Protokoll der Sitzung vom 25.02.2010

Tagesordnungspunkt 18, Drucksache 19/5304, Senatsmitteilung: Entscheidung des Senats gemäß Paragraf 22 Absatz 2 Satz 2 Bezirksverwaltungs

gesetz; Aufhebung des Ergebnisses des Bürgerentscheids "Rettet den Buchenhof-Wald" vom 5. November 2009, der die Wirkung eines Beschlusses der Bezirksversammlung Altona hat.

[Senatsmitteilung: Entscheidung des Senats gemäß Paragraf 22 Absatz 2 Satz 2 Bezirksverwaltungsgesetz (BezVG) Aufhebung des Ergebnisses des Bürgerentscheids "Rettet den Buchenhof-Wald" vom 5. November 2009, der die Wirkung eines Beschlusses der Bezirksversammlung Altona hat – Drs 19/5304 –]

Mir ist mitgeteilt worden, dass aus den Reihen der SPD-Fraktion hierzu gemäß Paragraf 26 Absatz 6 unserer Geschäftsordnung das Wort begehrt wird.

Frau Krischok, Sie haben das Wort für maximal fünf Minuten.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Will der grün-schwarze Senat eigentlich mit seinen vielen Baumfällungen in das Guinnessbuch der Rekorde aufgenommen werden? Die Abholzungen für die Fernwärmetrasse von Vattenfall sind Gott sei Dank seit gestern laut Gerichtsentscheid vom Tisch. Es bleiben aber die geplanten Fällungen von 3300 Bäumen für die internationale Gartenschau und nun Baumfällungen im Buchenhof-Wald trotz eines entgegengesetzten Bürgerentscheides und einer anhängigen Petition.

Skandalös ist nicht nur die Tatsache, dass der Senat Bürgerentscheide nicht ernst nimmt – daran haben wir uns in der letzten Legislaturperiode schon gewöhnen müssen.

(Zurufe von der CDU)

Skandalös ist, wie beim Buchenhof-Wald offenbar, man kann es nicht anders sagen, getrickst und möglicherweise auch getäuscht worden ist.

Die Bürgerinitiative "Rettet den Buchenhof-Wald" hat eine Petition an den Eingabenausschuss gemacht. Das kann ich hier übrigens so sagen, obwohl die Unterlagen normalerweise vertraulich sind, weil die Initiative die Eingabe selber veröffentlicht hat. Normalerweise haben Eingaben eine aufschiebende Wirkung. Warum nicht in diesem Fall? Die Eingabe lag zwar eine Woche vor der Senatsentscheidung in der Hamburger Verwaltung vor, wurde aber anscheinend nicht rechtzeitig an die zuständigen Stellen weitergeleitet.

(Jörn Frommann CDU: Mann, Mann, Mann!)

(Vizepräsident Wolfgang Joithe–von Krosigk)

Ich glaube hier nicht an einen unglücklichen Zufall. Eine Stunde nach der Senatsentscheidung liefen die Kettensägen. Auf dem Gelände eines ökologisch wertvollen Waldes soll eine Wohnbebauung erfolgen. Die Menschen vor Ort können leider nicht auf das Oberverwaltungsgericht hoffen, weil sie nicht klagebefugt sind.

Öffentlichkeitswirksam wird nun von einem Rathausgipfel gesprochen, das schlechte Gewissen der Grünen ist anscheinend da. Zur Kompensation soll die Volksgesetzgebung nachgebessert werden. Was allerdings in diesem Fall statt der Ankündigung eines Rathausgipfels angebracht gewesen wäre, ist die Selbstbefassung im Verfassungsausschuss mit einer entsprechenden Expertenanhörung. Damit haben wir auch eine neue Situation, dass nämlich nicht nur eine Missachtung von Bürgerentscheiden stattfindet, sondern letztendlich indirekt auch eine Missachtung des Parlaments dadurch, dass diese Befassung nicht stattfindet.

(Zuruf von Stephan Müller CDU)

Die gefällten Bäume können selbst die Grünen damit nicht mehr zusammenkleben. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei Dora Heyenn DIE LINKE)

Vizepräsident Wolfgang Joithe–von Krosigk: Herr Roock, Sie haben das Wort für ebenfalls maximal fünf Minuten.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Mit so einem merkwürdigen scheinheiligen Beitrag musste man rechnen, Frau Krischok.

(Beifall bei der CDU und der GAL – Zurufe von der SPD)

Ich werde gleich noch darauf zu sprechen kommen.

(Glocke)

Vizepräsident Wolfgang Joithe–von Krosigk (unterbrechend) : Herr Roock, ich möchte Sie doch bitten, zum parlamentarischen Sprachgebrauch zurückzukehren.

Herr Präsident, zunächst möchte ich trotz der Komplexität kurz etwas zur rechtlichen Lage sagen, die in der Drucksache ausführlich dargestellt ist. Im Anschluss daran komme ich zu einer politischen Bewertung, Frau Krischok. Die rechtliche Lage stellt sich kurz wie folgt dar. Am 5. November 2009 fand ein Bürgerentscheid gegen die Bebauung des Buchenhofes statt. Die Mehrheit der Abstimmungsberechtigten sprach sich gegen die Bebauung und damit verbundene Baumfällungen aus. Daher hat der Bürgerentscheid die Wirkung eines Beschlusses

der Bezirksversammlung. Dieser Beschluss verstößt aber gegen die Hamburgische Bauordnung, gegen die Baumschutzverordnung und damit gegen die Grenzen des Entscheidungsrechts der Bezirksversammlung. Die Bezirksamtsleitung hat den Beschluss zu Recht beanstandet und die Bezirksversammlung hat den beanstandeten Beschluss nicht aufgehoben. Es gilt auch, die gemäß Grundgesetz festgeschriebene Baufreiheit einzuhalten. Aufgrund der Rechtsvorschriften waren alle Klagen, Petitionen und Anträge auf einstweilige Verfügung der Nachbarn und Vertrauensleute erfolglos. Das kurz zum Sachverhalt, die ausführliche rechtliche Bewertung ist der vorliegenden Drucksache zu entnehmen. Diese Bewertung teilen Schwarz-Grün in Altona und auch wir auf Landesebene. Nun kann man aber nicht damit kommen, opportunistisch einseitig Partei zu ergreifen und rechtsstaatliches Handeln zu kritisieren. Ich finde das schon ein bisschen unverschämt

(Zurufe von der CDU und der LINKEN)

und würde mir selbst nie erlauben, Bürgerinitiativen, die von ihrem verbrieften Recht Gebrauch machen, zu kritisieren.

Ganz etwas anderes ist es, wie man inhaltlich dazu steht. Wenn die Rechtslage sowohl staatlicherseits als auch in der Volksgesetzgebung unklar ist, dann ist dieses Haus aufgerufen, Klarheit zu schaffen. Hier werden die Gesetze gemacht und dazu habe ich von Ihnen noch nichts Konstruktives gehört.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Nun zur politischen Bewertung: Der Bauverein der Elbgemeinden hat diese Fläche 1996 von privaten Grundeigentümern erworben, um bezahlbaren und familiengerechten Wohnraum zu schaffen. Es gibt inzwischen 500 Familien, die sich für dieses Bauvorhaben konkret beworben haben. Damals habe ich kein Wort der Kritik von der SPD vernommen. Das Verfahren läuft mittlerweile seit August 2006, ein unglaublich langer und schon nicht mehr verantwortbarer Zeitraum für die Genehmigung von 66 Wohneinheiten. Bei der LINKEN sind wir schon einiges gewohnt,

(Dora Heyenn DIE LINKE: Was soll das denn heißen?)

aber dass sich die SPD dafür hergibt, sich bei einem Projekt einer in Hamburg beheimateten Genossenschaft, die lange von eingeschriebenen Sozialdemokraten geführt wurde und preisgünstigen Mehrgenerationenwohnraum herstellen will, opportunistisch zu verweigern, das ist schon ein starkes Stück.

(Beifall bei der CDU und der GAL – Ingo Egloff SPD: Seit wann haben Sie Ihr Herz für Sozialdemokraten entdeckt?)

Wie schlimm Sie mit Genossenschaften umgehen, die eine tragende Rolle für günstigen Mietraum in

(Anne Krischok)

dieser Stadt spielen, ist schon mehr als bemerkenswert.

(Ingo Egloff SPD: Darüber reden wir noch einmal!)

Der BVE hatte nach Baurecht das Recht, 30 Prozent der Fläche für den Wohnungsbau zu versiegeln. Er versiegelte einschließlich der Erschließung aber nur 9 Prozent, im Ergebnis eine ganz sensible Bebauung, die auf ökologische Belange Rücksicht nimmt.

Nun noch ein Satz zu den Baumfällungen: Es hat diverse Untersuchungen von anerkannten Gutachtern gegeben und noch vor den Fällungen hat eine zusätzliche gutachterliche Untersuchung der Bäume mit Höhlen- und Stammaufrissen stattgefunden, um sie auf Winterquartiere von Fledermäusen zu untersuchen. Es ist nicht eine einzige Fledermaus gefunden worden und es musste auch keine Umquartierung geben.

(Zurufe von der CDU)

Ich will noch eines zum Schluss sagen: Es ist kein Einzelfall, dass sich die SPD in den Bezirken dem Wohnungsbau verweigert und sich aber hier auf Landesebene, das macht Herr Grote permanent, alle Augenblicke mit breiter Brust hinstellt und 5000 Wohnungen pro Jahr einfordert. Allein in Altona, Herr Grote, gibt es in diesen Tagen zwei konkrete Anträge für zusätzlichen Wohnraum.

(Glocke)

Vizepräsident Wolfgang Joithe–von Krosigk (unterbrechend) : Kommen Sie bitte zum Schluss.

Ein letzter Satz:

(Ingo Egloff SPD: Ist doch schon längst ab- gelaufen!)

Zwei konkrete Anträge für zusätzlichen Wohnraum liegen vor, beim Forsthaus Bahrenfeld und beim Moltkeblock sollen insgesamt 60 Wohneinheiten erstellt werden und hier verweigert sich die SPD. Es gibt viele weitere Beispiele. – Danke schön.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Vizepräsident Wolfgang Joithe–von Krosigk: Das Wort hat Herr Müller.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir Grüne und, ich glaube, alle in diesem Haus haben es schweren Herzens zur Kenntnis genommen, dass der Senat erstmals einen Bürgerentscheid in dieser Stadt aufheben musste, der gegen das Gesetz verstoßen hat. Das ist keine Lösung, wie man mit der direkten Demokratie umgeht, da sind wir uns auch alle einig.

Frau Krischok, eine Polemisierung in der Sache gegen die Grünen aus Hilflosigkeit vor dem Rechtsstaat hilft uns hier nicht weiter.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der CDU)