Protokoll der Sitzung vom 07.02.2008

Das Wort bekommt Frau Veit.

Vielen Dank, Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Koop, die Pressemitteilung des Senats von vorgestern hätten Sie uns hier nicht vortragen müssen, die konnten wir selbst lesen.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der GAL - Karen Koop CDU: Aber Sie haben sie ja offen- sichtlich nicht gelesen!)

Wirklich schade finde ich aber, dass wir immer noch über die gleichen Probleme reden müssen, die es bereits vor vier Jahren gab. Es sind aber nicht die gleichen Kinder und ihre Familien, denn von denen hat bereits eine ganze Grundschulgeneration die massiv verschlechterten Bedingungen ertragen müssen, die der Von-Beust-Senat hier eingeführt hat:

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der GAL)

Kinder, die wegen der von Ihnen eingeführten Gebühren nicht zur Vorschule gegangen sind, obwohl sie es bitter nötig gehabt hätten, Kinder, die in immer größeren Grundschulklassen lernen mussten, Kinder, die nicht mehr aus ihren Stadtteilen herauskommen, weil Sie ihnen die Schülerfahrkarten weggenommen und gleichzeitig die Bücherhallen dicht gemacht haben, Kinder, die nicht mehr ordentlich Schwimmen lernen, die Sie nicht mehr in die Kitas lassen, wenn die Eltern keine Arbeit haben, und so weiter.

Das alles, meine Damen und Herren, ist nicht lebenswert und das alles hat dieser Von-Beust-Senat zu verantworten.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der GAL)

Nun hat der Erste Bürgermeister, der es offenbar vorzieht, nicht mehr an der Debatte teilzunehmen, dereinst öffentlich erklärt, Soziales könnten wir uns wieder leisten, wenn es uns besser ginge, und hat damit soziale Kälte zum offiziellen Leitbild dieser Regierung erklärt. Nun hat er gestern folgerichtig gesagt, die soziale Spaltung der Stadt sei eine Erfindung der SPD. Gestern hieß es in einer Pressemitteilung der Stadtentwicklungsbehörde von Senator Gedaschko, dass die Stadtteilentwicklung der sozialen Spaltung der Stadtgesellschaft entgegenwirken und zwischen den benachteiligten Quartieren und der Gesamtstadt Brücken bilden wolle. Das ist doch bemerkenswert.

(Jörn Frommann CDU: Lesen und Verstehen!)

Lassen wir einmal einen richtigen Experten zu Wort kommen. Professor Jens Dangschat, Professor für Siedlungssoziologie und Experte für Stadtentwicklung, früher an der Universität in Hamburg, sagte in einem Interview mit der "Hamburger Morgenpost" am 10. August 2007 auf die Frage, ob die soziale Spaltung größer geworden sei, ja.

(Zuruf von Bernd Reinert CDU)

- Noch ein Zitat, Herr Reinert:

"Es muss mehr getan werden gegen die soziale Spaltung der Stadt."

Das sagte Bischöfin Jepsen am Adventsempfang am 6. Dezember letzten Jahres.

(Beifall bei der SPD)

Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten nehmen diese Warnungen ernst und ich begrüße in diesem Zusammenhang ganz herzlich Hamburgs künftigen Ersten Bürgermeister Michael Naumann und seine Frau.

(Beifall bei der SPD)

Wir sind froh, wenn wir hier einige Senatoren nicht sehen, aber die leeren Bänke in den CDU-Reihen sprechen Bände bei diesem Thema. Ich will gern noch ein Wort zum Ersten Bürgermeister sagen.

(Kai Voet van Vormizeele CDU: Sie haben ja auch seit zwei Jahren keine neue Rede mehr gehalten, Frau Veit! - Zurufe von Dr. Andreas Mattner, Wolfhard Ploog, Bernd Reinert, Rolf Harlinghau- sen, alle CDU)

- Herr Mattner, Herr Ploog, Herr Reinert, Herr Harlinghausen.

Als wir gestern über Kinderschutz debattierten, hat der Erste Bürgermeister auch nicht an der Debatte teilgenommen.

(Bernd Reinert CDU: Das fing ja erst um halb neun an!)

Er war so gegen 19.00 Uhr weg. Da haben wir gedacht, na ja, er ist bei irgendeiner Bambi-Verleihung oder bei sonst etwas Wichtigem. Heute Morgen durften wir aber per Radiointerview erfahren, warum er nicht da war. Er hat sich den Anfang des Fußballländerspiels im Fernsehen angesehen. Das fand er langweilig, hat kurz in einen Krimi hineingeschaut und am Ende zum Buch gegriffen. So ernst nehmen Sie dieses Thema, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Fakt ist - Frau Koop, jetzt komme ich zu den Ergebnissen der Großen Anfrage der GAL -, dass, diesem Senat zu einem echten Umsteuern entweder die Einsicht oder der Mut oder beides gefehlt hat. Sie haben gerade einmal sechs Stadtteilen besondere Hilfe zukommen lassen. Alle wissen, wir haben mehr benachteiligte Quartiere.

(Rolf Harlinghausen CDU: Da sehen Sie mal, was Sie hinterlassen haben!)

Eigentlich haben Sie 13 selbst schon einmal identifiziert. Zwar sind in einigen Problemvierteln die ersten Grundschulklassen kleiner geworden, gleichzeitig liegt die Versorgung mit Krippen- und Kita-Plätzen ausgerechnet in den Stadtteilen mit großen sozialen Problemen weit unter dem Durchschnitt und ist real sogar abgesunken. Sie mögen das lebenswert finden, wir nicht.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der GAL)

Die CDU hat die Ganztagskindergartenplätze nach eigenen Zahlen in sozial benachteiligten Gebieten um über 30 Prozent reduziert. Das sind die Bereiche, in denen frühe Förderung besonders wichtig ist. Sozialsenatorin Schnieber-Jastram hat hier genau das Falsche gemacht. Sie mögen das lebenswert finden, wir nicht.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der GAL)

Mit der Einführung neuer Gebühren für das Mittagessen, für Vorschule, für Schulbücher und für das Studium hat der Von-Beust-Senat Bildung noch mehr vom Ein

kommen der Eltern abhängig gemacht. Das leistet der sozialen Spaltung in dieser Stadt noch mehr Vorschub. Sie mögen das lebenswert finden, wir nicht.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der GAL)

In Hamburg lebt fast jedes vierte Kind in Armut. Das haben wir hier oft diskutiert. Ich nenne noch eine weitere Zahl. Der Anteil der Kinder, deren Eltern die Gebühren für die Kinderbetreuung aufgrund finanzieller Härte vom Senat erlassen bekommen, liegt nicht bei einem Viertel. Gerade einmal 1,2 Prozent brauchen keine Kindergartengebühren zu zahlen und sind bei Ihnen Härtefälle.

Wie kann der Von-Beust-Senat angesichts dieser Zahlen von sich behaupten, er engagiere sich auch für eine bessere Zukunft der Kinder aus sozialen Problemvierteln? Sie werden nicht müde, sich bei jeder passenden Gelegenheit dafür zu loben, was Sie alles in benachteiligten Quartieren tun. Aber es reicht nicht aus, vor jedes frisch angesäte Stück Rasen ein buntes Band zu spannen, damit einer der Herren Senatoren das hinterher durchschneiden kann.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der GAL)

Die von den Menschen und Einrichtungen in den Stadtteilen angeschobenen Projekte sind wirklich gut, Frau Koop, und ich gehe sehr gern auf die Hip-Hop-Akademie in Billstedt für die Jugendlichen und die "Klangstrolche" für die Kindergärten ein. Das sind zwei hervorragende Projekte, die der Bürgermeister medienwirksam besucht hatte. Was ist die Wahrheit, Frau Koop? Dieser Senat finanziert beide Projekte bis Ende Februar dieses Jahres - dann ist Schluss. Das ist bitter, das ist traurig, das ist unglaubwürdig, das ist Ihre Art, Politik gegen die Menschen zu machen, die vor Ort etwas aufgebaut haben. Dafür gehören Sie abgewählt.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der GAL - Zurufe von der CDU)

Frau Koop, Sie brauchen den Kopf nicht zu schütteln. Sie rühmen sich immer Ihrer besonders guten Kinderbetreuung in Hamburg. Das haben Sie eben auch wieder gemacht. Dabei wissen Sie genau, dass das eine Verdrehung ist, genauso wie die Erzählung von angeblich ausgeglichenen Haushalten und viele andere Behauptungen, die uns Ihre Propagandaabteilung immer wieder auftischt und unter das Volk bringt. Es gäbe in Hamburg keinen einzigen zusätzlichen Kindergartenplatz, wenn wir ihn Ihnen nicht gemeinsam mit Hamburgs Eltern abgetrotzt hätten, meine Damen und Herren von der CDU.

(Beifall bei der SPD - Zuruf von Dr. Diethelm Stehr CDU)

- Doch, Herr Stehr, die Wahrheit ist, dass Sie die Plätze einrichten mussten, weil Ihnen das Kinderbetreuungsgesetz, das Sie nicht gewollt haben, das vorgibt.

Sie haben nichts Besseres zu tun gehabt, als unmittelbar das Personal in den Kitas zu reduzieren und später als eine Art Zugabe das Essensgeld einzuführen und einseitig die Plätze nur an berufstätige Eltern zu vergeben. Es ist auch nicht wahr, meine Damen und Herren, dass alle Kinder, die es nötig haben, einen Kindergartenplatz bekommen. Das mag in bestimmten Stadtvierteln so sein, aber in Billstedt zum Beispiel, Frau Koop, führen alle Kitas Wartelisten - das wissen Sie genau -, weil es nicht genug Plätze für die Kinder gibt, die Betreuung dringend brauchten. Die müssen bei Ihnen draußen bleiben und

das ist schändlich.

(Beifall bei der SPD - Zuruf von Rolf Harlinghau- sen CDU)

- Ja, Herr Harlinghausen, Sie wissen das natürlich nicht. Sie finden Ihre Wähler in anderen Gegenden.

(Rolf Harlinghausen CDU: Vielleicht verstehe ich davon mehr als Sie!)

- Aber wahr ist es trotzdem.

Wirtschaftlicher Erfolg, Herr Harlinghausen, und soziale Gerechtigkeit bedingen einander und sind untrennbar miteinander verbunden. Für die SPD waren das immer zwei Seiten einer Medaille. Aber Sie hätten auch dazulernen müssen, dass Ihre Maßnahmen in weiten Teilen der Stadt Familien überhaupt nicht erreichen. Das haben Sie nicht. Jahrzehntelang ist Hamburg gut damit gefahren, beide Seiten der Stadt im Auge zu behalten. Leuchtturmprojekte hat es immer gegeben, das gebe ich gern zu, aber früher hat der Senat darauf geachtet, dass möglichst alle Hamburger - seit einigen Jahrzehnten auch die Hamburgerinnen - daran teilnehmen können. Das vermissen wir bei Ihnen, aber das wird sich nach dem 24. Februar auch wieder ändern. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der GAL)

Das Wort bekommt Senator Gedaschko.