Protokoll der Sitzung vom 04.03.2009

weil es Erwerbslose, sozial schwache Familien und Alleinerziehende und ihre Kinder benachteiligt.

(Olaf Ohlsen CDU: Keine Ahnung die Frau, keine Ahnung!)

So ist die Versorgung mit Ganztagsplätzen für Kinder mit Migrationshintergrund und Kinder von Erwerbslosen deutlich zurückgegangen. Kinder mit Deutsch-Förderungsbedarf sind überwiegend in Halbtagsgruppen untergebracht, soviel zu keiner Ahnung. Die Möglichkeit zur Heranziehung von Hausaufgabenhilfen wird dadurch zum Beispiel massiv eingeschränkt, soviel zu keiner Ahnung. Und wenn ein Elternteil nicht genügend arbeitet, erhält ihr Nachwuchs auch keinen Hortplatz. Dies benachteiligt Kinder mit erwerbslosen Eltern und mit Migrationshintergrund ganz besonders. Sie werden sozusagen noch einmal bestraft durch Sie. Sie sortieren damit aus. Sie missachten nicht nur ein Menschenrecht, Sie forcieren die soziale Spaltung der Stadt. Die Kita-Politik des Senats ist aus unserer Sicht Flickwerk.

(Beifall bei der LINKEN und vereinzelt bei der SPD)

(Christiane Blömeke)

Wie sieht es in den Kitas aus? Gruppenarbeit stößt auf ihre Grenzen aufgrund des ständigen Kommens und Gehens. Es findet völlig unzureichend bildungsorientierte Kleingruppen- und Projektarbeit statt, soviel zu keiner Ahnung. Sie sagen doch, dass Bildung der wesentliche Schlüssel zur Chancengleichheit sei. Kurzfristig geplante Gutscheinzuweisungen bringen Kita-Träger an die Grenzen wirtschaftlicher Planbarkeit mit der Folge, dass die Anzahl unbefristeter Vollzeitstellen für Erzieher und Erzieherinnen abgebaut wurde, soviel zu keiner Ahnung.

Sie sind stolz auf das Gutscheinsystem, aber Sie verändern nicht die Schwächen dieses Prinzips. Ein System, das sich nicht an den Bedarfen der Zielgruppe orientiert, taugt aber trotz Kindertagesstättenausbaus nicht viel. Sie haben noch nicht einmal die Einsicht, dass es mehr als ein Symbolwert wäre, in den Kitas ein kostenloses Mittagessen anzubieten, und das wäre auch ohne Probleme finanzierbar. Für die Banken ist Kohle da, Herr "Kohle von Beust".

(Zurufe von der CDU: Ey, ey!)

Millionen, Milliarden, aber in die Zukunft der Gesellschaft wird mangelhaft investiert.

(Wolfgang Beuß CDU: Das ist wie in der DDR!)

Senator Wersich behauptet nun zu Recht, dass das System noch nicht abgeschlossen sei und ausgebaut werden müsse. Aber ich frage mich, warum die bekannten Mängel jetzt nicht konkret angegangen werden. Die Kritik ist doch nicht neu. Da dies nicht erfolgt, empfinde ich ein großes Versagen gegenüber den Interessen von Eltern und Kindern dieser Stadt.

Sehr geehrte Herren und Damen des Senats! Die Mangel-Politik des Senats wird auch im Bereich der Jugend, konkret in der Verteilung der Gelder in Kinder- und Jugendarbeit, der Jugendsozialarbeit und Familienförderung in den einzelnen Stadtteilen, deutlich. Es herrscht großer Verbesserungsbedarf. Beispiel dafür ist der sogenannte Verteilungsschlüssel, der ausschlaggebend für die Verteilung der Gelder direkt vor Ort ist. Dieser Verteilungsschlüssel wird aber lediglich anhand des sogenannten Jugendeinwohnerwerts ermittelt. Das bedeutet, die Höhe der Gelderbewilligung orientiert sich allein an der Anzahl der im Bezirk lebenden Jugendlichen. Dieser Schlüssel ist also eine rein rechnerische Größe ohne qualitative Aussage.

Insbesondere Einrichtungen der offenen Kinderund Jugendarbeit werden jedoch zu einem Großteil von Kindern und Jugendlichen mit sozial belastetem Hintergrund genutzt. Und deshalb ist es unbedingt notwendig, dass die Kinder und Jugendlichen, die schon aufgrund ihrer sozialen Lage sozial benachteiligt sind, besonders gefördert werden

müssen. Deswegen empfinden wir den Schlüssel als sozial ungerecht.

(Beifall bei der LINKEN – Olaf Ohlsen CDU: Die Mauer steht doch nicht mehr!)

Nehmen wir Wilhelmsburg, dort besteht die Bevölkerung zu etwa einem Viertel aus Kindern und Jugendlichen. Fast jeder dritte Einwohner und jede dritte Einwohnerin bezieht Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch II. Trotzdem gehört Wilhelmsburg bezüglich der Berechnung der Personalausstattung im Bereich der offenen Kinder- und Jugendarbeit im Bezirk Hamburg-Mitte zu den am schlechtesten ausgestatteten Stadtteilen.

(Jörn Frommann CDU: Richtig! Rot-Grün!)

Das finden Sie richtig.

Dazu kommt, dass seit 2001 die Zuwendungssumme im Bezirk Hamburg-Mitte um fast 1,4 Millionen Euro gesunken ist, obwohl die soziale Lage innerhalb des Bezirks sich rapide verschlechterte.

(Unruhe im Hause – Glocke)

Verzeihen Sie bitte, Frau Artus. Ich bitte um mehr Ruhe im Plenarsaal, sonst kann man die Rednerin nicht hören. – Fahren Sie fort.

Ich verstehe, dass die Rede aufregt, ich verstehe das.

(Egbert von Frankenberg CDU: Langweilig!)

Jedes dritte Kind lebt im Bezirk Hamburg-Mitte in Armutsverhältnissen. Das regt Sie hoffentlich auch auf. Was ist denn das für eine Sozialarbeit, sehr geehrte Herren und Damen des Senats? Wir als Fraktion DIE LINKE fordern deshalb, den Verteilungsschlüssel nicht ausschließlich anhand des Jugendeinwohnerwerts vorzunehmen. Dafür ist es notwendig, dass die Behörde für Soziales und Familie in Zusammenarbeit mit den Jugendämtern den Verteilungsschlüssel neu entwickelt. Ich habe nur einen Ausschnitt der Situation von Kindern und Jugendlichen in Hamburg dargestellt. Einen Großteil haben wir bereits unter Bildungspolitik diskutiert. Das Leben von Kindern und Jugendlichen unterliegt dramatischen Veränderungen, ihr Leben verändert sich schneller, als wir das in unserer Kindheit erlebt haben. Wer aber in Armut aufwächst, dem fehlen Visionen für die Zukunft und die nötige Flexibilität und Anpassungsfähigkeit. Sie sind als derzeit verantwortliche Regierung in der Pflicht, mehr zu tun als das, was Sie uns in Ihren Haushaltsplänen präsentieren.

(Beifall bei der LINKEN und vereinzelt bei der SPD)

Das Wort hat Senator Wersich.

(Kersten Artus)

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Bert Brecht hat einmal gesagt:

"Das Kind ist das Teuerste, was eine Nation hat."

(Christiane Schneider DIE LINKE: Richtig!)

Das zeigt sich heute auch in dem Haushaltsplan der Familien- und Sozialbehörde, die alleine jährlich über 700 Millionen Euro in dem Bereich der Familie und Familienförderung einsetzt. Wenn wir das mit dem Etat der Bildungsbehörde zusammenzählen, kann man mit Fug und Recht sagen: Familien und Kinder stehen an erster Stelle, was die Aufwendungen der Stadt angeht.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Doch bei aller Freude über so viele Ausgaben gilt es, nicht nur wegen der angespannten Finanzlage und der Finanzkrise, auch Maß zu finden. Man kann sich immer noch mehr wünschen, so wie es die Opposition tut, doch man muss gerade als Sozial- und Familienpolitiker wissen,

(Thomas Böwer SPD: … wann Schluss ist!)

dass man damit gleichzeitig die Interessen der nachwachsenden Generationen massiv verletzt. Denn – auch das ist gestern schon genannt worden – die Schulden von heute ergeben die Zinszahlungen und Hypotheken kommender Generationen. Auch das muss man berücksichtigen, wenn man das Wachstum der Familienförderung mit Weitsicht betrachten will.

(Zurufe von der SPD)

Unsere Metropole will wachsen und muss deshalb für Familien mit Kindern attraktiv sein. Viele junge Eltern aus Hamburg und Paare, die einen Kinderwunsch hegen, wünschen sich insbesondere als Schlüsselfaktor die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Ich sage ganz klar, die Zeit von Kind oder Karriere muss definitiv vorbei sein.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Wir haben zusammen bereits viel Positives mit den Trägern der Kindertageseinrichtungen in den vergangenen Jahren geschafft. Die Zahlen sind zum Teil genannt worden. 2003 wurden noch weniger als 49 000 Kinder betreut, im letzten Jahr über 62 000 Kinder. Im Jahr 2003 hatten wir noch unter 800 Kitas, heute sind es über 900 Kitas und es werden immer mehr. Diese Erfolge werden zum Glück mittlerweile auch von Ihnen anerkannt.

(Thomas Böwer SPD: Völliger Blödsinn!)

Völliger Blödsinn? Na ja.

Ich habe das so verstanden in Ihren Anträgen. Sie schreiben zum Beispiel:

"Von daher ist die Versorgungsquote … in Hamburg … im westdeutschen Vergleich seit vielen Jahren Spitze."

(Carola Veit SPD: Ist ja auch so!)

Das schreiben Sie selbst in Ihrem Antrag.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Diesen Weg wollen wir in den kommenden Jahren auf der Grundlage des Koalitionsvertrags konsequent fortsetzen. Wir haben in den Verhandlungen die Möglichkeiten dazu ausgelotet und für die Finanzierbarkeit klare Schwerpunkte gesetzt: 16 Millionen Euro zusätzlich im Doppelhaushalt für die Beitragsfreiheit des fünfstündigen Kita-Anspruchs im Jahr vor der Einschulung und für mehr als 10 Millionen Euro, anwachsend auf 25 Millionen Euro jährlich, der erweiterte allgemeine Kita-Rechtsanspruch ab zwei Jahren ab dem nächsten Jahr. Doch damit nicht genug. Wir wollen auch die Qualität, das Beschwerdemanagement und den Verbraucherschutz im Kita-Bereich stärken. Wir wollen die Kita-Inspektion verwirklichen und wir wollen die Sprachförderung für Kinder mit besonderem Förderbedarf verbessern.

Die verlässliche Kinderbetreuung ist die Grundlage für Vereinbarkeit von Familie und Beruf, aber ich glaube, sie ist auch für die Gleichstellung von Männern und Frauen wichtig, denn mit das Unerträglichste sind nach wie vor die hohen Einkommensunterschiede zwischen Männern und Frauen,

(Beifall bei der CDU und der GAL)

die nicht selten etwas mit den unterbrochenen Erwerbskarrieren zu tun haben. Deswegen ist diese Verwirklichung der Vereinbarkeit auch für die Gleichberechtigung der Geschlechter unumgänglich.

(Beifall bei Karen Koop CDU)