Protokoll der Sitzung vom 03.03.2009

(Beifall bei der SPD – Olaf Ohlsen CDU: Wer hat Ihnen denn so einen Blödsinn auf- geschrieben, unglaublich!)

Dann wollen Sie noch eine Quote von 35 Prozent festlegen, die maximal zum Gymnasium zugelassen werden.

(Wolfgang Beuß CDU: Wo steht denn das alles?)

Auf Ihrem Weg zur Schule für alle schaffen Sie ein elitäres Gymnasium für die Intelligenten und die Kinder der reichen Eltern, die sich Nachhilfe leisten können. Das ist aber genau die soziale Spaltung, die wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten nicht wollen.

(Beifall bei der SPD)

Deshalb treten wir für besseres Lernen in kleineren Klassen ein, auch schon in den Klassenstufen 5 und 6. Wir wollen einen zügigen Ausbau der Ganztagsschulen, der nicht durch das derzeitige Standortchaos blockiert wird, denn das ist die konkrete Frage, die Eltern heute beschäftigt. Sie wollen wissen, wo es Ganztagsschulangebote gibt und nicht, wo es 2013, 2014 oder 2015 solche Angebote gibt; die Kinder werden heute angemeldet.

Wir wollen eine gezielte Sprachförderung, wir wollen ein Leseförderprogramm über Lesekurse von Studenten für die sogenannten Risikoschüler, wir wollen eine starke Einbeziehung und Verantwortlichkeit von Eltern, wir wollen eine gezielte individuelle Förderung in speziellen Kursen und dass Sitzenbleiben endlich abgeschafft wird. Und wir wollen, dass gute, frühe Bildung endlich ernst genommen wird.

Unser Antrag zum Schuletat setzt dabei auf praktische Verbesserungen statt auf unausgegorene und überhastete Schulreformen. Für diese bessere Schulpolitik sind in den Jahren 2009 und 2010 rund 80 Millionen Euro notwendig, die wir restlos gegenfinanzieren, insbesondere durch den Verzicht auf die teure und überhastete Primarschulreform, das Freiwerden von Lehrerkapazitäten durch

das Abitur mit zwölf Jahren und die Abschaffung des Sitzenbleibens.

Wir sollten darüber nachdenken, die Chance zu ergreifen, uns auf verlässliche Schritte in der Schulpolitik zu vereinbaren. Lassen Sie uns parteiübergreifend auf der Grundlage unserer Vorschläge einen wirklichen Schulfrieden schließen, nicht zuletzt um unserer Kinder willen.

(Beifall bei der SPD)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Gestatten Sie mir einige Worte zur Fraktion der LINKEN. Als die LINKE hier einzog, das gebe ich offen zu, gab es zum Teil große Vorbehalte und auch insbesondere bei mir.

(Zurufe von der CDU: Ah!)

Frau Heyenn, Herr Bischoff, im politischen Alltag der Bürgerschaft ist der Umgang miteinander bei allen inhaltlichen Unterschieden konstruktiv und fair. Wenn selbst der Bürgermeister sich auf die Armlehne von Herrn Bischoff setzt, auch wenn ich weiß, dass das Herrn Bischoff sehr unangenehm war, zeigt das, dass ich nicht ganz falsch liege mit meiner Meinung.

(Wolfgang Beuß CDU: Was Sie alles wis- sen!)

Was aber die dunkelgrüne Koalition angeht, gilt auch für die Fraktion der LINKEN: Wenn wir Richtiges richtig nennen, dann müssen wir auch Falsches falsch nennen und wenn das Richtige nicht finanzierbar ist, dann können wir es auch nicht richtig nennen. Alles andere wäre populistisch und damit am Ende doch falsch. Deswegen werden wir einen großen Teil der Anträge der LINKEN ablehnen.

Die politische Linie unserer Anträge ist im Grundsatz geprägt vom Bekenntnis zu Verantwortung und Pragmatismus. Wir wollen spürbare Verbesserungen für Schülerinnen und Schüler, für Kinder in Krippe, Kita und Hort, für wohnungsuchende Familien, für arbeitsuchende und auch hilfesuchende Menschen in unserer Stadt. Darüber werden wir in der Sache in den nächsten drei Tagen debattieren. Unsere Leitlinie dabei heißt Verantwortung und Pragmatismus und diese Verantwortung und dieser Pragmatismus heißt, dass diese Verbesserungen auch möglich sein müssen, dass sie finanzierbar sein müssen und dass sie umsetzbar sein müssen. Unser Maßstab für unsere Haushaltsanträge ist deshalb nicht die gute Maßnahme, sondern ihre finanzielle Machbarkeit, denn ohne solide Finanzierung ist auch die beste Forderung nicht gut.

Unsere Forderungen zum Haushalt sind daher alle gegenfinanziert, gedeckt und inhaltlich richtig. Man kann es sich – ich erinnere mich noch an die erste Legislaturperiode, als die CDU noch in der Opposition war – als Opposition leichter machen, aber für

uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten ist nicht Opposition der Maßstab, sondern Regierungsverantwortung gerade in schweren Zeiten.

(Anhaltender Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren! Für die beiden vertagten Wahlen lasse ich derzeit Stimmzettel austeilen. Bitte gehen Sie mit ihnen sehr sorgsam um.

Das Wort bekommt der Abgeordnete Schira.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Man wundert sich, Herr Neumann, sonst sind Sie im Ton eher gehässig. Heute haben Sie sich sehr viel Mühe gegeben, um nicht gehässig zu sein, aber ich möchte auch nicht gehässig antworten.

Etatberatungen, zumal in der Generaldebatte, sind der Ort des Bilanzierens beziehungsweise des Ausblickes in die Zukunft. Nun kann man als Opposition natürlich, befreit von der Last der Regierungsverantwortung, mit den Problemen anders umgehen als die Regierungsfraktion. Als ich Sie so sprechen hörte, Herr Neumann, habe ich gedacht, wie gut, dass Sie keine Verantwortung für diese Stadt haben.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Sehr geehrte Damen und Herren! Verantwortung resultiert in hohem Maße aus eigenem verantwortlichem Handeln, egal ob man Regierung oder Opposition ist. Verantwortliches Handeln und infolgedessen natürlich Verantwortung haben aber als Grundlage auch die eigenen Positionen zu hinterfragen; denken wir an die sehr wohltuende Regierungserklärung des Bürgermeisters vor wenigen Wochen.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Eine Wohlfühler- klärung!)

Sie hatten damals wie heute, Herr Neumann, in Ihrer Rede die Möglichkeit, die Glaubwürdigkeit Ihrer Position zu untermauern. Zum wiederholten Male haben Sie diese Chance bewusst oder unbewusst nicht genutzt. Gut, dass Sie keine Verantwortung für Hamburg tragen.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

In einer Zeit wirtschaftlicher Umbrüche und Verwerfungen, in einer Zeit großer Unsicherheit bei Arbeitnehmern und Arbeitgebern ist Verantwortung – Sie haben den Begriff sehr strapaziert – ein zentraler Begriff. Wir alle müssten doch gelernt haben, dass kein Mensch einfachen Lösungen glaubt, dass kein Mensch gerade in dieser Zeit die alten parteipolitischen Parolen hören will. Natürlich ist es Aufgabe der Opposition, das Handeln der Regierung zu kritisieren.

(Michael Neumann)

(Dr. Andreas Dressel SPD: Da sind wir ja genau an der richtigen Adresse, Herr Schi- ra!)

Aber Kritik zu äußern und zu streiten, Herr Neumann, sollte nicht mit Selbstgerechtigkeit verwechselt werden.

(Beifall bei der CDU und bei Horst Becker GAL)

Selbstgerechtigkeit steht eben nicht für Verantwortung.

Im Artikel 24 unserer hamburgischen Verfassung heißt es:

"(1) Die Opposition ist ein wesentlicher Bestandteil der parlamentarischen Demokratie. (2) Sie hat die ständige Aufgabe, die Kritik am Regierungsprogramm im Grundsatz und im Einzelfall öffentlich zu vertreten. Sie ist die politische Alternative zur Regierungsmehrheit."

Sie haben durch Ihre Rede überdeutlich gemacht, dass Sie keinen Gegenentwurf haben und auch keine Alternative.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Sie haben halt andere Schwerpunkte gesetzt, keine, mit denen man Hamburg gut regieren kann. Wie gut, dass Sie keine Verantwortung für Hamburg tragen.

(Beifall bei der CDU und bei Horst Becker GAL – Ingo Egloff SPD: Das haben Sie nun zum dritten Mal, nur mit anderen Worten ge- sagt!)

Meine Damen und Herren! Bevor ich zum eigentlichen Haushalt komme, möchte ich aus Sicht der CDU-Bürgerschaftsfraktion einiges zum Umfeld unseres Doppelhaushalts 2009/2010 sagen. Wir diskutieren heute und in den nächsten Tagen über ein Haushaltsvolumen von über 21 Milliarden Euro, an sich schon eine gigantische Zahl, die aber vor den Zahlen der Finanz- und Wirtschaftskrise weiterhin verblasst und immer kleiner wird. Allein in Deutschland werden Rettungsschirme für Banken geschaffen, die 500 Milliarden Euro erreichen. In den USA hat man die 1000 Milliarden Dollar längst überschritten. Ich stelle einmal die These auf, dass die wichtigen Diskussionen, die wir heute und in den nächsten Tagen über den Haushaltsplan-Entwurf führen, uns als Politiker und auch die Politikund Wirtschaftsjournalisten zu Recht interessieren und umtreiben. Aber vor dem Hintergrund der Krise fällt dieser Haushalt für die meisten Menschen leider – ich betone leider – in ihrer Wahrnehmung nicht ins Gewicht.

Der Haushalt soll natürlich Richtung und Rahmen geben. Wir wollen dies als Koalition auch tun und trotzdem stellen sich uns politisch Engagierten viele Fragen. Die Hauptfrage ist doch die, die uns alle

umtreibt: Ist dieser Doppelhaushalt wegen der Finanz- und Wirtschaftskrise nicht schon jetzt Makulatur?

(Beifall bei Dr. Joachim Bischoff und Dora Heyenn, beide DIE LINKE – Christiane Schneider DIE LINKE: Das hätten Sie sich mal früher überlegen sollen! – Gegenruf von Wolfgang Beuß CDU: Nun werden Sie mal nicht frech!)

Es stellen sich Anschlussfragen, wie sich zum Beispiel die HSH-Nordbank-Krise auf diesen und folgende Haushalte auswirkt. Trotzdem müssen wir heute diese Haushaltsberatungen führen. Das Etatrecht liegt beim Parlament, bei uns Abgeordneten. Der Senat muss handeln können. Dafür braucht er von uns die Erlaubnis, Geld auch gegen die Wirtschaftskrise ausgeben zu dürfen.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Alles andere bedeutet nämlich Stillstand und das wäre in der jetzigen Lage völlig verkehrt.

Auch wenn die Wirtschaftskrise in den vergangenen Wochen und Monaten die öffentliche Diskussion und auch die Debatten in diesem Haus dominiert hat, so muss das ganz normale Handeln der Verwaltung weitergehen. Dafür braucht der Senat die Ausgabeermächtigung für den von uns zu beschließenden Haushalt.

Der Senat hat die Zahlen in den Haushaltsausschussberatungen bereits mit der Drucksache zur Hamburger Konjunkturoffensive ergänzt. Wir benötigen zum Beispiel zusätzliches Geld für unseren Anteil am Konjunkturprogramm des Bundes. Dieses Konjunkturprogramm und seine steuerlichen Maßnahmen reduzieren unsere Einnahmen: 90 Millionen Euro lautet eine erste Schätzung. Der Bund hat zwischenzeitlich eine Berechnung der Steuermindereinnahmen im Vergleich zur November-Steuerschätzung vorgenommen. Auf Hamburg heruntergebrochen bedeutet dies, dass wir wohl mit 400 Millionen Euro weniger rechnen müssen. Zusammen sind das rund 500 Millionen Euro weniger Steuereinnahmen im Vergleich zur Haushaltsplanung allein in diesem Jahr und dies kann Hamburg nicht aus eigenen Mitteln finanzieren. Jeder Versuch, so hohe Beiträge kurzfristig an anderer Stelle einzusparen, wäre erstens unrealistisch und zweitens schädlich für die weitere wirtschaftliche Entwicklung.

Allerdings würde eine von strengsten Sparzwängen diktierte Finanzpolitik wirtschaftliche und politische Verwerfungen hervorrufen, die niemand von uns verantworten kann; deshalb handeln wir gegen die Krise. Zusammen mit den Mitteln des Konjunkturprogramms II des Bundes stützen wir die Wirtschaft in Hamburg in diesem und im nächsten Jahr mit rund 550 Millionen Euro. Über die weitere Entwicklung unserer Einnahmen wird die Steuerschätzung im Mai Aufschluss geben. Der Bürgermeister