Protokoll der Sitzung vom 04.03.2009

(Wolfgang Beuß CDU: Weil er recht hat!)

Das kommt dabei heraus, wenn man die Betriebswirtschaft regieren lässt: Intransparenz, Abwiegelei, unnütz und fehl investiertes Geld.

(Wolfgang Beuß CDU: Sie sind ja richtig gut in Form heute!)

Sie lassen einen Konflikt um die Drogenhilfeeinrichtung Subway derart eskalieren und ziehen sich am Ende unter Hinweis auf die Landeshaushaltsordnung aus der peinlichen Affäre, sodass ein jahrelanges Erfolgskonzept nun vor dem Scheitern steht und Menschen, die wirklich ganz unten am Rand der Gesellschaft stehen, zu Opfern verknoteter Rechtsstreitereien werden. So hat Ihre eigene Prophezeiung sich systematisch selbst erfüllt. Aber Sie reduzieren die Schuld derweil auf eine Person. Ich werfe Ihnen weiterhin vor, dass Sie sich in diesem Fall besonders verantwortungslos verhalten haben.

Sehr geehrte Herren und Damen des Senats von CDU und GAL, denn die GAL ist mit in der Verantwortung, Sie haben auch beim Umgang mit Gesundheit und Krankheit nachhaltig unter Beweis

gestellt, dass Sie mit Geld nicht umgehen können beziehungsweise es nicht zur Überwindung der Spaltung der Stadt verwenden, sondern vornehmlich für die Profitinteressen der Konzerne, die an Gesundheit und Krankheit verdienen.

Zwischen armen und reichen Menschen liegen zehn Jahre Leben. Wer arm ist, stirbt nämlich eher, das beweisen Statistiken. Obdachlose sterben durchschnittlich sogar mit 45 Jahren. Arme Menschen erleiden häufiger einen Herzinfarkt, Schlaganfall, Diabetes mellitus, chronische Bronchitis oder auch Magengeschwüre. Schon Kinder reflektieren Armut mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen, Entwicklungsverzögerungen, Sprachund Sehstörungen, Übergewicht und kinderpsychiatrischen Störungen.

Insgesamt machen psychische Krankheiten bereits gegenwärtig und auch künftig einen besonders hohen Anteil an Erkrankungen aus. Aber wo sind Ihre Analyse dazu und die Maßnahmen, um darauf vorbereitet zu sein, und das Geld, das dafür in den Haushalt eingestellt werden müsste? Allein vier von fünf obdachlosen Menschen sind psychisch krank. Sie haben aber scheinbar keine anderen Probleme, als diese Menschen aus der hübschen Innenstadt zu verjagen. Die beabsichtigte Befragung von Obdachlosen ist richtig, um sich über die Ausmaße bewusst zu werden.

(Beifall bei Martina Gregersen GAL)

Aber auch jetzt schon liegen die Probleme auf der Hand und werden weitestgehend leider dem Ehrenamt engagierter Bürger und Bürgerinnen überlassen.

Anstatt auf die Privatwirtschaft einzuwirken, etwas dafür zu tun, dass Menschen sich nicht zunehmend mit Medikamenten vollstopfen, um es an ihren Arbeitsplätzen noch auszuhalten, sind Sie selbst als Arbeitgeberin Teil eines Systems, das Arbeit verdichtet und Stellen reduziert, anstatt zum Beispiel eine Arbeitszeitverkürzung einzuführen, die gesellschaftlich notwendig wäre. Auch das wäre ein effektiver Beitrag zur Gesunderhaltung.

(Beifall bei der LINKEN)

DIE LINKE fordert den Notfonds, den Sie im Antrag mit der Drucksachennummer 19/2279 finden. Wir haben viele Initiativen und Projekte in der Stadt, die sich um in Not geratene Menschen kümmern und damit auch um ihre Gesunderhaltung. Aber sie haben keine ausreichenden Kapazitäten, weder beim Personal noch bei den Räumlichkeiten noch bei den zur Verfügung stehenden Mitteln. Unser Notfonds wäre ein aktiver Beitrag, um das Schlimmste abzufangen, auch vor dem Hintergrund wachsender Erwerbslosigkeit infolge der Finanz- und Wirtschaftskrise. Hier, so finden wir, wäre Geld richtig investiert.

(Wolfgang Beuß CDU: Das glauben Sie!)

Denken Sie daran, es sind zehn Jahre Menschenleben, die Arm und Reich unterscheiden, und das ist kein Naturgesetz.

Selbsthilfegruppen haben in diesen Zeiten eine wachsende Bedeutung. Ihr Beitrag zur Gesunderhaltung ist unschätzbar. Diese Einschätzung wird von allen Beteiligten geteilt. Dramatisch finde ich geradezu, mit wie wenig Geld diese Gruppen auskommen müssen. Die Selbsthilfegruppen müssen frei von Mietsorgen sein und sie müssen moderne adäquate Mittel erhalten, sich bekannt zu machen. Sie müssen auch unabhängig arbeiten können und mit den maximal 650 Euro, die Selbsthilfegruppen im Jahr beanspruchen dürfen, ist dies nicht möglich. Die Einflussnahme der Pharmaindustrie ist vorprogrammiert. Bei den ganzen Millionen und Milliarden, die in diesen drei Tagen verhandelt werden, halte ich die Aufstockung des Etats der Selbsthilfegruppen für dringend geboten und angemessen.

Eine wirksame Gesundheitswirtschaft orientiert sich an der Proklamation der Weltgesundheitsorganisation, die unter anderem lautet:

"Gesundheitssysteme haben auf gesundheitliche und soziale Bedürfnisse der Menschen über ihre gesamte Lebensspanne zu antworten. Dafür und zur Etablierung einer primären Gesundheitsversorgung sind nachhaltige Gesundheitssysteme zu entwickeln, die in Bezug auf wesentliche Gesundheitsfunktionen Chancengleichheit garantieren. Diese Funktionen beinhalten: Eine qualitativ gute Versorgung, auf die gesamte Lebensspanne bezogen; Vorbeugung und Kontrolle gegenüber Krankheit und Gesundheitsschutz; Förderung von Gesetzen und Regelungen zur Unterstützung von Gesundheitssystemen; Entwicklung von Gesundheitsinformationssystemen und Sicherstellung aktiver Überprüfungsstrategien; Förderung der Anwendung von und Innovation in gesundheitsbezogene Wissenschaft und Technologie; Aufbau und Erhalt menschlicher Ressourcen für Gesundheit; und Sicherung einer angemessenen nachhaltigen Finanzierung. Ein sozial aufmerksames Gesundheitssystem schließt die Beachtung der ökonomischen, soziokulturellen und spirituellen Werte und Bedürfnisse von individuellen Menschen ein."

Eine Gesundheitswirtschaft, die sich nicht daran orientiert, sondern an den Profitinteressen der Krankenhauskonzerne und anderer, verdient diese Bezeichnung nicht. Wissen Sie was? Seien Sie wenigstens konsequent und ordnen die Gesundheit in Hamburg der Wirtschaftsbehörde zu.

(Beifall bei der LINKEN – Wolfgang Beuß CDU: Toller Vorschlag!)

Vizepräsident Wolfgang Joithe–von Krosigk: Das Wort hat Senator Wersich.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Frau Artus, das war schlimm.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Das war eine Mischung aus Ahnungslosigkeit und Weltverschwörung und ein abschreckendes Beispiel, was passiert, wenn Ideologie nach Gesundheit greift.

(Beifall bei der CDU und der GAL – Elke Thomas CDU: Eine Katastrophe! – Norbert Hackbusch DIE LINKE: Das müssen Sie jetzt aber begründen!)

Drei Debatten hintereinander geben einem die Möglichkeit, auch die Oppositionsabgeordneten ein bisschen miteinander zu vergleichen. Frau Domres, zunächst einmal Respekt, weil Sie mit Ihrem Beitrag, dem ich nicht in allen Punkten zustimme, wenigstens eine inhaltliche Auseinandersetzung ermöglichen. Deshalb möchte ich mit dem Punkt gleich anfangen, den Sie in das Zentrum Ihrer Kritik gerückt haben, nämlich den Umgang mit der Gesundheitswirtschaft.

Sie haben versucht, Gesundheitswirtschaft auszuspielen gegen die Bedeutung als Daseinsvorsorge. Ich halte das für einen gravierenden Fehler, denn wir erleben im Moment gerade umgekehrt, dass der Faktor Gesundheit nicht mehr länger gesellschaftlich als Kostenfaktor diskutiert wird, sondern dass die Gesellschaft endlich bereit ist, die notwendigen Ressourcen für Gesundheit auch zur Verfügung zu stellen.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Wir haben doch gerade in dieser gemeinsamen Bundesregierung gesagt, wir müssen zur Belebung der Wirtschaft den Beitrag senken. Aber wir haben nicht ein neues Kostendämpfungsgesetz gemacht, sondern wir haben gesagt, wir übernehmen mehr Krankheitskosten aus Steuermitteln.

(Beifall bei Elke Thomas CDU)

Auch das wäre ohne die Diskussion über die Bedeutung der Gesundheitswirtschaft in der Vergangenheit undenkbar gewesen.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Wenn wir die Gesundheitswirtschaft benennen, dann meinen wir damit einerseits die Potenziale für Arbeitsplätze, für hoch qualifizierte Arbeitsplätze in unserem Land.

(Wolfgang Beuß CDU: Das interessiert die doch nicht!)

Aber wir meinen natürlich auch, dass wir über die Förderung dieser Angebote die modernste und

(Kersten Artus)

bestmögliche Versorgung für die Menschen bekommen und das eben nicht kaputtsparen.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Deshalb ist es richtig, dass dieser Senat nicht nur die gute Gesundheitsversorgung im Blick hat, sondern auch die Potenziale, die wir in Hamburg haben, weil wir ein herausragender Standort von Wissenschaft und Forschung, von Ausbildung, von Medizin und Biotechnik, von Gesundheitswesen, von allen diesen Firmen in der Stadt sind. Diesen Mehrwert wollen wir gemeinsam durch Vernetzungsarbeit fördern. Ich kann daran überhaupt nichts Schlechtes finden.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Der zweite Bereich, der kritisiert wird, stellt häufig ab auf die Frage der Rolle des Staates in der Gesundheitsversorgung. Natürlich kann man sagen, der Staat solle hier und da aktiv werden, aber ich sage auch ganz klar: Der Staat ist nicht Lückenbüßer für die Versäumnisse von Ärzten und Krankenkassen.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Wenn wir damit anfangen, in Deutschland den Job der Ärzte oder den Finanzierungsjob der Krankenkassen zu machen, dann gute Nacht für die öffentlichen Haushalte.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Wenn ich dann davon rede, was wir in Hamburg für Herausforderungen haben gerade in der Frage ökonomischer Rahmenbedingungen für Krankenhäuser oder Arztpraxen, dann wissen wir doch, dass diese Politik in Berlin gemacht wird. Und sie trägt seit sieben Jahren ungefähr einen sehr prominenten Namen, nämlich Ulla Schmidt. Ulla Schmidt trägt Mitverantwortung dafür, welche ökonomischen Rahmenbedingungen für die Arztpraxen gelten, und sie trägt Mitverantwortung dafür, wenn in den sozial schwächeren Stadtteilen die Ärzte die Flucht ergreifen.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Deswegen nehmen wir das nicht hin, nicht, dass wir uns missverstehen.

(Wolfgang Rose SPD: So einfach ist das!)

Aber ich glaube, wir müssen zwei Dinge tun. Wir müssen sehen, dass wir Ärzte finden, die bereit sind, dort ihre Praxen zu öffnen. Das unterstützen wir nach Kräften auch in Gesprächen mit der Kassenärztlichen Vereinigung. Aber wir müssen in Berlin dafür sorgen, dass die ökonomischen Rahmenbedingungen für Gesundheit in Deutschland stimmen.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Uns steht im Herbst eine Richtungsentscheidung ins Haus und ich sage Ihnen: Die Gesundheit wird