Protokoll der Sitzung vom 03.03.2009

(Lang anhaltender Beifall bei der CDU und der GAL)

Das Wort bekommt Herr Tschentscher.

Herr Präsident, Herr Bürgermeister! Dass Sie Ihre Verantwortung für die HSH Nordbank wahrnehmen, indem Sie auf den Bundesfinanzminister zeigen, ist schon sehr bemerkenswert.

(Viviane Spethmann CDU: Wo ist Ihre Lö- sung?)

Was ist das eigentlich für eine Vorstellung, Herr Kerstan, dass man mal eben ein Telefonat führt und dann rückt der Bundesfinanzminister so einige Milliarden Euro über den Tresen. Was mit dem Geld im Bundesfonds passiert, entscheidet sich nicht auf Zuruf, sondern nach Recht und Gesetz und aufgrund von Bedingungen, die im vergangenen Jahr zwischen den Ländern und dem Bund vereinbart und beschlossen wurden, Bedingungen, denen der Hamburger Senat – Herr von Beust und auch Sie, Herr Kerstan – zugestimmt hat. Die Regelung ist ganz klar: Wenn ein Bundesland Verluste zu verantworten hat, dann sollen diejenigen auch die Suppe auslöffeln, die sie eingebrockt haben. Diese Regelung schützt die Menschen in Hamburg, die sonst auch noch für die Fehler der CDU-Regierungen in Bayern und Nordrhein-West

(Erster Bürgermeister Ole von Beust)

falen, für die Verluste der Bayerischen Landesbank und der WestLB bezahlen müssten.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN – Bar- bara Ahrons CDU: Ja, was wollen Sie denn?)

Sie legen eine ganz merkwürdige Haltung an den Tag: erst die Bedingungen und klaren Kriterien zu beschließen und zu vereinbaren und sich dann bei der SPD zu beschweren.

Herr Bürgermeister, ich gebe Ihnen recht, die Situation ist nicht geeignet für Rollenspiele von Opposition und Regierung. Die HSH-Nordbank-Krise ist ein schwerer finanzpolitischer Ernstfall. Sie sollten vielleicht etwas weniger aggressiv auf die Opposition schimpfen und einmal ein ernstes Gespräch mit Ihrem Finanzsenator führen.

(Beifall bei der SPD – Rolf Harlinghausen CDU: Sie schreien doch nur!)

Wir werden nicht auf Zuruf über 13 Milliarden Euro entscheiden. Sie haben die Bedingungen diktiert und die Termine gesetzt

(Hans-Detlef Roock CDU: Nicht wir, der Bund!)

und ich habe die persönliche Zusage des Finanzsenators, Herr Bischoff hat sie auch, dass wir Zeit haben, über dieses Problem zu beraten, und zwar nicht nur mit Ihnen, sondern mit Experten im Haushaltsausschuss.

Wenn der Bürgermeister, Herr Kerstan und Herr Schira schon wissen, was bei der HSH Nordbank zu tun ist, dann legen Sie erst einmal die Fakten und die Gutachten auf den Tisch.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Ja!)

Wir werden in den kommenden Wochen darüber sprechen und es geht nicht nur um 3 Milliarden Euro frisches Geld für die Bank und eine Bürgschaft von 10 Milliarden Euro. Wenn ich Ihre Drucksache genau lese, Herr Bürgermeister, dann geht es um eine Garantie für ein sogenanntes Referenzportfolio von 155 Milliarden Euro, der fünfzehnfache Jahreshaushalt dieser Stadt, und da werden wir noch ein paar Fragen stellen dürfen, Herr von Beust.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Der niedersächsische Ministerpräsident Wulff fordert jetzt ein strafrechtliches Vorgehen gegen diejenigen, die ein Geschäft damit machen, kurzfristig Liquidität zu beschaffen, um langfristige Verpflichtungen einzugehen und dabei Vermögensschäden gigantischen Ausmaßes in Kauf nehmen.

"Solches Zockertum …"

wird der stellvertretende CDU-Bundesvorsitzende zitiert –

"… ist kein bloßes ökonomisches Versagen, sondern wirft die Frage nach Verantwortung und Haftung auf."

Mich würde interessieren, was Herr Wulff zu den Vorgängen bei der HSH Nordbank sagt, denn jeden Tag wird klarer, was in der HSH Nordbank passiert ist. Ohne die Steuerzahler zu fragen, wurde auf ihr Risiko Liquidität aufgenommen, auf Deutsch, es wurde Geld geliehen, das für das normale Geschäft nicht erforderlich war. Diese überflüssige Liquidität, das hat Herr Nonnenmacher uns erklärt, wurde in riskante Geschäfte gesteckt, die man in der Sprache der Banker strukturierte Wertpapiere und Kreditersatzgeschäft nennt.

Herr von Beust, ich habe Ihnen einmal das Risiko in einer Abbildung dargestellt, damit man das besser versteht. Sie sehen das Risiko der Banken im Verhältnis zu Ihrer Bilanzsumme. Der kleine Balken da vorne ist die Deutsche Bank und der große Balken ganz rechts, das Risikovolumen von 63 Prozent, bezogen auf die Bilanzsumme,

(Klaus-Peter Hesse CDU: Das haben Sie aber schön gemalt!)

ist das Risiko, das genau die Bank ruiniert hat.

In Ihrer Drucksache steht, die Bank habe nicht mehr das regulatorische Mindestkapital. Das bedeutet auf Deutsch: Die HSH Nordbank ist pleite. Der geplatzte Börsengang ist der gescheiterte Höhepunkt Ihrer gescheiterten Privatisierungspolitik, Herr von Beust.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Wenn ich Ihre neuen Reden zur Gier nach Renditen höre, die ein Ende haben müsste, dann kann ich nur sagen: richtig. Aber die Finanzmarktkrise, Herr Kerstan und Herr Schira, hat nicht irgendwo auf der Welt stattgefunden, bei den Spekulanten in den USA, Japan oder auf den Cayman Islands. Die Finanzmarktkrise hat sich auch in Hamburg abgespielt, in den Vorstandsetagen der HSH Nordbank, unter den Augen des Aufsichtsrats mit Ihrem angeblich so erfolgreichen Finanzsenator, Herr von Beust.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Aufrichtig oder nicht, Herr Bürgermeister, in der Finanzpolitik kommt es vor allem darauf an, dass man richtig rechnet.

Herr Schira, Sie haben gesagt, dass wir 156 Millionen Euro ausgeben wollen; da haben Sie schlecht gerechnet. Wir wollen sogar 250 Millionen Euro ausgeben, und zwar mit den Schwerpunkten Schule und Bildung, Hochschule und Wissenschaft, soziale Stadtentwicklung und sozialer Wohnungsbau. Sie haben auch schlecht gerechnet bei unseren Streichungs- und Deckungsvorschlägen; das sind nämlich auch genau 250 Millionen Euro. Und betrachten wir Ihre sogenannte Wissen

schaftsstiftung, die Sie so rühmen, so wird diese durch nichts anderes finanziert als durch Rücklagen und merkwürdige Grundbucheinträge.

Dass die CDU-Fraktion es nicht so genau mit der Haushaltssystematik nimmt, haben wir zuletzt am vergangenen Donnerstag erlebt, als Ihre Tischvorlage auf unseren Hinweis von der Finanzbehörde flugs noch einmal geprüft und sofort korrigiert werden musste. Unsere Anträge zeigen, dass eine Politik für eine menschliche Metropole – Abschaffung von Studiengebühren und Büchergeld, kostenloser Mittagstisch in der Kita, soziale Stadtentwicklung und sozialer Wohnungsbau mit bezahlbaren Mieten – machbar und finanzierbar ist.

(Beifall bei der SPD und bei Elisabeth Baum DIE LINKE)

Und nun, Herr Bürgermeister, noch ein Satz zu Ihrem Konjunkturprogramm. Ihr Appell ist richtig, dass es darum geht, bei vielen Firmen und Unternehmen um die Arbeitsplätze zu kämpfen. Deswegen verweise ich noch einmal auf unseren Hamburg-Fonds, der in unserem Leitantrag steht, der bisher aus meiner Sicht einzige realistische Vorschlag für ein wirklich zusätzliches Konjunkturprogramm. Aber was macht der Senat? Er macht kein echtes Konjunkturprogramm, das sich wie das der Bundesregierung auswirkt, sondern er zieht Maßnahmen vor, die schon in der Finanzplanung enthalten sind. Das kann man machen, aber es ist wie mit einer Decke: Sobald man an einer Kante zieht, entsteht an einer anderen Kante eine Lücke. Das heißt, wenn Sie dieses Jahr Maßnahmen für 100 Millionen Euro vorziehen, dann entsteht eine Lücke im nächsten Jahr und wenn Sie dann im nächsten Jahr wiederum 100 Millionen Euro vorziehen, verschiebt sich die Lücke auf 2011. Das bedeutet, dass Ihr sogenanntes Konjunkturprogramm ein Investitionsloch in der Zukunft akzeptiert oder erhöhte Ausgaben in der Zukunft nach sich zieht. Das ist Ihr Prinzip wie in vielen anderen Fällen. Jetzt kommt die Maßnahme und gezahlt wird später, wie in einem Kaufhaus mit einem Kundenkredit: sofort kaufen, später bezahlen. Geld, Herr Bürgermeister und Herr Freytag, sparen Sie damit nicht.

(Beifall bei der SPD)

Nehmen Sie deshalb die ungerechtfertigten Mehrkosten der Elbphilharmonie und verpflichten die Behörden zur Sparsamkeit und zum Einsatz von Haushaltsresten. Nehmen Sie das Geld aus den Schubladen der sogenannten Rückstellungen für Mehraufwendungen, nichts anderes als die mangelnde Haushaltsdisziplin der Zukunft, und setzen diese Mittel im Umfang von 200 Millionen Euro jetzt für ein echtes Hamburger Investitionsprogramm für Wirtschaft, Bildung und Umwelt ein, für ein zusätzliches Konjunkturprogramm, das diesen Namen wirklich verdient.

Warum muss sich Herr Gedaschko – ist er eigentlich da, wo wir über das Konjunkturprogramm reden? – eigentlich im Haushaltsausschuss mit Herrn Bischoff über die Frage streiten, ob man jetzt neue Schulden für ein angemessenes Konjunkturprogramm der Stadt machen muss oder nicht? Die Antwort steht in unserem Leitantrag. Sie haben sich seit 2001 rhetorisch für eine Konsolidierung ausgesprochen, in der Praxis aber eine weitere Verschuldung betrieben und Vermögensverkäufe durchgeführt; deshalb geht Ihnen jetzt die Luft aus. In nur fünf Jahren von 2002 bis 2006 haben Sie 3,6 Milliarden Euro neue Schulden gemacht. Das ist im Durchschnitt pro Jahr doppelt soviel wie in 44 Jahren SPD-Regierung, Herr Bürgermeister, die Sie sonst immer so gerne zitieren und auch heute wieder zitiert haben.

(Beifall bei der SPD)

Nicht einmal in den Boomjahren 2007 und 2008 haben Sie das Defizit reduziert, wie es in fast allen anderen Ländern und dem Bund geschehen ist, sondern Sie haben alle Rücklagen verbraucht oder verplant und führen die Stadt jetzt mit einem aufwachsenden Defizit von einer Milliarde Euro in die Krise, 1000 Millionen Euro Defizit, noch bevor sich die Finanzmarktkrise überhaupt ausgewirkt hat. Die Steuereinbrüche mit der Mai-Steuerschätzung kommen noch obendrauf. Das ist der Grund, weshalb Herr Gedaschko mit Herrn Bischoff streiten muss, weil ihm jetzt die Luft ausgeht, wo es darauf ankommt.

Deshalb sollten Sie unseren Vorschlag für einen 200-Millionen-Euro-Hamburg-Fonds unterstützen für Maßnahmen, die wirklich zusätzlich sind und als Ergänzung zum Konjunkturprogramm des Bundes dienen können, dessen Geld Sie eifrig ausgeben, ohne die einzelnen Maßnahmen vernünftig geplant und dem Parlament vorgestellt zu haben.

Eines will ich am Ende noch einmal klarstellen, weil wir es auch in unserem Leitantrag erwähnt haben, das sind die Mehrkosten der Elbphilharmonie. Wir reden in diesem Zusammenhang nicht von Kultur, wir reden noch nicht einmal über die Elbphilharmonie selbst, sondern wir reden über einen harten, massiven Baukonflikt. Wir reden darüber, ob sich die Stadt von einem Baukonzern erpressen und über den Tisch ziehen lässt und ob die Steuerzahler dafür 200 Millionen Euro bezahlen, die wir dringend brauchen für Maßnahmen, die einem internationalen Baukonzern völlig egal sind.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Das sind soziale Projekte in belasteten Stadtteilen, das sind Maßnahmen zur Förderung des sozialen Wohnungsbaus für bezahlbare Mieten, das ist Kinder-, Jugend- und Familienhilfe, die dringend benötigt wird, damit junge Menschen in dieser Stadt aufwachsen können. Wachsen mit Weitsicht ist doch Ihre Devise. Das ist das Thema und nicht,

dass wir Kultur gegen Soziales ausspielen wollen. Wir können jeden Euro nur einmal ausgeben und vorher müssen wir ihn dem Steuerzahler abknöpfen. So einfach ist das und deshalb sind wir entschieden dagegen, an einen Baukonzern Millionenforderungen ohne Prüfung und Belege auszuzahlen.

(Beifall bei der SPD und bei Norbert Hack- busch DIE LINKE)

Nehmen Sie die Pläne, die Sie mittlerweile haben, und zwingen Sie den Baukonzern, die Elbphilharmonie nach diesen Plänen zu bauen, wozu er nach geltenden Verträgen verpflichtet ist. Bringen Sie den Konflikt vor einen Schiedsgutachter, so wie es im Vertrag steht, den die Bürgerschaft unterschrieben hat und zahlen Sie nur das, was ein unabhängiger Bausachverständiger der Handelskammer als berechtigt anerkennt. Ich weiß nicht, warum Sie Staatsrat Stuth heute entlassen haben, Herr von Beust. Aber in unserer Vorlage steht das, was wir von Ihrem erbärmlichen Projektmanagement erwarten – nicht mehr und nicht weniger.

(Lang anhaltender Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Das Wort bekommt Herr Kruse.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Willkommen zurück, Herr Neumann, schön, dass Sie wieder im Saal sind. Vorhin sind Sie so schnell hinausgerannt, dass ich schon fürchtete, der Noro-Virus habe die SPD erwischt. Aber es war kein menschliches Bedürfnis, sondern nur die Bedienung der Eitelkeit, dass Sie noch schnell, während der Bürgermeister sich mit Ihren Vorstellungen auseinandersetzte, ein Interview geben wollten.