Protokoll der Sitzung vom 10.02.2010

(Beifall bei Thomas Böwer SPD)

Dass sich die Probleme nicht von selbst lösen, musste dann auch Frau Senatorin Hajduk erkennen. Tausende von Knochenbrüchen in der Stadt hatten die Behörde nicht zum Handeln veranlassen können. Statt 30-mal müssen die Rettungswagen nun 240-mal am Tag ausrücken. Die Zahl der Knochenbrüche liegt laut "Hamburger Abendblatt" bei den Briefzustellern dreimal so hoch wie sonst. Die Krankenhäuser mussten ihre Notaufnahmen personell aufstocken, weil die Anzahl der Handund Sprunggelenkfrakturen, also typische Sturzverletzungen, drastisch angestiegen ist mit dem Ergebnis, dass anderweitig notwendige Operationen verschoben werden mussten.

All das wäre schon Anlass genug gewesen zu handeln. Man könnte aber auch sagen, ein Blick oder ein Gang nach draußen hätte vielleicht schon ausgereicht. Ich finde es unerträglich und mehr als peinlich, dass eine Stadt, die sich damit rühmt, eine Weltstadt zu sein, die von Exzellenz- und Leuchtturmprojekten redet – faselt darf man nicht sagen, weil es der parlamentarische Sprachgebrauch nicht erlaubt –,

(Wolfgang Beuß CDU: Genau, genau!)

nicht in der Lage ist, den Alltag der Hamburgerinnen und Hamburger einigermaßen vernünftig zu organisieren und mit den Anforderungen eines etwas strengeren Winters zurechtzukommen.

(Beifall bei der SPD)

Erinnern Sie sich, meine Damen und Herren, Bewegung in der Sache gab es doch erst, als die Medien das Thema skandalierten und bei unserer heutigen Debatte in der Bürgerschaft aufgrund des Antrags der LINKEN.

Dann gab es Gott sei Dank endlich am Montag den berühmten Krisengipfel. Wir von der SPD begrüßen das natürlich außerordentlich, wenngleich ich sagen muss, dass viel zu spät gehandelt wurde. Dass der Senat und die Hamburger Verwaltung schneller handeln können, hat man heute der Tagespresse entnehmen können. Unmittelbar, nachdem die Entscheidung für den Buchenhof gefallen war, kamen die Kettensägen und haben die Bäume abgesägt.

Von den etwa 20 000 Anrufen bei der Hotline kamen circa 3600 durch. Das ist nicht viel. Herr Röder hatte da mehr Glück. Bereits am Freitag machte ein städtisches Räumfahrzeug die Wohnstraße des hier bekannten Herrn Röder frei.

(Beifall bei der SPD)

Von einer solchen Situation haben viele geträumt, insbesondere die Seniorinnen und Senioren waren wochenlang vom normalen Leben abgeschnitten und hatten sozusagen Hausarrest, weil sie sich nicht trauten, auf die Straße zu gehen. Schlecht dran sind auch die Fahrradfahrer, Herr Hackbusch hat bereits darauf hingewiesen und die Situation ausführlich dargestellt. In einer Stadt, die das Fahrradfahren fördern will und stolz darauf ist, Green Capital und alles Mögliche zu sein, ist es völlig daneben, Radwege nicht als verkehrswichtig im Sinne des Hamburger Wegegesetzes zu bezeichnen mit der Folge, dass sie nicht geräumt werden. Wenn Radfahrer auf eisglatten Flächen stürzen, ist das laut Senatsauskunft deren privates Vergnügen. Das ist nicht nur peinlich, das ist zynisch und hier erwarte ich auch eine entsprechende Korrektur.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Auch die Bezirksämter wollen nun verstärkt tätig werden und gegen Hausbesetzer vorgehen,

(Beifall und Heiterkeit bei der CDU)

gegen Hausbesitzer, sorry. Gegen Hausbesetzer werden sie natürlich auch vorgehen, aber in diesem Fall gegen Hausbesitzer, die ihrer Verkehrssicherungs- und Räumpflicht nicht nachkommen. Ich hoffe, dass Sie dabei die Behördenstandorte nicht vergessen, da schlittert man nämlich auch ziemlich heftig.

(Beifall bei der SPD und bei Norbert Hack- busch DIE LINKE)

Es bleibt außerdem zu hoffen, dass die Bezirksämter bei der Kontrolle der Eigentümer mehr Erfolg haben werden als bei der Sicherstellung des Winterdienstes selbst. Da waren die beauftragten Fir

men, wir haben es eben schon gehört, nicht in der Lage, ihre Aufträge vertragsgemäß zu erfüllen. Das scheint irgendwie symptomatisch für diesen Senat und die Verwaltung zu sein. Ich habe das kürzlich schon einmal in einem anderen Zusammenhang gehört.

Wir von der SPD möchten wie die LINKEN wissen, welche Schneeräumdienste gut gearbeitet haben und welche nicht zuverlässig waren, damit wir im nächsten Winter besser gerüstet sind. Der Senat hat gesagt, im nächsten Winter solle alles anders und schöner werden und es solle anders agiert werden. Vorher soll die Wintersaison ausgewertet und geprüft werden, ob und gegebenenfalls welche Änderungsnotwendigkeiten sich ergeben.

Dazu ist erstens zu sagen: Dies ist nicht der erste strengere Winter in der Geschichte Hamburgs, insofern gibt es Erfahrungen und die müssten auch bereits ausgewertet sein.

Zweitens: Die Probleme liegen auf der Hand. Was haben wir davon, im Sommer zu erfahren, dass zu spät oder gar nicht gestreut wurde. Das wissen wir auch jetzt schon.

Ich bin sehr gespannt, wie diese Daten überhaupt ausgewertet werden sollen, weil der Senat in verschiedenen Kleinen Anfragen gestanden hat, dass die Beschwerden statistisch gar nicht erfasst werden.

(Harald Krüger CDU: PUA!)

Wie wollen Sie dann auswerten? Dieser Winter war für den Senat offenbar ein Testlauf, für viele Hamburgerinnen und Hamburger allerdings ins nächste Krankenhaus, eine Tatsache, die den Hamburger Senat allerdings nicht besonders interessiert.

(Jörn Frommann CDU: Mann, Mann, Mann!)

Wir Sozialdemokraten unterstützen das Anliegen der LINKEN, dieses Thema ausführlich im Stadtentwicklungsausschuss zu debattieren. Zum Antrag der Grünen und der CDU ist zu sagen, dass er mit sehr heißer Nadel gestrickt ist und sich handwerkliche Fehler eingeschlichen haben. Es sind nicht 1000 Mitarbeiter der Stadtreinigung, sondern es sind 300, aber das will ich jetzt nicht im Einzelnen aufführen. Er ist inhaltlich zum Teil ein bisschen falsch.

(Jörn Frommann CDU: Ganz oder nur ein bisschen?)

Er nutzt uns überhaupt nichts, deshalb kann man diesem Antrag auch nicht zustimmen. Außerdem hat der Senat schon selbst erklärt, dass er das alles machen will. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und bei Christiane Schneider DIE LINKE)

Vizepräsident Wolfgang Joithe–von Krosigk: Bevor ich Frau Gregersen das Wort übergebe, möchte ich für Frau Krischok und alle Kolleginnen und Kollegen klarstellen, dass "faseln" noch im parlamentarischen Sprachgebrauch ist.

(Beifall bei Hartmut Engels und Dr. A. W. Heinrich Langhein, beide CDU)

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Es fing eigentlich alles so hübsch an, als kurz vor Weihnachten die ersten weißen Flocken fielen, und jeder freute sich. Als sie dann sogar noch liegen blieben und es kalt war …

(Zuruf von Dirk Kienscherf SPD)

Herr Kienscherf, Sie dürfen sich gerne zu Wort melden, kommen Sie doch einfach nach vorne, anstatt immer dazwischenzurufen.

Was dann einsetzte, war eine Frostperiode, wie wir sie lange nicht hatten.

(Ingo Egloff SPD: Das liegt an der sozialen Kälte in dieser Stadt!)

Wenn ich so für mich überlege, komme ich auf eine Zahl von 13 Jahren, als ich das letzte Mal auf der Alster war. Also 13 Jahre hatten wir so eine Frostperiode meines Wissens nicht. Es gab Tauwetter, es war irgendwann auch einmal um die 3 Grad, es fror wieder und auf dem liegen gebliebenen Schnee bildete sich dieser unsägliche Eispanzer, der für so viele Menschen auch ein Schicksal war. Mein Mitgefühl gilt ganz ehrlich, Herr Kienscherf, allen Menschen, die gestürzt sind, besonders auch dem Schwerverletzen, der gestern auf dem Wiesendamm gestürzt ist.

(Dirk Kienscherf SPD: Da hätten Sie einmal früher etwas machen müssen! – Gegenruf von Wolfgang Beuß CDU: Halten Sie sich einmal zurück!)

Ich weiß, wie stark es das Schicksal eines Menschen oder einer ganzen Familie betreffen kann, wenn jemand stürzt, weil in einem der letzten Jahre, als es noch nicht einmal glatt draußen war, meine Mutter gestürzt ist und ich erlebt habe, welche Auswirkungen das für uns alle, aber auch für sie hatte. Von daher wünsche ich all den Menschen gute Genesung und hoffe, dass es gut heilt, und das ist ernst gemeint.

(Beifall bei der GAL und der CDU und bei Jan Quast SPD)

Ich finde es wirklich schade, dass wir diese Debatte so polemisch führen müssen, weil es den Kern nicht trifft.

(Dirk Kienscherf SPD: Ihre Ausführungen treffen den Kern auch nicht!)

(Anne Krischok)

Wir haben den Bezirken Macht gegeben, das ist interfraktionell hier beschlossen worden. Wir alle waren dafür, dass die Bezirke auch mit diesen Kompetenzen ausgestattet worden sind – Sie natürlich wieder nicht. Aber eine Stärkung der Macht der Bezirke ist doch keine Schönwetterpolitik und sobald es schneit und der Bezirk nicht klarkommt, greifen wir alle ein, schreien nach dem Senat und sofort muss gehandelt werden; so ist es nicht.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Ich will die Situation gar nicht schönreden, aber auch der Bezirksamtsleiter aus Hamburg-Nord hat doch zum Beispiel festgestellt, wie schwierig es für ihn war. Das Bezirksamt ist veräußert worden, er ist nicht der Eigentümer, die Stadt auch nicht, aber der Hauseigentümer kommt seiner Streupflicht nicht nach.

(Michael Neumann SPD: Peiner lässt grü- ßen! – Ingo Egloff SPD: Das hält doch kein Mensch aus! – Zurufe von der SPD)

Kann ich vielleicht ein bisschen Ruhe erwarten?

(Glocke)

Vizepräsident Wolfgang Joithe–von Krosigk (unterbrechend) : Ich bitte um etwas mehr Ruhe, damit Frau Gregersen fortfahren kann.

Die Bezirke haben sich Firmen gesucht, die aber der Streupflicht nicht nachkommen, weil sie 13 Jahre nicht dieses Aufkommen hatten und weil sie immer mehr Aufträge angenommen haben, als sie überhaupt ableisten konnten. Es ist sehr schade, dass es Firmen gibt, die Aufträge annehmen, denen sie dann nicht nachkommen, aber deshalb kann man nicht sofort die Verträge aufkündigen. Wenn Ihr Vermieter irgendetwas nicht nachkommt, dann können Sie erst einmal die Miete kürzen. Sie können aber nicht sofort sagen, wir geben Ihnen noch nicht einmal die Chance, es besser zu machen, und übernehmen es gleich selbst. Von daher kann man gar nicht sofort handeln, außer vielleicht erst einmal ein Zwangsgeld anzulegen.