Wir kommen noch einmal zu Punkt 2 der Tagesordnung, dem Wahlergebnis der Wahl eines ehrenamtlichen Mitglieds der Kommission für Bodenordnung, das ich hiermit verkünde.
Für Angelika Mertens haben 88 mit Ja gestimmt, zehn mit Nein, zwei Enthaltungen. Es gab keine ungültigen Stimmen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 45 auf, Drucksache 19/5211, Antrag der Fraktion DIE LINKE: Hamburg ist nicht winterfest!
[Antrag der Fraktionen der GAL und CDU: Hamburg für zukünftige Winter rutschfest machen – Drs 19/5326 –]
Die Fraktion DIE LINKE möchte beide Drucksachen an den Stadtentwicklungsausschuss überweisen. Wird das Wort gewünscht? – Herr Hackbusch, Sie haben das Wort.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Dieser Winter ist und war eine große Herausforderung für alle Menschen in dieser Stadt. Mein größtes Mitgefühl gilt den vielen Menschen, die in dieser Zeit draußen übernachtet haben und von denen auch einer an Unterkühlung gestorben ist. Ich möchte noch einmal darauf hinweisen, wahrscheinlich ist dies einvernehmlich im ganzen Haus, dass es eine besonders große Herausforderung und Anstrengung war für alle Menschen, die gegen Schnee und Eis ankämpfen mussten, vor allen Dingen auch die Menschen von der Stadtreinigung. Bevor wir uns über verschiedene Dinge streiten, sollten wir das einvernehmlich feststellen und ihnen unseren Dank und unsere Anerkennung ausdrücken.
Es gibt aber noch eine zweite Sache zu bilanzieren: Die Hamburger Krankenhäuser sind überfüllt. Zehntausende von Menschen wagen sich seit Wochen nicht aus ihrer Wohnung oder aus dem Haus heraus. Das ist eine Auswirkung des dramatischen Winters, aber auch eine Auswirkung einer Verwahrlosung der öffentlichen Ordnung, wie ich sie noch nie erlebt habe in dieser Stadt.
Die Politik dieses Senats, der dafür verantwortlich ist, geht im wahrsten Sinne des Wortes auf unsere Knochen.
Ich will Ihnen das im Einzelnen darlegen. Viele Gehwege und Plätze sind jetzt wochenlang von Eis und Schnee bedeckt. Jede Überquerung verlangt eine artistische Leistung. Ich weiß nicht, wie Sie das alles geschafft haben, ich selbst habe die merkwürdigsten Figuren dabei gedreht. Hierbei ist es völlig berechtigt und auch richtig, sich bei einzelnen Eigentümern und Mietern in den Privatstraßen zu beschweren, dass sie ihre Pflicht zum Teil vernachlässigt und zu wenig geräumt haben. Aber das Dramatischste war, dass die schlechtesten Zustände in dieser Stadt meist auf öffentlichen Gehwegen und Plätzen waren, und das ist eine schlechte Voraussetzung dafür, von den Eigentümern und Mietern genau dies einzufordern. Das ist eine Art und Weise von öffentlicher Verwahrlosung, die ich noch einmal hervorheben will.
Diese Wege und Plätze sind wichtig, um in der Lage zu sein, überhaupt einkaufen und sich irgendwie bewegen zu können, um Verkehrsmittel zu erreichen und um Geschäfte und Einkaufszentren
aufsuchen zu können. All das war vielen Menschen über Wochen nicht möglich und hierüber muss der Senat Rechenschaft ablegen, warum das überhaupt passieren konnte. Ich weiß, verantwortlich dafür sind die Bezirke, denen diese Aufgabe zugewiesen wurde, die sie aber häufig nicht wahrgenommen haben. Da wir aber feststellten, auch in den Diskussionen der Bezirksversammlungen, dass das in allen Bezirken ein riesiges Problem war, muss der Senat konstatieren, dass es ein durchgängiges Organisationsproblem war.
Von einigen Bezirken wird dargestellt, dass gerade die Aufgaben von privaten Firmen nicht ausreichend erfüllt wurden. Hier verlangen wir vom Senat, eine genaue Bilanz dieser Vergaben zu ziehen. Insgesamt hat man aber den Eindruck, als wenn die Stadt und die Bezirke einfach nicht in der Lage waren, diese Aufgabe auch nur ansatzweise zu erfüllen, als würde die Klimaerwärmung Winterwetter auf die Dauer nicht mehr zulassen.
Wir würden gern in allernächster Zeit vom Senat hören, inwieweit es weiterhin in der Diskussion ist, dass man sich Kürzungen im Bereich der Winterdienste vorstellen kann. Ich glaube, dies hätte schon lange angekündigt werden müssen, dass diese angekündigten Kürzungen zurückgenommen werden müssen.
Besonders dramatisch war nach unseren Recherchen die Situation beim öffentlichen Nahverkehr. Wir konnten viele Busbuchten nicht benutzen, viele U- und S-Bahnen konnten nur über vereiste Flächen erreicht werden. Am schlimmsten waren jene Wege, die auf der einen Seite den öffentlichen Nahverkehr neben sich haben, zum Beispiel einen U-Bahn- oder S-Bahndamm, und auf der anderen Seite einen öffentlichen Park. Hier konnte man sicher sein, dass überhaupt nichts geschah. Ich finde das unvorstellbar. Ich finde es auch erstaunlich, dass der öffentliche Nahverkehr zum Teil große Schwierigkeiten hatte. Ich habe es jeden Morgen erlebt, dass die U-Bahnen völlig überfüllt waren und habe erstaunt festgestellt, dass die S-Bahnen schon bei geringen Frosttemperaturen zum Teil ausgefallen sind, zum Beispiel auf der Strecke nach Stade. Auch das finde ich ein erstaunliches Moment, von dem wir eine Bilanz verlangen.
Eine besondere Provokation war auch die Behandlung der Radfahrer in dieser Stadt. Wollte Hamburg nicht die Anzahl der Radfahrer erhöhen? Ist die Baubehörde nicht unter der Leitung einer grünen Senatorin? Frech wurde auf die Fragen reagiert, warum die Radwege nicht geräumt wurden. Es wurde gesagt, das sei gar nicht vorgesehen und auch nicht wichtig, weil es im Winter sowieso nicht so viele Radfahrer gäbe. Natürlich konnte
man jetzt nicht mehr Rad fahren, aber die Reaktion ist eine Art und Weise, wie man mit Radfahrern nicht umgehen kann. Sie mussten unter Lebensgefahr teilweise auf die Straßen ausweichen, aber selbst das war kaum möglich. Viele Kinder zum Beispiel sind auf Radwege angewiesen, weil sie oft mit dem Rad zur Schule fahren und sie sich dementsprechend nicht mehr anders durch die Stadt bewegen. So eine Frechheit und Provokation gegenüber dem Radverkehr habe ich noch nicht erlebt.
Man musste nur nach Schleswig-Holstein gehen oder nach Kiel und konnte dort feststellen, dass die Radwege geräumt worden waren. Das heißt also, dies ist nicht unmöglich, sondern man konnte sehen, dass es ging.
Eine solche Verwahrlosung der öffentlichen Ordnung habe ich in Hamburg noch nicht erlebt. Sie resultiert aus Kompetenzgewirr, aus unkontrollierten Privatisierungen, gesetzlichen Vorgaben aus uralten Zeiten und einem Senat, der die Probleme seiner Einwohner erst sehr spät wahrnimmt. Hamburg war und ist mit diesem Senat nicht winterfest.
Ich finde aber auch erstaunlich, wie die Reaktion war und die Art und Weise, wie der Senat mit der öffentlichen Kritik umgegangen ist. Da sind meiner Meinung nach zwei Sachen entscheidend. Nachdem in diesen Tagen die Kritik stärker wurde, hat das "Hamburger Abendblatt" eine Frage gestellt und bekam eine schöne Antwort von der Behörde dazu. Um die ganze Frechheit zu zeigen, mit der der Senat dazu geantwortet hat, will ich das einmal kurz vorlesen. Hören Sie genau zu:
Das war die einfache Frage des "Hamburger Abendblatts". Die Antwort der Hajduk-Behörde, so wurde es dort genannt, finde ich kackfrech.
Vizepräsident Wolfgang Joithe–von Krosigk (unterbrechend) : Herr Hackbusch, kommen Sie bitte zur parlamentarischen Sprachregelung zurück.
"Es kann keine Garantie geben, dass alle 3200 Kilometer Fußwege und Fahrbahnen jederzeit schnee- und eisfrei sind."
Das ist völlig richtig, aber wir wären schon froh gewesen, wenn überhaupt irgendwelche Wege wenigstens dann und wann geräumt worden wären.
"Bei den Gehwegen kommt zudem nicht jeder Anlieger seiner Streupflicht nach und bei den Bezirken haben manche Firmen […] ihre Arbeit nicht ordentlich gemacht."
Völlig richtig. Aber das ist doch wie bei den alten Petz-Geschichten nach dem Motto: Wir haben die Aufgaben selbst nicht gut gemacht, aber die da hinten, die haben die Schuld, die haben auch nicht gut gearbeitet. Ich verlange vom Senat Selbstkritik bei diesem Punkt, er muss sich mit seinen eigenen Fehlern auseinandersetzen. Warum Selbstkritik? Ein ganz einfaches Moment aus den letzten Tagen: Wir haben festgestellt, dass doch noch etwas anderes möglich ist, es gibt 1000 zusätzliche Kräfte. Nachdem wochenlang durch die Gegend geschlittert wurde, haben diese 1000 zusätzlichen Menschen durchaus etwas verbessert. Es ist also doch möglich gewesen. Warum hat dieser Senat das nicht früher gemacht, wo er doch jetzt zeigt, dass etwas anderes möglich war. Er entschuldigt sich noch nicht einmal. Das gehört sich nicht, meine Damen und Herren.
Ein letzter Punkt noch. Ich habe geluschert und festgestellt, dass unser Antrag und auch der Antrag von CDU und GAL noch nicht einmal an den Stadtentwicklungsausschuss überwiesen werden soll. Ich hoffe, dass wir dort in der nächsten Zeit eine Debatte hierüber führen können. Hierzu müssen Sie den Bewohnern dieser Stadt einiges erklären. Der Senat hat versagt, ich habe das deutlich dargelegt. – Danke.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Unstrittig ist in diesem Haus, dass wir einen Winter gehabt haben, wie wir ihn viele Jahre nicht mehr hatten.
Unstrittig ist auch, dass dies keine Entschuldigung dafür ist, warum erst jetzt gehandelt wird in dem Maße, wie wir es jetzt tun. Unstrittig ist auch, dass es keine Hamburgensie ist, dass die Straßen und Wege in dem Ausmaß nicht geräumt wurden, wie es notwendig gewesen wäre.