Protokoll der Sitzung vom 04.11.2009

Ich habe mich gefragt, warum Sie das machen. Herr Kerstan, Sie haben zu diesem Punkt nichts gesagt, ich habe jetzt eine Vermutung und fände es gut, wenn Sie dazu noch einmal Stellung nehmen würden.

Sie sagen in Ihrer Drucksache – und Sie haben es eben auch noch einmal dargestellt –, 6 Milliarden Euro müssten es sein. Das kann man noch einmal diskutieren, aber im Prinzip ist das richtig. Die Zinsen dafür wollen Sie aus dem Betriebshaushalt erbringen. Damit diese Zinsen den Haushalt für das schwierige Jahr 2010, wegen dem Sie hier so einen Radau machen, nicht zusätzlich belasten, wollen Sie diese 80 Millionen Euro dann aus den Rücklagen oder aus einem normalen Haushaltstitel nehmen. Da hätte man sagen können: Wunderbar, Hamburg hat gelernt. Wir hätten ruhig in das nächste Jahr gehen können. Meiner Meinung nach hätte man da noch ein bisschen draufpacken müssen, aber es wäre Ruhe gewesen und wir hätten keine Verunsicherung durch absurde Spardiskussionen gehabt.

Aber jetzt kommt es. Auf einmal höre ich, die Gesamtsumme, also round about 300 Millionen Euro, müsse eingespart werden. Das wären dann 500 oder 600 Millionen Euro; dazu noch die Ausfälle der öffentlichen Unternehmen – weitere 100 Millionen Euro –; ausfallende Dividendenzahlungen der HSH Nordbank und weitere Horrorzahlen von der HPA und so weiter. Da haben wir dann plötzlich – und das verstehe ich jetzt gar nicht – am Jahresende 2009 und vor Beginn des Jahres 2010 eine Spardiskussion in einer Größenordnung, bei der man eigentlich nur in die Knie gehen kann. Das ist aus meiner Sicht wirklich absurd.

Die Grundkonstruktion hätte sein können, dass wir dieses Sondervermögen aufnehmen und dann versuchen, 2010 einigermaßen über die Runden zu kommen. Wir hätten bei den Strukturinvestitionen auch noch ein bisschen obendrauf legen können.

Wenn ich mir die Hafenwirtschaft angucke, hätte man noch einmal überprüfen können, wo das sinnvoll gewesen wäre. Genau das machen Sie aber nicht. Sie schockieren jetzt sowohl die Beschäftigten als auch die Investoren damit, dass sie demnächst energisch auf die Bremse treten wollen. Man fragt sich, wie das gehen soll.

Damit das klar ist, wir reden hier von den Steuerrückgängen bis zum 30. September. Herr Tschentscher hat das abgefragt und mitgeteilt bekommen, dass wir über ein Steuerminus von 14,5 Prozent reden. Ich will die Frage, wie sich das im nächsten Jahr entwickelt, hier gar nicht weiter erörtern; das ist einigermaßen offen.

Das ist schon eine kniffelige Situation, in der wir sind. Wir hätten aber, auch ohne große Begeisterung, dieses Sondervermögen und die Tilgung, über die man nur schmunzeln kann, beschließen können. Sie schmunzeln nicht, weil Sie natürlich immer nur an die nachfolgenden Generationen denken und das ziemlich lange dauern wird. Wir hätten dann diskutieren können, ob wir nicht zusätzlich ein paar Impulse setzen könnten. Sie aber vertagen diesen Konsolidierungsprozess und haben dann noch den Nerv, hier und heute zu begründen, warum Sie alles im Nebulösen lassen müssen.

Sie wollen ja immer Vorschläge. Hier wäre jetzt ein Tipp. Wenn Sie so gut sind, dann versuchen Sie doch einmal, Ihren Koalitionspartner in Berlin dazu zu bringen, auf diese blödsinnigen Erbschaftsteuerverbesserungen und diese Unternehmensteuerkorrekturen zu verzichten. Gucken Sie sich die Zahlen an. Wenn Sie alles zusammenrechnen, dann ist die Bundesrepublik Deutschland, abgesehen von Österreich, sowieso schon Schlusslicht. Wenn wir nur den Durchschnittssatz aller OECDLänder nehmen würden, dann hätte diese Republik 100 Milliarden Euro mehr zur Verfügung; zum großen Teil durch Erbschaftsteuer. Das wäre auch etwas, was Hamburg gut gebrauchen könnte, wo wir gerade über Ländersteuern reden. Selbst Ihrem Chef in der Koalition ist offensichtlich der Schreck in die Glieder gefahren, als er gesehen hat, was da alles zu Lasten dritter Verträge in diesem Koalitionsvertrag steht.

Ich lasse einmal weg, wo wir überall sparen könnten. Ganz nüchtern gesagt, passt es nun wirklich nicht, wenn Sie sich hier hinstellen und sagen, dass Sie eine geniale Antikrisenpolitik machen.

(Beifall bei der LINKEN und bei Elke Badde und Dr. Monika Schaal, beide SPD)

Herr Dr. Bischoff, ich möchte noch eines bemerken: Sie kennen ja meine Neigung, nicht sofort alles rügen zu wollen, aber nach meiner Auffassung passte ein Begriff, der die Politik qualifizieren sollte, nicht ganz in den

Katalog parlamentarischer Vokabeln. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie bei einem persönlichen Abgleich sich meiner Meinung anschließen könnten. Vielen Dank.

Das Wort hat Herr Dr. Tschentscher.

Lieber Herr Kerstan, einen Punkt möchte ich einmal vorwegnehmen und das ist geradezu typisch. Wenn SchwarzGrün über Sparen reden soll, dann reden Sie sofort über Kita-Schließungen und verhungernde Kinder.

(Jens Kerstan GAL: Das habe ich nicht ge- sagt!)

Sie reden nicht über Bonuszahlungen für HSH Nordbank Manager; Sie sagen nichts zur Reiterstaffel oder zu den vier Pressesprechern des Innensenators; Sie reden nicht über die 154 Millionen Euro jährlicher Ausgaben für die Senatorenetagen, genannt Intendanzaufgaben, und Sie reden nicht über die 100 000 Quadratmeter zusätzlicher Behördenflächen. Es heißt dann gleich, Kinder müssten verhungern, wenn wir einmal beginnen, kritisch durch die Behördenhaushalte zu gehen. Und damit kommen Sie hier nicht weiter. Wir werden auch nicht aufhören, ganz energisch Vorschläge zu machen.

Sie haben gesagt, wir als SPD-Fraktion seien so kurzsichtig, nur über den Doppelhaushalt 2009 und 2010 zu sprechen. Sie dagegen hätten die Weitsicht und eine Perspektive für die mittelfristige Finanzplanung. Bin ich eigentlich der einzige, der Ihre Drucksachen genau liest? Schauen Sie sich doch einmal die Tabelle auf Seite 9 an. Da sagen Sie: Wir entnehmen die Rücklagen ein paar Jahre später; 2011 und 2012. Die Rechnung stimmt eben nicht.

(Jörn Frommann CDU: Gelesen, aber nicht verstanden!)

Erst einmal steht in der Zeile "Finanzierungssaldo aktualisierte Planung", dass wir hier über alte Schulden reden, alte Defizite, die Sie noch vor der Krise angerichtet haben. Diese Zeile lesen Sie sich einmal genau durch, liebe CDU-Fraktion, wenn Sie Ihre Haushaltspolitik der vergangenen Jahre loben wollen.

Dann kommen wir zu der Zeile "Entnahme Grundstock für Grunderwerb". Da fehlen 540 Millionen Euro in der ganzen Tabelle; das nenne ich Wahlkampfkasse. Da müssen Sie nicht sagen, dass Sie hier mittelfristig den Haushalt konsolidieren wollen, nein, Sie wollen die Situation ausnutzen. Jetzt, wo die Krise da ist, wollen Sie über den Durst Schulden machen, über die Investitionssumme hinaus, weil jetzt der Zeitpunkt günstig ist und niemand es merkt.

(Dr. Joachim Bischoff)

Den Justizsenator – eben war er da, jetzt ist er wieder weg – hätte ich gern einmal gefragt, ob er das eigentlich sorgfältig geprüft hat und ob das mit der Landeshaushaltsordnung vereinbar und zulässig ist. Ich hoffe, dass Sie da sehr sorgfältig geprüft haben.

(Jens Kerstan GAL: Das habe ich!)

In Wahrheit ist der Zeitpunkt für Sie jetzt günstig, alles in einer Rechnung unterzubringen, was Sie in der Vergangenheit an Defiziten erwirtschaftet haben, und Sie wollen obendrein Ihre Wahlkampfkasse für 2011 organisieren. Das hat mit Haushaltskonsolidierung und auch mit mittelfristiger Finanzplanung nichts zu tun, das ist schlicht unzulässig. Dafür müssen wir – ein Jahr 1,3 Milliarden Euro zu viel aufgenommen – 55 bis 60 Millionen Euro Zinsen zusätzlich aus dem Betriebshaushalt konsolidieren. Herr Kerstan, wir können dann einmal über Kitas reden, wenn Ihre Sparvorschläge auf dem Tisch liegen.

Herr Heintze hat gefragt, wo denn unser Konzept ist.

(Heiko Hecht CDU: Genau!)

Das Konzept liegt doch vor. Ich weise darauf hin, dass wir im Grunde nicht viel anderes sagen als Sie. Wir müssen jetzt die Steuerausfälle ausgleichen. In Punkt I unseres Zusatzantrags stehen nicht nur die Steuerausfälle, wir rechnen sogar noch einmal 100 Millionen Euro Ausfälle bei den öffentlichen Unternehmen obendrauf, die nur Gewinne machen, wenn man Herrn Freytags Konzernbilanz glaubt. Dann sind es insgesamt zwei andere Zahlen und die führen dazu, dass wir zurzeit 1,3 Milliarden Euro weniger Schulden machen und deshalb auch für 1,3 Milliarden Euro weniger Zinsen zahlen müssten. Das wird den Betriebshaushalt entlasten beziehungsweise uns ermöglichen, überhaupt auf Sicht durch diese Krise zu kommen.

Dann müssen wir anfangen, über echte Betriebsausgaben nachzudenken. Darüber rede ich gleich noch einen Moment. Zunächst möchte ich aber feststellen, dass es völlig utopisch ist, 100 Millionen Euro Tilgung in der Zukunft festzuschreiben. 2015, das ist die nächste Generation, das ist der nächste Senat, dem Sie diese 100 Millionen Euro aufbrummen wollen, Herr Kerstan. Es ist völlig unrealistisch zu glauben, dass wir ohne eine Stärkung der öffentlichen Einnahmen von Ihren Schuldenbergen herunterkommen. Deswegen appellieren wir noch einmal an Sie: Gehen Sie auf die Bundesregierung zu, die Steuersenkungen plant, um die Haushaltskrise noch zu verschärfen, und sagen Sie ihr, dass wir jetzt die Vermögensteuer und die Börsenumsatzsteuer brauchen, damit die öffentlichen Haushalte perspektivisch wenigstens eine Chance haben, wieder aus diesen Defiziten herauszukommen.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Dieses Thema drücken Sie weg, das würde uns retten und nicht die Schulden auf Vorrat, die am Ende eh für Ihr Missmanagement draufgehen.

(Wolfgang Beuß CDU: Das ist sozialistische Giftmischerei!)

Sie wollen einen historisch einmaligen Schuldenberg aufnehmen und verraten nicht, woher Sie die Zinsen nehmen wollen. Der einzige öffentliche Vorschlag, den ich vernommen habe, kam von Herrn Kruse und war wirklich mutig. Er will 30 Millionen Euro mehr für Kultur ausgeben. Das ist eine super Idee in einer Einspardiskussion. Ich möchte einmal wissen, wie Sie die Zinsen daraus finanzieren wollen.

Sie sollten einmal die Daten der Behörden und Ihre Sparvorschläge offen auf den Tisch legen, und zwar sofort, bevor wir sehen, was Sie alles in den Schredder tun.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Dann können wir auch mit offenen Karten mit Ihnen über Einsparvorschläge reden. Sie sollten sofort und nicht erst irgendwann damit beginnen, den Betriebshaushalt nicht weiter auszuweiten, sondern schrittweise an den richtigen Stellen zu sparen. Herr Kruse hat vorgeschlagen, 10 Prozent aller Personalausgaben einzusparen. Das ist völlig unrealistisch. Das würde einen Kahlschlag in Bereichen bedeuten, in denen wir uns keinen Kahlschlag erlauben können; ich habe die Bezirke in der Presse erwähnt. Aber Sie können durchaus 10 Prozent sparen, und zwar bei den Chefetagen der Behörden und Senatorenbüros.

(Wolfgang Beuß CDU: Ja, ja! – Barbara Ahrons CDU: Populismus ist das!)

Dort haben Sie die Stellen ausgeweitet und geben jedes Jahr über 150 Millionen Euro für sogenannte Intendanzausgaben aus. Gehen Sie doch gemäß dem Vorschlag von Herrn Kruse mit gutem Beispiel voran, sparen Sie nur 10 Prozent an der Stelle und schon haben wir 15 Millionen Euro pro Jahr mehr in der Kasse.

Machen Sie als Nächstes schrittweise die Ausweitung der Behördenflächen um 100 000 Quadratmeter in den letzten vier Jahren rückgängig. Schon sind weitere 12 Millionen Euro bei Mieten und Pachten in der Kasse, die Sie auf mittlerweile über 120 Millionen Euro ausgeweitet haben. Dann nehmen wir Ihre mit obskuren Grundbucheinträgen finanzierte Wissenschaftsstiftung dazu, die ab sofort jedes Jahr 10 Millionen Euro kosten soll. Auf diese Weise sind wir mit drei Vorschlägen heute schon bei 37 Millionen Euro.

(Wolfgang Beuß CDU: Das machen wir aber nicht, Herr Dr. Tschentscher!)

Das machen Sie eben nicht. Sie wollen an anderen Stellen sparen, aber verraten uns noch nicht, wo es denn hingehen soll.

Wir haben Ihnen schon bei den Haushaltsberatungen vorgeschlagen, die globalen Minderausgaben der Fachbehörden um 30 Millionen Euro zu erhöhen, damit die Behörden endlich einmal im laufenden Geschäft in eine aufgabenkritische Diskussion kommen und nicht mit jeder neuen Aufgabe dem Haushaltsausschuss neue Stellen vorschlagen. Das ist nämlich das Problem, das wir mangelndes Controlling im Behördenhandel nennen.

Und reduzieren Sie schließlich die überhöhten Rückstellungen für Mehraufwendungen. Sie sind nämlich nichts anderes als ein Einfallstor für weitere unkontrollierte Steigerungen im Betriebshaushalt um 33 Millionen Euro. Diese Vorschläge kennen Sie aus den Haushaltsberatungen. Damit hätten Sie den Betriebshaushalt um 100 Millionen Euro jährlich entlastet und könnten zum ersten Mal überhaupt von Konsolidierung reden.

(Wolfgang Beuß CDU: Wenn denn alles so einfach wäre!)

Und Sie würden nicht, Herr Beuß, weiterhin in die Portemonnaies der Familien, Studierenden und Rentner greifen, deren schmales Einkommen als Kaufkraft gerade in der Krise aus sozialen und wirtschaftlichen Gründen gestärkt werden muss.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Herr Kerstan erhält das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich möchte noch auf die Frage von Herrn Bischoff antworten. Mit Blick auf die Ausgaben in diesem Jahr wollen wir die Zinszahlungen in Höhe von 80 Millionen Euro aus dem Haushalt erbringen, und zwar aus dem Schuldzinsentitel, weil man für dieses, das nächste und das übernächste Jahr mit einem deutlich höheren Zinsniveau gerechnet hat, als man im Moment an den Kapitalmärkten für Hamburgs Schulden bezahlen muss.

In der Tat kommt jetzt hinzu – Herr Tschentscher hat es angesprochen –, dass in der Wirtschaftskrise die öffentlichen Unternehmen natürlich nicht mehr die Dividende abwerfen, mit denen man geplant hat. Das sind nicht nur die Dividenden der HSH Nordbank, über die wir schon leidvoll genug geredet haben, sondern das sind natürlich auch die HHLA und der Flughafen, wo mit einem Minus von 20 bis 30 Prozent gerechnet wird. Das ist doch alles ganz klar. Es gibt Überlegungen, ob man das durch Einsparungen in diesem Jahr erbringt oder ob man das relativ schmerzfrei wie diese Zinsen an anderer Stelle ausgleicht, ohne dass im wirklich

kritischen Jahr 2010 größere Einschnitte erfolgen müssen. Das ist in der Tat in den nächsten Jahren eine Position, die zusätzlich zu den Schulden dazukommt, zu den wegbrechenden Steuereinnahmen. Wir müssen mit diesem Minus von 100 Millionen Euro umgehen, sie sind Teil der zu erbringenden Konsolidierungsmaßnahmen.

Insofern sind wir ganz dicht beieinander, wenn wir sagen, im Jahr 2010 darf es keine großen Einschnitte geben; aber natürlich müssen aufgrund der steigenden Zinsen in den nächsten Jahren größere Konsolidierungsbeiträge erbracht werden.

Wenn Sie jetzt fragen, warum wir nicht endlich unser Sparprogramm vorlegen, dann ist das genau die gleiche Debatte, die Herr Bischoff immer so gerne in Bezug auf den letzten Doppelhaushalt führt. Beim letzten Doppelhaushalt haben wir die neuesten Steuerschätzungen noch nicht gehabt. Wir wussten nicht, in welcher Höhe die Steuern wegbrechen, darum konnten wir den Haushalt noch nicht anpassen. Das haben wir in dem Moment gemacht, als wir das wussten. Jetzt befinden wir uns in der gleichen Situation. Wenn wir an diesen beiden Tagen nur das hätten erbringen müssen, was wir uns vorgenommen haben, nämlich die Zinsen für die Schulden, die wir aufgrund der wegbrechenden Steuereinnahmen aufnehmen, dann wären wir halbwegs fertig geworden.