Protokoll der Sitzung vom 27.10.2010

(Beifall bei Dr. Monika Schaal SPD – Glocke)

(unterbre- chend) : Herr Hakverdi, die Abgeordnete Möller möchte eine Zwischenfrage stellen.

Metin Hakverdi: – Ja, aber immer.

Vielen Dank. Herr Hakverdi, ich wollte nur nachfragen, ob Ihnen klar ist, dass wir nicht über einen Zeitraum von zweieinhalb Jahren reden, sondern dass Familien zum ersten Mal kurz vor den Sommerferien, in dieser Koalition jedenfalls, nach Nostorf/Horst gebracht werden mussten. Vorher ist der Koalitionsvertrag immer so umgesetzt worden, wie wir das beschlossen hatten.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

– Wer klatscht denn da jetzt?

Ein Anruf beim BAMF hätte gereicht, um zu wissen, wie sich die Flüchtlingszahlen entwickeln.

(Kai Voet van Vormizeele CDU: Lesen Sie doch mal die Anfrage von Frau Bekeris!)

Es kann ja nicht an den falschen Parteien liegen, die in der Bundespolitik die Verantwortung tragen. Sie haben bei der Umsetzung versagt und geraten jetzt unter Zeitdruck. Ich hoffe, dass uns der Zeitdruck jetzt keinen Strich durch die Rechnung macht, dass es jetzt nicht nur eine mit heißer Nadel gestrickte Lösung ist, die am Ende nicht hält. Die SPD wird sich einer konstruktiven Lösung nicht verwehren und wir hoffen, dass wir im Ausschuss die richtigen Lösungen gemeinsam erarbeiten können und Ihr verzögertes, wenn nicht fahrlässig verschlamptes, Vorgehen am Ende nicht eine Lösung unmöglich macht. – Danke.

(Beifall bei der SPD)

Herr Yildiz, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich möchte erst einmal kurz

erwähnen, wie wir in den letzten Tagen zu dieser Debatte gekommen sind. Dass dieses Thema nicht einfach von allein auf die Tagesordnung kam, sollte man schon wissen. Letztendlich waren die Zahlen bereits bekannt, bevor die Flüchtlingsorganisation monatelang immer wieder versucht hat, uns zu erreichen, wir dafür aber kein Ohr hatten. Auf diese Entwicklung hat die Koalition erst reagiert, nachdem Flüchtlinge in Nostorf/Horst in Hungerstreik getreten sind und die Presse, die jetzt leider nicht da ist, darüber berichtet hatte. Ich freue mich, dass darauf reagiert worden ist und dass der Antrag, auch wenn er nicht so konkret ist, wie wir es uns wünschen, jetzt zustande gekommen ist.

(Vizepräsident Wolfhard Ploog übernimmt den Vorsitz.)

Welche Probleme gab es in der Unterkunft? Ich erinnere daran, weil so etwas in der jetzt geplanten Hamburger Unterkunft nicht mehr vorkommen soll. Viele Flüchtlinge, die nach Hamburg kamen, wurden nach Nostorf/Horst geschickt, wo es weder Rechtsberatung gab noch Schulbesuch für die Kinder möglich war, wo die Unterbringung für Familien unmöglich war, die medizinische Versorgung eine Katastrophe war, sodass am Ende sogar eine Frau ein totes Kind auf die Welt bringen musste. Sie waren isoliert von der gesamten Welt. Sogar mein Navigationsgerät hat versagt, als ich dorthin fuhr, das nicht einmal den Ort finden konnte.

Viele dieser Menschen fliehen nicht aus Lust, nach Europa zu kommen, sondern sie fliehen vor Krieg, Hunger, Umweltkatastrophen, vor schlechten sozialen Bedingungen. Die meisten Flüchtlinge, die bei uns angekommen sind, sind erschöpft, traumatisiert oder völlig am Ende ihrer Kräfte. Was sie zuallererst brauchen, ist Zuneigung, also erst einmal aufgenommen und nach ihren Bedürfnissen gefragt zu werden und sich ein paar Tage ausruhen zu können, um überhaupt handlungsfähig zu werden. Aber was haben wir bisher gemacht? Wir stecken sie leider in Unterkünfte, wo sie isoliert sind und keinerlei Möglichkeiten haben. Wie gut, dass es nach zweieinhalb Jahren nun eine Wende in der Koalition gibt. Das begrüßen wir und wie Sie mich und meine Fraktion kennen, werden wir Sie dabei unterstützen,

(Kai Voet van Vormizeele CDU: Das werden wir sehen!)

damit diese Unterkunft ein Erfolg wird und sich die Flüchtlinge bei uns wohl fühlen.

(Beifall bei der LINKEN)

Aber eines möchte ich noch am Beispiel anderer Bundesländer konkretisieren. Bei der Erstaufnahme von Flüchtlingen ist nach ein paar Monaten klar, wie lange in etwa das Verfahren dauern wird. Deswegen kann es nicht angehen, dass wir langfristig Sammelunterkünfte schaffen und es in den Stadtteilen Probleme gibt, weil die Menschen dort

(Metin Hakverdi)

keine Flüchtlingsunterkünfte haben wollen. Deswegen plädiere ich dafür, dass Flüchtlinge, genau wie jeder Bürger in dieser Stadt, nachdem sie in der Erstaufnahmestelle aufgenommen worden sind und man ungefähr weiß, was zukünftig mit ihnen passieren wird, hier geduldet werden und – wie alle anderen Bürger auch – die Möglichkeit haben, in normalen Wohnungen unterzukommen. Andere Bundesländer machen es uns vor. Das ist integrationspolitisch wichtig, das ist menschlich wichtig und wichtig ist auch, dass sich diese Menschen bei uns nicht genau so fühlen wie in den Ländern, aus denen sie geflohen sind. Es ist wichtig, dass wir vernünftige Rahmenbedingungen für sie schaffen.

Zu diesem Thema werde ich auch noch eine Anfrage machen. Ich weiß auch, dass es kostengünstiger ist. In den Neunzigerjahren haben wir Millionen und Abermillionen in Hotels gesteckt. Während eine Wohnung 400 oder 500 DM gekostet hat, haben wir für einen Platz Tausende von DM bezahlt. Deswegen fordern wir, dass die Koalitionspartner ein Sofortprogramm auf die Beine stellen. Wir wollen, dass langfristig ein Programm für Flüchtlinge erarbeitet wird, sodass Flüchtlinge, die nach Hamburg kommen und unsere Zuneigung brauchen, diese auch bekommen. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der LINKEN)

Das Wort hat Herr Senator Wersich.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Frau Möller hat die Herausforderungen und die Probleme beschrieben und auch ich möchte noch einmal Folgendes sagen. Herr Hakverdi, es geht darum, dass wir insbesondere seit Sommer eine intensive, erhöhte Zuwanderung haben. Und wer die Probleme nicht versteht, der kann auch keine Lösung finden. Deswegen lautet mein Appell: Verstehen Sie dieses Problem und verstehen Sie auch, dass nicht der Senat seit einem halben Jahr Flüchtlinge nach Hamburg geholt hat, um heute diese Debatte zu führen, sondern dass die Stadt vor einer Herausforderung steht, der sich der Senat und die Koalition stellen.

Wir hatten jahrelang rückläufige Zahlen, die wir inzwischen nicht mehr haben, und wir stellen uns jetzt die Frage, wie wir vertretbare Lösungen finden können. Zum einen geht es darum, diesen Menschen eine menschenwürdige Unterbringung zu garantieren, und zum anderen darum, die Kapazitäten, die wir im Sommer in der Sportallee genutzt haben, nun für das Winternotprogramm für die obdachlosen Menschen freizubekommen. Deswegen war und ist mir wichtig, jetzt schnell eine Lösung zu finden. Das Winternotprogramm ist gesichert, die Plätze sind freigeräumt und das Programm wird zeitgerecht zum 1. November starten.

Auf der Suche nach vertretbaren Lösungen müssen wir uns natürlich auch darüber im Klaren sein, dass wir gar nicht wissen, wie lange der Zustrom anhält und ob wir es momentan nur mit einer zwischenzeitlichen Schwankung zu tun haben. Das heißt, wir müssen zügig Lösungen finden, ohne zu wissen, ob wir auf Dauer tatsächlich mit höheren Zuwandererzahlen rechnen müssen, und wenn ja, in welcher Höhe.

Im Gegensatz zu Herrn Yildiz kommt es für mich nicht infrage, wieder in die Hotelunterbringung zu gehen oder ein teures Schiff zu chartern, das wir dann wieder an die Elbe legen können, sondern wir haben "fördern und wohnen", die für die öffentliche Unterbringung zuständig sind, beauftragt, die Stadt daraufhin zu untersuchen, wo Flüchtlingsunterkünfte schnell eingerichtet werden können. So sind wir auf leerstehende ehemalige Pflegeimmobilien am Alsterberg gestoßen, die vergleichsweise schnell und auch günstig umrüstbar sind. Das ist eine ganz rationale Entscheidung, um ein Problem für die Stadt zu lösen. Natürlich haben wir den Bezirk und die dort Tätigen unmittelbar über unser Vorhaben informiert. Es haben dort auch schon Gespräche stattgefunden und diesbezüglich möchte ich noch einmal an Herrn Hakverdi appellieren: Ich habe aus dem Bezirk gehört, dass sich dort SPD, Linkspartei und FDP, eine illustre Mischung, möglicherweise gegen diese Nutzung stellen werden. Ich hoffe, dass das nicht der Fall sein wird und ich hoffe auch, Herr Yildiz, dass Ihre Worte auch für den Bezirk Hamburg-Nord gelten und nicht genau das passiert, was Herr van Vormizeele angesprochen hat, nämlich dass man dort sagt, dass das Problem zwar gelöst werden müsse, aber bitte schön nicht bei ihnen. Damit kommen wir in der Stadt nicht weiter.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Hamburg muss sich dieser Verantwortung für die Menschen stellen. Wir müssen die Unterbringung und das Winternotprogramm mit vertretbaren Lösungen sichern. Deswegen mein Appell an alle im Haus: Tragen wir die Verantwortung, verweigern Sie sich Lösungen nicht. Und weit über das Haus hinaus appelliere ich an Sie, nicht daran mitzuwirken, Menschen gegeneinander aufzubringen, denn das, was möglicherweise auch manche Medienvertreter vorhaben, läuft darauf hinaus, dass man Menschen gegeneinander aufbringt, und das ist das Schlechteste, was unserer Stadt bei diesen Themen passieren kann. Wir alle tragen die Verantwortung, uns nicht vordergründig parteipolitisch zu profilieren, sondern die Menschen im Blick zu behalten. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Meine Damen und Herren! Gibt es weitere Wortmeldungen?

(Mehmet Yildiz)

Das ist nicht der Fall. Dann kommen wir zur Abstimmung.

Wer einer Überweisung der Drucksache 19/7658 federführend an den Innenausschuss und mitberatend an den Sozialausschuss zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenprobe. – Stimmenthaltungen? – Das ist einstimmig so geschehen.

Nun zum Antrag der GAL-Fraktion aus der Drucksache 19/7547 in der Neufassung.

Wer diesen annehmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Dieses ist einstimmig beschlossen.

Die SPD-Fraktion hat die nachträgliche Überweisung dieser Drucksache an den Innenausschuss und die GAL-Fraktion eine Mitberatung im Sozialausschuss beantragt.

Wer diesen Überweisungsbegehren folgen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Auch das ist einstimmig so beschlossen.

Ich rufe Punkt 37 der Tagesordnung auf, Drucksache 19/7363, Bericht des Rechts- und Gleichstellungsausschusses: Tätigkeitsbericht des Hamburgischen Datenschutzbeauftragten über die Berichtsperiode 2006/2007 und Stellungnahme des Senats zum 21. Tätigkeitsbericht des Hamburgischen Datenschutzbeauftragten.

[Bericht des Rechts- und Gleichstellungsausschusses über die Drucksachen 19/606: Tätigkeitsbericht des Hamburgischen Datenschutzbeauftragten über die Berichtsperiode 2006/2007 (Vorlage des Hamburgischen Daten- schutzbeauftragten) und 19/1383: Stellungnahme des Senats zum 21. Tätigkeitsbericht des Hamburgischen Datenschutzbeauftragten (Drucksache 19/606) (Senatsmitteilung) – Drs 19/7363 –]

Hier ist Einvernehmen erzielt worden zwischen den Fraktionen, dass die Debatte entfällt.

Ich stelle deshalb fest, dass die Bürgerschaft ohne Aussprache von der Drucksache 19/7363 Kenntnis genommen hat.

Ich würde mich freuen, wenn sich die Versammlung in der rechten Ecke auflösen oder nach draußen verlagern würde.

(Zurufe von Heiko Hecht und David Erkalp, beide CDU)

Herr Hecht und Herr Erkalp, dieser Wunsch galt auch Ihnen.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 7 auf, die Drucksachen 19/7424 bis 19/7426: Berichte des Eingabenausschusses.

[Bericht des Eingabenausschusses: Eingaben – Drs 19/7424 –]

[Bericht des Eingabenausschusses: Eingaben – Drs 19/7425 –]

[Bericht des Eingabenausschusses: Eingaben – Drs 19/7426 –]