Protokoll der Sitzung vom 29.05.2008

(Olaf Ohlsen CDU: Sie haben das wohl ab- geschrieben, oder was?)

Aber diese 2006 bereits vorliegenden Erfahrungen haben Sie nicht daran gehindert, Videokameras auf der Reeperbahn zu installieren. Die offensichtliche Nutzlosigkeit der Videokameras auf der Reeperbahn – Nutzlosigkeit gemessen am erklärten Anspruch – hat Sie nicht davon abgehalten, Videokameras dann auch noch auf dem Hansaplatz zu installieren. Mehr noch: Der Datenschutzbeauftragte hatte als Vorbedingung für die Installation am Hansaplatz eine unabhängige Evaluierung der Videoüberwachung Reeperbahn gefordert. Das hat die Polizei ebenso abgelehnt wie die geforderte Risikoanalyse und die geforderte Verfahrensbeschreibung. Überhaupt liest sich der Bericht des Datenschutzbeauftragten zum Thema polizeiliche Videoüberwachung wie ein Schauermärchen, was den Umgang der Polizei mit den Grundrechten der Bürgerinnen und Bürger betrifft. Buchstäblich jede noch so geringfügige Einhaltung grundrechtlicher Minimalstandards – man mag nicht einmal Mindeststandards sagen –, die überhaupt durchgesetzt werden konnte, bedurfte längerer Auseinandersetzung und ständiger Ermahnungen. Nach eigenen Angaben hat Hamburg seit 2005 fast 1,4 Millionen Euro für die Videoüberwachung ausgegeben, wobei die laufenden Betriebs- und Personalkosten nicht enthalten sind – Mittel, die Ihnen vielleicht nicht besonders hoch vorkommen, die aber in den Bereichen, die tatsächlich zur Kriminalprävention beitragen, schmerzlich fehlen und die im Hinblick auf das von Ihnen selbst angegebene Ziel schlicht zum Fenster hinausgeschmissen sind,

(Beifall bei Dora Heyenn DIE LINKE)

und zwar – das kommt verschärfend hinzu – wider besseres Wissen.

Diese kostspielige Nutzlosigkeit der Kameras ist aber nur ein Punkt unserer Kritik und nicht einmal der Wichtigste; ich deutete es schon an.

Die CDU muss sich fragen lassen, aus welchen Gründen sie die Videoüberwachung entgegen den Ergebnissen dieser Studien überhaupt eingeführt hat und warum sie weiter an ihr festhält. Ich gebe auch gerne die Antwort: Ich kann nämlich keine anderen Gründe erkennen als das ordnungspolitische Credo, die Bürgerinnen und Bürger fest im Blick und unter Kontrolle des Staates zu halten.

(Beifall bei der LINKEN – Zurufe von der CDU)

Großartiges Niveau.

Frau Möller, Sie sagten, man werde sehen, was das Ergebnis sei. Ich weiß nicht, was Sie jetzt noch Neues sehen wollen.

(Glocke)

Frau Schneider, darf ich Sie einmal unterbrechen? Meine Damen und Herren! Ich darf um etwas mehr Ruhe bitten.

– Vor allem um etwas mehr Niveau.

(Beifall bei der CDU – Zurufe von der CDU)

Dass sich die schwarz-grüne Koalition im Koalitionsvertrag auf die Fortsetzung der Videoüberwachung im öffentlichen Raum bis auf Weiteres festgelegt hat, bedeutet für die GAL und ihren Anspruch, die Bürgerrechte zu verteidigen, ein Armutszeugnis.

Liebe Abgeordnete von der GAL! Ihre Kritik an der Videoüberwachung, die Sie in der letzten Legislaturperiode vorgebracht haben, hat ihre Berechtigung nicht verloren. Nur laufen Sie Gefahr, Ihre bürgerrechtlichen Maßstäbe zu verlieren. Sie sind schon von Herrn Dressel zitiert worden, Frau Möller. Es ist gerade ein Jahr her, dass Sie dem seinerzeitigen Innensenator die Verletzung der Freiheitsrechte und die Einschränkung der Grundrechte vorgeworfen haben und angeprangert haben, dass durch die Videoüberwachung allein auf der Reeperbahn jährlich 25 Millionen Menschen polizeilich erfasst und quasi erkennungsdienstlich behandelt wurden.

(Robert Heinemann CDU: Das ist unglaub- lich!)

Diese Kritik halten wir voll und ganz aufrecht. Die Videoüberwachung muss beendet werden. Die Antwort des Senats auf die Anfrage der SPD liefert kein einziges Argument dagegen. – Danke.

(Beifall bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren! Das Wort hat der Herr Innensenator.

(Karl-Heinz Warnholz CDU: Jetzt geht's rund!)

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe zwar eine Rede vorbereitet, aber es gibt so viele schöne Vorlagen, dass man geneigt ist, spontan auf diese Vorlagen einzugehen.

Zunächst bin ich wirklich erfreut und dem Kollegen Dr. Dressel dankbar, dass er zu einer wesentlichen Steigerung, was das Niveau der Debatte angeht – in der Aktuellen Stunde haben Sie nur rumgepoltert –, beigetragen hat und wenigstens den, wenn auch untauglichen, Versuch unternommen hat, mit Argumenten zu punkten; das ist aber nicht gelungen.

(Christiane Schneider)

(Ingo Egloff SPD: Die Beurteilung ist dem geneigten Beobachter zu überlassen und nicht Ihnen!)

Zunächst zu Ihnen, Frau Schneider. Dass ausgerechnet Sie als Vertreterin einer Partei, die bekanntermaßen unter anderem aus einer anderen Partei hervorgegangen ist, die, wenn ich mich historisch richtig erinnere, ein bisschen was mit Beobachtung von Bürgerinnen und Bürgern zu tun gehabt hat – ich will mich einmal ganz vorsichtig ausdrücken –,

(Beifall bei der CDU)

mit diesem Argument kommen – es ist eine von vielen Maßnahmen, die Herr Voet van Vormizeele angesprochen hat, um Kriminalität in Kriminalitätsschwerpunktbereichen zu bekämpfen –, finde ich etwas putzig.

(Heiterkeit bei der CDU)

Wenn Sie sagen, Sie vermissten Niveau, dann geht das vielen in diesem Saal so, wenn Argumente kommen, die wirklich jenseits der Realität sind.

(Ingo Egloff SPD: Das war nur auf Ihre Frak- tion bezogen!)

Es ist weder Ihnen, Frau Schneider, noch Herrn Dr. Dressel gelungen – dass man diesen Versuch unternimmt, ist legitim –, aus alten Äußerungen, die wir beide nicht zurückzunehmen haben, weder Frau Möller noch ich, einen künstlichen Dissens zu konstruieren, der, wie Sie selbst immer sagen, Herr Dr. Dressel, den Kompass dieser Koalition vermissen lässt.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Das hat Sie ge- ärgert!)

Das ärgert mich überhaupt nicht.

Der Kompass ist klar und der Kompass heißt, wir werden gemeinsam ausloten, was für die Sicherheit der Menschen das Beste ist.

(Zuruf von Dr. Andreas Dressel SPD)

Hören Sie einfach mal zu, Herr Dr. Dressel.

Sie wissen selbst, was im Gesetz steht, dass die Videoüberwachung als eine der Maßnahmen, die wir mit dem neuen Polizeigesetz eingeführt haben, nach drei Jahren evaluiert wird.

(Ingo Egloff SPD: Das ist dann der 89. Prüf- auftrag!)

Wir haben uns noch einmal darauf verständigt, das besonders intensiv zu tun, das anhand von bestimmten Kriterien zu tun und dann werden wir sehen. Diese Evaluierung der Videoüberwachung ist ergebnisoffen und wir werden schauen, ob die ausgewählten Standorte die richtigen sind und ob dieses Instrument das richtige ist. Nur eines – das müssen Sie sich auch anhören, Herr Dr. Dressel – ist nicht eingetreten, was Sie uns immer vorgewor

fen haben. Wir haben weder den Orwellschen Überwachungsstaat erreicht

(Dr. Andreas Dressel SPD: Das haben wir Ihnen nie vorgeworfen!)

noch haben wir, Frau Schneider, Londoner Verhältnisse, wenn wir an wenigen Kriminalitätsschwerpunkten, bisher nur am Hansaplatz und auf der Reeperbahn, mit der Videoüberwachung ein Instrument eingeführt haben, das als eines von einem Bündel von verschiedenen Maßnahmen dafür sorgen soll, dass die Sicherheit für die Menschen in dieser Stadt steigt. Wir haben auf der Reeperbahn, das wissen Sie genau, nicht nur die Videoüberwachung, sondern ein Waffentrageverbot eingeführt, wir haben eine freiwillige Selbstverpflichtung gegen die Glasflaschenverwendung bei alkoholischen Getränken erreicht. Wir haben ein Bündel von Maßnahmen und da können Sie nicht sagen, dass wir vorher behauptet hätten – das stimmt nicht –, Videoüberwachung sei ein Allheilmittel und nur wenn die Videoüberwachung komme, würde alles besser werden. Wenn Sie schon die Zahlen interpretieren, dann müssen Sie sie auch richtig interpretieren.

Die erste Botschaft, die Sie dann bitte auch zur Kenntnis nehmen müssen, heißt: Die Kriminalität ist im ersten Quartal zurückgegangen. Insofern ist Ihre Argumentation schlichtweg überholt und basiert auf Zahlen, die so nicht mehr stimmen.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Besonders bemerkenswert, Herr Dr. Dressel, ist auch die Forderung – hannoversches Beispiel – eines Aufenthaltsverbots; das ist jetzt die ganz große neue Idee. Wir haben ein Aufenthaltsverbot als Maßnahme im Polizeirecht und wissen Sie, warum wir das haben, weil wir dieses Polizeirecht, nachdem Sie es mehrere Jahrzehnte verbummelt haben, durchgesetzt haben, und zwar gegen Ihre Stimmen.

(Beifall bei der CDU)

Hätten Sie damals die Mehrheit gehabt, hätten wir dieses Instrument heute noch nicht.

(Vizepräsidentin Nebahat Güclü übernimmt den Vorsitz.)

Dass Sie heute den Einsatz von Aufenthaltsverboten fordern, obwohl wir sie dort durchführen, wo es angemessen und aus grundrechtlichen Prinzipien vertretbar ist, dass Sie ein Instrument fordern, das Sie selber in diesem Hause abgelehnt haben,

(Zuruf von Dr. Andreas Dressel SPD)

finde ich sehr merkwürdig. Herr Dr. Dressel, Sie haben das gesamte Polizeirecht abgelehnt und darin waren auch Instrumente wie das Aufenthaltsverbot.