Protokoll der Sitzung vom 11.02.2009

(Beifall bei der SPD)

Der Hinweis, den Sie mir gerade ins Ohr flüsterten nach dem Motto "Gemach, gemach, das kommt alles noch, man muss in Ruhe prüfen" ist nicht stichhaltig. Die Zeitungen sind aber tagtäglich voll mit all den Inhalten

(Frank Schira CDU: Na und!)

aus Ihren angeblich so vertrauten Gesprächen und gleichzeitig schießen die Spekulationen ins Kraut. Deshalb wäre es eine geeignete Gelegenheit gewesen, reinen Tisch zu machen und zu sagen, was ist, denn der Grundsatz, den Sie kritisiert haben, immer nur mehr, mehr, mehr zu fordern, war genau die Geschäftspolitik, die Sie und Ihre Finanzsenatoren, insbesondere Herr Freytag, in den letzten Jahren bei der HSH Nordbank zu verantworten haben; genau das hat uns in die Krise geführt.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der LINKEN)

Wenn heute darüber berichtet wird, dass 1700 Menschen von Arbeitslosigkeit bei der HSH Nordbank bedroht seien, dann lässt sich Herr Freytag mit den schlanken Worten im NDR zitieren: Alles wird gut. Das ist eine typische Freytag-Floskel. Es hätte nur noch gefehlt, dass er gesagt hätte, es wird ein guter Tag für Hamburg. Herr Freytag, der nächste gute Tag für Hamburg wird erst dann sein, wenn Sie nicht mehr Verantwortung im Senat tragen.

(Beifall bei der SPD)

Viele Menschen empfinden Ihre Aussage als instinktlos und als eine Verhöhnung derjenigen, die jetzt in Sorge um ihren Arbeitsplatz sind. Wir waren

alle sehr ruhig und in Passagen hat auch meine Fraktion Ihren Ausführungen zugestimmt.

(Frank Schira CDU: Sie waren fassungslos!)

Dass Sie fassungslos über die Aussagen des Bürgermeisters sind, spricht für die CDU-Fraktion, weniger für das, was der Bürgermeister gesagt hat.

(Beifall bei der SPD)

Sie hatten die Chance, sich heute von diesem Herrn Freytag zu distanzieren. Sie haben sie wieder nicht genutzt und damit tragen Sie auch die Verantwortung für die Politik, die dieser Mann in der HSH Nordbank mit unseren Finanzen betrieben hat.

(Beifall bei der SPD)

Wenn wir wirklich neues Vertrauen aufbauen wollen, neues Vertrauen in die Bürgerschaft, neues Vertrauen in das Bankensystem, in das staatliche Agieren, dann ist die Grundvoraussetzung, eine schonungslose Fehleranalyse anzustellen und zu sagen, wer die Verantwortung trägt und was falsch gemacht worden ist. Das ist offensichtlich keine Fähigkeit, mit dem der Senat ausgestattet ist. Das ist ein großer Fehler, denn wir werden in Kürze auch darüber beraten. Ich glaube, wir werden nur eine gute Lösung für die HSH Nordbank finden, wenn wir eine gemeinsame Lösung finden und nicht nur eine, die in Kiel oder in Hamburg zufällig unabgestimmt zeitgleich besprochen wird. Deshalb noch einmal meine Aufforderung – Sie haben aufgrund der Redezeit die Gelegenheit dazu –: Legen Sie die Fakten auf den Tisch, denn die Wirtschaftsprüfer haben festgestellt, dass die Bilanz für 2007 fehlerhaft ist. Sie haben – nur zur Erinnerung – vor gut einem Jahr im Bürgerschaftswahlkampf gesagt, dass es keines der Probleme bei der HSH Nordbank gebe. Es wurde gesagt, die Bank sei gesund, sie habe ein gesundes Geschäftsmodell und man habe volles Vertrauen in den Erfolg der Bank. Und auch noch im Oktober 2008 hieß es, die Bank sei im Kern gesund.

All das werden wir wahrscheinlich, wenn wir es heute nicht erfahren, nächste Woche erst erfahren. Herr Freytag hat in der letzten Sitzung eine Wikipedia-Definition vorgelesen zum Thema Heuchelei. Herr Freytag könnte diese auch jetzt noch einmal herausholen, denn das, was Sie in der Regierungserklärung zu dem Thema gesagt haben, war nichts und hat mehr Nebelkerzen geworfen, als Klarheit in der Sache gebracht.

(Beifall bei der SPD)

Ich kann und will Ihnen nur einen Rat geben: Ändern Sie diese Strategie, ändern Sie die Strategie des Leugnens, Schönredens und Täuschens und machen Sie reinen Tisch. Sie hatten die Chance dazu, Sie haben sie wieder einmal nicht genutzt, aber die Debatte ist noch nicht zu Ende.

(Wolfgang Beuß CDU: Arrogant!)

Ich glaube, es wäre der HSH Nordbank und nicht zuletzt den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern geschuldet, mit offenen Karten zu spielen und die Verunsicherung nicht noch weiterzutreiben.

Um das aber klarzustellen: Die Banken müssen geschützt werden und nicht, weil die Vorstände uns Sorgen machen oder wir Sorgen darum haben, dass Herr Nonnenmacher um seine Zukunft bangt, sondern weil wir uns eine weitere Bankenpleite in Deutschland nicht leisten können. Wir sind gespannt, welche Modelle der Senat für die Zukunft der HSH Nordbank vorstellen will. Ich will aber für meine Fraktion drei Anforderungen aufstellen beziehungsweise definieren.

Erstens: Es muss eine wirklich wirtschaftliche Lösung sein, auf gut Deutsch: Es kann kein Fass ohne Boden sein.

Zweitens: Der Standort Hamburg muss weiter gestärkt werden, insbesondere mit den Stichworten Mittelstand, Schiffsfinanzierung und Luftfahrtfinanzierung.

Drittens: Mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Bank muss anständig und verlässlich umgegangen werden. Das sind Kriterien, an denen wir das messen werden, was Sie uns, wenn nicht heute, dann in der nächsten Woche vorstellen werden.

(Beifall bei der SPD)

Verantwortungsvolle Politik muss aber auch in der Krise an morgen und übermorgen denken und deswegen ist Umsteuern mit Augenmaß gefragt. Die Politik, insbesondere Peer Steinbrück – das hat Herr Glos jetzt auch eingesehen –, hat kräftig, richtig und mit Augenmaß reagiert. Es gibt den Rettungsschirm für die Banken, das Konjunkturprogramm I, den Rettungsschirm für die Arbeitsplätze und das Konjunkturprogramm II. Wenn jetzt auch noch ein Hamburger Konjunkturprogramm ergänzend dazukommt – das will ich unmissverständlich feststellen –, dann begrüßen wir das, halten das in der Sache für richtig und werden es auch unterstützen. Ich möchte aber gleichzeitig vor kopflosem Aktionismus warnen, vor Steuersenkungsfantasien sowie vor immer neueren Milliardenbeträgen, die der Staat oder gar unsere Stadt als Schulden aufnehmen sollen. Der Bund geht bereits an seine Grenzen und die Länder werden auch etwas tun. Wir müssen aber auch bei alldem darauf achten, dass wir 2020 nicht nur noch Geld für Zinsen ausgeben, sondern dass wir auch noch Geld für Polizistinnen und Polizisten, Lehrer und Erzieherinnen haben.

(Barbara Ahrons CDU: Das hätten Sie mal vor 20 Jahren sagen sollen!)

Der Staat muss auch in der nächsten Krise, Frau Ahrons, handlungsfähig sein. Deshalb bin ich auch froh – da war Ehrlichkeit zumindest vorhanden –,

dass der Bürgermeister endlich den Mut gefunden hat einzuräumen, dass die Haushalts- und Konsolidierungspolitik der CDU gescheitert ist, dass jetzt Neuverschuldungen angekündigt werden und gleichzeitig auch angekündigt wird, im Sinne der Schuldenbremse einen klaren Tilgungsplan vorzuschlagen.

(Karl-Heinz Warnholz CDU: Bleiben Sie mal schön bei der Wahrheit!)

Das ist richtig und deshalb dürfen wir nicht in zügellosen Aktionismus verfallen.

(Beifall bei der SPD)

Der Senat hatte auf seiner Klausur nicht nur die Herkulesaufgabe dieses Konjunkturprogramm zu stemmen, sondern er hat auch etwas ganz Neues und Großartiges gestemmt. Er hat nämlich aus dem Leitbild der "Wachsenden Stadt" und der "Kreativen Stadt" ein neues Leitbild geformt. Das ist überraschenderweise, weil es zutreffend gewesen wäre, nicht die "Menschliche Metropole" geworden, sondern es ist herausgekommen – ich muss das nachlesen, weil es mir noch nicht ins Blut übergegangen ist –: "Leitbild Hamburg: Wachsen mit Weitsicht". Das hört sich ziemlich nach Kompromiss an und ist wahrscheinlich auch ein Kompromiss wie Vieles in Ihrem Politikentwurf. Aber es ist gleichzeitig vermutlich eine ungewollte, schonungslose Schwachstellenanalyse der Finanzpolitik der letzten Jahre, denn Weitsicht ist genau das, was in den letzten Jahren in Hamburg gefehlt hat.

(Beifall bei der SPD)

Sie haben in den Boomjahren die Rekordsteuereinnahmen nicht zur Konsolidierung genutzt. Stattdessen sind die Ausgaben explodiert.

(Hans-Detlef Roock CDU: Was haben Sie denn gemacht?)

Der Rechnungshofspräsident, ich darf ihn an dieser Stelle zitieren, sagte:

"Die notwendige Ausgabendisziplin fehlt."

Zitatende.

Die Weitsicht, dass Aufschwünge nicht ewig dauern, die Weitsicht, dass man in guten Jahren Rücklagen für schlechte bildet, die Weitsicht, dass man in guten Jahren nicht stattdessen die Rücklagen plündert, und die Weitsicht, dass man von einer expansiven Ausgabenpolitik im Wahljahr nicht so schnell wieder herunterkommt,

(Viviane Spethmann CDU: Was wollen Sie eigentlich?)

ist genau die Weitsicht, die der CDU-Fraktion gefehlt hat.

(Beifall bei der SPD)

Wenn ich mir das Ergebnis der Ära Beust und Freytag in der Haushaltspolitik in guten Jahren anschaue, dann stelle ich Folgendes fest: 2006 waren es 210 Millionen Euro Defizit, 2007 244 Millionen Euro Defizit, 2008 über 1 Milliarde Euro Defizit und jetzt schon für 2009 mehr als 1 Milliarde Euro ohne die Steuerschätzung und ohne die Konjunkturprogramme. Das genau war das Gegenteil von Weitsicht.

(Beifall bei der SPD und bei Dora Heyenn DIE LINKE)

Hätten Sie nur ein bisschen weitsichtig gehandelt, dann könnte Hamburg heute auch wesentlich mehr und effektiver für die Konjunktur und die Sicherung von Arbeitsplätzen tun, als wir das heute tun, weil Hamburg eben nicht gut gewirtschaftet hat. Über diese Situation – das will ich nicht vorwegnehmen, darauf können Sie sich schon freuen – werden wir Anfang März intensiv sprechen. Dazu gibt es vieles zu sagen, dazu haben wir sicherlich eine ausführliche Diskussion.

Ich will zurückkommen zum Konjunkturprogramm und zu den konkreten Maßnahmen,

(Karen Koop CDU: Oh, das ist aber schön!)

die bisher zumindest veröffentlicht worden sind. Ich will noch einmal betonen: Weite Teile dessen, die uns zumindest in dieser Presseerklärung – es gibt zwei verschiedene mit unterschiedlichen Zahlen – vorgestellt worden sind, sind unstrittig und decken sich mit den Eckpunkten unseres Konjunkturprogramms, die wir bereits im letzten November vorgelegt haben. Es ist auch richtig, die kleinen und mittleren Unternehmen mit Bürgschaften zu unterstützen und sie dahingehend verstärkt zu beraten. Es ist auch richtig, geplante Maßnahmen vorzuziehen, weil es nur so zur schnellen Umwandlung der Mittel in Beschäftigung kommt. Und es ist auch richtig, eine Vergabe in kleinen Losen anzustreben, damit kleine und mittelgroße Betriebe, insbesondere das Handwerk, zum Zuge kommen, denn sie sind das Rückgrat der Beschäftigung in Hamburg.

Aber das Konjunkturprogramm umfasst auch 30 Millionen Euro für Schulbaumaßnahmen. Auch da sage ich: Das ist grundsätzlich richtig und notwendig. Wer Hamburger Schulen kennt, weiß das. Wenn man aber in den Haushaltsplan-Entwurf schaut, gibt es dort eine Absenkung von 40 Millionen Euro für den Schulbau. Das macht unter dem Strich nach diesem Konjunkturprogramm 10 Millionen Euro weniger als vorher. Da kann ich nur sagen: Herzlichen Glückwunsch, tolles Konjunkturprogramm.

(Beifall bei der SPD)