Heute beginne ich zunächst mit Geburtstagsglückwünschen, diese gehen an unseren Kollegen Günter Frank. Lieber Herr Frank, im Namen des ganzen Hauses gratuliere ich Ihnen herzlich zu Ihrem Geburtstag.
Wir kommen zur Tagesordnung und beginnen mit einer Wahl. Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 5, Drucksache 19/6371, Unterrichtung durch den Präsidenten: Wahl der von der Hamburgischen Bürgerschaft zu wählenden Mitglieder zur Bundesversammlung.
[Unterrichtung durch den Präsidenten der Bürgerschaft: Wahl der von der Hamburgischen Bürgerschaft zu wählenden Mitglieder zur Bundesversammlung – Drs 19/6371 –]
Nach dem maßgebenden Bundesgesetz ist eine Listenwahl durchzuführen. Der Stimmzettel liegt Ihnen vor, er enthält vier Vorschlagslisten. Jeder Abgeordneter und jede Abgeordnete hat eine Stimme, Sie können also nur bei einer Liste Ihr Kreuz machen oder sich enthalten. Stimmzettel mit mehr als einem Kreuz oder mit Zusätzen oder Bemerkungen sind ungültig, auch unausgefüllte Zettel gelten als ungültig.
Sind alle Stimmzettel abgegeben worden? – Das ist der Fall. Dann ist die Wahlhandlung geschlossen. Für die Dauer der Stimmenauszählung wird die Sitzung unterbrochen.
Mir liegen jetzt die Ergebnisse der Wahl der von der Bürgerschaft zu wählenden Mitglieder zur Bundesversammlung vor.
Ich gebe das Wahlergebnis bekannt. Abgegebene Stimmen 119, gültige Stimmen 119. Von den gültigen Stimmen haben erhalten Liste 1: 56 Stimmen,
Nach Paragraf 4 Absatz 3 des Gesetzes über die Wahl des Bundespräsidenten durch die Bundesversammlung werden die Sitze den Listen nach der Zahl der ihnen zugefallenen Stimmen im Höchstzahlverfahren d´Hondt zugeteilt. Über die Zuteilung des letzten Sitzes entscheidet bei gleichen Höchstzahlen das vom Präsidenten dieser Bürgerschaft zu ziehende Los. Da bei der Zuteilung des 13. Sitzes gleiche Höchstzahlen bei der CDU-Fraktion und der Fraktion DIE LINKE vorliegen, werde ich in einem Losentscheid über die Vergabe dieses Sitzes entscheiden.
Das Losgefäß ist bereits aufgestellt. Ich bitte jetzt Frau Thomas, den Deckel abzunehmen und die beiden Umschläge zu mischen.
Ich werde mich währenddessen abwenden, sodass ich nicht weiß, wie sie die beiden Umschläge ablegt, und werde dann mit dem Rücken zum Gefäß einen der Umschläge ziehen.
Aufgrund des Wahlergebnisses und des Losentscheids entfallen auf die Liste 1 die Sitze 1 bis 7, das bedeutet sieben Sitze, auf die Liste 2 die Sitze 1 bis 5, also fünf Sitze, auf die Liste 3 der Sitz Nummer 1, also ein Sitz, und auf die Liste 4 kein Sitz.
Somit sind gewählt von Liste 1 die Bewerberinnen und Bewerber von eins bis sieben, von Liste 2 die Bewerberinnen und Bewerber von eins bis fünf, von Liste 3 der erste Bewerber und von Liste 4 kein Bewerber. Damit ist das Wahlverfahren abgeschlossen.
Herr Randt wird nun gleich die vorbereiteten Annahmeerklärungen an die gewählten Mitglieder dieses Hauses verteilen. Bitte geben Sie diese unverzüglich unterschrieben an meine Mitarbeiter auf der Kanzleibank zurück. – Ich danke Ihnen.
Der Präsident des Senats hat mich gebeten, ihm gemäß Paragraf 12 Absatz 1 unserer Geschäftsordnung die Gelegenheit zu einer Regierungserklärung zu geben.
Die Fraktionen haben einvernehmlich vereinbart, dass hierzu eine Beratung stattfinden soll. Dabei soll jeder Fraktion eine Redezeit von 30 Minuten zur Verfügung stehen.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Grund dafür, dass ich heute diese Regierungserklärung abgebe, liegt in den historischen Herausforderungen, vor denen wir in Deutschland und in ganz Europa stehen, Herausforderungen vielfacher Art. Vor allem brauchen wir in Europa, in Deutschland und natürlich auch in den Ländern Deutschlands zwingend einen Neuanfang in der Finanzpolitik. Hamburg kann und wird sich dieser Verantwortung zu einem Neuanfang nicht entziehen.
Die Gründe für diese Situation sind unterschiedlicher Natur. Einer der Gründe ist, dass wir nicht nur in Deutschland, sondern in ganz Europa in einer schwierigen Situation sind. Der Euro hat weiche Stellen bekommen. Die erste sichtbare weiche Stelle ist die finanzielle Situation Griechenlands gewesen, das vor der Zahlungsunfähigkeit stand. Es gibt – wir können das alle in den Medien verfolgen – weitere mehr oder weniger belastbare weiche Stellen. Das Problem ist, dass auf diese weichen Stellen innerhalb der Europäischen Union spekuliert wird. Man kann das beurteilen, wie man mag und es auch moralisch verurteilen, aber unsere Aufgabe ist es, diese Spekulationen ad absurdum zu führen, indem wir diese weichen Stellen wieder hart machen. Das ist unsere Aufgabe und das ist auch gemacht worden bei Griechenland. Es gibt einen gigantischen Schutzschirm der Europäischen Union, um den Euro zu stabilisieren, aber dieser Schutzschirm würde nicht ausreichen und die Hilfe für Griechenland würde verpuffen, wenn andere Länder innerhalb der Europäischen Union, die jetzt noch als starke Länder gelten, künftig – nicht von heute auf morgen, aber in neun oder zehn, vielleicht auch schon in fünf Jahren – weiche Länder würden, so wie es heute unter anderem Griechenland ist. Leider zeigen die Untersuchungen, dass, wenn wir in Deutschland und in anderen europäischen Ländern so weitermachen wie bisher und weiter über unsere Verhältnisse leben, diese Weichheit des Euros zunehmen und die Stabilität der Währung gefährdet werden wird. Wir müssen alles tun, um dies zu verhindern.
Da sind die Stabilität der Währung auf der einen Seite und die Bekämpfung einer möglichen Inflation auf der anderen Seite, denn wir wissen, dass eine zunehmende Staatsverschuldung irgendwann Gefahr läuft, in eine Inflation einzumünden. Inflation ist gerade für schlecht Verdienende und für die kleinen Leute ein Gräuel; wir müssen alles tun, damit es nicht dazu kommt.
Nun gebe ich zu, dass diese Frage volkswirtschaftlich durchaus umstritten ist. Das Interessante ist, dass die Fachleute, Experten und Kommentatoren der führenden Tageszeitungen und Zeitschriften – auch der Wirtschaftszeitschriften – ihre Meinung zum Teil innerhalb von drei, vier Wochen vollständig ändern. Noch vor wenigen Monaten, als wir in Hamburg ebenso wie in Deutschland, anderen europäischen Ländern und den USA ein auch über Schulden finanziertes gigantisches Konjunkturprogramm aufgelegt haben, um die Konjunktur durch regionale, nationale und internationale Nachfrage wieder anzukurbeln, war die herrschende Meinung zunächst, dass dies richtig sei. Aus einigen Ländern kamen sogar Vorwürfe, wir würden in Deutschland zu spät handeln und zu wenig tun; aus den USA kam der Vorwurf, dass sie mehr Schulden machen und damit auch mehr dafür tun würden, um die Konjunktur anzukurbeln. Heute lesen wir von den gleichen Leuten, dieser Weg sei schwierig, weil höhere Schulden dazu führten, dass in Europa die Währung geschwächt werden könne und dass auf diese Währung spekuliert und der Euro in einen Abwärtstrend geraten würde mit der Folge, dass die Inflation zunähme und der Euro mit der Zeit als stabile Währung am Markt nicht bestehen könne.
Meine Damen und Herren! Man muss sich in der Politik irgendwie dafür entscheiden, was man will. Fachleute helfen einem relativ wenig, weil sie im Wochenrhythmus konträre Dinge sagen und kritisieren, was sie selber gefordert haben. Wir kommen aber an einer Entscheidung nicht vorbei, weder in Deutschland noch in Hamburg, und die Entscheidung muss heißen: Wir können und dürfen nicht weiter über unsere Verhältnisse leben.
Wer meint, mit weiteren Konjunkturprogrammen und Verschuldungen künstlich die Konjunktur stützen und auf diese Weise die Wirtschaft auf Dauer stabilisieren zu können, der befindet sich, davon bin ich überzeugt, aus verschiedenen Gründen auf einem Irrweg; das sind Strohfeuer. Was am Markt auf Dauer nicht Bestand hat, wird durch kein Konjunkturprogramm der Welt auf Dauer Bestand haben können. Da muss man in Krisenzeiten punktuell helfen, aber zu glauben, durch immer mehr Schulden dauerhaft die Konjunktur beleben zu können, halte ich für den falschen Weg.
Es ist eine Notwendigkeit, für Währungsstabilität einzutreten und dagegen, dass wir von der Inflation ergriffen werden. Schon jetzt haben viele Menschen allein aufgrund der Diskussionen und ihrer Angst vor einer Inflation Sorge um ihre Zukunft. Wenn Sie heute mit Menschen reden, dann betrifft das nicht mehr nur diejenigen, die schon abgerutscht sind oder unmittelbar drohen abzurutschen, sondern auch viele, die ihre Alterssicherung auf bestimmte Säulen gelegt und nun plötzlich Sorge haben, ob ihre Sicherheit im Alter aufgrund mangelnder Geldwertstabilität oder einer kommenden Inflation gefährdet wird, sei es die Rente, seien es Lebensversicherungen. Wir haben auch die Aufgabe, die Währung mit unseren Maßnahmen so gut wie möglich zu stützen, sodass diese Menschen nicht um ihre Vorsorge bangen und Angst vor dem Alter haben müssen. Sie brauchen unsere Solidarität.
Zu diesen allgemeinen Ursachen kommen noch weitere hinzu. Wie spätestens die Mai-Steuerschätzung gezeigt hat, ist eine Ursache für die notwendige Umkehr in der Finanzpolitik die Delle der wirtschaftlichen Entwicklung Ende 2008, 2009, 2010, die uns in Hamburg glücklicherweise nicht so hart getroffen hat wie den Bundesdurchschnitt. Wir verzeichnen einen Rückgang von 3 Prozent des Bruttosozialprodukts, auf Bundesebene sind es etwas über 5 Prozent. Trotzdem bedeutet die Delle dieser wirtschaftlichen Entwicklung, ein Rückgang von 3 Prozent im Bruttosozialprodukt, als Faustformel auch 3 Prozent weniger Steuereinnahmen, das sind rund 250, 260 Millionen Euro im Jahr.
Die Hoffnung, die Wirtschaft würde sich in den Jahren 2011, 2012, 2013, 2014 so schnell erholen, dass diese Delle nicht als Delle hängen bleibt, sondern durch ein großes Wachstum ausgeglichen wird, ist spätestens aufgrund der Steuerschätzung im Mai dieses Jahres zunichte gemacht worden, denn die Steuerschätzung hat eindeutig ergeben, dass diese Delle strukturell mit durchgetragen werden muss. Das heißt, aufgrund der Wirtschaftskrise in den letzten Jahren werden wir auch in den nächsten Jahren ein strukturelles zusätzliches Defizit von rund 250 Millionen Euro jährlich haben. Diesen Betrag schulden wir leider Gottes der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung – nicht nur der wirtschaftlichen Entwicklung in Hamburg, da geht es noch – in Deutschland und der Welt.
Hinzu kommt, dass sich die gesellschaftlichen Daten in der Bundesrepublik geändert haben; dies ist ein Thema für sich. Wir haben vermutlich alle mit Sorge die gestern veröffentlichte Studie über die Einkommensentwicklung, die soziale Entwicklung der Menschen gelesen. Aus dieser Studie resultiert, dass die Mittelschicht immer mehr nach unten wegbröckelt, dass zwar einige den Sprung nach
oben schaffen, aber aus der Mittelschicht selbst immer mehr Menschen in prekären Bereichen landen. Das führt dazu, dass immer mehr Menschen auf staatliche Hilfe in den unterschiedlichsten Bereichen angewiesen sind, denn hängen lassen können wir diese Menschen nicht. Das führt aber auch dazu, dass die These – diesem Trugschluss bin auch ich zum Teil erlegen –, wirtschaftliches Wachstum, wie wir es in den Jahren 2005, 2006, 2007, 2008 hatten, würde automatisch dazu führen, dass die Fallzahlen, wie es exekutiv so schön heißt, das heißt, die Menschen, die auf staatliche Hilfe angewiesen sind, aufgrund des Wirtschaftswachstums zurückgehen, nur zum Teil richtig ist. Einigen Leuten geht es zwar besser, der Mehrheit aber geht es schlechter.
Angesichts der wirtschaftlichen Entwicklung werden wir vermutlich auch in Zukunft höhere sogenannte Fallzahlen haben, also Menschen, die auf staatliche Hilfe angewiesen sind, und wir müssen jetzt vorsorgen und die Redlichkeit aufbringen, uns nichts schönzurechnen und zu hoffen, es würde schon gut gehen, sondern diese Entwicklung im Haushalt antizipieren. Diese Menschen brauchen Verlässlichkeit in ihrer Lebensplanung, in ihrer Sicherheit und darum darf es an dieser Stelle keinen Rückzug geben.