Frau Schneider, bedenken Sie bei Ihrem Engagement für Sicherungsverwahrte und alle anderen Langzeitsträflinge doch bitte einmal, welche Straftaten diese Menschen begangen haben, was für eine Gefahr diese Menschen für die Stadt darstellen. Das sind tickende Zeitbomben, die hier herumrennen, und Sie machen eine Politik, die für die Opfer unerträglich ist. Verschonen Sie uns vor solchen Anträgen. – Vielen Dank.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Während sich die SPD, wenn man die Reden hört, immer noch ein bisschen an der CDU abarbeitet, haben wir mit ihr vor zehn Monaten ein Bündnis geschlossen
und werden eine neue Politik für Hamburg in diesem Bereich auf den Weg bringen; das hat Ihre Rednerin hier auch formuliert. Wir tun uns alle einen Gefallen, nicht immer nur in die Vergangenheit zu schauen, sondern darauf, was jetzt ist und was wir in Zukunft zu tun haben werden.
Ich möchte auch gleich einsteigen. Das Herzstück dieses neuen Kurses ist die Novelle des Strafvollzugsgesetzes, Sie kennen es alle als Verbändeanhörungsentwurf. Demnächst wird es auch die Bürgerschaft erreichen und dann werden wir in den Ausschüssen ausführlich darüber sprechen.
Dieser Entwurf ist auch dadurch geprägt, dass er unverkrampft und unideologisch an die Frage herangeht, wie man den Strafvollzug in Hamburg weiterentwickeln kann. Wir haben aus unserer Sicht einen guten Entwurf entwickelt, weil wir genau diese unverkrampfte Herangehensweise, wie können wir Sicherheit in diesem 21. Jahrhundert für Hamburg neu definieren, gut hinbekommen haben und darauf bin ich auch ein bisschen stolz.
Das Ziel des Vollzugs ist zukünftig die Wiedereingliederung der Strafgefangenen in die Gesellschaft.
Der offene Vollzug wird aufgewertet, wie Sie vielleicht dem Entwurf entnommen haben. Der Vorrang des geschlossenen Vollzugs ist hiermit beendet. Von zentraler Bedeutung ist für uns auch die Motivation der Strafgefangenen; zukünftig werden Fortschritte belohnt. Allergrößte Bedeutung hat auch, dass wir den Jugend- und Erwachsenenstrafvollzug in den Gesetzen trennen. Der war bisher, für die Insider, in einem Gesetz zusammengefasst. Das hat einen ganz einfachen Hintergrund, denn wir glauben, dass jugendliche Straftäter bei den Erziehungsmöglichkeiten ganz anders angefasst werden sollten als Erwachsene. Deswegen ist hier auch ein eigenes Gesetz sinnvoll.
In diesem neuen Jugendstrafgesetz wird es erstmals in Norddeutschland ein Anrecht auf Arbeit und Bildung geben. Es gibt ein anderes Bundesland, das das auch schon hat, und zwar Baden-Württemberg. Aber wir sind in Norddeutschland die ersten, die das schaffen, und das ist auch ein gutes Zeichen dieser Koalition.
Meine Damen und Herren! Der Leitgedanke, der beste Strafgefangene sei der, der weggeschlossen oder in Haft sei, ändert sich. Der beste Strafgefangene ist aus unserer Sicht derjenige, der in Zukunft keine Straftaten mehr verübt und sich wieder in die Gesellschaft eingliedert. Deswegen nennen wir diese neuen Gesetze, die jetzt auf den Weg kommen, eigentlich das Grundgesetz für den Strafvollzug in Hamburg. Ich glaube, das wird viel verändern, nicht nur in den Strukturen, über die wir gleich noch sprechen werden, sondern auch im Geist der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen und bei den Gefangenen.
Wir betreiben nicht nur eine Ankündigungspolitik, wie die SPD es uns in ihrem Antrag vorwirft, sondern wir tun etwas. Vor ein paar Tagen, das haben Sie vielleicht mitbekommen, hat der Senator die neue Sozialtherapeutische Anstalt wieder eröffnet. Das ist ein sichtbarer Einstieg in die Reform des Strafvollzugs.
Wir werden einen Hamburger Mediationstag ins Leben rufen; da kommt Ihr Antrag zu spät. Wir haben bereits ein Projekt aufgelegt, von dem wir alle in diesem Haus wissen, dass es sinnvoll ist, und zwar PriJuS, das Strafverfahren von minderjährigen Wiederholungstätern beschleunigt werden.
Und wenn wir einmal auf die Zahlen im Haushalt schauen, dann können wir auch da Erfolg vermelden. Wir werden nämlich bis zu 9 Millionen Euro mit dem Konjunkturprogramm in die sanierungsbedürftigen Teile der Justizvollzugsanstalt in Fuhlsbüttel und in die Untersuchungshaftanstalt investieren. Da werden wir die maroden Bereiche sanieren und dort Geld hineinstecken, wo wir wissen, dass wir es in Zukunft brauchen. Wo Bedarf für die
Umstrukturierung besteht, schauen wir uns die weiteren Zahlen an und Sie können sicher sein, dass Sie von uns in den nächsten Wochen und Monaten eine Lösung präsentiert bekommen werden, die den gesunkenen Gefangenenzahlen, aber auch dem Ziel gerecht wird, den offenen Vollzug zu reformieren und auszubauen.
Als weiteren Punkt, um Ihren Vorwurf der Ankündigungspolitik und des Ankündigungshaushalts zu widerlegen, haben wir das Informationsfreiheitsgesetz überarbeitet mit mehr Rechten für die Bürgerinnen und Bürger und wir haben zwei neue Stellen beim neuen Datenschutz- und Informationsfreiheitsbeauftragten eingerichtet. Also auch hier haben wir gehandelt und das innerhalb von zehn Monaten gemacht; das müssen Sie uns erst einmal nachmachen. Wir haben übrigens Ihren Anträgen nicht entnehmen können, dass Sie genauso aktiv sind wie wir als Regierung.
Schauen wir uns ein paar Zahlen bei den Gerichten an, die Sie kritisieren. Wir haben diese halbe Stelle jetzt beantragt – die LINKE hat es auch getan – und es ist ein sinnvoller Akt. Wir werden damit einen ganzen Senat beim Landessozialgericht einrichten und das wird spürbare Erleichterungen bringen. Deswegen hoffe und bitte ich um Ihre Zustimmung.
Wie Sie vielleicht wissen, werden die Bewährungshelferinnen und -helfer nicht aus dem Justizhaushalt bezahlt, sondern aus dem Sozialhaushalt. Der ist gestern verabschiedet worden und ich weiß nicht, ob Sie bemerkt haben, dass der Zug abgefahren ist. Ob es den Bedarf gibt, den Sie prognostizieren, oder ob es noch andere Mittel gibt, wie man das besser justieren kann, darüber werden wir in den nächsten Wochen auch im Rechtsausschuss diskutieren, aber dieser Bereich ist leider hier ein bisschen verfehlt. Die Justizbehörde sollte nicht anfangen, in die Finanzierung der Bewährungshelfer einzusteigen. Ich finde es einen guten Weg, wie es bisher läuft.
Meine Damen und Herren! Insgesamt ist der Justizbereich einer Frischzellenkur unterworfen worden. Wir freuen uns darüber und bitten um Ihre Zustimmung. – Vielen Dank.
(Beifall bei der GAL und der CDU – Thomas Böwer SPD: Jetzt noch mal was zu dem Pri- vatdetektiv, Herr Müller!)
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Anders als die andere Oppositionspartei SPD werden wir dem Haushalt der Justizbehörde nicht zustimmen.
Der Grund ist die Situation des Strafvollzugs, mit dem ich mich deshalb auch vorrangig auseinandersetzen werde. Wir erkennen an, dass Schritte in die richtige Richtung gemacht wurden beziehungsweise auch weiter gemacht werden sollen. Aber die Verheerungen der letzten Jahre sind zu groß und die Schritte sind im Verhältnis zu dem, was notwendig wäre, letztlich zu klein, sodass wir eine deutliche Diskrepanz zwischen – ich unterstelle das, Herr Justizsenator – Wollen und Können sehen.
Ausdrücklich begrüßen wir, dass der Wahnsinn des Gefängnisausbaus, den wir in den letzten Jahren erlebt haben, beendet wird und dass im Zuge der Umstrukturierung des Strafvollzugs die Zahl der Haftplätze deutlich reduziert werden soll.
(Harald Krüger CDU: Mit Gefängnissen ken- nen Sie sich ja aus! – Gegenruf von Dr. An- dreas Dressel SPD: Was sollte das denn jetzt?)
Das ist nicht so sehr das Erfordernis, die Kosten zu senken – das auch –, sondern es ist ein deutliches Zeichen in die Gesellschaft.
Ebenso begrüßen wir, dass die Zerschlagung erfolgreicher Einrichtungen der Sozialtherapie durch die Schaffung einer eigenständigen Sozialtherapeutischen Anstalt rückgängig gemacht wird. Natürlich werden wir das Konzept der Sozialtherapie noch abwarten. Aber allein die Tatsache, dass eine eigene Anstalt eingerichtet wurde und ein Konzept ausgearbeitet werden soll, ist ein erheblicher Fortschritt, denn die Sozialtherapie schafft im Vergleich zum Regelvollzug am ehesten ein Angebot und adäquate Bedingungen dafür, dass Gefangene sich mit ihren Defiziten, mit ihren Problemen und auch mit ihrer Schuld auseinandersetzen und an diesen Problemen arbeiten. Hier sehen wir am ehesten die Umsetzung des Auftrags der sozialen Integration.
Wir werden noch ausgiebig Gelegenheit haben, uns mit dem Entwurf des neuen Strafvollzugsgesetzes auseinanderzusetzen. Eines möchte ich jedoch vorwegnehmen. Dostojewski, abwechselnd auch Churchill, wird der Satz zugeschrieben – ich zitiere –:
Wir halten auch aus Gründen des Zustands dieser Gesellschaft, aus Gründen ihrer Entwicklung eine gesellschaftliche Debatte über den Strafvollzug und seine grundlegende Reform für dringend notwendig.
Eine solche Debatte hat es vor Jahrzehnten gegeben und ein Ergebnis war das Strafvollzugsgesetz 1977, das viele Reformansätze aufgenommen hat, aus unserer Sicht aber leider nur halbherzig.