Protokoll der Sitzung vom 01.10.2008

(Brigitta Martens)

dass wir für diese Verhandlungen mehr Zeit benötigen als ursprünglich vorgesehen. Dies ändert allerdings nichts daran, dass wir wie angekündigt die Bürgerschaft noch in diesem Herbst umfänglich über den Stand des Projekts informieren werden.

(Wilfried Buss SPD: September haben Sie gesagt!)

Wie weit auch immer der Stand der Verhandlungen sein wird, werden wir – möglicherweise wie von der SPD angeregt – in vertraulicher Ausschusssitzung berichten und dabei auch über unsere Einschätzung der Risiken informieren. Wir nehmen diese Anregung der SPD sehr ernst. Die Erkenntnis, dass die Verkantungen im Projekt mit der bisherigen personellen Konstellation nicht aufzulösen waren, hat, wie Sie wissen, den Bürgermeister veranlasst, den bisherigen Projektkoordinator, Herrn Wegener, zu bitten, die Geschäftsführung aufzugeben und so den Weg freizumachen für einen Neustart der Projektstruktur. Das war eine notwendige, wenn auch schwierige Entscheidung. Ich möchte Herrn Wegener für seinen Einsatz gerade auch in der Durchsetzungsphase der Elbphilharmonie danken und noch einmal betonen, dass er sich auch mit anderen Projekten Verdienste um die Stadt Hamburg erworben hat. Seitdem meine Behörde im Mai dieses Jahres die Federführung für das Projekt übernommen hat, haben wir mithilfe von externem Sachverstand das gesamte Vorhaben und dessen derzeitigen Status analysiert. Dabei haben wir erstens festgestellt, dass der Vertrag als solcher hervorragend ist, Herr Tschentscher, und zweitens, dass die aktuelle Lage des Projektes sowohl eine personelle Verstärkung der ReGe erfordert als auch eine Stärkung des Aufsichtsrates.

(Ingo Egloff SPD: Wieso haben Sie Herrn Wegener dann rausgeschmissen? –Michael Neumann SPD: Wieso ist die Senatskanzlei nicht darauf gekommen?)

Dieser wird in Zukunft durch einen Bauausschuss unterstützt werden, der überwiegend mit externem Sachverstand besetzt sein wird und dem Aufsichtsrat beratend zur Seite steht. Diese Überlegungen sind in den vergangenen Wochen zur Entscheidungsreife entwickelt worden und werden zurzeit umgesetzt. Ich bin sehr dankbar, dass sich Herr Johann Lindenberg, ehemals Vorstandsvorsitzender der Unilever Deutschland, Herr Dr. Wilhelm Friedrich Boyens, Executive Chairman und ehemaliger geschäftsführender Vorsitzender von Egon Zehnder, Professor Dr. Eckart Kottkamp, Vorsitzender des Hochschulrats der Hochschule für Angewandte Wissenschaften, und Herr Diplomingenieur Jens-Ulrich Maier, Geschäftsführer Bau bei der ECE,

(Ingo Egloff SPD: Wir sind ganz beeindruckt von den ganzen Titeln!)

bereit erklärt haben, zusammen mit Staatsrat Reinhard Stuth sowie dem Haushaltsdirektor der Finanzbehörde, Herrn Hans Hinrich Coorssen, und dem Senatsdirektor der Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt, Herrn Horst-Michael Pelikahn, den neuen Aufsichtsrat zu bilden. Lieber Herr Neumann, es wäre nett, wenn Sie zuhören würden.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Dieser deutlich verstärkte Aufsichtsrat wird den Nachfolger von Herrn Wegener, Herrn Heribert Leutner, tatkräftig unterstützen können. Mit Herrn Leutner ist es uns gelungen, einen neuen Geschäftsführer für die ReGe zu gewinnen, der zum einen als ehemaliger Projektleiter das Vorhaben sehr genau kennt, und zum anderen aus seiner bisherigen Tätigkeit mit der technischen und kaufmännischen Leitung von Großprojekten vertraut ist.

Bei all den zu bewältigenden Problemen und trotz des Medienwirbels der letzten Tage und Wochen bitte ich Sie, eines nicht zu vergessen: Die Elbphilharmonie ist ein großartiges Vorhaben für unsere Stadt, das schon jetzt weltweit eine außerordentlich positive Resonanz erfahren hat. Aber auch hier vor Ort, in Hamburg, hat die Entscheidung für den Bau der Elbphilharmonie eine geradezu überwältigende Welle der Begeisterung und des Engagements ausgelöst und, Herr Tschentscher, die Spendeneinnahmen gehen erfreulicherweise weiter. Auch die übergroße Nachfrage nach Besichtigungsterminen für die Baustelle, wie am vorletzten Wochenende, ist ein Zeichen für dieses große Interesse. Zudem ist die Bedeutung von Musik für unsere Stadt und unsere Gesellschaft in Hamburg in aller Munde. Frau Martens hat darauf hingewiesen. Die Orchester haben sich zu einem positiven Wettstreit um die besten Ideen und die besten Konzerte aufgemacht, in den Schulen und Kindergärten wird mehr denn je musiziert und gesungen, und dies wird in den kommenden Jahren noch zunehmen. Wir haben mit Christoph Lieben-Seutter einen hervorragenden, der Zukunft zugewandten, Intendanten für die Elbphilharmonie und Laeiszhalle finden können und es ist ein Netzwerk Neue Musik entstanden und auch die Livemusikclubs sollen in den kommenden Jahren gestärkt werden, wie überhaupt die Rock- und Popszene.

(Glocke)

Frau Professor von Welck, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Böwer?

Nein. Ich bin nämlich gleich fertig, dann können Sie gern weiter reden.

Wer hätte noch vor wenigen Jahren all diese Entwicklungen in Hamburg für möglich gehalten?

(Senatorin Dr. Karin von Welck)

(Michael Neumann SPD: Ich hätte die nicht für möglich gehalten, so eine Kostensteige- rung!)

Lassen Sie uns deshalb gemeinsam das Projekt Elbphilharmonie weiter voranbringen und über allen momentanen Schwierigkeiten nicht vergessen, dass dieses Konzerthaus eine große Chance für unsere Stadt ist, für die es sich gemeinsam zu kämpfen lohnt. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Das Wort erhält Frau Dr. Gümbel.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die SPD hat das Thema Elbphilharmonie heute zur Debatte in der Aktuellen Stunde angemeldet. Das finden wir richtig, denn die Lage ist ernst. Das wiehernde Gelächter dort hinten finde ich weniger angemessen.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Welches Geläch- ter?)

Vorweg möchte ich für die GAL-Fraktion festhalten, dass wir nach wie vor zu dem Projekt Elbphilharmonie stehen. Wir wollen, dass Hamburg Musikstadt wird. Wir wollen, dass es im Hafen einen Kristallisationspunkt für Kultur und Kreativität gibt, ein Kraftzentrum, das über die Education-Programme in die Stadtteile hinein wirkt

(Sören Schumacher SPD: Denglisch!)

und wir wollen, dass sich das Selbstverständnis als Kulturmetropole in einem neuen Wahrzeichen – der Elbphilharmonie eben – architektonisch ausdrückt. Die GAL steht also zu diesem Projekt, aber – und das muss an dieser Stelle ebenso deutlich betont werden – so, wie es in der Vergangenheit lief, darf, kann und wird es in der Zukunft nicht weiterlaufen. Wir haben die Umsetzung des Baus der Elbphilharmonie nach dem einstimmigen Beschluss hier im Hause 2007 kritisch begleitet. Der Senat hat die ReGe eingesetzt, um die Interessen des Bauherren, also der Stadt, gegenüber dem Generalunternehmer und dem Generalplaner zu vertreten. An die Spitze der ReGe hat der Senat Herrn Wegener gestellt, wohl, weil er sich in der Stadt einen Ruf als durchsetzungsfähiger Macher erworben hatte. Ich möchte an dieser Stelle gar nicht abschließend bewerten, welche Gründe personeller oder struktureller Art zu der katastrophalen Lage geführt haben. Festzustellen ist aber, dass unter der Federführung von Herrn Wegener drei von der GAL schon frühzeitig scharf kritisierte Kardinalfehler begangen wurden.

(Thomas Böwer SPD: Na, jetzt haben wir ja den Schuldigen. Erzählen Sie mal!)

Sie beruhten auf völliger Verkennung der Situation und führten zu Regelungen im Vertragswerk, die

im einen Falle falsch und im anderen Falle falsch und teuer waren. Der erste Fall war die Einschätzung Herrn Wegeners, zehn Millionen Euro im Kostenplan … Herr Buss, es wäre einfach prima, Sie würden zuhören.

(Beifall bei der GAL und der CDU – Wilfried Buss SPD: Wir haben doch zugehört!)

Herr Buss – also, einfach mal weiter zuhören. Vielleicht sind wir gar nicht so weit auseinander.

Der erste Fall ist die Fehleinschätzung Herrn Wegeners gewesen, dass zehn Millionen im Kostenplan für unvorhergesehene Ausgaben reichen würden.

(Ingo Egloff SPD: Da haben Sie ja das Bau- ernopfer schon gefunden!)

Angesichts der realen Entwicklung kann man nur den Kopf schütteln über so viel Unverstand.

(Ingo Egloff SPD: Die Aufsicht lag bei Herrn Dr. Schön im Aufsichtsrat, der ist aber abge- löst worden!)

Der zweite Fall ist die Deckelung der vom Generalunternehmer zu zahlenden Zeitverzögerungsstrafen bei 24 Millionen Euro. Auch hier ist die Realität längst darüber hinweggegangen. Das Dritte ist das kommunikative Desaster, das Herr Wegener mit seinen Äußerungen in den beratenden Ausschüssen und in der Öffentlichkeit angerichtet hat. Ich rufe nur den einen Satz in Erinnerung, wir haben ihn heute schon gehört, Herr Tschentscher hat ihn zu Beginn seiner Rede schon zitiert:

"Unabwägbare Risiken bestehen nicht."

(Ingo Egloff SPD: Der hat als Senatsvertre- ter geredet!)

Mit der Entlassung von Herrn Wegener und der Berufung von Heribert Leutner als seinem Nachfolger, der personellen und inhaltlichen Verstärkung der ReGe und nicht zuletzt durch die Installierung des Bauausschusses sind längst fällige Konsequenzen gezogen worden. Das begrüßen wir ausdrücklich.

(Beifall bei der GAL – Ingo Egloff SPD: Längst fällig!)

Es ist für uns aktive Politiker, die in diesen schwierigen Zeiten zur Elbphilharmonie stehen, hilfreich, wenn eine so erfahrene Persönlichkeit wie der ehemalige Bürgermeister von Hamburg einen klaren Blick von außen auf die Situation wirft – Zitat:

"Die öffentliche Diskussion um Baukosten wird vergessen sein. Ganz wie bei der Oper in Sydney. Hamburgs neues Wahrzeichen Elbphilharmonie wird der Stadt und ihrer alten Musikkultur neue Strahlkraft verleihen und dem Stadtbild ein außerordentliches Profil."

(Senatorin Dr. Karin von Welck)

Soweit Klaus von Dohnanyi heute in der "Süddeutschen Zeitung". Ich denke, er hat recht.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Das Wort erhält Herr Hackbusch.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Das Zeug, von dem Sie genascht haben, bevor Sie diese Rede gehalten haben, hätte ich auch gerne einmal.

(Heiterkeit und Beifall bei der LINKEN und der SPD)

Es kann doch nicht wahr sein, dass sich die verantwortlichen Parteien in einer öffentlichen Debatte, in der es um explodierende Kosten und riesige Summen geht – jeder, der damit etwas zu tun hat, weiß, wie bitter jede Million ist, über die wir diskutieren –, hier hinstellen und im Wesentlichen das Gleiche zum Thema Elbphilharmonie sagen wie bisher nach dem Motto, es wird alles ganz toll und wunderbar, und nicht auf die Krisensituation eingehen. Das halte ich für inakzeptabel.

(Beifall bei der LINKEN und der SPD – Kai Voet van Vormizeele CDU: Sie führen die gleiche Neiddebatte wie immer!)

Das gesamte Projekt ist doch nicht das Projekt des Herrn Wegener, sondern es ist das zentrale Projekt des Senats. Der Bürgermeister hat sich oft genug dazu hingestellt und Herr Schön ist dort in verantwortlicher Position gewesen.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Die Betonung liegt auf gewesen!)