Protokoll der Sitzung vom 23.04.2009

Einen letzten Punkt möchte ich noch erwähnen, die öffentliche Berichterstattung. In der Vergangenheit wurden in der Presse vor allem die gesunkenen Altpapierpreise und die damit verbundenen geringeren Einnahmen für die Stadt thematisiert. Der eigentliche Sinn der Blauen Tonne, Klimaschutz und Umweltschutz sowie eine bequemere und verlässlichere und insgesamt kostengünstigere Müllentsorgung, wurde dabei außer Acht gelassen.

Die SPD hinterfragt allein die Wirtschaftlichkeit der Blauen Tonne vor dem Hintergrund der gesunkenen Altpapierpreise und lässt die ökologischen und ordnungspolitischen Aspekte dabei völlig außer Acht. Sie beunruhigt die Bürger, indem sie behauptet, die Gebühren würden steigen. Ob das der Fall ist, ist noch gar nicht sicher und ist auch nicht von ihr geprüft worden. Die SPD bringt die Blaue Tonne in Verruf, ohne den ökologischen Aspekt zu berücksichtigen.

(Vizepräsident Wolfhard Ploog)

(Beifall bei der CDU und der GAL – Dr. Mo- nika Schaal SPD: Ach, das glauben Sie doch selber nicht!)

Der Antrag der CDU- und GAL-Fraktion zielt darauf ab, dass wir nun eine Bilanz erhalten.

(Zuruf von Dr. Monika Schaal SPD – Wolf- gang Beuß CDU: Nun halten Sie sich mal zurück, Frau Schaal!)

Die Bilanz erbitten wir jetzt vom Senat. Die angesprochenen Punkte wie die Mengenentwicklung, die Frage, ob die Blaue Tonne wirklich ihre Überlegenheit gegenüber den anderen Sammelsystemen zeigt, ob sie einen Beitrag zum Umweltschutz und Klimaschutz leistet und so weiter, können Sie dem Antrag entnehmen. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Das Wort hat die Abgeordnete Frau Thimm.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Sie hat bisher nur Geld gekostet und keines eingebracht. Die Rede ist diesmal nicht von der Elbphilharmonie, sondern von der Blauen Tonne; ein tolles Projekt, für jeden ist etwas dabei, für die CDU, für die GAL. Für die CDU: Der Altpapierverkauf bringt Geld ein, jedenfalls hat man das damals gedacht, als man dieses Projekt ins Leben gerufen hat. Für die GAL: Man kann mit Altpapierrecycling die Umwelt schonen, Ressourcen schonen. Insofern ist es eigentlich ein sehr schönes Projekt, ein Projekt, das die SPD auf jeden Fall auch unterstützt, denn das Ziel ist klar und gut. Eine flächendeckende Einrichtung der Blauen Tonne sollte erreicht werden.

Allein die Vorgehensweise zur Erreichung dieses Ziels haben wir in mehreren Kleinen Anfragen hinterfragt. Das Hinterfragen hinsichtlich der Kosten und auch der Umweltfreundlichkeit ist wichtig, richtig und notwendig, um das gute Projekt Altpapiersammlung mittels der Blauen Tonne im Sinne des Bürgers zu optimieren, denn darum geht es ja,

(Beifall bei der SPD)

und vor allen Dingen dieses System für den Bürger kostenfrei zu halten. Aus diesem Grunde sind unsere Kleinen Anfragen und die dadurch ausgelöste Diskussion in der Öffentlichkeit gerechtfertigt. Die Stadt spricht nun einmal über die Themen, die für sie interessant und aktuell sind. Als diese Diskussion lief, haben wir von der Koalition nichts gehört.

(Dirk Kienscherf SPD: So sind sie! – Beifall bei der SPD)

Es geht uns darum aufzuzeigen, wenn umweltpolitische Ziele verfehlt werden, und das ist Oppositionsarbeit.

Was haben nun unsere Nachfragen ergeben? Die Sammelergebnisse durch die Blaue Tonne sind weit hinter den ursprünglichen Erwartungen zurückgeblieben. Angepeilt wurden 120 000 Tonnen, tatsächlich eingesammelt wurden 70 000 Tonnen. Der zur Kalkulation herangezogene Papierpreis von 80 Euro pro Tonne entspricht nicht der Realität, er liegt derzeit weit unter 10 Euro, ich würde fast sagen, er tendiert gegen Null. Es sind weniger Blaue Tonnen aufgestellt worden sind, als ursprünglich gedacht war. Ende 2008 waren es 90 000 Stück, das entspricht 30 Prozent der Hamburger Haushalte. Vielleicht ist es jetzt ein bisschen mehr, aber über 50 Prozent kommen wir nicht hinaus.

Die Stadtreinigung rechnet für 2008 mit einer Unterdeckung für die Blaue Tonne von 6,8 Millionen Euro – lassen Sie sich diese Zahl einmal auf der Zunge zergehen –, ein Umstand, mit dem sich der Senat bis dato de facto nicht beschäftigt hat. Das ist nichts, was wir uns ausgedacht haben, das ist eine Antwort auf unsere Kleine Anfrage.

(Beifall bei der SPD)

Das ist ungeheuerlich vor dem Hintergrund der desolaten Haushaltslage. Aber vielleicht gibt es diesbezüglich Überlegungen, die Sie uns heute noch vorstellen können. Von Frau Stöver habe ich dazu leider nichts gehört, aber es gibt noch zwei Nachredner, vielleicht kommt da noch etwas.

Um es noch einmal deutlich zu sagen, damit Sie mich nicht missverstehen: Wir werfen Ihnen nicht vor, dass der Papierpreis gesunken ist und damit Ihre Kalkulation nicht stimmt. Wir werfen Ihnen vor, nicht kalkuliert zu haben, dass der Papierpreis Schwankungen unterliegt. Sie hätten mehrere Szenarien betrachten können und müssen und entsprechende Handlungsweisen erarbeiten müssen.

(Beifall bei der SPD)

Unser Anliegen ist es, dass die Bürger diesen Umstand nicht mit höheren Müllgebühren bezahlen müssen.

(Beifall bei der SPD)

Einen weiteren Punkt möchte ich noch nennen. Eine haushaltsnahe Sammlung ist anderen Sammelsystemen in der Regel überlegen. Das ist natürlich sehr sinnvoll, aber dazu müssen dann auch alle Haushalte angeschlossen sein und die Möglichkeit haben, Altpapier zu sammeln. Das ist leider vor allem im Mietwohnungsbau noch nicht der Fall. Hier muss bei Hausbesitzern und bei Vermietern noch Überzeugungsarbeit geleistet werden.

Dass überhaupt so eifrig Papier gesammelt wird und getrennt entsorgt wird, ist Ausdruck des Umweltbewusstseins der Menschen und der Bevölkerung. Deutschland ist mit über 64 Prozent Europameister im Recycling von Papier. Gerade diese hohe Motivation gilt es aufzugreifen und für unsere

(Birgit Stöver)

Zwecke zu nutzen, denn unter den Top Ten der recyclingfreundlichsten Städte sucht man Hamburg tatsächlich vergebens. Das geht aus dem Papieratlas 2008 hervor, den die Initiative Pro Recyclingpapier jährlich herausgibt und in dem ein Wettbewerb der Städte ermittelt wird. Den Spitzenplatz nimmt Aachen ein.

(Wolfgang Beuß CDU: Marino, hast du das gehört?)

Nun kann man sagen, Aachen ist vielleicht nicht mit Hamburg vergleichbar. Aber auch Berlin und München sind vor uns, München sogar auf Platz 9. Das sind Städte, die nun tatsächlich mit Hamburg vergleichbar sind. Die SPD-Fraktion würde sich freuen, wenn die angehende Umwelthauptstadt Hamburg demnächst auch in den Top Ten der recyclingfreundlichsten Städte vertreten wäre.

(Beifall bei der SPD)

Wir können alle, damit nehme ich meine Fraktion nicht aus, gleich morgen damit anfangen, das heißt, wenn wir in unseren Büros nur 3500 Blatt Recyclingpapier verwenden würden anstatt normalen Papiers – wenn Sie das tun, ist das sehr gut, dann gratuliere ich Ihnen dazu, wir tun es nicht, das muss ich selbstkritisch sagen, das werden wir ändern –, dann könnten wir damit einen ganzen Baum einsparen, der nicht gefällt werden müsste. Wir könnten so viel Wasser einsparen, dass davon eine komplette Fußballmannschaft nach einem so anstrengenden Spiel wie gestern duschen könnte.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, gerade Sie dort vorne in der ersten Reihe, wir haben auch eine Vorbildfunktion nach außen, die wir wahrnehmen sollten. Das sehe ich jedenfalls so und das würde ich auch gerne in Zukunft tun. Darum vermissen wir in Ihrem Antrag, meine Damen und Herren der Koalition, eine Aufforderung an den Senat, die Beschaffung und Verwendung von Recyclingpapier zu intensivieren. Der Preisverfall beim Altpapier kann nämlich auch damit aufgefangen werden, dass man verstärkt Recyclingpapier kauft.

(Beifall bei der SPD)

Außerdem vermissen wir in Ihrem Antrag die Frage nach dem Weg des Altpapiers, nachdem es in der Tonne gelandet ist. Es kann wohl kaum von einer positiven Umweltbilanz, und darum geht es in Ihrem Antrag, gesprochen werden, wenn das Altpapier so lange zwischengelagert wird, dass es verrottet, oder nach Übersee verschifft wird, um dort mit den entsprechenden Abgasen und Umweltbelastungen aufbereitet zu werden. Eine Bilanz sollte aus unserer Sicht den kompletten Lebensweg des Altpapiers berücksichtigen.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Trotz kritischer Anmerkungen wollen auch wir uns den durch den Antrag geforderten Bericht zur Einführung der Blauen Tonne nicht entgehen lassen und insofern unterstützen wir diesen Antrag

(Klaus-Peter Hesse CDU: Der kommt auf je- den Fall!)

und freuen uns auf die Diskussion im Ausschuss, die wir dann hoffentlich auch öffentlichkeitswirksam führen können. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei Christiane Schneider DIE LINKE)

Das Wort bekommt Frau Weggen.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Erst einmal muss ich vorwegschicken, dass ich doch ein bisschen erstaunt bin, dass die SPD-Fraktion bei der Nutzung von Recyclingpapier so weit hinterher ist.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Wenn jetzt vorgerechnet wird, was Sie alles einsparen können, dann ist das kein Grund zum Klatschen, wenn man noch nicht so weit vorangeschritten ist. Aber es wäre schön, wenn Sie das bald umstellen.

Wenn man über die Blaue Tonne debattiert, sollte man sich als Erstes ins Gedächtnis rufen, was eigentlich die Idee hinter der Blauen Tonne ist. Darauf hat Frau Stöver schon hingewiesen, nämlich dass die Altpapiersammlung ein wichtiger und richtiger Schritt ist, um Klima- und Umweltschutz zu betreiben. Frau Thimm, das haben Sie in Ihrem Redebeitrag auch erwähnt, das hat mir aber in der Debatte und in Ihren Kleinen Anfragen der letzten Monate doch sehr gefehlt.

Für die Papierproduktion werden weltweit Wälder abgeholzt. Dazu gehören auch Urwälder und Regenwälder, die einen enormen Anteil am Klimaschutz haben, indem sie CO2 binden. Aber es steckt nicht nur ein wichtiger Klimaschutzaspekt dahinter, sondern Urwälder und Regenwälder leisten auch einen wichtigen Beitrag zum Erhalt der Artenvielfalt. Wenn wir diese Lebensräume zerstören, gehen viele Arten weltweit für immer verloren. Unser Beitrag zum Klimaschutz und zur Biodiversität kann und muss auch darin bestehen, dass wir Papier sammeln und wiederverwerten und eben nicht auf Papier zurückgreifen, das die Wälder weltweit in ihrem Bestand gefährdet.

Ein weiterer Punkt ist, dass durch das Recycling von Papier enorme Mengen an Wasser und Energie eingespart werden können. Um ein Beispiel zu nennen: Wenn man Recyclingpapier statt herkömmlichem Papier verwendet, dann spart man bei einer Million Blatt 15 Tonnen Holz, 150 000 Li

(Carola Thimm)

ter Wasser und 30 000 Kilowattstunden Energie, das sind enorme Mengen.

(Zuruf von Dirk Kienscherf SPD)

Aber dafür, dass man dieses Recycling betreiben kann, ist es notwendig, dass die Papiermengen dafür auch vorhanden sind. Wenn das Altpapier erst importiert werden muss, kostet das auch Geld und vor allem Energie, deshalb ist es auch wichtig, dass wir diese Mengen hier vor Ort haben. Das ist teilweise problematisch und deswegen müssen wir schauen, wie die Altpapiersammlung noch weiter ausgeweitet werden kann. Dadurch, dass Altpapier gesammelt und recycelt wird, wird aktiv Umweltund Klimaschutz betrieben und Altpapier ist ein wichtiger sekundärer Rohstoff und eben kein Müll. Das möchte ich noch einmal vorwegschicken, um zu verdeutlichen, was für ein wichtiger Umweltschutzaspekt dahinter steckt.