Protokoll der Sitzung vom 03.06.2010

(Wilfried Buss SPD: Das geht mir auch so!)

ich habe mir was anderes vorgenommen – finde ich auch nicht gut –, ich war mit Freunden verabredet – das hat auch was –, ich wollte die Klassenarbeit nicht mitschreiben – das kann ich schon eher verstehen –,

(Olaf Ohlsen CDU: Das war bei uns ja ge- nauso!)

meine Freunde haben das auch gemacht, also gehe ich auch nicht in die Schule, ich hatte die Haus

(Michael Gwosdz)

aufgaben nicht – das finde ich auch ganz witzig. Und dann kommen Sätze wie: Ich komme nicht mit dem Lehrer zurecht, ich möchte keine anderen Menschen sehen, die Schule ist mir sowieso viel zu schwer, die Mitschüler hänseln mich, ich muss zu Hause mithelfen, die Eltern wollen nicht, dass ich hingehe, ich habe einfach Angst. Ich fand hochinteressant, wie Schüler selbst begründen, warum sie nicht in die Schule gegangen sind.

Es wurde schon von Herrn Gwosdz gesagt, dass die Abstinenzquote im neunten Jahrgang am höchsten ist und im Berufsschulbereich haben wir auch eine durchaus bemerkenswerte Zahl von Schulschwänzern. Da fällt auf, dass die Schüler und Schülerinnen, die Jugendlichen, die in die Berufsschule gehen und einen Ausbildungsgang im dualen System haben, signifikant viel weniger zu den Schulschwänzern gehören als die, die eine Vollzeitschulausbildung machen. Das ist etwas, worüber man sehr intensiv nachdenken müsste.

Interessant ist beim Thema Schulabsentismus, dass das weibliche Geschlecht voll emanzipiert ist, da gibt es kaum einen Unterschied.

Die Schulform ist durchaus noch ein wenig entscheidend dafür, ob geschwänzt wird oder nicht. Generell ist es so, dass, je geringer das Bildungsniveau ist, desto höher die Quote ist. Da wir vor zwei Jahren die isolierte Hauptschule abgeschafft haben, wäre es interessant zu erfahren, ob sich durch diese integrierten HR-Klassen merklich etwas geändert hat, was den Schulabsentismus anbetrifft. So eine Untersuchung sollten wir einmal machen, das wäre sehr interessant. Auch hier ist Bayern wieder sehr bemerkenswert. Dort ist die Schulschwänzerquote bei den Gymnasien am höchsten und nicht bei den Hauptschulen; das ist sehr interessant.

Seit 2008 kümmern sich LBK-Rückkehrer mit einzelnen Maßnahmen an Schulen in Zusammenarbeit mit REBUS sehr erfolgreich darum, dass es weniger Schulschwänzer gibt. Herr Kreuzmann sagte schon, dass die pädagogischen Maßnahmen absoluten Vorrang vor den rechtlichen haben müssten, weil nur sie wirklich wirksam seien. Das befürworten wir auch. Das eine oder andere Mal kann es sein, dass auch rechtliche Maßnahmen helfen. Ich hatte beispielsweise einmal einen Schüler in der neunten Klasse, der 14 Jahre alt war und das längste Vorstrafenregister von allen Vierzehnjährigen in Hamburg hatte.

(Wolfgang Beuß CDU: Was haben Sie da denn falsch gemacht, Frau Heyenn?)

Das war nicht meine Schuld, er war nicht mein Sohn.

Hier war es schon ganz gut, dass er einen Tag ins Gefängnis kam, in eine Zelle, das hat Wunder gewirkt, das kann durchaus manchmal sein.

Wir finden diesen Ansatz, dass man sich mit diesem Thema beschäftigen muss, sehr richtig. Ich finde es auch wichtig, dass man es evaluiert. Was uns als LINKE allerdings stutzig gemacht hat, ist Punkt 2 in Ihrem Antrag. Dort steht, dass nach vorliegenden positiven Ergebnissen – wir gehen davon aus, dass sie positiv sind – die Maßnahmen zu verlängern seien, so lange eine Beschäftigungsverpflichtung für die Asklepios-Rückkehrer und -Rückkehrerinnen bestehe. Das halten wir für einen falschen Ansatz. Wir sind der Auffassung, dass es Schulschwänzer geben wird, solange es Schulpflicht gibt. Die hat es immer gegeben, die wird es immer geben, in Ballungsräumen hat man sie immer verstärkt. Bei diesem komplexen Thema, das so unterschiedliche Ursachen hat, kann man es nicht davon abhängig machen, dass sich Asklepios-Rückkehrer um dieses Thema kümmern. Es muss eine ständige Aufgabe bleiben und deshalb befürworten wir zwar im Ansatz Ihren Antrag, aber diese Verkoppelung, dass man dies als Anlass nimmt, um Asklepios-Rückkehrer zu beschäftigen, halten wir für falsch und deshalb werden wir uns enthalten.

(Beifall bei der LINKEN)

Wenn keine weiteren Wortmeldungen vorliegen, kommen wir jetzt zur Abstimmung.

Wer möchte dem Antrag der CDU–Fraktion aus der Drucksache 19/6216 seine Zustimmung geben? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Dann ist der Antrag mit einigen Enthaltungen angenommen.

Dann kommen wir zu Tagesordnungspunkt 49, Drucksache 19/5840 in der Neufassung, Antrag der SPD-Fraktion: Mietbetrug durch Vermieter bei SGB II-Leistungsempfängern – was tut der Senat?

[Antrag der Fraktion der SPD: Mietbetrug durch Vermieter bei SGB II-Leistungsempfängern – was tut der Senat? – Drs 19/5840 (Neufassung) –]

Wer wünscht das Wort? – Herr Kienscherf.

(Olaf Ohlsen CDU: Den haben wir gestern schon ertragen! – Carola Veit SPD: Na, na, na!)

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wir können heute eigentlich da anknüpfen, wo wir gestern aufgehört haben,

(Olaf Ohlsen CDU: Lass nach!)

und zwar beim Thema Armut und beim Thema, wie die Stadt und der Senat mit bestimmten Gruppen und Missständen umgehen. Es geht um drei konkrete Personengruppen.

(Dora Heyenn)

Zum einen sind das die Personen, die nicht im Licht der Öffentlichkeit stehen, die auf der Schattenseite in unserer Stadt leben, die zum Teil unter menschenunwürdigen Umständen in Hamburg leben müssen. Ich weiß, dass Sie als CDU-Fraktion wenig Verständnis für diese Menschen haben, aber seien Sie versichert, die meisten Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt wollen sich darum kümmern.

(Wolfgang Beuß CDU: Was haben Sie denn für Vorurteile? – Zurufe von der CDU)

Hören Sie doch erst einmal zu. Herr Beuß, Sie auch.

Es geht also um diese Personen,

(Wolfgang Beuß CDU: Sie haben hier gar nichts zu sagen, Herr Kienscherf!)

die letztendlich nicht im Licht der Öffentlichkeit sind, sondern in Armut und sozialer Ausgrenzung in dieser Stadt leben.

Zum zweiten geht es um eine Person, die schon etwas besser dasteht, um den Vermieter Kuhlmann, der viel Geld mit der Armut in dieser Stadt verdient.

(Zuruf von Heiko Hecht CDU)

Und drittens, Herr Hecht, geht es um einen Sozialsenator, der eigentlich per Amt damit beauftragt ist, sich um die Menschen zu kümmern, die in Armut leben, und der eigentlich damit beauftragt ist, Missstände in dieser Stadt aktiv zu bekämpfen. Wir Sozialdemokraten sehen dieses gerade bei dem Fall, den ich Ihnen jetzt erzähle, nicht gewährleistet. Wir glauben nicht, dass dieser Senator seinen Verpflichtungen in dieser Stadt nachkommt.

(Beifall bei der SPD)

Wir wollen das auch konkret an diesem Fall beleuchten. Es geht bei dieser Personengruppe, die ich unter erstens genannt habe, um Menschen, die in Kellerräumen, an der Max-Brauer-Allee zum Beispiel, wohnen und dafür 440 Euro zahlen. Es geht dabei um Menschen, die auf 14 Quadratmetern wohnen und dafür 380 Euro zahlen. Dies ist ein Mietniveau, das deutlich über dem in der HafenCity liegt.

(Jörg Hamann CDU: Sie haben doch die Hartz-IV-Gesetze gemacht!)

Herr Hamann, solche Zwischenrufe bei einem solch ernsten Thema zu machen, finde ich nicht gut. Da müssen Sie mit sich selbst einmal ins Reine kommen.

(Beifall bei der SPD)

Es geht um Menschen, die in unvorstellbaren Zuständen wohnen, in feuchten Wohnungen mit feuchten Wänden, mit Schimmelbefall, die über keine Küche verfügen und die in der Toilette den

einzigen Zugang zu fließendem Wasser haben. Das sind Situationen, die sich so mancher Mensch gar nicht vorstellen kann, das sind aber Realitäten in dieser Stadt und wir sind alle gemeinsam gefordert, dieses abzustellen.

(Beifall bei der SPD)

Beim zweiten Punkt komme ich zu dem Vermieter Kuhlmann. Das ist der Mensch, der die eben beschriebenen Wohnungen gewinnbringend an die Menschen vermietet hat über Monate oder Jahre. Herr Roock kennt ihn sehr gut, er hat lange Zeit mit ihm zusammengearbeitet bei der CDU in Osdorf. Dieser Vermieter, Herr Kuhlmann, war lange Zeit auch Deputierter der Sozialbehörde

(Michael Neumann SPD: Ein Treppenwitz!)

und er war unter anderem auch in dem Verwaltungsausschuss, der zuständig für die Kosten der Unterkunft und diese Mietzahlungen ist.

Als dritten Akteur haben wir den Senator. Sozialsenator Wersich als Vorsitzender der Deputation…

(Jörg Hamann CDU: Was wollen Sie eigent- lich damit sagen?)

Herr Hamann, nun bleiben Sie doch ganz ruhig. Ich weiß, dass Sie bei diesem Thema aufgeregt sind

(Harald Krüger CDU: Wir warten auf die Nachricht!)

und die Gefahr sehen, dass man Ihnen nachweisen kann, dass Sie sich nicht richtig verhalten haben.

Der Sozialsenator hat noch im November in einer Pressekonferenz gesagt, die Sozialleistungen dürften nicht weiter steigen, die Kosten der Unterkunft seien zu hoch und man müsse dafür sorgen, dass man künftig anders damit umgehe.