Erstens: Eigentlich steht seit der großen Debatte um eine Strafvollzugsreform in den 60er- und 70er-Jahren fest, dass die Arbeitssituation der Gefangenen einer der Schlüssel zur Integration in die Gesellschaft ist. Ich glaube, auch in diesem Haus bestreitet das niemand ernstlich. Trotzdem, und entgegen der erklärten Absicht des Bundesgesetzgebers und entgegen einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts, ist es bis heute nicht zu einer angemessenen Entlohnung der Pflichtarbeit der Gefangenen gekommen.
Seit über drei Jahrzehnten nicht. Neun Prozent des Durchschnittslohns und durchschnittlich 1,50 Euro die Stunde vermitteln keine positive Einstellung zur Arbeit als einem nach wie vor zentralen Faktor sozialer Integration.
Vor allem verschärft ein solcher Satz die Problemlage nach der Haft, da der Gefangene Schulden aufhäufen muss und weder Wiedergutmachung leisten noch seine Familie unterstützen kann. Die geringe Entlohnung ist nicht nur für die Gefangenen, sie ist für die Gesellschaft eine äußerst teure Angelegenheit. Leider sieht der Gesetzentwurf nicht den allerkleinsten Schritt in Richtung Anhebung vor. Wir fordern kühn, aber in Übereinstimmung mit dem erklärten Willen des Bundesgesetzgebers aus den 70er-Jahren, eine Anhebung auf 40 Prozent des Durchschnittslohns.
Zweitens: Wir halten im Sinne der Achtung der Menschenwürde der Gefangenen und der Stärkung ihrer individuellen Rechte und auch ihrer Rechtssicherheit mehrere Änderungen für dringend geboten. Dass zum Beispiel der Gesetzentwurf – hier schließe ich mich Frau Schiedek an – an der Mitwirkungspflicht der Gefangenen an ihrer
Resozialisierung festhält, wird von fast allen Fachleuten, die sich dazu geäußert haben, kritisiert und ist für uns völlig unverständlich. Das ist für die Entwicklung sozialer Kompetenzen von Gefangenen kontraproduktiv. Die Gefangenen können dabei vielleicht lernen, sich oberflächlich an die an sie gerichteten Erwartungen anzupassen, aber nicht, ihre eigenen Vorstellungen und Erwartungen zu artikulieren und zu verfechten. Wir wollen diese Mitwirkungspflicht abgeschafft sehen. Wir wollen verbürgte Mitwirkungsrechte für die auch nach der neuen Gesetzeslage rechtlose Gefangenenmitverantwortung, also die Vertretung der Gefangenen.
Ein anderes Beispiel betrifft materielle Mindeststandards. Durch die sinkenden Gefangenenzahlen ist die Unterbringungssituation zwar zunehmend entspannt – wenngleich nicht für alle Anstalten –, aber auch hier wird sich in Zukunft noch einiges ändern. Die Untersuchungshaftanstalt befindet sich im Umbau, Glasmoor soll geschlossen werden. Wir halten es aber für geboten, ähnlich wie Baden-Württemberg dies im Jugendstrafvollzugsgesetz bereits getan hat, die Mindestgröße von Zellen festzulegen. Wenn wir für eine Einzelzelle eine Mindestgröße von sechseinhalb Quadratmetern und für Gemeinschaftszellen – solange es sie noch gibt – eine Mindestgröße pro Gefangenem von acht Quadratmetern fordern,
dann ist das nicht sehr viel, aber für viele Gefangene immer noch eine zum Teil erhebliche Verbesserung.
Drittens: Wir wollen das Gebot der Angleichung der Lebensverhältnisse wenigstens ansatzweise in konkrete Regelung umgesetzt sehen. Ein großes Problem ist, dass der Ausschluss der Gefangenen aus der Gesellschaft sehr weitgehend, ja nahezu total ist. Unter anderem, weil die Kommunikationsmöglichkeiten nach draußen ohnehin schon eingeschränkt und unter den Justizsenatoren Kusch und Lüdemann in kleinlichster Weise immer weiter eingeschränkt worden sind. Anders als im Jugendvollzug sollen im Erwachsenenstrafvollzug Nahrungsmittelpakete, zum Beispiel an Weihnachten, verboten bleiben. Das ist inhuman und es ist im Übrigen auch unchristlich.
Die Besuchszeiten werden zwar großzügiger gehandhabt, als das Gesetz es mit einer Stunde pro Monat vorsieht, warum man aber die großzügigere Praxis nicht gesetzlich verankert, bleibt uns schleierhaft. Wir wollen eine Mindestbesuchszeit von einer Stunde pro Woche
gesetzlich regeln, um damit den Kontakt zwischen Inhaftierten und ihren Familien und Freunden zu fördern und willkürliche Restriktionen zu verunmöglichen. Der Geist von, was ich eben sagte, Selbstgerechtigkeit und Pharisäertum,
Der ist nicht erledigt. Abschließend noch ein Punkt, der besonders wichtig ist für uns – auch das hat Frau Schiedek angesprochen. Die Erfahrung zeigt, dass Schusswaffen in Jugendstrafvollzugsanstalten nicht benötigt werden. Wir fordern in Übereinstimmung mit den bekannten Mindeststandards für den Jugendstrafvollzug, die die Deutsche Vereinigung für Jugendgerichte und Jugendhilfen e.V. entwickelt hat, und mit den UN-Regeln zum Schutz von Jugendlichen unter Freiheitsentzug, dass das Tragen und der Gebrauch von Schusswaffen in Jugendstrafanstalten gesetzlich ausgeschlossen werden muss.
Auch, oder besser, gerade wenn der Gesetzentwurf in der heute vorliegenden Form beschlossen wird, bleibt im Hamburger Justizvollzug noch sehr viel zu tun. Sie können sicher sein, meine Damen und Herren von der CDU, dass wir in unserem Bemühen für eine grundlegende Reform des Justizvollzugs nicht locker lassen. – Danke.
Sehr geehrte Präsidentin, meine Damen und Herren! Wir haben uns in der schwarz-grünen Koalition für den Strafvollzug zum Ziel gesetzt, dass wir die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger und die Widereingliederung der Gefangenen nicht als Gegensatz akzeptieren, sondern tatsächlich beides gewährleisten wollen.
Es hat in der Vergangenheit vielfach politische Diskussionen gegeben – wie sie eben wieder ein bisschen aufgelebt sind –, in denen diese beiden Aspekte als Gegensätze diskutiert wurden. Natürlich gibt es in der Praxis Konkurrenzen zwischen Interessen, die aufgelöst werden müssen und die nicht einfach aufzulösen sind. Aber wir haben erkannt, dass es kein politisch gangbarer Weg ist, lediglich auf einen dieser beiden Aspekte zu setzen. Es ist ein legitimes Interesse der Menschen in dieser Stadt, dass der Strafvollzug alles dafür tut, dass Gefangene nach ihrer Entlassung nicht wieder Straftaten begehen und dass der Strafvollzug alle Maßnahmen ergreift, um die Bevölkerung vor
Eine Politik, die sich auf nur einen der beiden Aspekte beschränkt, wird keine Mehrheit haben. Ich bin sicher, dass auch die Wählerinnen und Wähler der LINKEN sehr kritische Fragen stellen würden, wenn der Strafvollzug den zweiten Aspekt aus den Augen verlieren und den Schutz der Bevölkerung vor gefährlichen Straftätern während ihrer Inhaftierung nicht gewährleisten würde.
Es gilt vielleicht gerade für die Wählerinnen und Wähler der LINKEN, aber auch für Ihre Wählerinnen und Wähler, dass insbesondere dies eine Aufgabe ist, die der Strafvollzug zu gewährleisten hat.
Deshalb ist es uns auch gelungen, uns zu einigen und es gelingt uns immer wieder, uns bei vielen schwierigen Fragen zu einigen, weil wir diese Erkenntnis gemeinsam gefunden und erkannt haben, dass es tatsächlich in vielen Fragen kein Gegeneinander, sondern in vielen konkreten Fragen vielleicht ein Nacheinander ist und dass natürlich im Hinblick auf die Entlassung andere Wege gegangen werden müssen. Dass man schauen muss, wie man eine Perspektive für lang inhaftierte Gefangene findet und wie man bei kurz inhaftierten Gefangenen vermeidet, dass sie zu stark aus ihren sozialen Bezügen gerissen werden. Es kann aber nicht die Konsequenz sein, dass man für alle Gefangenen die Möglichkeiten von Sicherungen für die Haftanstalten wegnimmt. Das ist kein Weg, den wir gehen wollen, und deswegen konnten wir uns hier einigen.
Wir arbeiten die notwendigen Reformen Schritt für Schritt ab. Mit der gesetzlichen Grundlage für das, was wir im Strafvollzug machen, haben wir heute einen ganz wichtigen Schritt vor uns. Wir haben uns als Zweites – es ist schon mehrfach erwähnt worden – die Umstrukturierung der Haftanstalten vorgenommen. Wir müssen natürlich auf die Situation reagieren, dass wir zu viele Haftplatzkapazitäten im Hamburger Strafvollzug haben. Wir müssen aber auch damit umgehen, dass wir keinen hinreichend modernen offenen Vollzug haben, dass wir moderne Bedingungen brauchen, insbesondere Einzelbelegung in den Hafträumen, um die Gefangenen Schritt für Schritt auf die Freiheit vorzubereiten. Das hat nicht nur mit der gesetzlichen Grundlage, sondern auch mit der baulichen Situation zu tun, und wir haben schon einen sehr wichtigen Schritt gemacht, indem wir die Sozialtherapie eigenständig gemacht haben. All das arbeiten wir gründlich ab.
Und es bedarf natürlich auch einer konzeptionellen Füllung. Die alltägliche Arbeit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Strafvollzug, aber auch aller anderen Menschen, die mit Strafgefangenen und mit Haftentlassenen zu tun haben, muss gründlich überprüft werden. Wir müssen schauen wie das eine noch besser ins andere greifen kann. Gerade die Entlassung ist ein sehr schwieriges Unterfangen, viele Gefangene straucheln genau in dem Schritt und genau deswegen müssen wir sehr sorgfältig arbeiten.
Wir haben deshalb eine Fachkommission Entlassungsvorbereitung eingesetzt, die die Aufgabe hat, die vorhandenen Resozialisierungsangebote zu überprüfen und zu bewerten, insbesondere die Schnittstellen zu den sozialen Einrichtungen zu betrachten und dabei auch die Angebote nach der Entlassung in den Blick zu nehmen. Wir haben tatsächlich eine sehr gute Zusammensetzung von Expertinnen und Experten aus ganz unterschiedlichen Richtungen. Geleitet wird die Kommission von Herrn Professor Maelicke von der Universität Lüneburg, aber wir haben auch Vertreter aus der Justizbehörde, aus der Straffälligen- und Gerichtshilfe dabei, von der Sozialbehörde, von den Kriminologen an der Universität Hamburg, von freien Trägern und vom Weißen Ring. Diese sehr breite Zusammensetzung zeigt, dass die unterschiedlichen Perspektiven in die zukünftige Arbeit für die Entlassungsvorbereitung einfließen müssen und auch einfließen werden, damit dieser Schritt in die Freiheit und in die Straffreiheit nach Möglichkeit gelingt.
Dieser Dualismus in unserer Strafvollzugspolitik wird am neuen Gesetz ganz klar. Wir haben dort eine Stärkung der Resozialisierungsbemühung festgeschrieben und das zeigt sich am Vollzugsziel, weil die Befähigung zu einem Leben ohne Straftaten stärker betont wird.
Wir haben den motivierenden Vollzug in das Gesetz aufgenommen, um zu berücksichtigen, dass manche Gefangene zunächst nicht mitarbeitsbereit sind und es mehrfacher Anläufe braucht, um sie zu aktivieren. Es liegt auf der Hand, dass Gefangene häufig nicht besonders aktive und selbstorganisierte Menschen sind. Das hat natürlich viel mit den Ursachen dafür zu tun, warum sie überhaupt in Haft sind. Dies muss man berücksichtigen und das wird auch anders formuliert als im bisherigen Gesetz. Wir erweitern die Gewaltprophylaxe, wir schreiben den Grundsatz der Einzelunterbringung fest, die Gleichrangigkeit von offenem und geschlossenem Vollzug, die Orientierung an der individuellen Situation des einzelnen Gefangenen und wir haben eine Reform der Lockerungsregelungen vorgesehen. Das ist ein ganz wichtiges Instrument bei der Resozialisierung.
Und, Frau Schneider, ich würde Ihnen widersprechen, natürlich ist die Arbeit ein ganz wichtiger Aspekt bei der Wiedereingliederung von Gefangenen. Ich muss ausdrücklich meine Vorgänger loben, denn wir haben Vollbeschäftigung in den Haftanstalten und ein sehr differenziertes Qualifizierungsangebot. Sie haben nicht zu Ende gedacht, was Ihre Forderung bedeutet. Es ist besser, die Gefangenen tatsächlich in Arbeit und ein breites Qualifizierungsangebot zu haben als diese Ansprüche, die Sie erheben, hoch zu halten und am Ende sitzen die Gefangenen arbeitslos in der Zelle.
Im Gesetz bleibt es aber auch bei dem Grundsatz, der uns geleitet hat: Die Haftanstalten müssen alle Möglichkeiten haben, um Sicherheit und Ordnung zu gewährleisten. Diese müssen sie natürlich maßvoll und genau auf den Einzelfall bezogen einsetzen, aber sie müssen sie haben, um auf Gefährdung der Sicherheit und Ordnung in Haftanstalten reagieren zu können. Das gilt für die Verhaltensregelung, für die Kompetenzen für die Durchsuchung, für bestimmte Überwachungsregelungen, für besondere Sicherungsmaßnahmen, für die Regelung des unmittelbaren Zwangs und auch für das Instrument der Disziplinarmaßnahme.
Diese Instrumente haben wir zum Teil auch relativiert, etwa, was die Disziplinarmaßnahmen im Jugendvollzug betrifft, aber sie sind im Zweifelsfall erforderlich, um den wichtigen Auftrag gewährleisten zu können, dass die Haftanstalten die Bevölkerung vor gefährlichen Straftätern und innerhalb der Haftanstalten schwächere Gefangene vor gefährlichen Gefangenen schützen. Dies sind wichtige Aufgaben, die wir gewährleisten müssen, dazu stehen wir als schwarz-grüne Koalition gemeinsam.
Nun haben Sie sich daran gehalten, nicht aus den vertraulichen Erläuterungen zur Frage der Notwendigkeit der gesetzlichen Regelung für den Schusswaffengebrauch im Jugendvollzug zu berichten. Da Sie diese Erkenntnisse nicht berücksichtigen konnten, haben Sie Ihre alten Forderungen noch einmal wiederholt. So will ich es auch halten.
Ich kann natürlich an dieser Stelle nicht die Details der Sicherungsmaßnahmen im Jugendvollzug darlegen, kann aber versichern, dass die Bediensteten im Jugendvollzug, die mit den Jugendgefangenen täglich zu tun haben, natürlich nicht bewaffnet durch die Haftanstalt laufen. Nach gründlicher Überprüfung ist aber aus unserer Sicht diese gesetzliche Regelung weiterhin erforderlich. Ich kann das an dieser Stelle nicht weiter ausführen.
Das neue Gesetz bietet den Rahmen für die notwendige Verbindung von Wiedereingliederung der Gefangenen in die Gesellschaft und dem Schutz
der Bevölkerung vor weiteren Straftaten. Die erfolgreiche Resozialisierung ist der beste Schutz vor neuen Straftaten, weil die Gefangenen von heute die Entlassung von morgen sind.