Protokoll der Sitzung vom 16.06.2010

Und dann tritt der Bürgermeister über Nacht in einer Pressekonferenz auf und erklärt den Haushaltsnotstand. Er begründet dies heute mit einer Mai-Steuerschätzung; hier komme ich zu der ersten unwahren Behauptung. Die Mai-Steuerschätzung hat keine neue Zahl gebracht und dieses Ergebnis hat niemanden überrascht, außer offensichtlich den Bürgermeister.

Dann hat er uns heute dargelegt, es gäbe viele gute Gründe für einen Neuanfang in der Finanzpolitik, bis hin zu Griechenland. Dazu kann ich nur sagen: selbstverständlich. Diese Steuermindereinnahmen in der Haushalts-, Wirtschafts- und Finanzkrise sind ein Problem unseres Haushalts, aber es ist eben nur ein Punkt.

Der zweite Punkt ist die Quittung für die unsolide Finanzpolitik der letzten Jahre. Allein der HSH-Nordbank-Skandal zog 1,6 Milliarden Euro Vermögensverlust in der Bilanz der Stadt nach sich, und daran ist der Senat maßgeblich beteiligt.

(Beifall bei der SPD)

Der dritte Punkt ist die bisherige Weigerung der CDU und leider auch der GAL in Hamburg, dafür einzutreten, dass es eine Vermögensteuer gibt und dass der Spitzensteuersatz erhöht wird. Diesen Punkt hat der Bürgermeister bis jetzt als CDU-Bundesvorstandsmitglied so behandelt, als sei dies alles nicht nötig, heute jedoch gibt es da ein Einlenken; das begrüßen wir. Was jetzt noch fehlt, ist eine Bundesratsinitiative für die Vermögensteuer, die den Ländern nach dem Grundgesetz zusteht. Beim vierten Punkt komme ich zum Sparen.

(Zurufe von der CDU)

Nein, zur Vermögensteuer hat der Bürgermeister bezeichnenderweise nichts gesagt, obwohl es in aller Munde ist und obwohl es auf der Tagesordnung steht, hier endlich einen Beitrag einzufordern.

(Beifall bei der SPD und bei Christiane Schneider und Mehmet Yildiz, beide DIE LINKE)

Der vierte Punkt, das wird Ihnen auch nicht gefallen, ist die Ausgabewut von Schwarz-Grün. Man kann es nicht oft genug sagen, Sie haben die laufenden Ausgaben in vier Jahren um 1,3 Milliarden Euro erhöht, und zwar Ausgabesteigerungen für Projekte, die mit sozialer Stadtentwicklung und Zukunftsinvestitionen nichts zu tun haben. Da sind die 40 Pressesprecher des Senats nur die Spitze des Eisbergs.

(Beifall bei der SPD)

Nachdem nun der Haushalt – im Grunde mit Ansage – gegen die Wand gefahren ist, erklärt uns der Bürgermeister heute noch einmal, es läge gar nicht an ihm, im Gegenteil, ihn habe das eher überrascht. Schuld an dieser Misere sei, dass irgendwie alle überall und schon immer über ihre Verhältnisse gelebt hätten. Das können Sie uns nicht erzählen, Sie haben über Ihre Verhältnisse gelebt, Sie haben in wirtschaftlich besten Jahren Defizite gemacht mit Luxusprojekten von der U4 bis hin zu den Mehrkosten der Elbphilharmonie. Sie haben Vermögen verkauft ohne Ende, Hafen, Krankenhäuser, Grund und Boden, und heute kommt eine Rede des Bürgermeisters gegen Privatisierung. Das passt nicht zusammen, denn Sie haben den SAGA-Mietern 500 Millionen Euro aus der Tasche gezogen,

(Jörn Frommann CDU: Mein Gott! – Kai Voet van Vormizeele CDU: So ein Blödsinn!)

um damit Ihr sogenanntes Sonderinvestitionsprogramm zu finanzieren, was darin besteht, dass Sie

(Senator Carsten Frigge)

die Mehrkosten der Elbphilharmonie daraus bezahlen. Das ist die Erkenntnis einer groß angekündigten Regierungserklärung.

Sie haben die HSH Nordbank in die Insolvenz geritten und Sie haben Schulden verschoben in Schattenhaushalte, das ist das griechische Modell. Und heute haben Sie ein weiteres Beispiel genannt, dass Sie die Haushalte und die Universitätssanierung nicht im Kernhaushalt, sondern auf andere Art und Weise finanzieren wollen. Bei Ihnen im Senat liegt das Problem, Herr Frigge, und bei niemandem sonst.

(Beifall bei der SPD)

Es ist richtig – Herr Senator, Sie haben es gerade noch einmal gesagt –, dass die CDU 18 Milliarden Euro Schulden von den Vorgänger-Senaten übernommen hat, und die sind eine Belastung. Aber ist das ein Grund, den Schuldenstand aus vielen Jahrzehnten innerhalb von zehn Regierungsjahren der CDU nahezu zu verdoppeln? Wo ist denn da die Logik?

(Beifall bei der SPD)

Früher war auch nicht alles Gold, das ist völlig richtig.

(Kai Voet van Vormizeele CDU: Das ist ein ganz schwaches Argument!)

Ja, Herr von Vormizeele, es gab früher auch Haushaltsjahre, in denen man Dinge hätte anders machen können.

Aber 18 Milliarden Euro Schulden sind das Ergebnis der von Ihnen viel zitierten 44 Jahre SPD-Regierung, in denen Hamburg nach dem Krieg wieder aufgebaut wurde.

(Zurufe von der CDU)

Da rede ich nicht über den öffentlichen Wohnungsbestand, der bei Ihnen komplett unter die Räder gekommen ist, sodass die Rentner zum Teil ihre eigenen Mieten nicht mehr bezahlen können, sondern ich rede zum Beispiel von der HHLA, die zu einem der weltweit leistungsfähigsten und modernsten Logistikunternehmen ausgebaut wurde

(Kai Voet van Vormizeele CDU: Reden Sie doch mal über die HEW!)

und die Sie einfach so verkauft haben, um 1,2 Milliarden Euro in einem unsoliden Haushalt zu verfrühstücken.

(Beifall bei der SPD)

Das mussten wir in den letzten zehn Jahren bei diesen unsoliden CDU-Finanzsenatoren erleben.

Dann komme ich zu einem Punkt, der mich auch gestört hat. Der Bürgermeister sagt, Hamburg stehe im Vergleich zu den anderen Bundesländern gut da. Wir haben noch vor wenigen Jahren 700 Millionen Euro in den Länderfinanzausgleich

eingezahlt. Es ist nicht schön, wenn man anderen Ländern so viel Geld geben soll, aber es war zugleich Ausdruck der großen Wirtschafts- und Finanzkraft Hamburgs im Vergleich zu den anderen Bundesländern. Im vergangenen Jahr hat Hamburg noch 20 Millionen Euro eingezahlt. Wir kommen von 700 Millionen Euro und sind fast auf Null. Die Stadt steht in der Wirtschafts- und Finanzkraft auf der Kippe zum Saarland und das ist das Ergebnis von zehn Jahren CDU-Finanzpolitik in Hamburg.

(Beifall bei der SPD)

Wir haben jetzt Pressekonferenzen erlebt, wichtige Senatsverhandlungen und eine Regierungserklärung und was ist praktisch dabei herausgekommen? Die Verlagerung der Universität wird gekippt. Das war reif wie faules Obst, kann man Ihnen nur sagen. Das ist seit einem halben Jahr von aller Welt hier in Hamburg gefordert worden und ist nun ein ganz konkretes Ergebnis.

Was ist nun mit den Punkten, die auf der Tagesordnung stehen. Beendet die GAL ihre 10-Millionen-Euro-Werbekampagne für die Umwelthauptstadt, von der außer Kosten niemand etwas hat, die nicht einmal der Umwelt zugute kommt, weil es eine reine Imagekampagne werden soll? Stoppt der Senat seine Planung für einen Neubau der BSU in Wilhelmsburg? Kein Wort dazu. 200 Millionen Euro für eine Planung, für die noch nicht einmal eine Haushaltsunterlage erstellt worden ist, wie es sich eigentlich gehört für öffentlichen Hochbau.

Und dann sagte der Bürgermeister, wir dürften in der Krise nichts finanzieren, was am Markt keinen Bestand habe. Das fand ich eine bemerkenswerte Aussage, Herr von Beust. Was ist eigentlich mit diesem Geheimvertrag, der bei einem Hamburger Notar liegt, mit dem die Stadt wohl auf einen zweistelligen Millionenbetrag – ich vermute irgendetwas zwischen 20 und 40 Millionen Euro – verzichtet, damit ein Konsortium Büroflächenleerstand in der HafenCity betreibt, auf Kosten der Steuerzahler? Staatliche Subventionen für zehntausende Quadratmeter teuerster Büroflächen, nur weil Schwarz-Grün nicht einräumen will, dass das Konzept zur Entwicklung der HafenCity nicht nur wohnungspolitisch, sondern auch wirtschaftlich komplett gescheitert ist.

(Beifall bei der SPD)

Wir haben eine lange Streichliste vorgelegt, von den obersten Behördenetagen bis zu den unterirdischen Schießständen der Polizei, und können nach dreitägigen Senatsverhandlungen hinter kaum einer Position einen Haken machen; das ist die nüchterne Bilanz.

Wenn man sich den geltenden Haushaltsbeschluss für 2010 ansieht und ihn mit dem abgerechneten Haushaltsjahr 2009 vergleicht, dann muss man

feststellen, dass die Sozialhilfe und die gesetzlichen Leistungen von Ihnen mit 80 Millionen Euro weniger ausgestattet worden sind und Sie im Umkehrschluss 600 Millionen Euro Mehrausgaben für Ihre Behörden machen, von denen nichts der sozialen Stadtentwicklung oder den Zukunftsinvestitionen dient.

Diese Haushaltsberatungen werden Sie mit uns so nicht führen können. Wir werden bessere Vorschläge machen und nicht hinnehmen, dass Sie Ihre schwarz-grünen Extratouren auf Kosten von Familien und Menschen mit geringem Einkommen finanzieren.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort bekommt Herr Goldberg.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Lieber Herr Neumann! – Wo ist er, ist er noch da?

(Michael Neumann SPD: Hier! Sie haben keinen Überblick!)

Schön, Sie zu sehen.

Ich werde versuchen, mich genauso kurz und präzise mit diesem Thema zu befassen, wie Sie das getan haben. Keine Sorge, das soll keine Drohung sein.

Heute haben wir zum ersten Mal gehört, dass Sie die Mitverantwortung der SPD für die Haushaltssituation zumindest rudimentär einräumen. Das ist ein Fortschritt; ich finde das toll und hoffe, dass es in dieser Form mit Ihnen weitergeht.

Herr Neumann, Sie bringen leider viele Dinge durcheinander, besonders, wenn Sie anfangen, mit Zahlen zu jonglieren, das sollten Sie vielleicht doch besser Herrn Tschentscher überlassen. Nehmen wir ein Beispiel. Sie beklagen, wir hätten höhere Steuereinnahmen gehabt und diese im Haushalt verfrühstückt. Diese Steuereinnahmen hätten nicht ausgereicht, lieber Herr Neumann, um die Zinsen für die Schulden zu bezahlen, die Sie uns hinterlassen haben. Damit fängt es an.

Dann sagen Sie, Sie hätten uns Schulden in Höhe von 18 Milliarden Euro hinterlassen. Gott sei Dank haben wir jetzt die Doppik eingeführt und können feststellen, dass das so nicht stimmt. Es sind knapp 20 Milliarden Euro mehr, weil Sie nämlich keine Vorsorge gebildet haben für die Altersversorgung der ausgeschiedenen und zukünftig ausscheidenden Mitarbeiter der öffentlichen Hand. Die tatsächliche Verschuldung der Stadt war und ist wesentlich höher. Es wäre schön, wenn Sie das zur Kenntnis nehmen würden.

In einem Punkt haben Sie natürlich recht. Wir haben in den ersten Jahren des Senats von Beust,

zu den Zeiten von Herrn Peiner, die Konsolidierung möglicherweise nicht konsequent genug umgesetzt. Ich darf Sie aber daran erinnern, dass vor allem Sie es waren, die bei jedem einzelnen von uns in der Bürgerschaft gefassten Beschluss zur Ausgabenreduzierung massiv protestiert und gesagt haben, es werde viel zuviel eingespart. Von zu wenig Einsparung hat man zu der Zeit nichts von Ihnen gehört, gar nichts.