Protokoll der Sitzung vom 03.09.2008

halte ich für äußerst gewagt.

(Beifall bei der GAL)

Wir müssen insoweit bei den Fakten bleiben. Ein direkter Zusammenhang zwischen den Teilnehmerinnen und Teilnehmern des Camps und diesen Straftaten, die geschehen sind, ist bislang noch nicht nachgewiesen worden.

(Michael Neumann SPD: Wissen Sie denn noch, wer den ersten Zusammenhang her- gestellt hat? Das war Ihr Senatskollege. Das war Christoph Ahlhaus, der als Erster den Zusammenhang hergestellt hat! – Gegenruf von Antje Möller GAL: Nun ist aber einmal gut, Herr Neumann!)

Selbst wenn sich im Nachhinein herausstellen sollte, dass es tatsächlich von Teilnehmerinnen und Teilnehmern ausgegangen ist, kommt es überhaupt nicht in Betracht, dass wir die Teilnehmerinnen und Teilnehmer dieses Camps in Sippenhaft nehmen.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

(Antje Möller)

Was wäre der Erfolg, wenn man tatsächlich dem folgen würde, künftig solche Veranstaltungen in Hamburg zu verhindern? Wir würden wahrscheinlich erreichen, dass derartige Demonstrationen trotzdem stattfinden, dass die Leute sich anders organisieren oder dass sie vielleicht anderswo unterkommen. Aber wir würden wahrscheinlich einen nicht unerheblichen Teil derjenigen abschrecken, die sich hier rechtstreu verhalten wollen und in rechtstreuem Verhalten ihr Demonstrationsrecht ausüben wollen. Ich glaube, das wäre eine großartige Leistung, wenn wir das hier in Hamburg leisten würden.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Es kann jedenfalls nicht Aufgabe des Staates sein, darauf hinzuwirken, dass die Organisation von Demonstrationen erschwert wird. Das kann es sicherlich nicht sein.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Ich finde, sich auf diese Diskussionsschiene zu begeben, wie das die SPD am Ende der Zeit getan hat, zu der dieses Camp in Hamburg stattgefunden hat, ist auch vor dem Hintergrund der eigenen Geschichte der SPD sehr fragwürdig. An dem Versuch, öffentlichen demokratischen Protest gegen bestehende Verhältnisse zu verhindern, ist bereits Bismarck gescheitert. Ich finde, es ist erschreckend, wohin der Versuch von parteipolitischer Profilierung eine ehrwürdige Partei wie die SPD bringen kann.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Es ist nicht zu leugnen – ich habe es bereits gesagt: Es hat Straftaten gegeben, die in einem zeitlichen und inhaltlichen Zusammenhang mit dem Klimacamp standen. Es ist auch bedauerlich, dass die Organisatorinnen und Organisatoren des Camps sich von diesen Straftaten nicht deutlich distanziert haben.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Die haben sich überhaupt nicht distanziert!)

Das ist richtig, aber es hat einzelne Teilnehmer gegeben, die sich auch öffentlich davon distanziert haben. Auch das gehört zur Wahrheit. Aber eine deutliche Distanzierung der Teilnehmerinnen und Teilnehmer sowie Organisatorinnen und Organisatoren des Camps ist ausgeblieben. Das ist äußerst bedauerlich.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der CDU)

Trotzdem wäre es falsch, die Teilnehmerinnen und Teilnehmer in Sippenhaft zu nehmen und alle für die Straftaten verantwortlich zu machen, die geschehen sind. Die Straftaten verurteile ich ausdrücklich. Ich war, als ich die Geschichte von dem schweren Stein las, der in das Wohnzimmer von Herrn Eisold geworfen wurde, nicht nur er

schrocken, sondern ich war wütend. Ich war wütend, weil ich selber sehr gut verstehen konnte, was in ihm vorgeht – auch im Hinblick auf die Angst, die man für die eigene Familie und die Kinder hat, wenn man sich vorstellt, was hätte passieren können, wenn die Dinge etwas anders gelaufen wären. Ich selber war sehr wütend und ich kann auch die Wut von Herrn Eisold verstehen. Das ist so erschreckend, weil er als Opfer dieser Straftat vermutlich schlicht und einfach deswegen ausgewählt wurde, weil er in der Ausländerbehörde arbeitet und dort für die Erstunterbringung von Flüchtlingen zuständig ist.

Das ist also ein sehr beliebiger Bezugspunkt. Das hätte bedeutet, dass eine solche Straftat fast jeden treffen kann, der in dieser Stadt an irgendeiner Stelle Verantwortung übernimmt. Das muss man deutlich sagen, weil das eine wichtige Frage für die Einschätzung des Schutzkonzepts war, das die Polizei vornehmen musste.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Es gab ja kein Schutzkonzept vorher!)

Das stimmt nicht.

(Michael Neumann SPD: Es gab vorher ein Schutzkonzept? Na, herzlichen Glück- wunsch! Drei Anschläge, was ist das für ein Schutzkonzept? Das war ein Konzept im Nachhinein!)

Was ich zum Beispiel weiß, ist, dass auch mein privates Wohnhaus nach diesem Anschlag auf das Wohnhaus von Herrn Eisold nicht bestreift wurde. Ich weiß nicht, wie es bei Ihnen persönlich ist und bei Ihnen, Herr Dressel, weiß ich es auch nicht – ich würde auch öffentlich nicht darüber reden wollen –, aber das ist doch der Punkt, dass es eine Vielzahl von Personen hätte treffen können.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Die Privathäuser waren nicht im Schutzkonzept!)

Herr Neumann, Sie waren vor geraumer Zeit Innenpolitiker und Herr Dressel, Sie sind es und setzen sich intensiv mit der Polizei und den realen Möglichkeiten der Polizei auseinander. Deswegen wissen Sie, dass es gar nicht möglich wäre, einen lückenlosen Schutz für potenziell Bedrohte …

(Dr. Andreas Dressel SPD: Sie haben es nicht einmal geprüft!)

Das stimmt nicht.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Doch, das ist ge- nau so berichtet worden! Da waren Sie nicht da!)

Ich habe mich im Vorfeld zum Innenausschuss ausführlich über die Prüfungen informieren lassen, die es da gegeben hatte.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Das war aber sehr selektiv!)

(Senator Dr. Till Steffen)

Deswegen ist es absolut nicht zutreffend, was Sie behaupten, dass es kein Schutzkonzept gegeben hätte und dass diese Frage nicht geprüft worden wäre. Es war aber nicht möglich, einen lückenlosen Schutz für die potenziellen Anschlagsopfer zu gewährleisten.

(Michael Neumann SPD: Für die drei Na- men, die in der Broschüre standen, war es nicht möglich?)

Deswegen ist die Suggestion, die Sie hier in den Raum stellen, dass es ein Leichtes für die Polizei gewesen wäre, einfach falsch.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Ähnliches wie für den Anschlag auf das Haus von Herrn Eisold gilt für die Straftaten, die im Bezirksamt Nord begangen worden sind. Dort ist ein Mitarbeiter sogar durch umherfliegende Glassplitter verletzt worden. Das ist ein wichtiger Punkt, den wir im Rahmen der Debatte festhalten müssen, dass es hier – anders als bei früheren Anschlägen – nicht nur zu Sachbeschädigungen gekommen ist, sondern auch in Kauf genommen wurde, dass Personen verletzt werden. Das soll nicht heißen, dass es verzeihlich ist, wenn sich Straftaten lediglich gegen Sachen richten, aber wir müssen aufpassen bei der Wortwahl, zum Beispiel wenn wir von Anschlägen sprechen, wenn Parolen an Hauswände geschmiert werden.

Als Justizsenator möchte ich etwas gerade rücken. Wenn Parolen an Hauswände geschmiert werden, ist das eine Sachbeschädigung – vielleicht nicht einmal das, das hängt von der Farbe und dem Material der Wand ab –, aber es unterscheidet sich strafrechtlich nicht von einem gewöhnlichen Graffiti. Ich möchte deswegen auch an die Vertreter der Medien die Frage richten und auch zum Nachdenken mit auf den Weg geben, ob die mediale Darstellung, diese Schmierereien auf den Hauswänden als Anschlag zu bezeichnen, wirklich hilfreich war oder nicht sogar ein Ansporn für diejenigen war, die hier tätig waren.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Was war denn das jetzt? – Michael Neumann SPD: Betre- tenes Schweigen! Die Privatwohnung, wis- sen Sie, was es für die Menschen bedeu- tet?)

Herr Neumann, ich glaube, dass ich deutlich gemacht habe, welche persönliche Betroffenheit ich an der Stelle empfunden habe. Ich persönlich habe mich an der Stelle auch gefragt, was ich einfordern muss. Muss ich einfordern, dass hier ein Schutz auch meiner Person gewährleistet wird? Ich habe mich an der Stelle gründlich über die Möglichkeiten der Polizei informiert. Es war klar, dass es Hunderte Personen treffen kann. Die Begründungen für diese Anschläge sind absolut beliebig. Es ist absolut verkehrt zu behaupten, die Polizei sei nicht ausreichend vorbereitet gewesen und habe dann im

Weiteren unverhältnismäßig reagiert. Das ist ja der Vorwurf, der von der LINKEN erhoben wird.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Die Polizeibeamten in Hamburg haben große Anstrengungen unternommen, um eine Vielzahl von friedlichen Veranstaltungen und Protesten zu ermöglichen. Sie hatten zahlreiche Einsätze zu bewältigen, darunter auch bei vielen Veranstaltungen, die vorher nicht angemeldet waren. An dieser Stelle möchte ich ausdrücklich betonen, dass die Polizeibeamten bei ihren Einsätzen oftmals einem erheblichen körperlichen Risiko ausgesetzt sind und dass sich dieses Risiko bei einigen der Versammlungen auch tatsächlich realisiert hat.

Es darf allerdings nicht zu einer Form von Strafrabatt kommen, nur weil es sich um politische Veranstaltungen und Proteste handelt. Eine Straftat bleibt eine Straftat. Sie wird entsprechend verfolgt und das muss auch unbedingt so sein.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Das hat die Polizei in Hamburg getan und sie hat auch in den Situationen, in denen es erforderlich war, durchgegriffen.

Insgesamt hat die Polizei in diesen zehn Tagen – als Ganzes betrachtet – besonnen und flexibel reagiert. Sie hat sichergestellt, dass einerseits die Versammlungsfreiheit der Teilnehmer gewährleistet ist, andererseits aber auch Unbeteiligte nicht zu Schaden kommen.

(Beifall bei der CDU)

Das Verhalten und der Einsatz der Polizeibeamten sind aus meiner persönlichen Überzeugung heraus ausgesprochen lobenswert gewesen. Allerdings ist der Vorwurf, der heute noch einmal wiederholt worden ist, einzelne Beamte hätten Straftaten begangen, uneingeschränkt ernst zu nehmen. Dies auch deswegen, weil diese Vorwürfe geeignet sind, dem Ansehen der Polizei zu schaden. Was an diesen Vorwürfen wahr ist, muss in der nächsten Zeit aufgeklärt werden und was wir hier leisten müssen, ist ein genauer Blick auf den Einzelfall.

(Dora Heyenn DIE LINKE: Richtig!)

Der Filmzusammenschnitt, der auf der Pressekonferenz der LINKEN gezeigt wurde, ist wenig aussagekräftig und kann die Vorwürfe nicht belegen. Beide Geschichten, die im Hinblick auf diese Angelegenheit mit dem Krankenwagen erzählt wurden, sind denkbar. Deswegen wäre es besonders wichtig, wenn das vollständige Filmmaterial vorliegen würde. Nach den Informationen, die ich heute noch einmal abgefragt habe, liegen die vollständigen Filmmaterialien der Staatsanwaltschaft noch nicht vor. Es wäre wirklich sehr hilfreich, wenn DIE LINKE die vollständigen Materialien vorlegen oder dafür sorgen würde, dass das geschieht. Solange wir das nicht haben, drängt sich auch hier der Ein