Protokoll der Sitzung vom 29.09.2010

(Christiane Schneider DIE LINKE: Sie brau- chen aber keinen hinzuschicken!)

und Herr Bischoff würde lange Reden darüber halten, dass und wo wir Geld umsonst ausgeben würden. Wir kommen aus diesem Vertrag nicht früher heraus, haben in den letzten Wochen und Monaten unser Kontingent in Nostorf aber zum Teil erheblich heruntergefahren und zeitweise nur noch bis zu 15 Menschen in einzelnen Monaten dort untergebracht. Wir haben aber einen enormen Anstieg an Erstaufnahmen, dem die Kapazitäten unserer eigenen Einrichtungen in der Sportallee bei weitem nicht gerecht werden. Nur aus diesem Grund haben wir uns entschlossen, kurzfristig auch wieder Familien in Nostorf unterzubringen, bis wir andere Möglichkeiten gefunden haben. Das ist nicht schön, aber es ist die einzige Möglichkeit, diesen neuen Zahlen – und die sind sehr, sehr hoch – gerecht zu werden.

Wir brauchen eine Lösung für dieses Problem. Der entscheidende Punkt ist, dass wir mit Nostorf und der Sportallee über Erstaufnahmeeinrichtungen reden, in denen die Menschen nicht dauerhaft bleiben sollen. Das eigentliche Problem ist, dass der Abfluss der Menschen aus diesen Erstaufnahmeeinrichtungen in die darauf folgende dezentrale Unterbringung nicht ausreichend funktioniert und nicht schnell genug erfolgt. Daran müssen wir arbeiten. Wir müssen dafür Sorge tragen, dass die Menschen möglichst schnell aus den Erstaufnahmeeinrichtungen herauskommen, damit wir dort wieder die Plätze haben, die wir brauchen. Das ist der Lösungsansatz, über den wir in den nächsten Wochen und Monaten in der Regierungskoalition werden reden müssen.

Aber noch einmal ganz deutlich: Wir haben keine menschenunwürdigen Zustände. Wir haben ein Problem, das wir gemeinsam lösen, und wir werden die Zusammenarbeit mit Nostorf im nächsten Jahr beenden, weil wir unseren Koalitionsvertrag entsprechend gestaltet haben, aber Nostorf ist nicht menschenunwürdig.

(Mehmet Yildiz)

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der GAL)

Das Wort bekommt Herr Hakverdi.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr van Vormizeele, ich kann es Ihnen nach Ihrer Rede nicht ersparen, aus dem Koalitionsvertrag zu zitieren, was Sie und Ihr Koalitionspartner vorhatten, was die Unterbringung in Horst angeht. Ich zitiere:

"Die Unterbringung neu eingereister Flüchtlinge soll in Zukunft in Hamburg erfolgen. Hamburg strebt die vorzeitige Beendigung der Beteiligung an der Aufnahmeeinrichtung an und wird darüber mit Mecklenburg-Vorpommern in Verhandlungen eintreten."

Das sagten Sie eben auch.

"Bis zum Ende der Beteiligung Hamburgs an der Aufnahmeeinrichtung in Nostorf/Horst"

und das ist der entscheidende Punkt –

"soll nur noch die vertraglich vereinbarte Mindestbelegung genutzt werden. Familien mit Kindern sollen grundsätzlich in Hamburg in familiengerechtem Standard untergebracht werden."

Sie selbst haben die Aufnahmeeinrichtung in der Sportallee erwähnt. Wir haben, ein glücklicher Umstand, heute die Senatsantwort auf eine Kleine Anfrage der Kollegin Bekeris erhalten. Sie haben sich eben erdreistet zu sagen, die Flüchtlingszahlen in Horst würden heruntergefahren. Ich habe hier die aktuellen Zahlen: Mitte Juni waren dort 37 Flüchtlinge untergebracht, Ende Juni 33; tatsächlich ein Minus von vier. Im Juli waren es 30 Flüchtlinge, also noch einmal drei weniger. Dann geht es hoch auf 34, 36, 58, 59, 73, 77 bis, Stand 16. September 2010, 128 Flüchtlinge. Ich weiß nicht, was Sie unter herunterfahren verstehen, aber ein Vervierfachen ist es üblicherweise nicht.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN – Kai Voet van Vormizeele CDU: Haben Sie eben nicht zugehört?)

Kommen wir zu Ihren Bemühungen, Menschen kurzfristig menschenwürdig unterzubringen. Ich will das Kriterium menschenwürdig nicht zu sehr strapazieren. Ich selber war in Horst nicht dabei, denn ich habe erst 17 Stunden vor dem Termin von ihm erfahren. Die SPD-Fraktion hat sich bemüht, von der Behörde für Inneres alsbald einen neuen Termin zu bekommen. Anfangs habe ich mich schon geärgert, weil ich vor einer solchen Debatte natürlich gern vor Ort gewesen wäre. Wenn ich mir allerdings die Berichte von Herrn Yildiz und von meiner Fraktionskollegin aus Schwerin anhöre, dann bin ich vielleicht sogar froh, das nicht gesehen zu

haben. Aber andererseits darf sich Politik nicht davor drücken, sich das anzugucken.

(Wolfgang Beuß CDU: Was soll das denn heißen! – Olaf Ohlsen CDU: Lass mal die Luft raus!)

Wenn wir es uns leisten wollen, Menschen, die in unserem Land Aufnahme finden, so zu behandeln, dass wir davon ausgehen, dass sie niemals Teil unserer Gesellschaft sein werden und wir deswegen andere Kriterien für sie anwenden, dann mag das zwar formell in Ordnung sein, aber Sie wissen doch selber, dass ein Teil dieser Menschen langfristig in Deutschland bleiben wird.

Ich zitiere in diesem Zusammenhang einen Fall, der zurzeit durch die Presse geht, dass eine äußerst talentierte junge Hamburgerin, die in Afrika geboren wurde, nun formalrechtlich korrekt abgeschoben werden soll. Nach Recht und Gesetz ist alles in Ordnung, doch mittlerweile setzt sich mehr oder weniger jeder für sie ein, selbst der Wirtschaftssenator.

(Olaf Ohlsen CDU: Auch die Fraktionen set- zen sich ein! – Frank Schira CDU: Auch die Fraktion!)

Ich gehe davon aus, dass wir morgen in der Härtefallkommission die Kuh vom Eis bekommen werden. Ich zitiere den Wirtschaftssenator. Er frage sich, warum im Ausland um talentierte Menschen geworben werde, wo doch hier im Lande Talente vorhanden seien, die wir nur entdecken müssten. Das ist der eigentliche Skandal.

(Viviane Spethmann CDU: Zum Thema!)

Ich komme gleich zum Thema.

(Frank Schira CDU: Sie müssen jetzt mal zum Thema kommen!)

Wenn wir eine sehr begabte Zwanzigjährige haben, eine hoch talentierte junge Frau, und alle, einschließlich der Zeitungen aller politischen Couleur, sich für sie einsetzen – das habe ich schon Ihrer Kollegin Ahrons gesagt, ich komme gleich zum Thema –,

(Viviane Spethmann CDU: Das hat doch da- mit überhaupt nichts zu tun!)

dann ist dieses Talent sehr leicht zu entdecken. Das ist, wenn jemand erst einmal eine Abiturnote erzielt hat, die für das Chemiestudium qualifiziert, und am Ende nur noch formelle Gründe ein Hinderungsgrund sind, kein Problem. Aber jetzt frage ich Sie, Herr Schira, und Ihre Kollegen: Was ist denn mit diesem kleinen Jungen, der in Nostorf von meiner Fraktionskollegin aus Schwerin befragt wurde und der ganz offensichtlich keine Sprachförderung erhält, so wie er sie, wenn er ganz normal eine Hamburger Schule besuchen würde, selbstverständlich erhielte? Der Skandal ist doch, Herr Schira, dass wir in Nostorf ein Talent, wenn es dort ei

(Kai Voet van Vormizeele)

nes gäbe, wegen der Umstände, die Sie zu verantworten haben, gar nicht entdecken würden. Das ist der eigentliche Skandal.

(Beifall bei der SPD und bei Dora Heyenn DIE LINKE)

Die Evidenzfälle mit hoch talentierten Schülerinnen – ich hoffe, dass wir das morgen in der Härtefallkommission regeln können – sind kein Problem.

(Olaf Ohlsen CDU: Das ist ja Kraut und Rü- ben, was Sie hier von sich geben!)

Die eigene Benotung Ihrer Behörde, was die Zustände der Unterbringung in der Sportallee angeht, lautet:

"Die zuständige Behörde bewertet zurzeit die Platzkapazitäten aufgrund der aktuellen Belegungssituation als nicht ausreichend."

Mit anderen Worten: mangelhaft. Ich habe dem nichts hinzuzufügen. – Danke.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Das Wort bekommt Frau Heitmann.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Vielleicht löst es Verwunderung aus, dass ich nach vorne trete und nicht Frau Möller, unsere flüchtlingspolitische Sprecherin, aber in meiner Funktion als Mitglied im Eingabenausschuss – den momentan jeder zu kennen scheint, auch wenn er nicht drinnen sitzt –

(Jörn Frommann CDU: Die können alle mal mitarbeiten!)

war ich auf Einladung Mecklenburg-Vorpommerns letzte Woche auch in Nostorf. Da Sie, Herr Yildiz, Ihre Forderungen sehr stark auf das stützen, was Sie dort gesehen haben, möchte ich darauf noch einmal eingehen.

Sie sprechen von unzumutbaren Zuständen und haben nun schon in mehreren Pressemitteilungen die sofortige Schließung der Unterkunft gefordert. Bei Nostorf handelt es sich um eine Einrichtung Mecklenburg-Vorpommerns. Wir haben dort lediglich Plätze angemietet, aber ob diese Einrichtung langfristig geschlossen wird oder nicht, liegt nun wirklich außerhalb unserer Kompetenz.

Wir haben im Koalitionsvertrag vereinbart – das hat Herr Hakverdi auch richtig zitiert –, die Unterbringung von Flüchtlingen, für die Hamburg zuständig ist, in Nostorf zum nächstmöglichen Zeitpunkt zu beenden. Das bedeutet, Herr Voet van Vormizeele hat es schon gesagt, dass wir den entsprechenden Vertrag im September 2011 kündigen werden, und daran halten wir auch fest.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der CDU)

Aber wir haben leider keinen Einfluss darauf, wie Mecklenburg-Vorpommern die Flüchtlinge, für die dieses Bundesland zuständig ist, in Nostorf unterbringt. Hamburg hat die Zuständigkeit für ein gewisses Kontingent an Flüchtlingen und für diese Flüchtlingsgruppe haben wir unter anderem die Vereinbarung, dass Frauen im letzten Drittel der Schwangerschaft dort nicht mehr untergebracht werden sollen und kein Flüchtling dort länger als drei Monate verbringt. Ich habe in Nostorf gesehen, dass Mecklenburg-Vorpommern das für seine Flüchtlinge durchaus anders handhabt. Die Flüchtlinge aus dem mecklenburg-vorpommerschen Kontingent sind bis zu einem Jahr dort und es sind auch hochschwangere Frauen unter ihnen, aber ich habe mich mit vielen Flüchtlingen unterhalten und gezielt nach Flüchtlingen gefragt, die über das Hamburger Kontingent untergebracht sind, und keinen einzigen Fall entdeckt, bei dem gegen diese Regelung verstoßen worden wäre.

(Dirk Kienscherf SPD: Liegt das an Ihnen oder an der Situation?)

Das heißt konkret: Ich habe in der Hamburger Zuständigkeit keine hochschwangere Frau angetroffen und ich habe auch keinen Flüchtling angetroffen, der länger als drei Monate untergebracht worden wäre.

(Beifall bei der CDU und bei Antje Möller GAL)

Herr Yildiz, wenn Sie Hinweise darauf haben, dass das anders ist, dann können Sie uns die gerne zur Kenntnis geben. Ich habe gezielt nachgefragt und mir ist dort nichts dergleichen begegnet. Die uns gezeigten Räumlichkeiten habe ich zwar als schlicht empfunden, aber schon als sauber und ordentlich. Natürlich habe ich nur einen Ausschnitt gesehen und auch hier gilt: Wenn Sie Hinweise darauf haben, dass es in anderen Räumen anders aussieht, dann können wir dem gern nachgehen. Aber nach dem, was ich gesehen habe, kann ich nicht sagen, dass ich chaotische Zustände vorgefunden hätte.

Allerdings sind auch mir während des Besuchs einige Ungereimtheiten und Unzulänglichkeiten im Bereich der medizinischen Versorgung aufgefallen. Die medizinische Versorgung muss dringend ausgebaut werden, es müssen regelmäßig Dolmetscher vor Ort sein und die Patienten müssen, wenn es notwendig ist, auch zu Fachärzten überwiesen werden. Es gibt Hinweise darauf – der Flüchtlingsrat hat sie immer wieder vorgeführt –, dass das möglicherweise in Einzelfällen nicht passiert ist. Das ist zur Anzeige gebracht worden und das ist auch richtig so, aber ich kann aus der Distanz nicht beurteilen, ob diese Vorwürfe zutreffen oder nicht.

Meine Redezeit ist zu Ende. Ich hätte noch vieles zu sagen. Vielleicht nur noch soviel: Auch wir sind an der Aufdeckung von Missständen interessiert.