist! Insoweit geht das, was Sie hier fordern, völlig fehl. Sie betreiben Aktionismus, schieben Opferschutz vor und praktizieren stattdessen Selbstdarstellung, mehr ist es nicht. Das geschieht zulasten der Opfer und das finde ich nicht in Ordnung. (Beifall bei der CDU - Doris Mandel SPD: Das ist nun wirklich Opferverhöhnung, Frau Spethmann!)

Frau Mandel, hier gilt dasselbe, was bereits gestern gesagt wurde: Kümmern Sie sich eher um Ihre Bundespolitiker. Im Jahre 2005 hat die CDU in Hamburg eine Initiative gestartet. Alle CDU-regierten Bundesländer haben gewollt, dass Stalking bestraft werden soll. Durch

die lange Blockadehaltung Ihrer Bundesjustizministerin ist es erst im März 2007 dazu gekommen, dass dieser Straftatbestand eingeführt worden ist.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Das stimmt doch über- haupt nicht!)

Vor diesem Hintergrund zu behaupten, hier würde nichts gemacht werden, kann nicht richtig sein. Dann bitte ich Ihre Bundespolitiker aktiv zu werden, dass sie in diesen Fällen etwas machen. Aber in Hamburg zu sagen, eine Ingewahrsamnahme sei die letzte Maßnahme, ist unsinnig. Wir brauchen sie nicht, wir haben Maßnahmen, die wirken. Ich nenne folgendes Beispiel: Gestern geschah ein Übergriff auf eine Frau, heute haben wir bereits den Beschluss des Gerichts: Der Mann darf sich der Frau nicht nähern, es ist sogar der eigene Ehemann.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Was passiert dann?)

- Er wird festgenommen, weil er dann gegen einen Straftatbestand verstößt, Herr Dressel.

(Doris Mandel SPD: Der wird doch aber nicht fest- genommen!)

Ihre gesamte Argumentation geht völlig ins Leere.

(Beifall bei der CDU)

Lassen Sie diesen Aktionismus und das Blendwerk zulasten der Opfer und ziehen Sie diesen Antrag zurück.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort bekommt Frau Möller.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Frau Spethmann, dass Sie hier von "Blendwerk" und "zulasten der Opfer" reden, ist eine Unverschämtheit.

(Beifall bei der SPD)

Die Debatten, die wir hier führen, gehören in den Innenausschuss, weil es möglicherweise rechtlich hoch strittig ist, ob das, was im SOG steht, ausreichend ist oder ob es geändert werden muss, wie die SPD es vorschlägt. Nach unserer Einschätzung wäre das SOG ausreichend, um die neuen geregelten Vorfälle, die es im Strafgesetzbuch und im Gewaltschutzgesetz gibt, umzusetzen. Aber dass Sie eine dermaßen polemische Rede zu einem Thema halten, das wir alle ernst zu nehmen haben, ist unglaublich.

(Beifall bei Christiane Blömeke GAL und bei der SPD)

Es ist kein Aktionismus. Aktionismus ist, wenn man am Tag nach einem Vorfall etwas tut. Wir haben Wochen ins Land gehen lassen, aber von Ihnen ist nichts gekommen, nur von der SPD ist ein Antrag gestellt worden. Wir haben in der nächsten Woche eine Innenausschusssitzung und vonseiten des Senats oder der CDU-Fraktion hätte das Thema auf die Tagesordnung gesetzt werden können. Das ist aber nicht geschehen, Sie wollen nicht darüber reden. Ich sage es noch einmal: Dieser Antrag gehört in den Innenausschuss. Wenn er aber dort nicht hinkommt, dann muss man inhaltlich sehr deutlich sagen, worum es hier geht. Es geht um eine Gesetzesänderung, die wir auch kritisch sehen. Aber es geht natürlich vor allem darum, dass der Senat berichtet, was im Detail getan wird. Auch das gehört in den Innenausschuss. Oder sol

len wir erwarten, dass Herr Senator Nagel hier die Punkte A bis J der SPD sozusagen "aus der Hand" beantwortet? Das kann ich mir nicht vorstellen.

Grundsätzlich muss man aber noch einmal sagen, dass sich alle einig sind, dass wir hier nicht über Bagatelledelikte reden, sondern dass Stalking insgesamt gravierende Beeinträchtigungen der Lebensqualität und der Gesundheit der Opfer nach sich zieht. Deswegen gibt es diese Debatte und zum Glück auf einem anderen Niveau, als Sie sie eben geführt haben.

Es gehört zu unseren Aufgaben, die Öffentlichkeit darüber herzustellen und Empfindsamkeit gegenüber den Opfern zu zeigen.

(Viviane Spethmann CDU: Das tun wir doch! Unverschämt! - Gegenruf von Petra Brinkmann SPD: Na, na!)

- Das tun Sie doch nicht, wenn Sie hier von einer Debatte zulasten der Opfer sprechen. Was Sie eben gesagt haben, ist unverschämt.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Wo ist die öffentliche Auseinandersetzung der CDU mit diesem Thema? Die Polizei hat richtig reagiert, sie hat die Person nicht schützen können. Man muss sich zusammensetzen und darüber diskutieren, was passiert ist. Es ist das Mindeste, dass im Innenausschuss dargestellt wird, wie der genaue Ablauf war, welche Möglichkeiten das Gesetz gegeben hat, welche genutzt wurden und welche zusätzlich nötig sind. Das muss man erwarten und nicht eine solche Diskussion, wie Sie sie hier führen.

Natürlich hat die Novellierung des SOG in diesem Fall die Kompetenzen der Polizei erweitert. Selbstverständlich kann nach Paragraf 3 auch schon bei bevorstehender Gefahr - ich weiß nicht, ob Sie das anders sehen, Herr Dr. Dressel - eingreifen. Ihre Formulierung wäre "gegenwärtige Gefahr", das heißt, man sollte erst dann eingreifen, wenn die Person schon vor der Tür steht. Darüber müssen wir diskutieren. Sind das feine Unterschiede, ist das eine Debatte unter Juristen oder haben wir politisch tatsächlich etwas dazu beitragen und vor allem den Opfern etwas mitzugeben? Das ist die eine Frage.

Die andere Frage betrifft die Ingewahrsamnahme.

Nach unserer Einschätzung kann man jetzt schon den Paragrafen 13 Absatz 2 dafür nehmen, nämlich dann, wenn Straftaten abzusehen sind, um die Ingewahrsamnahme durchzuführen. Auch das muss man klären. Warum hat die Polizei es nicht getan? In welchen Fällen tut sie es? Und warum tut sie es manchmal nicht? Das ist Bestandteil des Teils B des SPD-Antrags. Wann bekommen wir Antworten darauf, wenn nicht in einer Innenausschusssitzung? Von daher kann ich nur noch einmal an Sie appellieren, sich Ihre Entscheidung zu überlegen. Wenn Sie diese Fragen nicht beantworten wollen, dann müssen wir gleich die öffentliche Diskussion darüber führen, und Sie sehen bei diesem Thema im Moment nicht besonders gut aus.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Das Wort bekommt Herr Dr. Dressel.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Spethmann, wir sind

beide Mitglieder des Weißen Rings, einer über alle Fraktionsgrenzen hinweg anerkannten Opferschutzorganisation, und setzen uns - das nehme ich Ihnen persönlich auch ab - für diese Belange in unseren politischen Funktionen ein. Gerade vor diesem Hintergrund finde ich es unangemessen, wie Sie mit diesen Fragestellungen umgehen. Man kann selbstverständlich zu der Frage der Gesetzesnovellierung geteilter Ansicht sein, aber man kann nicht geteilter Ansicht darüber sein, dass wir uns von der Innenbehörde im Ausschuss zu der Ziffer 2 des Antrags, zu der Frage, was die Polizei unternimmt, welche Möglichkeiten und Grenzen gibt, Bericht erstatten lassen. Darüber kann es in diesem Hause keine zwei Meinungen geben.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Wir sind auf Bundesebene durchaus im Einvernehmen miteinander Schritte gegangen. Darauf hatte meine Kollegin Frau Mandel auch schon hingewiesen. Das Gewaltschutzgesetz wurde mit Zustimmung der CDU im Bundestag verabschiedet, wir haben jetzt den Paragrafen 238 des Strafgesetzbuches. Da muss man sich fragen - das ist der Punkt, an dem wir ansetzen -, ob das an der Stelle landesrechtlich so flankiert ist, dass es auch in allen Fällen, um die es geht, vernünftig greift. Das Gewaltschutzgesetz setzt darauf, dass das Opfer erst einmal etwas tun muss, das Opfer muss zum Gericht gehen, das Opfer muss sich kümmern - so steht es in Ihrem Flyer zum Thema Stalking -, es muss Beweise sammeln und dann gibt es irgendwann eine Anordnung. Das ist eine ganze Menge, was wir dem Opfer an der Stelle zumuten. Das ist Punkt 1.

Punkt 2: Es gibt eine Anordnung nach dem Gewaltschutzgesetz. Was passiert, wenn sich der Täter - so war es im Falle der jungen Frau - der Anordnung widersetzt? Welche Möglichkeiten gibt es hier für den Staat, für die Polizei? Klar, es ist eine Straftat nach dem Gewaltschutzgesetz, man kann zum Beispiel eine Anzeige aufgeben. Auch da muss natürlich erst etwas passieren. Unsere Überlegung ist aber, ob wir nicht auch nach dem Vorbild von Rheinland-Pfalz im Polizeigesetz das Näherungsverbot, das Kontaktverbot wollen. Das ist ja nicht irgendeine spinnerte Oppositionsidee, sondern dieses geschieht in einem anderen Bundesland. Das ist etwas anderes - das wissen Sie auch, weil Sie sich in dem Bereich auskennen - als die Wegweisung, die sich auf den häuslichen Zusammenhang bezieht, und auch das Betretungsverbot bezieht sich auf die Wohnung von Täter und Opfer, wenn sie zusammenleben. Das heißt, in den Fällen von Stalking, bei denen es um Expartnerschaften geht und Täter und Opfer gar nicht zusammengewohnt haben, müssen wir diese Lücke schließen, wo es ein Näherungsverbot und ein Kontaktverbot gibt. Das gibt es nach dem Gewaltschutzgesetz, aber nicht nach dem hamburgischen Polizeirecht. Darum geht es uns an der Stelle. Sie wissen ganz genau, wenn wir es im Polizeirecht verankern, dann haben wir bei entsprechenden Anhaltspunkten, die darauf hinweisen, dass verstoßen wird, die Möglichkeit, dann auch eine Ingewahrsamnahme anzuordnen. Die hilft natürlich auch nicht ewig, das ist klar, sondern es gibt die Grenzen des Paragrafen 13 im Hamburgischen SOG, aber das ist ein Warnschuss, der an der Stelle gegeben wird. Man kann den potenziellen Täter vor einer Eskalationssituation für eine gewisse Zeit aus dem Verkehr ziehen. Genau das hätte in diesem Falle auch dem Opfer helfen können und deshalb haben wir diesen Antrag eingebracht.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der GAL)