Protokoll der Sitzung vom 18.11.2009

(Beifall bei der GAL und der CDU – Erste Vi- zepräsidentin Barbara Duden übernimmt den Vorsitz.)

Das Wort bekommt Frau Dr. Schaal.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Einen kleinen Nachschlag kann ich mir nicht verkneifen.

(Zurufe von der CDU – Klaus-Peter Hesse CDU: Sie stimmen jetzt zu!)

Frau Senatorin, Sie haben gesagt, Sie nehmen den Lärmschutz ernst. Ihnen als Senatorin kaufe ich das auch ab. Aber es gibt schon eine Reihe von Maßnahmen, die in der Vergangenheit von CDU-Senaten angefangen wurden und da kann ich nicht erkennen, dass der Lärmschutz so ernst genommen wird. Die CDU hat den Fluglärmschutzbeauftragten abgeschafft, die Aufgabe ist jetzt in

(Senatorin Anja Hajduk)

der Behörde verankert, in einer Behörde, die ohnehin personell unterbesetzt ist. Sie haben die Richtgeschwindigkeiten auf Straßen hochgesetzt und wenn Sie Lärmschutz machen wollten, dann könnten Sie ganz einfach wieder auf Tempo 50 zurückgehen. Das ist von allen Experten als eine sehr wichtige Möglichkeit anerkannt, um den Lärm in der Stadt zu mindern.

(Beifall bei Arno Münster SPD)

Was die Laubbläser betrifft, Frau Senatorin, ist es richtig, dass es Richtlinien gibt, wann man diese Dinger benutzen darf, aber ausgerechnet die städtischen Unternehmen, nämlich die Stadtreinigung, hat eine Ausnahmegenehmigung und darf schon frühmorgens damit anfangen. Das ärgert die Bürgerinnen und Bürger, wenn Sie es ernst meinen, dann schaffen Sie diese Ausnahmegenehmigung ab. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Ich sehe keine weiteren Wortmeldungen mehr, dann kommen wir zur Abstimmung.

Wer sich der Ausschussempfehlung anschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Es bedarf einer zweiten Lesung. Stimmt der Senat einer sofortigen zweiten Lesung zu?

(Der Senat gibt seine Zustimmung zu erken- nen.)

Das ist der Fall. Gibt es Widerspruch aus dem Haus? – Den sehe ich nicht.

Wer den soeben in erster Lesung gefassten Beschluss in zweiter Lesung fassen will, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Das ist mit großer Mehrheit in zweiter Lesung und somit endgültig beschlossen worden.

Wir kommen zu den Punkten 8 und 30 der heutigen Tagesordnung, den Drucksachen 19/4287 und 19/4277, Große Anfrage der SPD-Fraktion: Neuausrichtung der Arbeitsmarktinstrumente: Wie nutzt Hamburg den gestiegenen Gestaltungsspielraum, wie ist Hamburgs Arbeitsmarkt in der Krise gerüstet? Antrag der SPD-Fraktion: Arbeitsmarktpolitisches Programm und Bericht über die Jobcenter endlich vorlegen.

[Große Anfrage der Fraktion der SPD: Neuausrichtung der Arbeitsmarktinstrumente: – Wie nutzt Hamburg den gestiegenen Gestaltungsspielraum – Wie ist Hamburgs Arbeitsmarkt in der Krise gerüstet? – Drs 19/4287 –]

[Antrag der Fraktion der SPD: Arbeitsmarktpolitisches Programm und Bericht über die Jobcenter endlich vorlegen – Drs 19/4277 –]

Beide Drucksachen möchte die SPD-Fraktion an den Wirtschaftsausschuss überweisen.

Wer wünscht das Wort? – Frau Badde, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Vor genau einem Jahr haben wir an dieser Stelle die Debatte über die Arbeitsmarktpolitik geführt. Wir müssen jetzt feststellen, dass sich die Zeiten erheblich verändert haben, sowohl in der Weltwirtschaft als auch in der Arbeitsmarktpolitik. Es sind mehr Menschen arbeitslos, als noch vor einem Jahr, doch müssen wir ehrlich sein, wir haben es noch schlimmer erwartet. Dass noch viele Unternehmen an den Arbeitnehmern festhalten, beruht einerseits auf der Einsicht, dass Fachkräfte in der heutigen Zeit nicht mehr ohne weiteres zu ersetzen sind. Aber es ist auch einer klugen Bundespolitik zu verdanken, dass das Instrument der Kurzarbeit so intensiv zur Überbrückung der Krise genutzt wird. Wem wir diese kluge Bundespolitik zu verdanken haben, bedarf wohl keiner Betonung. Wir als SPD sind froh, den ehemaligen Arbeitsminister Scholz, der diese Regelung bewirkt hat, nunmehr als Landesvorsitzenden zu haben.

(Beifall bei der SPD)

Doch mit diesen klugen Zeiten scheint es vorbei zu sein. Die neue Koalition in Berlin verspielt in der Arbeitsmarktpolitik alle Chancen. Wenn wir uns die Vereinbarung des Koalitionsvertrags ansehen, finden sich nur wenige Aussagen hierzu, diese drücken sich in vielen Allgemeinplätzen und in wenigen Grausamkeiten aus. Zu diesen Grausamkeiten ist der Beschluss zur getrennten Aufgabenwahrnehmung in der Arbeitsverwaltung zu zählen. Was mit dem harmlosen Begriff der getrennten Aufgabenwahrnehmung daherkommt, bedeutet die Abkehr von einer kunden- und mitarbeiterorientierten Arbeitsverwaltung. Ich behaupte, dieser Beschluss ist nur entstanden, weil bei den Koalitionsverhandlungen die Fraktion der CDU zu ahnungslos und der Verhandlungsführer der FDP von Rachegedanken gegenüber seinem alten Arbeitgeber, der Bundesagentur für Arbeit, getragen war. Dies ist ein schlechter Dienst an 6 Millionen Leistungsempfängern und 30 000 Beschäftigten in der Arbeitsverwaltung.

(Beifall bei der SPD)

Der Senat in Hamburg – leider ist der Wirtschaftssenator nicht da – geht nun den Weg der Verzweiflung. Er reklamiert beim Bund, als Optionskommune anerkannt zu werden, um an Gemeinsamkeit zu retten, was noch zu retten ist, wohl wissend, dass gerade dieser Weg nach der momentanen Rechts

(Dr. Monika Schaal)

lage verschlossen ist. Herr Senator, ich appelliere hier aus der Ferne an Sie. Die SPD wird sich diesem Weg nicht verschließen, sollten Sie tatsächlich in Berlin eine Ausnahme erwirken können, denn uns als SPD geht es gerade um die Aufgabenerledigung aus einer Hand, die dem Leistungsempfänger den größten Nutzen bringt.

(Antje Möller GAL: Weiß Herr Scholz das auch?)

Die hier vorliegende Beantwortung der Großen Anfrage beweist, dass es langsam bergauf geht mit der ARGE – ich betone: langsam –, dass sie ihre Maßnahmen zielgerichteter als bisher an die Frau und an den Mann bringen kann, besonders aber, dass sie auskunftsfähiger wird als in den Jahren zuvor. Wir können beobachten, dass die personelle Konsolidierung, die wir auch dem Bund zu verdanken haben, bei der ARGE Früchte zugunsten der Leistungsempfänger trägt. Dennoch möchte ich einige Punkte der Kritik anbringen.

Es ist erkennbar, dass die Reform der Arbeitsmarktinstrumente die Dienstleistungen gegenüber den Arbeitslosen nicht wesentlich verändert hat. Dies verwundert auch nicht, da diejenigen Instrumente abgeschafft wurden, die sowieso keine praktische Wirkung entfaltet haben. Andererseits ist die Flexibilität für die Vermittlungstätigkeit erhöht worden, dabei greift man aber auch auf bewährte Mittel zurück.

Kritisch zu betrachten sind aber nach wie vor die Antworten zu den Arbeitsgelegenheiten. Hier wird zunächst schlichtweg geleugnet, dass es hierzu Berichte des Bundesrechnungshofes gibt. Ich frage mich, was das soll. Man kann doch nicht einfach das verleugnen, was einem nicht passt. Das ist wie bei der im Kern gesunden Bank. Wenn ich die Kritik an den fehlenden Voraussetzungen zur Vergabe von Ein-Euro-Jobs nicht wahrnehme, dann wird schon alles in Ordnung sein. Dabei bin ich fest davon überzeugt, dass trotz der hohen Zahl der Arbeitsgelegenheiten in Hamburg diese dennoch größtenteils die Voraussetzung der Zusätzlichkeit und des öffentlichen Interesses erfüllen. Dies ist in Hamburg schon deshalb so, weil die Arbeitsgelegenheiten im Wesentlichen nicht direkt in der freien Wirtschaft vergeben werden.

Was aber wirklich nicht zu akzeptieren ist, ist die fehlende Auswertung der Wirksamkeit der Arbeitsgelegenheiten. Keine unserer Fragen nach der Dauerhaftigkeit der Maßnahmen und der Integration in den Arbeitsmarkt und deren Dauer wurde beantwortet. Es ist nicht erklärbar, dass sich eine Verwaltung damit abfindet, dass sie die Wirkung ihrer Tätigkeit nicht überprüft. Die gleiche Kritik betrifft die fehlende Information über die eigene Dienstleistung der Arbeitsverwaltung. Es ist nicht bekannt, wie Arbeitslose im SGB II bedient wer

den, zum Beispiel, wie schnell sie eine Eingliederungsvereinbarung erhalten.

Herr Senator, in Abwesenheit, entweder kann ich Ihnen nicht glauben, dass Sie keine Kenntnis von Ihren Verwaltungsabläufen besitzen oder es ist ein Armutszeugnis, dass Ihnen wichtige, für die Vermittlung von Arbeitslosen entscheidende Bedingungen nicht bekannt sind. Daher ist auch unser Antrag auf Berichterstattung nach wie vor gerechtfertigt.

Der Punkt, der mich momentan aber am meisten bewegt, ist der Abbau der Arbeitsgelegenheiten für Hausbetreuer. In der Großen Anfrage wird schlichtweg auf die Beantwortung der Kleinen Anfrage verwiesen. Dort wiederum erhalten wir nur ein Minimum an Informationen, die bestenfalls verschleiernd sind, wenn man nicht sogar Unwahrheit unterstellen müsste. Es wird lapidar geantwortet: Ja, es fielen Hausbetreuer weg. Bei der Frage nach dem Wo wird festgestellt, in Wilhelmsburg. Dies ist schlimm genug. Verschleiert wird aber, dass auch in anderen Stadtteilen ein kräftiger Abbau stattfindet, am Osdorfer Born, in Steilshoop, in Billstedt, in Farmsen-Berne und in Bergedorf-West. Zwei Drittel aller Hausbetreuerlogen sind in Gefahr. Das ist einfach skandalös.

(Beifall bei der SPD)

Das Hausbetreuermodell stellt in meinen Augen die exemplarische Arbeitsgelegenheit dar. Sie ist zusätzlich, im öffentlichen Interesse, sie ist niedrigschwellig und, was für den Senat so wichtig ist, sie ist stadtteilorientiert und integriert. Es kann doch nicht wahr sein, dass der Senat diese Projekte sterben lassen will. Ist das grüne, stadtteilintegrierte Politik?

(Jan Quast SPD: Die ist jetzt ja weg!)

Und was die Widersprüchlichkeit verdeutlicht: Die Hausbetreuer sind ausdrücklich im Programm der integrierten Stadtentwicklung erwähnt als Paradebeispiel einer Verknüpfung von Wohnumfeld und Arbeitsmarkt. Es ist unerträglich, dass diese abgeschafft werden.

(Beifall bei der SPD)

Daher unsere Aufforderung: Denken Sie hier um als Senat, lassen Sie nicht die wirklich guten Projekte sterben und legen Sie der Bürgerschaft endlich den überfälligen Bericht zur Arbeitsmarktpolitik vor. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort bekommt Frau Dr. Hochheim.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Das Schwierige an der Diskussion ist, dass Frau Badde sehr viele The

(Elke Badde)

men gestreift hat, die auf vielen verschiedenen Ebenen liegen.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Das ist immer ei- ne Herausforderung!)

Ganz ruhig, ich habe noch nicht einmal angefangen, inhaltlich zu argumentieren.

Ich versuche, einige Punkte herauszugreifen. Momentan ist viel Bewegung in der Arbeitsmarktpolitik und da ist es auch wichtig, dass wir darüber sprechen. Ich beginne mit Ihrem Antrag, sicherlich das Einfachste. Hier fordern Sie, dass der Bericht endlich vorgelegt wird, der im Koalitionsvertrag zwischen GAL und CDU festgelegt worden ist. Ich habe mich daraufhin an die Behörde für Wirtschaft und Arbeit gewandt und gefragt, wann er kommt. Hier wurde mir gesagt, dass der Bericht sich in der externen Behördenabstimmung befinde, er solle nach dem Fahrplan Ende Dezember den Senat erreichen. Ich denke, dass wir uns Anfang 2010 in der Bürgerschaft damit befassen können. Der Bericht umfasst jedoch nur das SGB II und nicht, wie Sie das in Ihrem Antrag gefordert haben, auch das SGB III. Das hat einen einfachen Grund. Wir haben das damals deshalb so gemacht, weil Hamburg keine Kompetenz für das Arbeitslosengeld I hat. So ist es konsequenter und besser, wenn wir nur das Arbeitslosengeld II betrachten.