Protokoll der Sitzung vom 03.09.2008

Aber das ist an der Stelle nicht der Punkt, denn es geht darum, deutlich zu machen, dass Hamburg eine liberale und tolerante Stadt ist, war und bleibt. Wir wollen, dass hier diskutiert und demonstriert wird, über Themen wie Flüchtlingselend im Mittelmeer, die Klimawandeldiskussion oder Fehlentwicklung der Globalsierung. Wir wollen, dass Hamburg auch ein Platz bleibt für auch außerparlamentarische Demokratie, wo friedlich und gewaltfrei demonstriert werden kann.

(Beifall bei der SPD)

Das ist unser klares Bekenntnis an dieser Stelle, aber immer mit dem Zusatz friedlich und gewaltfrei. In einem Punkt möchte ich Ihnen ausdrücklich Recht geben, Herr Voet van Vormizeele. Unser Grundgesetz bietet genug Möglichkeiten für legalen, friedlichen Protest, kreativ, konstruktiv in jeder Form unter Einhaltung der Gesetze und das ist die Erwartung, die wir Sozialdemokraten auch haben.

(Beifall bei der SPD)

Diese Grenze muss eingehalten werden. Wer an dieser Stelle anfängt, zu differenzieren, Gewalt gegen Sachen sei vielleicht noch okay, erst bei Gewalt gegen Menschen werde eine rote Linie überschritten – das kann nicht die Differenzierung sein. Gesetze müssen eingehalten werden. Strafgesetze sind zu beachten. Deswegen darf es an dieser Stelle kein Wackeln geben. Das war unsere Position in den Tagen des Klimacamps und das bleibt unsere Position.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Diese konsequente rechtsstaatliche Linie gilt es, in alle Richtungen einzuhalten. Deshalb sage ich ganz deutlich, auch für unsere Fraktion: Wenn es im Einzelfall Fehlverhalten auch bei Polizeibeamten gegeben haben sollte, dann muss das rückhaltlos aufgearbeitet werden, von der DIE, Staatsanwaltschaft und den Gerichten. Dafür haben wir entsprechende Institutionen in unserem Rechtsstaat, die das aufarbeiten, und dann können wir das nachher im Innenausschuss politisch bewerten und aufarbeiten. Doch die Linksfraktion – und das sage ich auch speziell an Ihre Adresse, Frau Schneider – muss sich fragen lassen, ob sie bei ihren Angriffen auf den angeblichen Polizeistaat, den wir in Hamburg hätten, mit sauberen Methoden kämpfe.

(Dora Heyenn DIE LINKE: Das hat keiner gesagt!)

Warum haben Sie Ihr Videomaterial, das sie in Ihrer Pressekonferenz vorgestellt haben, nicht sofort vollständig und umfänglich den Strafverfolgungsbehörden zur Verfügung gestellt?

(Kai Voet van Vormizeele)

(Christiane Schneider DIE LINKE: Ist schon lange da!)

Inwieweit ist bei diesen Bildsequenzen zu welchem Zeitpunkt von wem herumgeschnippelt worden? Und dann auch die Frage zu den Campdemos im Einzelnen, welche Rolle Sie und auch Ihr persönlicher Referent an dieser Stelle spielen: Welche Rolle spielt die Linksfraktion, wenn es um den Graubereich zwischen legalem Protest und Gewalteskalation geht?

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Wer zieht da die Strippen? Das, finde ich, sollten Sie auch einmal in diesem Haus erklären, Frau Schneider.

(Beifall bei der SPD)

Überhaupt: Die Campaktivisten haben sich mit ihrer mangelnden Distanzierung von Gewalt, mit Solidaritätsadressen, die man in dem Camp auf Transparenten lesen konnte, wirklich einen Bärendienst erwiesen und den berechtigten Anliegen, über die wir gern streiten und diskutieren können. Auch wenn man sich den Camp Reader anguckt – wir haben das im Innenausschuss gemacht –, stellt man unerträgliche Entgleisungen fest: Polizisten werden pauschal als Rassisten bezeichnet, auch Abschiebungen werden in die Nähe von Deportationen gebracht. Wer so etwas in die Welt setzt, muss sich fragen lassen, ob er nicht den Nährboden bildet für Leute, die nachher Farbbeutel und Steine schmeißen. Deshalb müssen hier klare Grenzen gezogen werden, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Darum muss es bei allem Streit gehen, den wir bei dieser Frage haben. Wir wollen Fragen zu Globalisierungskritik und Flüchtlingselend im Mittelmeer und wir wollen auch erreichen, dass in der gesellschaftlichen Mitte Konsens erzielt wird, dass dort etwas getan werden muss. Mit Krawall und Chaos erreicht man diesen Konsens und die Diskussion in der Gesellschaft nicht. Man tritt so etwas mit Füßen und deshalb war das absolut kontraproduktiv. Danke schön.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort hat Frau Möller.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Das ist jetzt eine Debatte, die tatsächlich den Innenausschuss von vor 14 Tagen toppt. Das liegt zum einen daran, dass wir unter einer anderen Überschrift diskutieren, die von der Linkspartei sehr zugespitzt formuliert wurde. Es liegt aber zum Beispiel auch daran, dass alles, was nicht SPD ist, aus Ihrer Sicht, Herr Dressel, nicht auf dem rechten Weg ist.

(Arno Münster SPD: Das stimmt!)

Das finde ich noch einmal eine besondere Erkenntnis.

(Viviane Spethmann CDU: Ein typischer Dressel!)

Ein typischer Dressel, ja, aber ich muss natürlich auch dem Kollegen Voet van Vormizeele sehr deutlich sagen, dass er sich klar und deutlich positioniert hat und es wenig Klatschen bei der GAL gab. Das genau ist der Punkt, an dem wir weiterdiskutieren müssen, und zwar wir hier. Wir haben nämlich jetzt zum ersten Mal den Vorteil, dass die Auswirkungen, die dieses Klimacamp für die Stadt hatte, so schön aufgefächert sind durch die Auseinandersetzung mit dem Einsatz, den die Polizei leisten musste und im Großen und Ganzen gut geleistet hat – das habe ich schon öfter gesagt und wiederhole es noch einmal –, und anhand von Einzelfällen, die dokumentiert sind oder die im Raum stehen, die dringend aufgeklärt werden müssen. Das ist das, was wir gemeinsam leisten müssen. Wozu wir aufrufen müssen, ist längst passiert, aber die Unterstützung fehlt mir bei Ihnen doch ein bisschen.

(Zuruf von der SPD)

Sie von der SPD haben vor allem immer gesagt, der Innensenator habe den Schutz der Mitarbeiter verweigert und Weiteres in die Richtung. Sie wissen genau, dass das nicht stimmt.

(Wolfgang Rose SPD: Das stimmt sehr wohl! – Michael Neumann SPD: Warum ist denn überhaupt etwas passiert?)

Sie hätten das Wortprotokoll nachlesen können.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der CDU)

Im Übrigen, Herr Dr. Dressel: Mir ist Herr Voet van Vormizeele mit klarer Positionierung, wo ich stundenlang gegen reden könnte, wesentlich lieber als jemand, wie Sie, der heute …

(Zuruf von Dr. Andreas Dressel SPD)

Sie haben doch im Moment überhaupt keine Position mehr zu den Bürgerrechten. Das ist das Problem. Sie erklären neuerdings das mit Ihrer Hilfe verschärfte Polizeigesetz für zu scharf und an anderer Stelle sagen Sie dann, die Bürgerrechte seien auch wirklich wichtig und vielleicht gebe es doch ein bisschen zu viel Videoüberwachung. Die klare Linie bei der SPD fehlt also völlig.

(Michael Neumann SPD: Sie sind in einer Koalition mit denen und dann wundern Sie sich, was Herr Voet van Vormizeele er- zählt?)

Besser klare Positionen als gar keine, Herr Neumann.

(Dr. Andreas Dressel)

(Beifall bei der GAL und der CDU – Michael Neumann SPD: Besser klare Nebenabspra- chen als gar keine!)

Das können wir uns leisten,

(Michael Neumann SPD: Weil das persönli- che Vertrauensverhältnis so groß ist! – Dr. Andreas Dressel SPD: Gemeinsam oder ge- geneinander?)

diese Positionen einmal deutlich in diesem Raum anzusprechen. Denn im Ernst – die Zeit ist kurz, ich versuche es einmal in zwei Minuten –, wir hatten die Situation, auf ein Klimacamp reagieren zu müssen, das sich lange bemüht hat, hier ein Grundstück zu finden. Das hat der Senat getan. Das hätten Sie als alleinregierende SPD nicht anders gemacht. Die ganze Zeit kritisieren Sie es aber.

(Michael Neumann SPD: In Mitte hat Rot- Grün das übrigens abgelehnt. Denken Sie einmal darüber nach!)

Dann kam es zu Aktionen, die mit Polizeihilfe beendet oder beruhigt werden mussten. Auch das hat der Senat geleistet. Und jetzt haben wir die Situation einer Aufarbeitung. Ich möchte, dass Sie sich an der Aufarbeitung beteiligen und nicht, dass Sie weiterhin bei der Linie bleiben, im Übrigen sei der Senat an allem Schuld und im Zweifelsfall die GAL. Wir brauchen eine sachliche und klare Aufarbeitung der Vorfälle, die es gegeben hat. Wir brauchen eine Aufarbeitung des Polizeieinsatzes genauso wie der Aktivitäten der Klimacamper in dieser Stadt. Dann können wir vielleicht endlich politisch darüber reden, welchen Wert die Bürgerrechte in dieser Stadt haben.

(Beifall bei der GAL und der CDU – Michael Neumann SPD: Wo ist der Dissens? Da sind wir uns doch einig!)

Das Wort bekommt der Justizsenator, Herr Dr. Steffen.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Die Debatte heute und die, die wir auch in den letzten Wochen in dieser Stadt geführt haben, ist insgesamt sehr merkwürdig. Heute formuliert es DIE LINKE so, der Senat habe die Versammlungsfreiheit in dieser Stadt aufgelöst. Von der SPD war zwischenzeitlich zu hören, dass dieses Terrorcamp umgehend geschlossen werden sollte und dass tatsächlich …

(Michael Neumann SPD: Wer hat denn das bitte gesagt? Von Herrn Egloff und mir kommt dieselbe Formulierung wie von Ihrer Landesvorsitzenden! Jetzt bin ich einmal ge- spannt: Wer hat das gesagt?)

Tatsächlich gibt es Aussagen von Herrn Dressel, der gesagt hat, ein solches Camp darf es in Hamburg nicht noch einmal geben. Das ist auch in Zeitungen wiedergegeben worden. Was heißt das anderes, als dass die SPD der Meinung ist, dass derartige Veranstaltungen wie dieses Camp in Hamburg nicht stattfinden sollten? Das ist die Meinungsäußerung gewesen, die heute zwar nicht wiederholt wurde, aber von der SPD gemacht wurde, als es in das Rauschen des Blätterwalds hineinpasste.

Wenn man sich diese unterschiedlichen Positionen – diese unterschiedlichen Kritiklagen – ansieht, dann ist das natürlich eine interessante Frage, an welcher Stelle die Wahrheit liegt. Wir leben in einer offenen demokratischen pluralistischen Gesellschaft und ich bin deswegen der absolut festen Überzeugung, dass Hamburg es als weltoffene Stadt aushalten muss, dass Bürgerinnen und Bürger aus der ganzen Republik und vielleicht auch aus anderen europäischen Staaten hierher kommen, um sich kritisch mit staatlichem Handeln auseinanderzusetzen. Es ist auch absolut richtig und auszuhalten, dass das in unterschiedlichen Formen von Demonstrationen erfolgt, wie wir es in Hamburg erlebt haben.

Die Suggestion, die in dieser Aussage liegt, dass es ein solches Camp in Hamburg nicht mehr geben dürfe und dass die Straftaten, die im inhaltlichen und zeitlichen Zusammenhang erfolgt sind, nicht erfolgt wären, wenn dieses Camp so nicht stattgefunden hätte, und dass eine künftige Verhinderung eines solchen Camps dazu führen würde,

(Dr. Andreas Dressel SPD: Sie haben sich vorher gar nicht darum gekümmert!)

halte ich für äußerst gewagt.