Protokoll der Sitzung vom 15.12.2010

(Jens Kerstan)

Wir als CDU haben heute auch den Antrag auf Auflösung gestellt. Sie ist unausweichlich und richtig; der Souverän soll jetzt entscheiden, wie es in unserer Stadt weitergeht. Man muss allerdings auch sehen, dass Sie als Grüne und wir als CDU vor fast drei Jahren beschlossen haben, es miteinander zu versuchen, und mit einer Rieseneuphorie aufgebrochen sind. In der Mitte der Koalition haben wir festgestellt, dass doch alles nicht so einfach ist. Sie müssen natürlich auch sehen – das ganze Parlament hat es gesehen –, dass wir als CDU insbesondere beim Thema Schulpolitik unsere Verantwortung gegenüber dem, was wir in den Koalitionsvertrag geschrieben hatten, akzeptiert haben, was uns unglaubliche Kämpfe mit unserer eigenen Basis und unserer eigenen Klientel eingebracht hat.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Das waren doch einstimmige Beschlüsse, oder?)

Ja, Herr Dr. Dressel, so ist es.

Das war nicht einfach für uns und in dieser schwierigen Situation sind wir auch nicht von der Fahne gegangen. Wenn man sich im Nachhinein das Ergebnis des Volksentscheides anschaut – aber so ist es immer im Nachhinein mit der vergossenen Milch –, wäre es tatsächlich besser gewesen, wenn Sie als GAL mit dem starken Hinweis auf die Primarschule daraus die Konsequenzen gezogen hätten. Wir haben natürlich den Vertrag in der Koalition schweren Herzens akzeptiert und dafür intern auch genug Prügel bekommen

(Zurufe von der GAL und der SPD)

und dann hat das gesamte Parlament eine Niederlage vor dem Volk erlitten. Das wäre tatsächlich der Punkt gewesen – so ist heute meine Position, aber im Nachhinein ist man immer klüger –, an dem wir uns auch die politische Neulegitimation hätten holen müssen. Damals haben Sie trotz dieser schweren Niederlage, die wir natürlich insgesamt als Koalition erlitten haben, wenige Wochen später gemeinsam mit Unterstützung von zwei Stimmen aus der Opposition Christoph Ahlhaus zum Bürgermeister gewählt. Wenn es für Sie einen Grund zum Ausstieg gegeben hätte, dann wäre es tatsächlich die Niederlage in Sachen Schulpolitik gewesen. Das müssen wir als CDU auch selbstkritisch anerkennen.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren! Im Rückblick auf die Koalition haben wir tatsächlich einiges in dieser ganz neuen Konstellation miteinander geschafft. Vor allen Dingen – das muss ich für mich sagen, aber ich glaube, das gilt für alle meiner Kolleginnen und Kollegen und auch für die große Mehrheit Ihrer Bürgerschaftsabgeordneten – haben wir in dieser Art der Zusammenarbeit viel voneinander gelernt. Tatsächlich ist dieses alte Blockdenken abgebaut worden. Auf der Fachsprecherebene und

auch auf der Fraktionsvorsitzendenebene haben wir uns in der Regel gut verstanden. Natürlich gab es auch Punkte, wo es sehr geholpert hat. Aber zur Normalität in der Koalition gehört doch dazu, wenn wir hier einen Neuwahlantrag stellen, dass wir auch über die positiven Dinge sprechen müssen. Da sollte man sich nicht schämen und ich sage als Christdemokrat voller Stolz, dass wir auch viele Punkte der Zusammenarbeit hatten, wo wir miteinander Hamburg meines Erachtens gut vorangebracht haben.

(Beifall bei der CDU)

Jetzt haben alle Parteien die Chance zu zeigen, wofür sie stehen. Wir werden die Zeit nutzen und das tun wir auch als CDU mit Selbstbewusstsein. Ich weiß, dass die Umfragewerte für die CDU ausbaufähig sind. Seit einiger Zeit darf sich auch die SPD wieder freuen, aber in einigen Wochen – wie es aussieht am 20. Februar, wenn wir es so beschließen – kann es auch wieder anders sein. Die Umfragen sind nicht das Entscheidende, sondern das Votum der Wähler und Wählerinnen. Wir als CDU werden die Menschen daran erinnern, wie Hamburg vor 2001 ausgesehen hat.

(Ingo Egloff SPD: Ausgezeichnet, Herr Kol- lege!)

Ich bin sicher, dass sich viele noch an diese Zustände erinnern, an ein Hamburg, in dem Wachstum nur mit Schulden funktioniert hat, an hohe Arbeitslosigkeit und vor allen Dingen an eine hohe Kriminalität. Ich glaube ganz gewiss, dass die Menschen sich diesen Zustand nicht zurückwünschen.

(Beifall bei der CDU)

In den gemeinsamen Jahren mit der GAL, Herr Kerstan hat es auch gesagt, haben wir in der größten finanz- und wirtschaftspolitischen Krise der Bundesrepublik erfolgreich einen klaren Kurs für diese Stadt bestimmt.

Wir haben 15 000 neue Kita-Plätze geschaffen, die Qualität der Kindertagesbetreuung erheblich verbessert und damit die Chancen für die kleinsten Hamburger und die Situation der Familien enorm gestärkt.

(Beifall bei der CDU)

Auch das Zweisäulenmodell Stadtteilschule und Gymnasium, das als Grundidee von der CDU gekommen ist, haben wir eingeführt. Wir wollen, dass alle Kinder ihre Chancen auf Bildung und Erfolg haben, unabhängig von ihrer Herkunft.

Wir haben die Kriminalität um 25 Prozent gesenkt. Im vergangenen Jahr wurden 80 000 Straftaten weniger verübt als 2001. Wir haben Hamburg belebt und gestärkt und wir haben solide und gleichzeitig kreativ für unsere Stadt gearbeitet. Hamburg ist zu einer zukunftsfähigen Metropole geworden

und zu einer Stadt, die kraftvoll geworden ist und selbst schwerste Zeiten unbeschadet überstanden hat. Unser Handeln bestimmt ein starkes Grundvertrauen in die eigenverantwortliche wirtschaftliche Existenz und in das verantwortliche unternehmerische Handeln, insbesondere in den Mittelstand. Wir haben Innovationen gefördert, damit wir mit technologischen Spitzenprodukten auf dem Weltmarkt konkurrenzfähig bleiben.

Das Zusammenspiel von Ökonomie und Ökologie, ein oft von uns zitierter Satz, ist weiterhin, Herr Grote, ein großes Zukunftsthema, das wir gemeinsam nach vorne gebracht haben. Das Konzept zum Klimaschutz, die Förderung von erneuerbaren Energien, Projekte wie IBA und der Sprung über die Elbe sind überzeugend und setzen Maßstäbe.

(Beifall bei der CDU)

Hamburg hat sich in den vergangenen neun Jahren sehr positiv entwickelt. Unsere Stadt ist nach 2001 aus ihrem Dornröschenschlaf erwacht. Die politischen Fragen und Themen werden sich durch die Neuwahl aber nicht ändern. Sie bleiben gleich, wer auch immer die Regierung stellt, und es kommt darauf an, mit welchem Geist und welchen Grundsätzen sie dann angegangen und gelöst werden. Wir stehen jetzt vor Neuwahlen in unserer Stadt. Lassen Sie uns in diesem demokratischen Wettbewerb hart, aber auch fair miteinander umgehen. Das ist es, was die Bürgerinnen und Bürger jetzt von uns erwarten. – Vielen Dank.

Das Wort hat Herr Neumann.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir beenden heute mit unserem Beschluss die Wahlperiode. Wir verkürzen die Laufzeit und das ist zumindest für mich jetzt schon das zweite Mal, dass ich als Abgeordneter eine solche Entscheidung treffen muss. Wir haben in Hamburg schon häufiger solche Entscheidungen treffen müssen. Trotzdem sind Neuwahlen sicherlich keine Normalität, sie dürfen es auch nicht sein, sondern Neuwahlen sind der Ausweg aus einer vertrackten Situation. Neuwahlen sind Ausdruck und auch Folge einer Krise und das gilt gerade für diesen heutigen Tag. Diese Neuwahlen sind notwendig, weil dieser Senat gescheitert ist.

(Beifall bei der SPD)

Am Anfang der Entwicklung dieser Krise, die heute zu Neuwahlen führen wird, stand eben – es wurde heute schon mehrfach beschworen – eine Koalition von Schwarz und Grün, die scheinbar alle politischen und ideologischen Gegensätze überbrückt hatte; so zumindest das Gemälde, das uns die Koalitionäre damals malen wollten. Und manch einer hat den Pinsel offensichtlich noch nicht zur Seite

gelegt und malt heute noch weiter an diesem Gemälde. In Wahrheit aber haben Schwarz und Grün diese Gegensätze, die in Teilen harte Konflikte sind und die auch nicht immer überbrückbar sind, sondern die entschieden werden müssen, mit für die Steuerzahler durchaus teuren Kompromissen kaschiert. Im Grunde haben sie mit Geld versucht, die Widersprüche zu heilen, und auch daran ist diese Koalition heute gescheitert.

(Beifall bei der SPD)

Spätestens als die ambitionierte Schulreform im Volksentscheid durchfiel und seit die Haushaltslage eben diese Spendierhosen nicht mehr zuließ, als keine weiteren teuren Kompromisse zulasten der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler möglich waren, brach auch die Koalition Stück für Stück auseinander. Herr Schira hat es selbst eingeräumt, bereits nach dem Volksentscheid wäre der richtige Zeitpunkt gewesen, Neuwahlen anzusetzen. Eine späte Einsicht, aber Sie haben es verstanden, Herr Schira.

Das Scheitern dieser schwarz-grünen Koalition empfinden die Hamburgerinnen und Hamburger als eine Art Befreiung. Wenn man die Rede von Herrn Schira gehört hat, kann man – mir geht es jedenfalls so – die Entscheidung der GAL verstehen.

(Zurufe von der CDU)

Die Menschen in Hamburg nehmen das Ende von Schwarz-Grün und die anstehenden Neuwahlen als eine Chance wahr, als eine Chance, wieder stabile Verhältnisse im Parlament und vor allem im Senat herzustellen, eine Chance für eine neue Politik, nicht über die Vergangenheit zu sprechen, sondern darüber, wie wir Hamburg in Zukunft solidarisch gestalten wollen. Für uns als Parteien gilt es vor allen Dingen, den Blick nicht nur auf die eigene Wählerschaft zu richten, sondern ganz Hamburg im Blick zu haben, denn wir tragen Verantwortung für ganz Hamburg.

(Beifall bei der SPD)

Deshalb entscheidet Hamburg auch am 20. Februar, wer hier im Parlament unter welchen Konstellationen die Mehrheit stellt, und es entscheidet vor allen Dingen auch darüber, wer in Hamburg als Erster Bürgermeister in Zukunft die Verantwortung trägt, Verantwortung eben für Verlässlichkeit, Vertrauen und exakt dafür, was Hamburg braucht. Darum geht es; es geht am 20. Februar um die Frage von Verlässlichkeit, von Vertrauen und Verantwortung.

(Zurufe von der CDU)

Unser Angebot ist stark, klar und glaubwürdig.

(Beifall bei der SPD)

Nach den Erfahrungen des letzten Jahrzehnts gibt es bei vielen Hamburgerinnen und Hamburgern ei

(Frank Schira)

ne tiefe Verunsicherung darüber, was Parteien vor einer Wahl alles versprechen und welche Aussagen sie dann zugunsten von Bündnissen nach einer Wahl schnell einkassieren.

Wir Hamburger Sozialdemokraten haben vor der letzten Bürgerschaftswahl zum Thema Bündnisse sehr eindeutige Aussagen gemacht – Michael Naumann war da völlig klar –; die haben wir auch eingehalten und, lieber Herr Kerstan, das wird auch nach dieser Wahl so sein.

(Zurufe von der CDU)

Uns geht es in den nächsten Wochen also darum, nicht allen alles zu versprechen, nur weil man die Hoffnung hat, einen Wahlsieg zu erringen, sondern darum, das Vertrauen der Menschen zu gewinnen, die notwendigen Lösungen für die Probleme unserer Stadt zu erarbeiten und Lösungsmöglichkeiten vorzustellen. Das bedeutet aus meiner und aus unserer Sicht vor allen Dingen, das Problem der Haushaltslage zu lösen, die keinen weiteren Spielraum für Wahlgeschenke zulässt. Ich bin dem Rechnungshof sehr dankbar dafür, dass er zu diesem Thema das Notwendige gesagt hat. Und wir müssen, und das steht für uns im Mittelpunkt, das Problem der sozialen Spaltung endlich lösen, die in den letzten zehn Jahren in Hamburg immer tiefer geworden ist. Die Unterschiede sind immer größer geworden und es ist unsere Aufgabe, dafür zu sorgen, dass diese Stadt wieder zusammenwächst.

(Beifall bei der SPD und bei Dora Heyenn und Kersten Artus, beide DIE LINKE)

Das kann und darf aber kein Widerspruch sein. Der solide Haushalt auf der einen Seite und die Bekämpfung der sozialen Spaltung unserer Stadt auf der anderen sind zwei Seiten derselben Medaille, die sich gegenseitig bedingen, denn ohne solide Finanzen wird sich die soziale Spaltung immer weiter vertiefen, weil der Stadt die notwendigen Haushaltsmittel zum Gegensteuern fehlen. Deshalb legen wir heute vor dem Parlament und auch im Wahlkampf ein Bekenntnis zum starken und handlungsfähigen Staat ab, denn nur die Starken können sich einen schwachen Staat leisten. Das gilt in der Bildungs- und Sozialpolitik in gleichem Maße wie in der Innen- und Rechtspolitik. Wir stehen für den starken und für den handlungsfähigen Staat.

(Beifall bei der SPD und Zurufe von der CDU)

Trotz des Ehrgeizes im Wahlkampf sollten wir alle gemeinsam dafür kämpfen, dass das verlorene Vertrauen in die Hamburger Politik zurückgewonnen wird. Der angerichtete Schaden ist groß, aber das gilt eben nicht nur für die CDU und Teile der GAL, sondern für alle Parteien. Deshalb sollten wir in den Debatten des Wahlkampfes die richtige Tonlage finden, den Versuchungen widerstehen und den Menschen wirklich reinen Wein einschen

ken. Man muss den Mut haben, die Wahrheit zu sagen,

(Klaus-Peter Hesse CDU: Na, dann mal los!)