Protokoll der Sitzung vom 15.12.2010

(Beifall bei Thomas Böwer SPD)

Ich habe eigentlich ein kurzes Kolloquium zu den Fragen der Eiskristalle vorbereitet und der Salze, wie sie darauf wirken. Ich bin mir nicht so ganz sicher, ob dies dafür der richtige Ort ist. Ich möchte erst einmal damit anfangen, dass ich es mutig von

der CDU finde, dieses Thema angemeldet zu haben.

(Thomas Böwer SPD: Der Mut der Verzweif- lung!)

Ich kann mich daran erinnern, dass Sie im letzten Winter praktisch darauf ausgerutscht sind. So richtig hingefallen sind Sie dann erst im Dezember, aber das war in gewisser Weise einer der wichtigen Anfänge davon, dass Sie auf diesem Eis ausgerutscht sind. Die gegenwärtige Situation mit dem Tausalz sehe ich – das ist eigentlich von meinen beiden Vorrednern schon angesprochen worden – eher als Ausdruck einer Panikattacke des Bürgermeisters oder der CDU, ein typisches CDU-Thema noch setzen zu können, nicht nur Polizeiorchester und Pferdestaffel, sondern auch noch Tausalz dazu. – Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN und vereinzelt bei der SPD)

Frau Dr. Hochheim hat das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich finde es schon interessant, wie Sie mit diesem sensiblen Thema doch relativ locker umgehen. Es ist überhaupt kein Wahlkampfgetöse, sondern Herr Buschhüter hat schon zu Recht gesagt, dass wir das Thema im August in der Koalition behandelt haben. In Wirklichkeit bewegen wir es schon seit über einem Jahr, als wir nämlich einen Winter hatten, wie es ihn in der Form in den letzten zehn Jahren nicht gab, und als viele ältere Menschen, die hier bislang überhaupt keine Erwähnung fanden, gefallen sind. Es gab schwere Stürze, die dazu führten, dass die Menschen ins Altenheim mussten und dort teilweise ein schweres Schicksal hatten. Damit stand infrage, ob man das Gesetz überprüft beziehungsweise ob es irgendwelche Ansätze gibt, wie man die Stadt sicherer machen kann. So habe ich mir das Hamburgische Wegegesetz angesehen und festgestellt, dass Salz auf den Gehwegen überhaupt nicht erlaubt ist. Festzuhalten ist – man könnte fast meinen, dass man überhaupt kein Salz streuen dürfe in der Stadt, aber das stimmt gar nicht –, dass auf der Straße Salz gestreut wird. Dass die Autos diese Sicherheit haben, das finden Sie als Rot-Grün und LINKE in Ordnung.

(Thomas Böwer SPD: Das ist doch etwa kei- ne opportunistische Wegelagerei?)

Für die Gehwege finden Sie es nicht in Ordnung, dass für die Fußgänger Salz gestreut werden darf.

(Thomas Böwer SPD: Und das wollt Ihr jetzt in Hamburg umsetzen?)

Des Weiteren darf ich nach der jetzigen Gesetzeslage auf privaten Grundstücken so viel Salz streu

(Martina Gregersen)

en wie ich möchte. Wenn er möchte, kann der Eigentümer ganze Salzberge anhäufen, das ist alles erlaubt. Auch dazu haben Sie nichts gesagt. Zum anderen ist es mitnichten so, dass das vollkommene Streuverbot, wie wir es in Hamburg haben, bundesweit Anwendung findet. Bundesweit gibt es sehr unterschiedliche Regelungen, von absoluter Liberalität beim Salzstreuen bis zum anderen Extrem wie hier in Hamburg.

Ich meine, dass eine Regelung vernünftig wäre, wie sie in Hannover Anwendung findet. Dort ist im Gesetz ein Ausnahmetatbestand vorgesehen und bei Blitzeis gibt der Staat, die Stadt Hannover, eine Nachricht an die Medien heraus, dass vorübergehend Salz gestreut werden darf, um die Sicherheit insbesondere der älteren Bürger zu erhöhen; danach ist dann das Salzstreuen grundsätzlich wieder verboten. Ich halte diesen Ansatz für abgewogener und angemessener. Es bleibt alles in Staatshand, es entstehen dadurch gar keine Gefahren, aber die Sicherheit insbesondere für die älteren Leute ist wesentlich besser gewährleistet.

(Beifall bei der CDU)

Die Fachleute sind sich im Übrigen nicht so einig, wie Sie es darstellen. Das sieht man einmal daran, dass es bundesweit ganz unterschiedliche gesetzliche Regelungen gibt. Zum anderen sieht man es an den Pressemeldungen der Umweltämter. Zum Beispiel gab es das ganze Jahr über und auch jetzt aktuell wieder vom Umweltamt Wandsbek eine Pressemeldung, in der steht, dass es bei extremen Wettersituationen wie dem sogenannten Blitzeis gerechtfertigt sei, aus Sicherheitsgründen den Einsatz von Salz-Sand-Gemisch zu erlauben.

(Thomas Böwer SPD: In Wandsbek?)

Das gibt es auch in anderen Bezirksämtern, das habe ich nur als Beispiel genommen.

Ich habe dann beim Umweltamt, Herr Böwer, angerufen und dargelegt, dass die Rechtslage wohl eine andere sei. Das Interessante war, dass man dort sagte – und das war der Fachbereich –, das könne man sich gar nicht vorstellen, das müsse man noch einmal nachschauen. Aber spontan sagten die Angesprochenen, wie soll ich denn sonst die älteren Leute vor Stürzen schützen, das kann doch gar nicht angehen. Ich fand es ganz interessant, dass selbst Fachleute das aus dem gesunden Menschenverstand heraus sofort sagten. Es gibt einfach Situationen, wo man das durchaus zulassen muss, um Leib und Leben zu retten. Und in dem Sinne sollte eine Ausnahmeregelung, wie wir sie vorschlagen, die zeitlich begrenzt ist und von staatlicher Seite vorgegeben werden kann, durchaus ermöglicht werden.

(Beifall bei der CDU)

Die bisher erfolgte Prüfung ist nicht genügend abgewogen worden. Ich habe auch mit der Fachab

teilung in der Stadtentwicklungsbehörde gesprochen. Dort wurde gesagt, es seien die Ämter Gewässerschutz, Bodenschutz, das Naturschutzreferat und noch irgendein anderes Umweltreferat eingebunden worden

(Christiane Schneider DIE LINKE: Nun aber mal genauer!)

und die seien natürlich alle zu dem gleichen Ergebnis gekommen. Dann gab ich zurück: Wie ist es denn mit Leib und Leben insbesondere der älteren Mitbürger?

(Zuruf von Thomas Böwer SPD)

Herr Böwer, ich verstehe, dass Sie keinen Sinn dafür haben, ältere Mitbürger zu schützen.

(Thomas Böwer SPD: Ich höre Ihnen mit Aufmerksamkeit als Einziger im Parlament zu!)

Sie hören eben gerade nicht zu, sondern Sie sehen es gar nicht ein. Für Sie als SPD sind ältere Mitbürger überhaupt kein Thema.

(Beifall bei der CDU)

Als ich fragte, wie das denn mit dem notwendigen Schutz der älteren Mitbürger abgewogen würde – das sind nämlich die Betroffenen, die auch bei Blitzeis-Situationen einmal einkaufen gehen wollen –, war die klare Antwort meines Gesprächspartners, das sei nicht seine Profession.

Unsere Profession als CDU ist es aber, auch Minderheitenmeinungen zur Geltung zu bringen. Und es ist fast eine Minderheitenmeinung, dass Menschen, die nicht so mobil sind wie wir alle in diesem Haus, auch ein Recht darauf haben, bei extremen Witterungssituationen das Haus verlassen zu können. Dass wir hier keine Ausnahmesituation haben wollen, sondern dass es dafür bundesweit viele gute Beispiele gibt und das erfolgreich praktiziert wird, habe ich dargestellt. Und es würde Ihnen gut anstehen, dieses Thema auch einmal aus der Perspektive derjenigen zu betrachten, die nicht so mobil sind wie Sie alle. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor, wir kommen dann zur Abstimmung.

Zunächst zum Antrag der CDU-Fraktion aus Drucksache 19/8176. Wer möchte diesem zustimmen? – Gegenprobe. – Stimmenthaltungen? – Damit ist der Antrag abgelehnt.

Dann stelle ich fest, dass die Bürgerschaft von der Drucksache 19/7990 Kenntnis genommen hat.

Ich rufe jetzt den Tagesordnungspunkt 18 a auf, Drucksache 19/8032, Senatsmitteilung: Neuorgani

(Dr. Natalie Hochheim)

sation der Organisationsstrukturen im Bereich des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II).

[Senatsmitteilung: Neuorganisation der Organisationsstrukturen im Bereich des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II) – Drs 19/8032 –]

Diese Drucksache möchte die SPD-Fraktion an den Wirtschaftsausschuss überweisen. Wird das Wort gewünscht? – Frau Badde, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Es ist nicht das erste Mal, dass wir über die Organisation der Arbeitsverwaltung diskutieren, aber es ist das erste Mal, dass wir hierzu den richtigen Weg einschlagen. Hamburg hat sich nämlich endlich zur gemeinsamen Einrichtung bekannt und teilt uns den Vertragsentwurf zwischen der Agentur für Arbeit und der Freien und Hansestadt Hamburg mit. Im Wesentlichen können die Organisationsstrukturen der ARGE bestehen bleiben und dies nennen wir Sozialdemokraten ein Glück, denn wir können uns auf die Verbesserung der Leistungen für Arbeitslose konzentrieren, anstatt uns in der zeitaufwendigen und teuren Umorganisation zur Optionskommune zu verfangen, Zeit und Geld, das den Leistungsempfängern verloren gegangen wäre und das wir sowieso nicht besitzen, wenn wir die Haushaltslage betrachten.

(Glocke)

(unterbre- chend) : Entschuldigung, wenn ich da kurz einhaken darf. Ich würde um etwas mehr Ruhe im Plenarsaal bitten. Setzen Sie sich doch hin, wenn Sie zuhören wollen. Und wenn Sie nicht zuhören wollen, gehen Sie einfach hinaus. – Danke.

Es ist also die richtige Entscheidung und die gemeinsame Einrichtung bringt gegenüber der ARGE auch weitere Vorteile. Sie wird organisatorisch so weit wie möglich verselbstständigt. Ich sage, so weit wie möglich, weil bei einer gemischten Verwaltung, in der überwiegend Bundesmittel fließen, nicht alles aus einem Guss erfolgen kann. Die unterschiedlichen Zielrichtungen können aber auch bereichernd sein, auf der einen Seite die vermittlungsorientierte Agentur und auf der anderen Seite die sozial orientierte Stadt, die für alle flankierenden Leistungen zuständig ist. Diese flankierenden sozialen Leistungen sind aber gerade bei dem noch amtierenden Senat so weit in den Hintergrund gerückt worden, dass sie gar nicht mehr erkennbar wurden. Das wird sich hoffentlich bald ändern.

Die Verselbstständigung bedeutet, die Geschäftsführung erhält mehr Kompetenzen und Weisungsrechte, um Ziele einheitlich verfolgen zu können. Dazu hat sie alle dienst-, personal- und arbeitsrechtlichen Befugnisse. Es wird eine einheitliche Personalvertretung geben und die bisherige Struktur zweier sich gegenseitig hemmender Personalräte wird es Gott sei Dank nicht mehr geben. Es wird eine Beauftragte beziehungsweise einen Beauftragten für Chancengleichheit geben. Ganz wichtig ist aber die einheitliche Steuerung und Abstimmung in Landes- und Bundesgremien. Hieran hat es in der Vergangenheit immens gehapert. Der Arbeitslose in Bayern konnte sich nicht darauf verlassen, dass er die gleichen Leistungen in vergleichbarer Weise erhält wie der Arbeitslose in Hamburg oder Mecklenburg-Vorpommern. Dies gilt übrigens auch für Optionskommunen, ein ganz wesentlicher Punkt, der in der Diskussion der Vergangenheit von den Optionsbefürwortern, sprich CDU und GAL, vollkommen vernachlässigt wurde.

Was uns neben diesen strukturellen Änderungen sonst noch vom Senat mitgeteilt wird, muss hier allerdings als Geschichtsklitterung bezeichnet werden. Hier lobt sich ein Senat der konsequenten Vorbereitung der Optionskommune, die nur am Votum der Bürgerschaft gescheitert sei. Alle, die sich mit der Sache auch nur halbwegs befasst haben, wissen, dass dies haarscharf an der Wahrheit vorbeigeht. Egal, was meine Nachfolgerednerinnen und -redner noch sagen werden, um diesen Eindruck zu verstärken, es war die damalige Koalition selbst, die ihren Antrag auf Option zurückgezogen hat, weil der Senat längst andere Wege gegangen war. Weil der Senat weder finanziell noch organisatorisch die Option bewerkstelligen konnte, hatte er bereits vor der Antragstellung der damaligen Koalition den Schwenk vollzogen und die Verständigung mit der Agentur gesucht. Nur die Politiker in CDU und GAL hatten das gar nicht mitbekommen. Ein CDU-Senator hat seine arbeitsmarktpolitische CDU-Sprecherin voll ins Messer laufen lassen. So abgestimmt erfolgte hier die Arbeitsmarktpolitik der damaligen Koalition mit der Konsequenz, dass die Arbeitsmarktsprecherin entnervt zurückgetreten ist; so weit zum Wahrheitsgehalt der Drucksache. Aber wir von der SPD sind nicht nachtragend und lassen dem Senat die Trostworte in der Drucksache stehen. Am Ende ist etwas Gutes herausgekommen, wenn man die Vereinbarung zwischen Agentur und Stadt betrachtet.

Was aber gar nicht gut läuft, ist die momentane Exekution der Bundeskürzungen in der ARGE beziehungsweise bald in der gemeinsamen Einrichtung. Hier rächt sich zweierlei, zum einen die fehlende Bedeutung Hamburgs auf Bundesebene. Man hat keinen Einfluss auf die Festlegung der Sparbereiche. Es sind die Schwachen, die es wieder einmal trifft. Neben etlichen Sozialleistungen – zum Beispiel kein Elterngeld mehr für Empfänger

(Vizepräsidentin Dr. Eva Gümbel)

von unterstützenden SGB-II-Leistungen – soll die Arbeitsmarktpolitik den Großteil der Einsparungen schultern. Ich habe dies schon einmal betont. Schlimm sind schon die Kürzungen der schwarzgelben Bundesregierung, schlimmer aber noch ist die fehlende Gegenwehr des Senats, von dem man kein Wort der Kritik vernommen hat. Kommentarlos ließ er die Kürzungen im Bundesrat passieren.

Zum anderen rächt sich hier auch die brutale Absenkung der Arbeitsmarktmittel auf Landesebene. Waren im Jahr 2001 noch 100 Millionen Euro für Arbeitsmarktmittel eingeplant, sind es im Jahr 2010 nur noch 38 Millionen Euro. Die sind im Wesentlichen eingebunden in Mittel des Europäischen Sozialfonds. Vergebens sucht man eine Handschrift des Senats bei Arbeitsmarktmaßnahmen; es gibt keine. Es ist so, als würden Arbeitslose für den Hamburger Senat kaum existieren. Der Abbau der Mittel war die Zuversicht, dass die Bundesmittel schon fließen würden und das Hamburger Manko überdecken. Jetzt, geehrte Kolleginnen und Kollegen, stehen wir mit leeren Händen vor den Arbeitslosen und müssen wichtige Sozialprojekte streichen, eine Kurzsichtigkeit, die sich bitter rächen wird. – Ich danke Ihnen.