Protokoll der Sitzung vom 10.06.2009

Das Wort bekommt der Abgeordnete Herr Becker.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich fand die Anfrage auch sehr interessant; es stehen interessante Daten darin. Da ich nicht genau wusste, wie Sie die Debatte führen wollen, habe ich mir zu den Ausführungen des Kollegen Grote ein paar Stichworte notiert und werde versuchen, das ein wenig abzuarbeiten.

Das erste Thema betraf weniger die Anfrage, sondern eher die Wohnungsbauentwicklungsplanung. Selbstverständlich wird mit der SAGA geredet über Neubau, das ist ganz klar und gehen Sie davon aus, dass sich da etwas tun wird.

(Jan Quast SPD: Reden hilft doch nicht!)

Über Quantitäten kann man vorher nicht reden.

Letztlich ist die SAGA ein selbstständiges Unternehmen, auf das natürlich Einfluss auszuüben ist, und darüber muss man reden. Dann werden wir Ergebnisse haben und Sie werden diese Ergebnisse genauso wie wir auch erfahren.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Zum Thema Miethöhen. Hier ist es natürlich so, dass es bei zwanzigprozentigen Mieterhöhungen, wenn man 200 Euro für eine Wohnung bezahlt, dann 240 Euro sind und bei 300 Euro sind es dann 360 Euro. Für die Betroffenen ist es ein ziemlicher Batzen im Monat, dies auf sich zu nehmen und tragen zu müssen. Es wird möglicherweise dann noch schwieriger, wenn es zeitnah zusammenkommt mit Modernisierungen. Das schafft den Menschen Probleme, das kann man nicht wegdiskutieren. Ich will nur die zweite Seite der Wirklichkeit, die es auch gibt, hier dagegenstellen.

Teilweise sind nämlich über Jahre und Jahrzehnte die Mieten nicht erhöht worden und die jetzt betroffenen Menschen waren vorher Nutznießer. Das heißt, sie haben mit Mieten gelebt, die heute nicht mehr real sind, die sie auch nirgendwo mehr finden werden. Die Mieten werden von einem sehr niedrigen Niveau erhöht, sie rollen das Feld von hinten auf, aber sie werden das Mittelfeld nicht erreichen. Es sind immer noch moderate bis niedrige Mieten und das ist auch eine Seite der Realität.

(Wolfgang Rose SPD: Das ist doch blanke FDP-Position!)

Die SAGA hat sich geändert. Sie sagen, die SAGA war früher ganz prima, es war alles billig. Heute kümmert sich aber im Gegensatz zu früher die SAGA um ihre Bestände und pflegt sie; das kostet natürlich auch Geld.

(Beifall bei der GAL und der CDU – Zuruf von Andy Grote SPD)

(Ekkehart Wersich)

Herr Grote, ich bin lange in der Bezirkspolitik und habe mir sehr oft die Beschwerden der SAGA-Mieter diesbezüglich angehört.

(Andy Grote SPD: Da beschweren sich Leu- te auch, aber über andere Dinge!)

Heute beschweren sie sich über andere Dinge, aber sicherlich nicht darüber, dass die Bestände nicht gepflegt werden. Die werden gepflegt und das kostet natürlich Geld. Wir haben auch Ansprüche, wir wollen auch, dass die Leute vernünftig und anständig wohnen und das bedeutet, dass man über energetische Sanierung nachdenkt, dass die Häuser neue Dächer bekommen müssen, dass es Pförtnerlogen gibt, dass überall vernünftige Nasszellen sind.

(Zurufe von der SPD)

Der Trend geht dahin, dass in Wohnungen Einbauküchen sind, und all diesen Dingen wird Rechnung getragen. Dafür werden vernünftige Investitionen getroffen und die kosten nun einmal Geld. Man geht klar davon aus, das zeigen auch die Zahlen, die wir hier haben, dass eine Verdrängung nicht stattfindet. Es gibt Konfliktfälle, es gibt Einzelfälle, die schwierig sind, da wird individuell beraten. Wir haben die Beträge für die Kosten der Unterkunft erhöht auf ein realistisches Maß, mit dem man arbeiten kann. In Einzelfällen wird auch auf Mieterhöhung verzichtet. Insofern wird der Versuch gemacht, darauf einzugehen. Das nun zu einer großen Verdrängungswelle hochzustilisieren, entspricht einfach nicht den Tatsachen.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Das Auslaufen von Mietpreisbindungen sehe ich auch als Problem und hier wird es Aufgabe der Wohnungsbauentwicklungsplanung sein, möglicherweise auch über die WK-Förderung und über den Ankauf von Belegungsbindungen wieder zu versuchen, dies aufzustocken und die Laufzeit möglichst lang zu gestalten. Wir werden erleben, dass bis 2020 die Zahl der mietpreisgebundenen Wohnungen auf unter 40 000 sinken wird. Jetzt ist es mehr als das Doppelte, wenn ich das richtig im Kopf habe.

Daran werden wir arbeiten müssen, auch wenn der Bestand von 130 000 städtischen Wohnungen in der Mietpreispolitik ausgerichtet ist am Mittelwert des Mietenspiegels. Auch ohne Mietpreisbindungen wirkt der große Bestand der städtischen Wohnungen dämpfend auf den Mietmarkt. Das ist immer noch ein großes Pfund, das wir haben, und wenn wir das Mietniveau in Hamburg vergleichen mit anderen großen deutschen Städten, stehen wir immer noch sehr gut da.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Der letzte Punkt bezieht sich darauf, dass die SAGA die GWG kaufen musste. Natürlich kann jede Summe, die der SAGA entzogen wird, nicht für

Neubau, Modernisierung oder Instandhaltung zur Verfügung stehen. Das ist nun einmal so passiert und das Gute daran ist allerdings – das bitte ich auch zu bedenken –, dass die GWG nicht an Private verkauft wurde und das werden die Mieter im Endeffekt auch zu schätzen wissen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Das Wort bekommt Herr Dr. Bischoff.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Wersich hatte schon darauf hingewiesen, dass sich diese vorzügliche Große Anfrage in weitere 35 Drucksachen einordnet, überwiegend Schriftliche Kleine Anfragen aus dem Bereich der SPD.

Herr Becker, wenn immer wieder nach Mietpreissteigerungen und Kappungsgrenzen und dergleichen gefragt wird, dann nicht, weil man irgendjemanden anschwärzen will, sondern der reale Druck, der in den Bezirken wächst, schlägt sich in diesen 35 Drucksachen nieder. Es ist der Versuch gewesen – so interpretiere ich das –, mit der Großen Anfrage eine Art von Zusammenfassung hinzubekommen, und ich finde es sehr wichtig, dass das gemacht wurde.

Zugleich bin ich – das wird Sie nicht wundern – etwas enttäuscht von den Antworten und den Einlassungen des Senats. Gleich am Anfang widerspricht der Senat der Einordnung, wie sie von Herrn Grote und anderen in der Drucksache vorgenommen wird. Gerade aber bei Wohnungen, deren Sozialbindung ausläuft, liegen in der Regel vergleichsweise geringe Ausgangsmieten aufgrund der langen Mietpreisbindung vor. Die Ausgangsmieten bewegen sich zwischen 3 Euro und 4 Euro netto kalt. Dann weisen Sie aber darauf hin, dass sich bei Einbeziehung der Modernisierung schon eine sehr auffällige Mietpreiserhöhung ergeben kann.

Es ergibt sich kein Gesamtbild aus den Antworten. Nach Durchsicht der verschiedenen Anfragen steht aber fest, dass es, zwar nicht pauschal, aber zumindest in einigen Bezirken Mietpreissteigerungen in der Kombination des Auslaufens der Belegungsbindung mit Modernisierungskosten gibt, die das wirklich Tragbare für einen Teil der Mieterinnen und Mieter überschreiten, und dieser Problemdruck baut sich auf. Wir haben keine total katastrophale Situation, aber einen Wohnungsmangel, der sich weiter aufbaut und sich auf einzelne Mietergruppen niederschlägt, die besondere Marktzugangsprobleme haben.

Es ist auch ein Fortschritt, dass uns jetzt ein Wohnungsbauentwicklungsplan vorliegt. Wir werden uns bei vielen Punkten einigen können, aber in der

(Horst Becker)

Summe ist nicht erkennbar, dass diese Mangelsituation in Hamburg beseitigt wird.

Die spannende Frage in dem Zusammenhang ist, welchen Stellenwert die SAGA in diesem Konzept hat; das müssen Sie schon der Anlage der Großen Anfrage entnehmen. Unsere Kritik geht dahin, dass Sie dieses Instrument in Hamburg nicht optimal einsetzen. Sie könnten an die Frage, wie man mit den Mietpreisen vorgeht, anders herangehen. Sie können den Verkauf von Einzelwohnungen zwar nicht stoppen, aber doch von dem jetzigen Niveau herunterbringen.

(Vizepräsidentin Nebahat Güclü übernimmt den Vorsitz)

Sie haben dann weitere Möglichkeiten, bei diesen desintegrativen Wirkungen, die wir bei einigen Bevölkerungsgruppen im unteren Einkommenssegment sehen, kurzfristig mit der SAGA ein paar andere Akzente zu setzen.

Die spannende Frage ist, warum Sie das nicht machen. Wir haben gerade gestern über HAMBURG ENERGIE diskutiert und ich habe mir wieder eine Hochglanzbroschüre zeigen lassen, was für ein tolles Unternehmen das ist. Wenn die Regierungskoalition das, was sie für HAMBURG ENERGIE machen will, umsetzen würde für die SAGA, die auch ein kommunales Unternehmen ist, dann wären wir hochzufrieden. Das heißt, Sie können jederzeit auf diese Gewinnabführung verzichten. Sie könnten diese Millionenbeträge auch zweckgebunden für einen verstärkten Wohnungsneubau einsetzen und die SAGA mit ins Boot holen. Sie könnten auch über einen Ausbau von Kreditfinanzierung und dergleichen nachdenken und es ist gar keine Frage, dass man der SAGA wie auch anderen genossenschaftlichen Unternehmen in der Flächenpolitik oder -gestaltung entgegenkommt. Sie können all diese Probleme, die wir besprechen, für übertrieben oder belanglos halten und glauben, dass schon alles bestens gemacht wird. Am Samstag wird allerdings eine große Demonstration in Sachen Gentrifizierung in der Innenstadt stattfinden und ich habe den Eindruck, meine Damen und Herren von der Regierungskoalition, dass Sie die Probleme auf dem Wohnungsmarkt erheblich unterschätzen.

(Beifall bei der LINKEN und bei Ksenija Be- keris SPD)

Das Wort hat Frau Senatorin Hajduk.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Mir scheint, dass aus den vorhergehenden Beiträgen deutlich geworden ist, dass wir in der Wohnungspolitik vor großen Herausforderungen stehen. Lassen Sie mich deswe

gen diese Herausforderungen noch einmal kurz skizzieren.

Hamburg gehört zu den Städten und Metropolen in Deutschland, in denen die Bevölkerungszahl weiter ansteigt, wobei der Wohnungsbau in den letzten Jahren zurückgegangen ist. Das heißt, mit der steigenden Bevölkerungszahl ergibt sich ein zusätzlicher Bedarf an neuen Wohnungen, insbesondere an familienfreundlichen, aber auch preisgünstigen, kleinen Wohnungen.

Meine Damen und Herren von der SPD-Fraktion, in Ihrer Anfrage sprechen Sie auch das wichtige Thema an, dass bei zahlreichen Wohnungen die soziale Bindung ausläuft. Das bedeutet in den nächsten Jahren einen Rückgang des Bestandes an geförderten Wohnungen von rund 100 000 in 2009 auf knapp 70 000 in 2018. Natürlich sind die Wohnungen damit nicht vom Markt verschwunden, aber wir wollen dem Auslaufen der sozialen Bindung entgegenwirken und auch künftig geförderte Wohnungen in erheblichem Umfang anbieten.

Bevor ich auf das Thema Mietenpolitik im Konkreten eingehe, möchte ich aber darauf hinweisen, dass sich der Senat den Herausforderungen in puncto rückläufigem Wohnungsbau trotz ansteigender Bevölkerungszahl in Hamburg stellt und mit dem im Mai beschlossenen Wohnungsbauentwicklungsplan ein ehrgeiziges Ziel in der Wohnungspolitik vorgelegt hat.

Ein Kernziel des Wohnungsbauentwicklungsplans ist die Verbesserung der Rahmenbedingungen für den Bau neuer Wohnungen. Aufgrund der Bevölkerungsprognose bis 2020 gehen wir von einem Orientierungsrahmen von 5 000 bis 6 000 neuen Wohnungen pro Jahr aus. Wichtig in der Auseinandersetzung um die Wohnungspolitik ist meiner Meinung nach auch die Frage, welche Rolle wir dabei dem Staat zuweisen. Dass die Stadt dies als staatliche Aufgabe alleine leisten sollte, halte ich für falsch.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Ich sehe, dass zumindest Herr Grote in diesem Punkt mit mir übereinstimmt. Es muss also eine Politik der Kooperation verfolgt werden, bei der Investoren, Privatpersonen, Genossenschaften, Baugemeinschaften und auch öffentliche Wohnungsunternehmen zusammenwirken, um diese Herausforderungen zu stemmen. Das heißt, wir wollen Rahmenbedingungen schaffen, um das Bauen für Investoren und vor allem auch für Privatpersonen attraktiv zu machen, und dafür haben wir den Wohnungsbauentwicklungsplan aufgestellt. Einerseits wollen wir künftig stärker als bisher den Bau von Mietwohnungen fördern, womit wir auch dem Bedarf an preiswerten Geschosswohnungen Rechnung tragen. Andererseits wollen wir auch dem Flächenverbrauch entgegenwirken und dem Bedarf an innerstädtischen Wohnungen entspre

(Dr. Joachim Bischoff)

chen. Das führt zu einer starken Nachverdichtung in der Stadt, die manchen Ansprüchen an Wohnqualität entgegensteht und häufig nicht konfliktfrei zu realisieren ist.

In dem Ihnen vorliegenden Wohnungsbauentwicklungsplan haben wir bereits eine Rahmenbedingung sehr genau thematisiert. 5 000 bis 6 000 Wohnungen als Orientierungsrahmen bedeutet auch, die entsprechenden Flächen in den Jahren von 2009 bis 2013 bereitstellen zu wollen. Wir haben in dieser Drucksache deutlich gemacht, dass wir ein Flächenpotenzial von knapp 30 000 Wohneinheiten für die nächsten fünf Jahre darstellen können, was in etwa dem Orientierungsrahmen entspricht, der sich aus der Bevölkerungsprognose ableitet. Aber ich weise auch auf die Problematik hin, dass wir noch weiter nachverdichten müssen und dass dies wiederum nur in Kooperation mit der Fachbehörde, den Bezirken, der Politik und den Privaten möglich ist, weil es für das Entstehen dieses Wohnungsbedarfs keinen Automatismus gibt, sondern Rahmenbedingungen durch entsprechende Flächenpotenziale dargestellt werden müssen. Auch für den Wohnungsbau selbst müssen die richtigen Rahmenbedingungen geschaffen werden, damit die Akteure wirklich aktiv werden. Und das kann, wie gesagt, keinesfalls der Staat allein und auch kein öffentliches Wohnungsbauunternehmen wie SAGA GWG allein leisten.

(Beifall bei der CDU und der GAL)