Protokoll der Sitzung vom 28.05.2008

Ich bin überzeugt, dass diese Koalition über die ganze Legislatur, also über vier Jahre, vertrauensvoll und gut zusammenarbeiten wird. Ich bin überzeugt, dass diese für Deutschland neue Konstellation nach erster Verwunderung, dem Reiz des Ungewohnten, schnell zur fachlich-kompetenten Routine werden wird. Ich bin überzeugt, dass es klug und vernünftig ist, wie schon in der Gesellschaft und im Privaten, nun in der Politik den Versuch zu unternehmen, Trennendes zu überwinden, ohne dabei die Identität der einzelnen beteiligten Parteien aufzugeben.

Meine Bitte an die Menschen dieser Stadt ist: Versuchen Sie, mit uns gemeinsam diesen Weg zu gehen. Lassen Sie uns gemeinsam die Chance nutzen, die diese Stadt hat. Es geht nicht um uns, es geht nicht um den Senat, es geht nicht um das Parlament, es geht nicht um die Parteien, es geht

nur um eines: eine gute Zukunft für unsere Freie und Hansestadt Hamburg.

(Langanhaltender Beifall bei der CDU und der GAL)

Das Wort bekommt der Abgeordnete Neumann.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr von Beust, es wird Sie nicht sehr überraschen, aber ich bin wirklich nicht sehr beeindruckt von Ihrer Rede, sondern eher enttäuscht, denn was Sie hier vorgetragen haben, waren Belanglosigkeiten, waren alte, durchaus bekannte Plattitüden und Allgemeinplätze, schlichtweg nichts Neues für unsere Stadt.

(Beifall bei der SPD und bei Elisabeth Baum DIE LINKE)

Sie haben am Ende Ihrer Rede gesagt, Sie wollten Schwarz-Grün nicht philosophisch überhöhen, gleichwohl Sie mehr als 20 Minuten – ich gebe offen zu, gefühlte 45 Minuten – darüber gesprochen haben, dass sich nun, da sich Schwarz-Grün endlich in Hamburg gefunden habe, im Grunde alle gesellschaftlichen Widersprüche in Luft aufgelöst hätten. Es gibt kein Schwarz, kein Grün, kein Rechts, kein Links, keine Spannung zwischen Sicherheit und Freiheit, keinen Widerspruch zwischen Wirtschaft und Ökologie. In Hamburg und der Welt macht sich Harmonie breit und all das nur, weil Christa Goetsch und Ole von Beust sich endlich gefunden haben.

Wenn das alles so ist, dann können wir am 23. Mai nächsten Jahres auch alle gemeinsam Gesine Schwan zur ersten Bundespräsidentin wählen.

(Beifall bei der SPD und bei Farid Müller GAL und Norbert Hackbusch DIE LINKE)

Sie haben davon gesprochen, dass die Geschichtsbücher nicht Ihr Ziel seien. Ich kann Ihnen versichern, Herr von Beust, diese Rede wird jedenfalls im positiven Sinne nicht in die Geschichtsbücher eingehen.

(Zurufe von der CDU: Oh, oh!)

Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten in der Hamburgischen Bürgerschaft werden Ihre Politik, Ihre Entscheidungen, Ihr Handeln daran messen, ob es Hamburg und den Menschen in unserer Stadt wirklich dienlich ist. Darüber werden zwischen den Parteien, den Fraktionen die Meinungen auseinandergehen, auch innerhalb der Opposition werden wir dazu ganz unterschiedliche Auffassungen haben. Ich will aber deutlich sagen, dass unsere Schwerpunkte in dieser neuen Legislaturperiode sind, Chancengerechtigkeit durch bessere Bildung zu erreichen, mehr Beschäftigung durch Investitionen hinzubekommen und die Über

(Erster Bürgermeister Ole von Beust)

windung der sozialen Spaltung in Hamburg zu erreichen. Das können wir mit besserer Bildung, mit mehr Arbeit und gelebter Integration erreichen.

(Beifall bei der SPD und bei Kersten Artus DIE LINKE)

Wo immer Sie mit Ihrem Senat in der nächsten Zeit wirklich wirksame Verbesserungen erreichen wollen, können Sie mit der Unterstützung der Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten in dieser Bürgerschaft rechnen.

(Frank Schira CDU: Wir werden Sie daran erinnern!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das war die erste Regierungserklärung der schwarz-grünen Landesregierung, der ersten in Deutschland. Im Vorfeld war besonders von CDU-Seite immer die Rede von gemeinsamer Seelenlage der Partner. Das muss etwas mit postelektoraler Seelenwanderung zu tun haben, denn vor der Wahl war das überhaupt nicht spürbar. Aber mit dem Wahlergebnis gab es bei Herrn Freytag ein warmes Gefühl im Herzen und er hatte das Gefühl, dass es ganz viele Gemeinsamkeiten gibt. Es war die Rede von gemeinsamen Interessenlagen, von intelligenten und pfiffigen Leuten – Jens, da meint er euch –,

(Jens Kerstan GAL: Ist nicht falsch!)

vom kreativen Esprit, der das Salz in der Suppe sei, und von ganz neuen Horizonten in unserer Stadt. All diese blumigen Worte waren wohl notwendig, weil offenbar nur so die Zustimmung der Basis für Schwarz-Grün zu bekommen war.

Jetzt aber geht es ums Zählbare, um die Regierungserklärung, um den Koalitionsvertrag zwischen CDU und GAL und der erschließt keine neuen Horizonte, im Gegenteil. Er formuliert lediglich Allgemeinplätze und vage Prüfaufträge. Herr von Beust sprach selbst davon, dass wirklich spannend sei, was nicht im Koalitionsvertrag stehe.

(Wilfried Buss SPD: So ist es!)

Mein Eindruck: Die große Faszination von Schwarz-Grün ist schon vorbei, bevor Sie mit Ihrer Arbeit überhaupt begonnen haben und die Frage, ob Schwarz-Grün über Hamburg hinaus ein Modell für andere Länder oder gar den Bund sein kann, ist von der Tagesordnung gestrichen; das haben Sie selbst heute eingeräumt. Das Schlimme dabei ist nicht, dass Schwarz und Grün sich gefunden haben, das ist Normalität in der Demokratie. Demokratische Parteien müssen grundsätzlich untereinander koalitionsfähig sein. Schlimm ist aber für unsere Stadt, dass diese Koalition sich nicht zur Lösung von Hamburger Problemen gefunden hat, sondern durch faule Kompromisse neue Probleme in der Finanz- und Schulpolitik, der Inneren Sicherheit und in Moorburg geschaffen hat.

(Beifall bei der SPD)

Die Menschen haben unter Aufbruch etwas ganz anderes verstanden. Zunächst ist festzustellen, dass die schwarz-grüne Koalition vor allem eines ist: Sie ist richtig teuer. Nach Berechnungen des Hamburger Bundes der Steuerzahler kostet sie uns ungefähr 1,3 Milliarden Euro zusätzlich.

(Martina Gregersen GAL: Was haben Sie denn alles versprochen?)

Dabei kam uns schon der mit absoluter Mehrheit regierende CDU-Senat teuer zu stehen. Über 450 Millionen Euro neue Ausgaben wurden vor der Wahl beschlossen, das waren teure Wahlgeschenke.

Herr Freytag verkündet ständig vollmundig seinen ausgeglichenen Haushalt. In Wahrheit haben Sie das Defizit von 200 Millionen Euro auf knapp 700 Millionen Euro vergrößert. Als Sie am 1. Januar als CDU-Landesvorsitzender auch Finanzsenator wurden, betrugen die Rücklagen unserer Stadt noch 1,4 Milliarden Euro. Nach Ihrer eigenen Planung werden diese 2011 trotz der Rekordsteuereinnahmen verbraucht sein, das Geld ist weg und Finanzsenator Freytag hat Hamburg damit nicht einen Schritt vorangebracht. Sie, Herr Freytag, haben keinen Cent gespart, Sie ruhen sich auf der Konjunktur und den Leistungen Ihrer Vorgänger einschließlich meines Freundes Dr. Peiner aus.

(Beifall bei der SPD)

Jetzt erinnern sich diejenigen, die in der letzten Legislaturperiode schon dabei waren. Ich hätte vielleicht sagen müssen meines speziellen Freundes Dr. Peiner.

(Hans-Detlef Roock CDU: Aber in Anfüh- rungszeichen!)

Dieser Finanzsenator jedoch, Herr Freytag, ist vor allem CDU-Landesvorsitzender und nicht der Kronprinz im Senat, als den er sich selbst gerne sieht. Er ist einer der zentralen personellen Schwachpunkte in diesem Senat.

(Beifall bei der SPD)

Ich bin gespannt, wie lange Sie das Märchen vom aus eigener Kraft ausgeglichenen Haushalt noch weiter erzählen wollen. Im Koalitionsvertrag ist jedenfalls schon formuliert – Zitat –:

"… um sicherzustellen, dass es nicht zu unkonditionierter Verschuldung kommt."

Ich bin sicher, dass Ihre Verschuldung ausreichend durch schwarz-grüne Scheinkompromisse konditioniert sein wird. Solide scheint mir das alles nicht und Herr von Beust, denken Sie gar nicht erst an die Milliarde aus einem HHLA-Verkauf. Unsere HHLA darf nicht zum Stopfen Ihrer Haushaltslöcher missbraucht werden.

(Beifall bei der SPD und bei Kersten Artus und Norbert Hackbusch, beide DIE LINKE)

Wenn wir über Haushaltspolitik sprechen, dann ist natürlich auch die Frage zu stellen, welche Menschen es betrifft, wenn wir knapp 1 Million Euro jährlich an Zinsen zahlen müssen. Wen treffen die Gebührenerhöhungen, wen treffen die Kürzungen? Sie haben Gebühren für das Mittagessen in der Kita eingeführt, Gebühren für Schulbücher, für erhöhte Fahrtkosten. Hinzu kommen neue oder erhöhte Gebühren für weitere Kurse, höhere Musikschulgebühren, Studiengebühren, Verwaltungsgebühren fürs Studium und sogar Gebühren für Wohnheime von Obdachlosen. All die werden nicht zurückgenommen, all denen stimmen jetzt die GAL-Abgeordneten zu, die noch vor vier Monaten kräftig dagegen kämpften.

Ihre Gebühren treffen immer die kleinen Leute, die ohnehin schon knapp bei Kasse sind, diejenigen, die auf einen starken und handlungsfähigen Staat angewiesen sind. Genau die sind es aber, die Sie mit Ihrer Politik im Regen stehen lassen, und mit Ihrer unsinnigen Haushalts- und Finanzpolitik verstärken Sie auch …

(Martina Gregersen GAL: Haben Sie eigent- lich den Koalitionsvertrag gelesen?)

Das ist ein guter Hinweis.

Ich finde es spannend, dass insbesondere Sie, die mit Vehemenz im letzten Wahlkampf und in den letzten vier Jahren gemeinsam mit uns gegen die soziale Spaltung der CDU-Politik gekämpft haben, jetzt diejenigen sind,

(Frank Schira CDU: Gott, sind Sie beleidigt!)

die am eifrigsten all das für richtig finden. Herzlichen Glückwunsch.

(Beifall bei der SPD und bei Dora Heyenn DIE LINKE)

Man sagt immer, Menschen können sich nicht weiter entwickeln, auch wenn es in die falsche Richtung geht.

Was dieser schwarz-grüne Senat und die ihn tragenden Parteien tun, messen wir Sozialdemokraten daran, was es Hamburg bringt, was es den Menschen unserer Stadt nutzt. Deshalb lautet unser Grundsatz auch, Richtiges richtig und Falsches falsch zu nennen. Es gibt ein paar richtige Entscheidungen; keine Sorge, es sind nicht zu viele, aber einige sind im Koalitionsvertrag richtig.

Erstens: Schwarz-Grün hat sich zur Elbvertiefung durchgerungen. Allerdings kostet dieser Kompromiss lockere 40 Millionen Euro zusätzlich, trotzdem eine richtige Entscheidung.

Zweitens: Es soll ein Anlauf für eine neue Stadtbahn geben – auch das ist gut –, aber zunächst nur für eine unrentable Rumpfstrecke. Wann und wie ein wirklich wirtschaftliches Netz entstehen soll, ist noch offen, denn wenn eine gut sieben Kilometer lange Linie in Betrieb genommen, das

Netz aber nicht weiter ausgebaut wird, dann machen Sie das grundsätzlich richtige und gute Projekt doch noch zu einem Fall für die Kollegen vom Rechnungshof.