Protokoll der Sitzung vom 08.07.2009

(Ksenija Bekeris)

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Liebe Frau Bekeris, ich war erstaunt über so viel Ahnungslosigkeit.

(Beifall bei Kai Voet van Vormizeele CDU)

Die vorliegende Große Anfrage der Fraktion DIE LINKE zur prekären Beschäftigung an den Hamburger Hochschulen lenkt unsere Aufmerksamkeit auf die Situation der studentischen und wissenschaftlichen Hilfskräfte, Teilzeitbeschäftigten, befristet Beschäftigten und Lehrbeauftragten. Ich komme zunächst einmal zu den Hiwis und den studentischen Hilfskräften. Dazu ist zunächst einmal anzumerken, dass es für die Studierenden an der Universität immer ein positiver Umstand ist, wenn sie als Hiwis arbeiten dürfen. Neben dem erzielten Einkommen ist insbesondere die damit verbundene Berufserfahrung für die Studentinnen und Studenten an den Hochschulen als ein wichtiger biografischer Pluspunkt hervorzuheben. Dass diese studentischen und wissenschaftlichen Hilfskräfte an der Tarifentwicklung des öffentlichen Dienstes seit Jahren nicht teilhaben, ist eine Fehlentwicklung, für die hoffentlich bald Abhilfe geschaffen wird.

Der Kollege Kleibauer hat das vorhin schon erwähnt, ich möchte jetzt aber einen kleinen Exkurs machen, damit das auch verständlich wird. Die Tarifgemeinschaft deutscher Länder bestimmt als Zusammenschluss der Arbeitgeber seit 1983 die maximalen Stundensätze für studentische und wissenschaftliche Hilfskräfte. Seit 1993, also seit mehr als 16 Jahren, liebe Frau Heyenn – sie ist jetzt gar nicht anwesend –, wurde die festgelegte Lohnobergrenze nicht mehr an die Preis- und Gehaltsentwicklung angepasst. Das ist in der Tat eine völlig unhaltbare Situation, diese ist aber im März dieses Jahres in Bewegung gekommen. Die Gewerkschaften und die Tarifgemeinschaft deutscher Länder haben sich bei ihrer Tarifeinigung im März darauf verständigt, Tarifgespräche zur Einbeziehung studentischer und wissenschaftlicher Hilfskräfte zügig aufzunehmen. Damit ist ein Fenster geöffnet, wodurch der Ausschluss der Hilfskräfte aus dem Tarifvertrag der Länder tarifpolitisch überwunden werden kann.

(Beifall bei Antje Möller GAL)

Da darf man klatschen, finde ich auch.

DIE LINKE hat, das ist von Frau Heyenn gar nicht weiter erwähnt worden, was ich ein wenig symptomatisch finde, DIE LINKE hat nämlich in einer weiteren Frage auf die Situation in Berlin verwiesen. In Berlin werden in der Tat die studentischen Hilfskräfte höher bezahlt, als wir das hier tun, und zwar bekommen sie 3 Euro mehr pro Stunde. Es ist bemerkenswert und gut, dass das in Berlin so geschieht, meiner Ansicht nach ist das aber eigentlich ein Produkt des Zufalls, denn das rot-rot regierte Berlin ist aus der Tarifgemeinschaft der Län

der ausgestiegen, was, ehrlich gesagt, jedem Gewerkschafter, aber auch mir, die Schuhe auszieht. Denn das haben Parteien entschieden, die von sich behaupten, aus der Tradition der Arbeiterbewegung entstanden zu sein. Schließlich haben diese dann beschlossen, aus der Tarifgemeinschaft auszusteigen mit dem Ziel, nach unten vom Tarifvertrag abweichen zu können und so mit der Lohnsenkung die maroden Staatskassen Berlins zu entlasten.

(Jan Quast SPD: Aber bei der CDU jetzt nicht klatschen!)

Ja, Herr Quast, Sie sind auch ein SPDler. Das ist schon ein starkes Stück, was Berlin macht.

Jetzt komme ich zu den Lehrbeauftragten. Zu dem, was Frau Heyenn – jetzt ist sie auch wieder da – vorhin ausgeführt hat, muss kritisch angemerkt werden, dass es in der Tat so ist, dass wir im Fachbereich Erziehungswissenschaft bei uns an der Universität über 25 Prozent Lehrverpflichtungen haben, die durch Lehrbeauftragte abgedeckt werden. Das ist natürlich keine als sinnvoll anzusehende Ergänzung des Lehrangebots mehr. Ursprünglich war der Gedanke der, dass bereichert wird, indem man Lehrbeauftragte aus der Praxis hereinholt. An der HCU wird das, wie ich finde, gut umgesetzt.

(Dora Heyenn DIE LINKE: Mit 35 Prozent Lehraufträgen?)

An der HCU wird das, wie ich finde, gut umgesetzt, weil die, die dort arbeiten, Büros als Architekten haben und es sinnvoll ist, dass das auf diese Weise ergänzt wird.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der CDU)

Umso positiver ist es zu bewerten, dass die schwarz-grüne Koalition mit dem Professorinnenprogramm, die Kollegin Bekeris hat das vorhin schon angesprochen, gezielte Nachwuchsförderung betreibt; ebenso unser Programm Pro Excellentia, hier werden insbesondere Frauen gefördert. Beides sind wichtige Programme, um den Anteil von Frauen an den Hochschulen deutlich zu erhöhen. Ziel der Programme ist es, den gesetzlichen Gleichstellungsauftrag ernst zu nehmen und damit mittelfristig den Frauenanteil an den Professuren auf ein international konkurrenzfähiges Niveau anzuheben.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der CDU)

Nachwuchswissenschaftlerinnen sollen für ihre neuen Führungsanforderungen im Wissenschaftsbetrieb qualifiziert werden. Und will man die Situation des wissenschaftlichen Nachwuchses ändern, dann kommt es ganz entscheidend darauf an, die Rahmenbedingungen zu verbessern. Die Entloh

nung ist dabei ein Aspekt, aber eben nur einer, Stichwort Tenure Track.

(Zuruf: Aber immerhin einer!)

Ja, immerhin einer.

Wichtige Bausteine sind auch ein verbessertes Angebot der Kinderbetreuung, die gezielte Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses, die Möglichkeit des Wiedereinstiegs von Frauen in die Wissenschaftskarriere nach der Kinderzeit und vieles mehr. Darum kümmern wir uns. – Vielen Dank.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Es liegen mir keine weiteren Wortmeldungen vor.

Ich stelle fest, dass die Bürgerschaft von der Großen Anfrage aus der Drucksache 19/2937 Kenntnis genommen hat.

Ich rufe Punkt 28 der Tagesordnung auf, Bericht des Innenausschusses: Entwurf eines Gesetzes über das Verbot des Mitführens und des Verkaufs von Glasgetränkebehältnissen in bestimmten Gebieten.

[Bericht des Innenausschusses über die Drucksache 19/3253: Entwurf eines Gesetzes über das Verbot des Mitführens und des Verkaufs von Glasgetränkebehältnissen in bestimmten Gebieten (Glas- flaschenverbotsG) (Senatsantrag) – Drs 19/3397 –]

Wer wünscht das Wort? – Herr Vormizeele, bitte.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Aus den Höhen der Hochschulpolitik nun wieder hinab zu dem, was uns leider tagtäglich in bestimmten Stadtteilen Hamburgs Probleme macht. Heute liegt uns ein Gesetzentwurf vor, der in Deutschland in dieser Form und auch in seiner Auswirkung bisher einmalig ist. Wir müssen dieses Gesetz machen, weil wir auf dem Kiez eine Problemlage haben, die ohne ein solches Gesetz und ohne einen solchen Eingriff nicht in den Griff zu bekommen ist. Wir müssen feststellen, dass die Glasflasche zunehmend als Tatwerkzeug missbraucht wird, um schwere, gefährliche Gewalt auf dem Kiez auszuüben.

Wir müssen dieses Problem in den Griff bekommen und wir haben es, wie ich glaube, richtigerweise versucht, indem wir gemeinsam mit denjenigen, die auf dem Kiez Verkäufer sind, nämlich zum Beispiel mit der IG St. Pauli, aber auch vielen anderen dort Tätigen, zunächst auf Freiwilligkeit gesetzt haben. Ich will ganz offen und deutlich sagen: Ich glaube auch, dass die Freiwilligkeit zu Anfang der

richtige Weg war. Wir können uns bedanken bei den vielen, die mitgemacht haben, zum Beispiel bei der IG St. Pauli, die durchaus sehr erfolgreich dafür Sorge getragen haben, dass viele Betriebe bei diesem Modellprojekt mitgemacht haben.

Aber wir müssen nach über einem Jahr Freiwilligkeit auch feststellen, dass wir leider ein paar schwarze Schafe dabeihaben, die diese Art von Freiwilligkeit nicht mitgemacht haben. Wir müssen leider auch feststellen, dass der Effekt, den wir gerne erzielen möchten, nämlich dass die Glasflasche vom Kiez in dem beschriebenen Gebiet verschwindet, durch diese Freiwilligkeit nicht gänzlich zu erreichen ist, und deshalb müssen wir jetzt solche gesetzlichen Maßnahmen ergreifen.

(Vizepräsidentin Nebahat Güclü übernimmt den Vorsitz.)

Wir sind uns dessen sehr bewusst, dass ein solcher Eingriff, ein solches Gesetz, sowohl das Mitführverbot als auch das Verkaufsverbot für Glasflaschen, ein schwerer Grundrechtseingriff ist. Wir tun das nicht leichtfertig und unbedacht, sondern wir sind uns dieser Lage durchaus bewusst. Aber wir haben sehr intensiv und sehr lange abgewogen, ob wir es uns bei der Bedrohung, die wir auf dem Kiez haben, bei den potenziellen Verletzungen, die wir Wochenende für Wochenende dort erleben können und teilweise auch immer wieder erleben, wirklich leisten können, weiterhin nichts zu tun. Das sehen wir anders, wir glauben, dass dieses Gesetz, diese beiden Verbote, sowohl das Verkaufsverbot als auch das Mitführverbot, die angemessenen und richtigen Maßnahmen sind, um auf dem Kiez in dem beschriebenen Gebiet dieses Tatwerkzeug Glasflasche auszuschalten.

(Beifall bei der CDU und bei Antje Möller GAL)

Ich will ganz deutlich sagen, dass es wichtig ist, dass wir wirklich beides einführen. Wir haben auf der einen Seite künftig ein Mitführverbot in diesem besagten Gebiet, das deckungsgleich mit der Waffenverbotszone ist, aber wichtig war und ist es uns, dass wir auch ein Verkaufsverbot auf dem Kiez aussprechen. Es kann nicht sein, dass wir den Menschen dort sagen, ihr dürft die Glasflasche nicht mit euch führen, aber gleichzeitig in jeder Tankstelle und in jedem Kiosk die Möglichkeit besteht, sich eine solche Glasflasche zu kaufen. Das ist nicht vermittelbar und ich glaube, auch da müssen sich die Gewerbetreibenden auf dem Kiez klar und deutlich zu ihrer Mitverantwortung bekennen.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der GAL und der SPD)

Klar ist aber auch, dass wir den Charakter des Kiezes nicht verändern wollen. Keiner von uns kommt auf die Idee, den Kiez mit unnötigen Verboten zu überziehen, und keiner von uns in der Koalition ist der Auffassung – und das unterscheidet uns auch

(Dr. Eva Gümbel)

deutlich von den Kollegen der SPD –, dass wir dort künftig ein Alkoholverbot brauchen. Das wäre der falsche Weg; der Kiez ist und bleibt ein Amüsierviertel und wir erleben dort Wochenende für Wochenende, dass sich dort teilweise weit über 100 000 Menschen amüsieren. Das soll auch weiterhin so bleiben, nur wir müssen dort, wo Exzesse vorkommen, versuchen, diesen mit angemessenen Mitteln zu begegnen.

Wir haben uns in der Ausschussberatung von der Polizei, wie ich finde, sehr überzeugend darstellen lassen, dass sie in der Lage sein wird, insbesondere in der Anfangsphase dieses neu ausgesprochene Mitführverbot und auch das Verkaufsverbot von Glasflaschen zu überwachen und zu kontrollieren. Das haben wir bereits sehr erfolgreich bei dem Mitführverbot von Waffen erlebt, wichtig ist mir aber auch, und das will ich ganz klar betonen, dass sich keiner von den anderen beteiligten Behörden aus der Verantwortung herausziehen kann. Der Bezirk Hamburg-Mitte hat inzwischen zahlreiche BODKräfte, wir haben es gerade noch einmal im Rahmen einer Kleinen Anfrage dargestellt. Es gibt dort bereits jetzt allein 21 vorhandene BOD-Kräfte und diese Zahl ist gerade noch einmal um weitere 11 aufgestockt worden, es sind also insgesamt 32 BOD-Kräfte. Das ist weit mehr, als jeder andere Hamburger Bezirk hat.

Ich finde es nicht akzeptabel, wenn im Rahmen der Beantwortung meiner Kleinen Anfrage gesagt wird, der Bezirk Hamburg-Mitte werde künftig zweimal zwei Stellen einsetzen, um dieses neue Verbot auf St. Pauli zu kontrollieren. Ich sage ganz deutlich, dass diese elf Stellen, zum Beispiel die AsklepiosRückkehrer, nach Hamburg-Mitte gekommen sind, weil wir von Hamburg-Mitte erwarten, dass die elf Stellen in diese Aufgabe einbracht werden.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Wir werden genau darauf aufpassen, dass das auch geschieht. Sollte dies in Hamburg-Mitte nicht geschehen, werden wir sehr schnell Sorge dafür tragen, dass über eine Umverteilung dieser Stellen zugunsten anderer Bezirke nachgedacht wird.

(Beifall vereinzelt bei der CDU)

Wir glauben, dass dieses Gesetz ein gutes und notwendiges Gesetz ist, aber wir sind uns der Schwere bewusst. Deshalb haben wir eigens ein automatisches Verfallsdatum in dieses Gesetz eingebaut. Es gilt vier Jahre nach Verkündung und wird, wenn die Bürgerschaft nicht anders tätig wird, nach vier Jahren automatisch außer Kraft treten. Sollten wir merken, dass wir auch nach vier Jahren weitere gesetzliche Maßnahmen brauchen, dann müssen wir als Bürgerschaft, als Parlament aktiv werden. Aber ich hoffe, dass wir mit diesem jetzigen punktuellen Einsatz vielleicht in vier Jahren eine Lage haben werden, die eine Fortsetzung eines

solchen Gesetzes dann nicht mehr notwendig machen wird. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Dressel.

Ich sehe schon wieder die Vorfreude bei den Kolleginnen und Kollegen der CDU-Fraktion. – Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wir haben dieses Gesetz seit Langem gefordert und deshalb stimmen wir hier auch mit voller Überzeugung zu. Es ist ein wichtiger Beitrag für die Gewaltbekämpfung auf dem Kiez. Durch unsere Bereitschaft zur schnellen Beratung im Innenausschuss haben wir den Weg dafür freigemacht, dass es noch vor der Sommerpause in Kraft treten kann. Bei allen Unterschieden, die wir vielleicht in der einen oder anderen Frage haben, ist das ein guter Punkt, weil wir dadurch einen Sicherheitsbeitrag leisten.

Die Frage der Freiwilligkeit der bisherigen Selbstverpflichtung war sicherlich am Anfang ein richtiger Versuch. Sie haben nur zu lange auf diese Freiwilligkeit gesetzt, weil schon nach wenigen Wochen klar war, dass diese freiwillige Selbstverpflichtung eben nicht greift. Das haben der Kollege Grote und ich schon in einer Debatte, die wir im letzten Herbst hier geführt haben, vorgetragen. Da hätten Sie einschreiten und dieses Gesetz auf den Weg bringen müssen. Da haben Sie zu lange gewartet.