Protokoll der Sitzung vom 31.03.2010

Sie erkundigen sich in Ihrer Großen Anfrage noch nicht einmal danach, welche Auswirkungen denn die Politik in Berlin auf die Entwicklung der Solarenergie in Hamburg haben wird. Machen wir uns nichts vor, eine schnellere und schärfere Kappung der Einspeisevergütung für Solarstrom soll den rasanten Zubau der Solarenergie ausbremsen. Und so heißt es denn auch ganz folgerichtig in der Begründung des Gesetzesentwurfs in Berlin, es sollen nur noch 65 Gigawatt und nicht, wie ohne Kürzung, 105 Gigawatt Solarstrom bis 2020 erzeugt werden. Es geht schlicht und ergreifend darum, dass Sie mit der Kürzung der Einspeisevergütung mehr Platz für Atomstrom schaffen wollen, weil sonst der Atomstrom nicht mehr untergebracht werden kann. Darum ist das hier Heuchelei.

(Beifall bei der SPD und bei Dora Heyenn DIE LINKE – Glocke)

Frau Abgeordnete, darf ich Sie bitten, das Wort Heuchelei aus Ihrem Sprachgebrauch zu streichen.

Es wird hier eine sichere und erneuerbare Energiequelle verstopft durch die Politik der Bundesregierung, um die Atomkraft am Markt zu platzieren. Das wollen wir nicht, das gefährdet Jobs, das gefährdet den Klimaschutz und die Energiewende.

Der Senat weist in seiner Antwort darauf hin, dass die zuständige Behörde vor dem Hintergrund der künftigen Entwicklung über die Fortführung oder den Stopp der Hamburger Förderprogramme entscheiden wird. Also auch hier wird das, was in Berlin beschlossen wird, gravierende Auswirkungen haben. Der Stopp der Förderprogramme würde dann allerdings dem Grundversorger in Hamburg gut passen.

Meine Damen und Herren! Der Senat hat sich bereits im Jahr 2006 mit der Solarenergie in Hamburg befasst und ist damals davon ausgegangen, dass auf Hamburger Dächern, Frau Stöver, ein Potenzial von 10 Prozent dargestellt werden kann. Warum der Senat dieses Ziel bis heute nicht erreicht hat, danach fragen Sie überhaupt nicht. Heute sind wir bei einem Anteil am Strombedarf von 0,04 Prozent; das ist eine Lachnummer.

Bereits im Jahr 2006 hat der Senat gutachterliche Empfehlungen in seiner Drucksache veröffentlicht und mitgeteilt, dass hinsichtlich der Solarenergie mehr Informationen, mehr Werbemaßnahmen und auch eine Dachflächenbörse nötig seien. Die Infor

(Birgit Stöver)

mationsbroschüre zur Fotovoltaik ist gerade aktuell ins Netz gestellt worden, gut versteckt auf dem Klimaportal, sodass sie kein Mensch findet. Und auf die Dachflächenbörse werden wir noch bis Ende des Jahres warten müssen. Solange dauert es, bis hier überhaupt etwas in Gang kommt. Andere Städte sind da längst weiter, zum Beispiel das kleine Osnabrück oder, wie Frau Stöver selbst gesagt hat, die Stadt Bremen.

Vor einem halben Jahr hat der Senat zusammen mit der Handelskammer das Cluster Erneuerbare Energien auf den Weg gebracht. Die Cluster-Politik ist ein konstituierender Bestandteil der Senatspolitik. Zusätzlich hat die BSU im letzten Herbst ein Konzept für eine Strategieentwicklung und Umsetzungsunterstützung des Clusters Erneuerbare Energien ausgeschrieben. Danach fragen Sie in Ihrer Großen Anfrage mit keinem Wort. Entweder haben Sie das übersehen oder es scheint Sie nicht zu interessieren.

Insofern bin ich natürlich sehr froh, dass die Große Anfrage im Umweltausschuss weiter beraten werden kann und wir dann die ganzen Lücken, die hier festzustellen sind, auch aufhellen können. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort hat Frau Weggen.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Obwohl Deutschland ein Land ist, in dem nicht ständig die Sonne scheint, sind wir Weltmeister im Aufbau von Solaranlagen, besonders unter den Eigenheimbesitzern und Eigenheimbesitzerinnen. Das ist eine sehr gute Nachricht, da Solarenergie einen zentralen Beitrag zur Energiewende leistet.

(Beifall bei Birgit Stöver CDU)

Im Sinne des Klimaschutzes ist es ein notwendiges Ziel, den Ausbau der regenerativen Energien massiv zu fördern. Wir wollen in Hamburg auf klimaschädliche Kohle- und hochrisikoreiche Atomenergie verzichten.

(Dora Heyenn DIE LINKE: Ich glaub's ja wohl nicht, wo denn?)

Deshalb fördern wir erneuerbare Energien wie Sonne und Wind vehement, um unser ehrgeiziges Ziel von minus 40 Prozent CO2-Ausstoß bis 2020 und minus 80 Prozent bis 2050 zu erreichen.

(Beifall bei der GAL)

Hamburg hat im Jahr 2009 etwa im Bereich Solarthermie 1,5 Millionen Euro Fördermittel zusätzlich zu den Bundesmitteln bereitgestellt und den Bereich Fotovoltaik mit zusätzlichen 430 000 Euro gefördert. Dies ist ein richtiges Signal und leistet

einen wichtigen Beitrag zur Förderung der Solarenergie in Hamburg. Das darf allerdings noch nicht der Weisheit letzter Schluss sein. Wir bewegen uns im Bereich der Solarthermie bereits auf Bundesdurchschnitts-Niveau, wollen aber selbstverständlich insgesamt bei der Nutzung der Kraft der Sonne noch besser werden.

Wie aus der Anfrage hervorgeht, werden die Fördermittel etwa für Solarthermie und Heizungen auf 2 Millionen Euro im Jahr 2010 aufgestockt. Die Anfrage nennt auch zahlreiche weitere Förderungen Hamburgs für die Solarenergie. Frau Dr. Schaal, es ist also bei Weitem nicht so, dass bei uns in dem Bereich nichts passiert.

Die Große Anfrage beschäftigt sich größtenteils mit der Solarenergie in Hamburg. Das Thema ist aber gerade derart aktuell – das hat Frau Dr. Schaal auch schon angesprochen –, dass man auch den Blick nach Berlin richten muss. Der Bundestag berät morgen über die Kürzungen bei der Förderung der Solarenergie und über die Veränderung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes. Das hat selbstverständlich auch Auswirkungen auf Hamburg. Die Positionen in der Energiebranche, aber auch in der Politik gehen in Bezug auf die Frage, wie viel denn maximal gekürzt werden darf, recht weit auseinander, auch unter Berücksichtigung der Gesichtspunkte, wie viel man denn kürzen darf, ohne dass die Solarbranche in Deutschland Schaden nimmt, der Ausbau der Solarenergie einbricht und viele Arbeitsplätze in diesem Bereich verloren gehen. Da der Preis für die Erzeugung deutlich zurückgegangen ist, sind Kürzungen selbstverständlich kein Tabu, allerdings ist die Höhe sehr entscheidend. Es ist deshalb sehr zu begrüßen, dass sich Hamburg im Bundesrat einem Antrag der Länder Baden-Württemberg, Bayern, Brandenburg, Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt und Thüringen angeschlossen hat, eine einmalige Absenkung auf 10 Prozent zu begrenzen. Das macht deutlich, dass es uns in Hamburg als Koalition sehr ernst ist mit der Förderung erneuerbarer Energien

(Dora Heyenn DIE LINKE: Sag bloß, auf ein- mal!)

und dass wir auch auf Bundesebene unseren Einfluss geltend machen.

Auf eine intensive Förderung darf auf keinen Fall verzichtet werden. Dass Solarstrom deutlich günstiger geworden ist, ist ein großer Erfolg des Erneuerbare-Energien-Gesetzes; dieses ist insgesamt eine Erfolgsgeschichte. Es konnten nicht nur erneuerbare Energien konsequent ausgebaut werden, es sind auch Hunderttausende Arbeitsplätze in Deutschland entstanden. Das Gesetz wurde in bis zu 50 Ländern nachgeahmt; ich denke, diese Zahl spricht für sich. Solarstrom wurde in der Vergangenheit bundesweit massiv gefördert, auch um die Abkehr von der Atom- und Kohleenergie zu erreichen, die absolut notwendig ist.

(Dr. Monika Schaal)

(Beifall bei der GAL)

Die regenerativen Energiequellen müssen weiterhin massiv ausgebaut werden, eine Rückwärtsrolle darf es in diesem Bereich nicht geben. Frau Stöver hat auch Spanien angesprochen, das ist ein ganz gutes Beispiel dafür, was passiert, wenn die Förderung massiv eingeschränkt wird. Dort sind nämlich der Markt für Solarenergie und der Ausbau fast zum Erliegen gekommen. Der Ausstieg aus der Atomkraft hin zu einer zukunftsfähigen Energieversorgung für Hamburg und Deutschland geht nur mit der Kraft der Sonne. – Vielen Dank.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Frau Heyenn, bitte.

(Stephan Müller CDU: Die Sonne!)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Mit der Großen Anfrage zur Solarenergie, und das haben wir eben ganz eindrucksvoll von der CDU und der GAL gehört, sollte deutlich gemacht werden, wie vorbildlich Hamburg dabei ist, die regenerative Energie auszubauen. Sie sprechen auch in Ihrer Großen Anfrage von der Modellregion Hamburg und in der Presseerklärung von Frau Stöver habe ich heute gelesen, Hamburg habe eine Vorreiterrolle. Man könnte glauben, wir hätten einen unglaublich hohen Anteil erneuerbarer Energien in Hamburg. Das wäre wünschenswert, aber leider handelt es sich hier um absolut marginale Anteile der Solarenergie zur Energiegewinnung. Der Anteil des Stroms aus Fotovoltaik-Anlagen beläuft sich in Hamburg auf zwei Stellen hinter dem Komma, nämlich im Jahr 2008 auf circa 0,04 Prozent. Damit bekommen wir die Atomenergie aber richtig in den Griff, Frau Weggen.

(Beifall bei Christiane Schneider DIE LINKE und Thomas Böwer SPD)

Die Hansestadt Hamburg ist überhaupt nicht vorbildlich, was den Einsatz von Solarenergie und von Fotovoltaik-Anlagen betrifft. In Deutschland liegt der Anteil insgesamt bei 0,9 Prozent. Das ist, wenn ich richtig rechnen kann, sehr viel mehr als 0,04 Prozent. Das wurde festgestellt bei einer Untersuchung durch EuPD Research im Jahr 2009.

Frau Stöver hat davon gesprochen, dass Sie das Ziel haben, bis 2020 auf 6 Prozent zu steigern. In dieser Untersuchung geht man davon aus, dass man bis 2050 den Anteil der Solarenergie, insbesondere von Fotovoltaik-Anlagen, auf 25 Prozent steigert. Ich glaube, wir in Hamburg sind davon Lichtjahre entfernt. Hamburg liegt beim Anteil des Fotovoltaik-Stroms in allen Bundesländern an vorletzter Stelle. Ganz vorne liegt Sachsen mit einem Anteil von 3,1 Prozent, gefolgt von Schleswig-Holstein mit 2,43 Prozent. Für die Solarthermie sieht es zwar ein bisschen besser aus, aber berau

schend sind auch diese Zahlen nicht und vor allen Dingen erreichen wir damit keine Energiewende. Heizung und Warmwasser werden in Hamburg zu 0,2 Prozent aus Sonnenenergie gespeist; das ist ein Tröpfchen auf den heißen Stein.

Neben der Einspeisevergütung, die in Deutschland durch das Gesetz für den Vorrang erneuerbarer Energien geregelt ist, gibt es zwölf weitere Programme, die die Anschaffung von Fotovoltaik-Anlagen fördern sollen. Auf Bundesebene kann die Investitionszulage für Fotovoltaik-Anlagen im produzierenden Gewerbe und im Bereich der produktionsnahen Dienstleistungen in Form von Steuergutschriften genehmigt werden. Daneben stellt die KfW-Förderbank auf Darlehensbasis vier verschiedene Programme zur Verfügung und einige Bundesländer haben eigene Solarfördergesetze erlassen.

Der Hamburger Senat hat in seiner Klimaschutzkonzeption vom 22. Dezember 2009 die Solarthermie im Wesentlichen als Förderprogramm für das hamburgische Handwerk aufgelegt. Die Mittelvergaben für 2010 sind mit 2 Millionen Euro veranschlagt. Die Fördermittel sind im Vergleich zum Vorjahr um 500 000 Euro gestiegen, das ist zu begrüßen, wobei die grundsätzliche Kritik lautet, dass durch diese Maßnahmen Umweltpolitik eher als Technologiepolitik und Wirtschaftsförderung definiert wird, das haben wir eben noch einmal gehört.

Es geht dem Senat bei dieser Thematik offenkundig weniger um das Problem des allgemeinen Ressourcenverbrauchs. Wenn es politisch gewollt ist, die fossilen und atomaren Energieträger zugunsten von erneuerbarer Energie zurückzudrängen, um letztendlich auch das Ziel der 40-prozentigen Reduktion von CO2 bis 2020 zu erreichen, müssen weit mehr Anstrengungen unternommen werden und auch zusätzliche Wege als nur der über die Handwerksbetriebe eingeschlagen werden, und das schnell. Am besten wäre noch, es würde kein Kohlekraftwerk in Moorburg geben, das einmal ganz nebenbei.

(Vereinzelter Beifall bei der LINKEN und bei Arno Münster SPD)

Für diesen Einsatz von erneuerbaren Energien gibt es eine breite Rückendeckung in der Bevölkerung, auch in Hamburg. Eine deutliche Mehrheit der Bevölkerung in Deutschland spricht sich für einen starken Ausbau der erneuerbaren Energien aus.

Eine repräsentative Forsa-Umfrage von 2010 legt die hohe gesellschaftliche Zustimmung zur regenerativen Energieerzeugung dar. Bundesweit halten 96 Prozent der Deutschen den Ausbau erneuerbarer Energien für wichtig oder sogar sehr wichtig. 78 Prozent würden ihren Strom am liebsten aus erneuerbaren Energiequellen beziehen. Zum Vergleich: 9 Prozent würden ihn gern aus Erdgas, 6 Prozent aus Atomkraft haben und nur 3 Prozent

(Jenny Weggen)

aus Kohle. Die Bevölkerung zeigt sich auch bereit, vorübergehend höhere Kosten für den Ausbau von erneuerbaren Energien zu tragen. Nach einer Forsa-Umfrage vom August 2007 möchten mehr als drei Viertel der Deutschen erneuerbare Energien persönlich nutzen, selbst wenn das mit höheren Kosten oder Investitionen verbunden wäre.

Das gilt nicht nur für diejenigen, die das nötige Kleingeld im Portemonnaie haben, auch bei Niedrigverdienern mit weniger als 1000 Euro Nettoeinkommen sind mehr als zwei Drittel zu Mehrkosten bereit, und bei den Haushalten mit über 3000 Euro sind es sogar 87 Prozent.

Zusammenfassend wurde in der Untersuchung gesagt, – ich zitiere –:

"Ginge es nach dem Wunsch der Bevölkerung, würde die Energieversorgung der nächsten Jahrzehnte vor allem von Sonne und Wind, begrenzt auch durch Wasser und Biomasse gesichert."

So Professor Renate Köcher, Direktorin der Allensbach-Forschung.

Der zwei Jahre alte schwarz-grüne Koalitionsvertrag sieht vor, dass nach dem Vorbild des Bundeslandes Baden-Württemberg beim Austausch von Heizungen eine Pflicht zur Nutzung von Solarwärme oder qualitativ gleichwertigen Technologien vorgeschrieben werden soll. Davon haben wir danach nichts mehr gehört und auch nichts mehr gelesen.

Wir von der LINKEN sind der Auffassung, dass der Ausbau der erneuerbaren Energien in Hamburg viel zu schleppend vor sich geht, es geht alles viel zu langsam und von einem deutlichen Beitrag zur Erreichung der ehrgeizigen Klimaschutzziele, wie Sie das heute, Frau Stöver, in Ihrer Pressemeldung geschrieben haben, kann überhaupt nicht die Rede sein.