Protokoll der Sitzung vom 15.09.2010

sagte ich, das seien Vorschusslorbeeren und dieser Titel müsse erst verdient werden. Adel verpflichtet, darum sind unsere Erwartungen hoch

(Frank Schira CDU: Was ist das denn für ei- ne Einstellung!)

und darum wollen wir uns nicht mit dem zufriedengeben, was Sie uns in Ihrer Haushaltsdrucksache präsentiert haben, nämlich weiter nichts als die Finanzierung von Marketingmaßnahmen.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Die Auszeichnung Umwelthauptstadt ist auch für uns fein, aber daraus muss etwas erwachsen, und zwar mehr als Marketing.

Nach der Pressekonferenz konnten wir feststellen, dass nun, abgesehen von Veranstaltungen und Kongressen, mehr kommt, aber es ist viel alter Wein in neuen Schläuchen. Herr Ahlhaus verkauft die laufenden Planungen altbekannter Projekte wie den A7-Deckel oder die Verlegung der Wilhelmsburger Reichsstraße als Beitrag zur Umwelthauptstadt und das ist nicht glaubwürdig. Wenn es um "Hamburg räumt auf!" oder eine Recycling-Offensive geht, dann ist das eher peinlich, denn Hamburg trägt, Herr Hackbusch hat es gesagt, in Sachen Recycling und Mülltrennung die rote Laterne und hat deswegen ein besonders hohes Müllaufkommen.

(Beifall bei Ole Thorben Buschhüter SPD)

Lang Geplantes wird nun erneut vorgetragen, so der Ausbau der Radwege oder die Elektroautos, über die wir schon vor der Sommerpause diskutiert

haben. Im Übrigen hat Hamburg dieses Projekt der Bundesförderung zu verdanken.

Echt perspektivisch, Frau Stöver hat darauf hingewiesen, ist der Biotopverbund. 15 Prozent der Landesfläche – entgegen den 10 Prozent, die das Bundesnaturschutzgesetz verlangt – will Hamburg künftig als Biotopverbund ausweisen. Die Umwelthauptstadt 2011 wird allem Anschein nach allerdings ohne Biotopverbund auskommen müssen. Das Projekt scheint in der Koalition hoch umstritten zu sein und kommt nicht recht voran. Wir wissen aus entsprechenden Senatsantworten, dass es 2011 bestenfalls Konzepte geben wird. Die planrechtliche Umsetzung ist nicht vor 2012 vorgesehen und dann ist nicht nur die Zeit der Green Capital vorbei, sondern auch die der Koalition.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Der Senat will die Klimaschutzstandards in öffentlichen Gebäuden anheben; prima. Dumm ist nur, dass die CDU inzwischen viele öffentliche Gebäude verkauft hat. Wir haben noch die Schulgebäude, aber die sind in das Sondervermögen Schulbau verbannt, sodass wir keinen direkten Zugriff auf die Gebäude haben. Die Umsetzung dieser Ziele ist sehr schwierig und nur mit privaten Investoren möglich, die sich aber, wie wir wissen, nicht darum drängen.

Der Bürgermeister will den städtischen Wohnungsbaugesellschaften nun auch zeigen, wie man bezahlbaren, ökologisch hochwertigen Wohnraum, obendrein mit höheren Standards ausgestattet, schafft. Im vorliegenden Ausschussbericht konnte man dazu lesen:

"Zielkonflikte hinsichtlich der Preise und Kosten werden zukünftig zu diskutieren sein."

Glaubhafter wäre gewesen, der Bürgermeister hätte ein Zeichen gesetzt und konkret gesagt: Dort und dort machen wir dieses oder jenes Projekt zur Energieeffizienzsteigerung, im Altbau oder auch im Neubau. Das wäre etwas Handfestes gewesen, so steckt nur heiße Luft dahinter.

Außerdem hat die CDU-geführte Bundesregierung gerade die Fördermittel für energieeffizientes Bauen und Wohnraumsanierung entweder ganz gestrichen oder drastisch gekürzt. Man darf den Erfolg der Standarderhöhungen also getrost bezweifeln, ganz abgesehen davon, dass möglicherweise auch die Einhaltung der EnEV unter die Räder kommt, weil die Mittel dafür fehlen. Bürgermeister Ahlhaus fehlt offensichtlich noch der Blick nach Berlin, sonst hätte er dort vielleicht einmal interveniert, antichambriert und verhindert, dass eine solche Politik seine Vorhaben in Hamburg durchkreuzt.

Die Lovestory zwischen Ökonomie und Ökologie will der Bürgermeister mit der Bildung eines Clu

sters oder Netzwerks für erneuerbare Energien festschreiben, von einem Silicon Valley war sogar die Rede. Silicon Valley ist weit weg angesichts dessen, was der Senat noch vor 14 Tagen auf die Kleine Anfrage meines Kollegen Karl Schwinke antwortete:

"Defizite bestehen bei der Vernetzung der Branche untereinander sowie zwischen Branche und Hochschulen."

"Erfahrungen, Ergebnisse sowie konkrete Projekte aus der Clusterarbeit [zu erneuerbaren Energien] können daher noch nicht dargestellt werden."

"Die Produktion hat im Bereich der erneuerbaren Energien am Standort Hamburg keine erhebliche Bedeutung."

Außerdem gebe es keine Technologieplattformen, nur eine Initiative an der HAW, die sich planmäßig gut entwickelt. Wenigstens etwas, kann ich da nur sagen. Es ist tatsächlich gut und ausbaufähig, was an der HAW gemacht wird.

An Geld kann es nicht mangeln. 2009 hat man 667 000 Euro aus dem Klimakonzept zur Gründung einer Netzwerkagentur locker gemacht und die Kreditkommission hat in den letzten fünf Jahren über 400 000 Euro für Unternehmensansiedlungen im Bereich erneuerbare Energien bewilligt. Ganze 15 000 Euro sind bisher in die Einrichtung von zwölf Arbeitsplätzen investiert worden. Nach großartigem Cluster sieht das nicht aus. Jetzt heißt es plötzlich, es hätten sich 100 Unternehmen am Standort gefunden; so schnell, Donnerwetter. Das Thema ist also ausbaufähig und wir sind gespannt. Überraschungen sind offensichtlich schon im Rohr, wie Frau Stöver gesagt hat.

Das Wachstum der Branche wird in Hamburg allerdings nach wie vor nur an der Ansiedlung von Konzernzentralen und nicht an der Zunahme ihrer Produkte gemessen. Ob das Wachstum der erneuerbaren Energien in Deutschland insgesamt und in Hamburg so erfolgreich bleibt wie bisher, ist offen, denn mit der Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke hat die CDU-geführte Bundesregierung gerade ein wesentliches Hindernis für die weitere Prosperität der erneuerbaren Energien aufgetürmt. Wenn die Netze mit Energie aus Atomkraft vollgestopft werden, ist kein Platz für Strom aus erneuerbaren Energien. Das verunsichert die Branche und bewegt sie nicht zur Expansion, das muss man einfach sehen. Wenn Bürgermeister Ahlhaus es ernst meint mit dem Aufbau des Clusters erneuerbare Energien, dann müsste er Seite an Seite mit seiner Umweltsenatorin dagegen vorgehen. Frau Hajduk hat sich bereits Ende August verpflichtet, im Fall einer Umgehung des Bundesrates gemeinsam mit anderen Bundesländern eine Klage beim Verfassungsgericht zu unterstützen. Ich hoffe, dass der Bürgermeister dort mitzieht, denn erst,

wenn die Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke fällt, wäre das Netzwerk erneuerbare Energien wirklich ausbaufähig, auch in Hamburg. Ich fürchte aber, dass Kritik an der Atomförderpolitik der Bundesregierung nicht in das neue Profil der CDU passt.

Die GAL hat zu Beginn der Sitzung Tüten mit Mindestausstattung für die Demo verteilt, darunter eine Notfalltelefonliste. Sie müssten Herrn Ahlhaus einmal die Telefonnummer von Frau Merkel zustecken, damit er dort antichambriert, anruft und sagt: Liebe Angie, die Laufzeitverlängerung macht uns unser Cluster kaputt, wir können das nicht brauchen, lass das.

Das grüne Lindenblatt, neues Symbol für die Umwelthauptstadt Hamburg, würde bei einer Renaissance der Atomkraft eher welken und abgestorben zu Boden fallen, als die neue Liebe zwischen Umwelt und Wirtschaft zu symbolisieren. Seit Siegfried wissen wir, dass ein Lindenblatt die verletzliche Stelle nur verdeckt und nicht schützt. Sie können davon ausgehen, dass wir als Opposition natürlich diese verletzliche Stelle suchen werden, ganz sicher auch bei der Umwelthauptstadt. Die neue Lovestory zwischen Christoph und Anja wird, wenn es bei der Laufzeitverlängerung bleibt, eher zu einem Drama à la Romeo und Julia. Wir werden den Fortgang beobachten. Beim Konzept für die Umwelthauptstadt trägt nicht einmal die Symbolik, wenn in wesentlichen Fragen die Übereinstimmung in der Koalition fehlt.

(Antje Möller GAL: Aber so richtig sachlich begründen können Sie das alles nicht, was Sie sagen, oder?)

Das ist doch klar. Ihre Lovestory wird von der Verlängerung der Laufzeiten gestört, denn Sie wissen doch genau, dass die erneuerbaren Energien dann auf der Strecke bleiben. Das weiß inzwischen jedes Kind. Sie sollten nicht mit solchen Projekten Marketing betreiben, die die erneuerbaren Energien voranbringen sollen, denn die werden durch den Weiterbetrieb der Atomkraftwerke ausgebremst. Das wissen Sie natürlich auch, Frau Möller.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD und bei Do- ra Heyenn DIE LINKE)

Die Versöhnung von Ökonomie und Ökologie muss der Senat also in Zukunft erst noch belegen, nur dann ist das Konzept ausbaufähig. Aber wir haben von Frau Stöver gehört, dass es noch Überraschungen geben darf. Das ist gut, denn Green Music Diners, Infopoints und die Veranstaltungen von Kongressen fördern die Umwelt wohl kaum. All das ist eher fragwürdig, genauso wie der Nutzen des Zuges der Ideen, der ohnehin zur rollenden Modenschau für alte Hüte zu werden droht. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Vizepräsident Wolfgang Joithe–von Krosigk: Das Wort hat Frau Weggen.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir haben in den letzten zweieinhalb Jahren eine Elbstiftung gegründet, ein neues, umfangreiches Naturschutzgesetz verabschiedet und dabei das Hafenprivileg deutlich in die Schranken gewiesen.

(Arno Münster SPD: Oh, oh!)

Wir haben Hamburg durch ein unglaublich erfolgreiches Fahrradleihsystem umweltfreundlich mobil gemacht. Wir planen die Stadtbahn und wir verbessern den Radverkehr in Hamburg. Herr Hackbusch, zu einem gewissen Teil teile ich Ihre Einschätzung, dass die Fahrradwege noch nicht so optimal sind, wie sie eigentlich sein müssten, aber es wird täglich besser; das sieht und spürt man, wenn man Fahrrad fährt.

(Arno Münster SPD: Alles nur heiße Luft, mehr ist das doch gar nicht!)

Wir haben HAMBURG ENERGIE und die Hamburger EnergieAgentur Hamea gegründet. Wir haben ein umfangreiches und erweitertes Klimaschutzkonzept mit vielen wichtigen Einzelmaßnahmen, die zusammen 40 Prozent weniger CO2 bis 2020 erreichen sollen. Wir haben den Deckel über die A7 deutlich vorangebracht. Wir haben neue Naturschutzgebiete ausgewiesen und bereits bestehende erweitert. Das sind nur einige der Dinge, die wir für den Umwelt- und Klimaschutz in Hamburg tun. Und genau deshalb, weil wir so viele engagierte Projekte vorantreiben, sind wir europäische Umwelthauptstadt 2011 geworden.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Wir sind Umwelthauptstadt mit dem besten Ergebnis von allen Bewerberstädten und waren vor allem im Klimaschutz Spitzenreiter.

(Glocke)

Vizepräsident Wolfgang Joithe–von Krosigk (unterbrechend) : Ich bitte um mehr Ruhe. Der Lärmpegel steigt wieder sehr an und ich bitte Sie, ihn abzusenken. – Vielen Dank.

Vielen Dank, Herr Präsident.

Ich setze noch einmal an: Wir sind europäische Umwelthauptstadt 2011 und das zu Recht.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der CDU)

Wir haben noch viel vor: Eine Recycling-Offensive, das wurde schon mehrfach angesprochen, wird kommen und derzeit prüfen wir die Wiederverfügung der Netze in öffentliche Hand. Das bietet eine

unglaublich große Chance, unsere Klimaschutzanstrengungen weiter zu verstärken. Soweit zu meiner Bilanz, Herr Hackbusch.

Liebe SPD, liebe LINKE, es tut mir leid – oder auch nicht –, aber Ihre Kritik läuft ins Leere. Wir haben zumindest von der SPD ein kleines Bekenntnis zur Umwelthauptstadt gehört; das ist sehr erfreulich. Wenn ich mir aber Ihre Pressemitteilung von gestern anschaue, liebe LINKE, dann schreiben Sie über unser Klimaschutzkonzept, es sei ein Sammelsurium aus Einzelmaßnahmen, das planerische Ansätze und eine echte Klimastrategie vermissen lasse.

(Dora Heyenn DIE LINKE: Richtig! und Bei- fall bei Christiane Schneider DIE LINKE)

Dieses seltsame Argument bringen Sie schon seit zwei Jahren, gefühlt seit fünf Jahren, aber eine Antwort haben Sie noch nicht gefunden. Zeigen Sie mir doch einmal diese eine, großartige Maßnahme, mit der wir so viel CO2 sparen können, dass wir uns bequem zurücklehnen könnten, um abzuwarten, was die Zukunft bringt. So eine Maßnahme gibt es nicht.

(Vereinzelter Beifall bei der GAL und der CDU)