Ich rufe den Punkt 8 der Tagesordnung auf, Drucksache 19/7667, die Große Anfrage der CDU-Fraktion: Situation und Perspektiven des Hamburger Handwerks.
[Große Anfrage der Fraktion der CDU: Situation und Perspektiven des Hamburger Handwerks – Drs 19/7667 –]
"Bei jeder Witterung unterwegs sein, auf Dächer steigen, durch Schornsteine kriechen und allen eine Freude machen. Normalerweise ist das unser Job."
Sie glauben, ich rede vom Weihnachtsmann und seinen Helfern? Weit gefehlt, denn die Rede ist vom Handwerk, der Wirtschaftsmacht von nebenan, aus deren Imagekampagne ich soeben ein aktuelles Motiv zitiert habe.
Die Bedeutung des Handwerks ist für die Hamburger Wirtschaft sehr hoch und wird es auch weiterhin bleiben. Genau deshalb unterstützt die CDU-Fraktion das Handwerk seit jeher und hat jetzt eine Große Anfrage zu den Perspektiven der Branche gestellt. Vor uns liegt die Senatsantwort mit einem Zehnjahresvergleich aller relevanten Branchenkennzahlen, die uns einen guten Überblick über die Entwicklungen und die Veränderungen des Hamburger Handwerks in dem Zeitraum von 2000 bis 2010 gibt.
Insgesamt kann man festhalten: Das Handwerk zeigt sich seit Jahren stabil und krisenfest. Es blickt auch nach der weltweiten Wirtschafts- und Finanzkrise optimistisch in die Zukunft. Die Anzahl der Handwerksbetriebe nimmt stetig zu und die Stimmung ist insgesamt gut. Dazu haben auch die Konjunkturprogramme des Bundes und besonders die Konjunkturoffensive der Stadt Hamburg beigetragen. Mit unserer Konjunkturoffensive konnten wir seit dem letzten Winter Investitionsprojekte in Hamburg vorziehen, von denen vor allem die Handwerksbetriebe profitieren.
Wir haben das Handwerk durch vielerlei Maßnahmen unterstützt, zum Beispiel durch Regelungen im Vergabegesetz zur Teilung von Aufträgen in kleinere Lose, um kleinen und mittleren Betrieben eine Teilnahme an den öffentlichen Ausschreibungen zu ermöglichen, oder durch eine Erhöhung der Wertgrenzen für beschränkte Ausschreibungen, die die Bürgerschaft auf unseren Antrag hin jüngst verlängert hat. Durch die beschlossene Evaluation können wir überprüfen, welche Wertgrenzen der Wirtschaft zugute kommen. Zudem haben wir das Handwerk auch bei den Zulassungsverfahren für öffentliche Vergaben unterstützt, der sogenannten Präqualifizierung. Das waren wichtige und richtige Maßnahmen.
Rund 15 000 Handwerksbetriebe sind heute in Hamburg ansässig, etwa 2000 Betriebe mehr als noch vor zehn Jahren. Das heißt: Die Anzahl der Betriebe steigt. Handwerksbetriebe machen etwa 15 Prozent aller Unternehmen aus. Das Handwerk ist der große Arbeitgeber in unserer Stadt. 16 Prozent aller Arbeitsplätze und gut 127 000 Beschäftigte finden Sie hier. Auch die Ausbildungszahlen sind sehr beachtlich. Fast 19 Prozent aller Lehrlinge in unserer Stadt werden in Hamburger Handwerksunternehmen ausgebildet.
nun finden wir in diesem Bereich erstmalig einen demografischen Einfluss. 2009 gab es bei den neu eingetragenen Ausbildungsverhältnissen im Hamburger Handwerk einen Rückgang um etwa 13 Prozent. Dieser Rückgang ist, das ist zu betonen, nach Einschätzung der Handwerkskammer nicht darauf zurückzuführen, dass es zu wenige Ausbildungsplätze gibt, sondern darauf, dass es vor allem an geeigneten Bewerbern mangelt. Das hat mehrere Ursachen. So verzeichnen wir zum Beispiel einen Rückgang bei den Schulabgängerzahlen in den benachbarten Bundesländern, aus denen bislang rund ein Drittel aller Auszubildenden in den Hamburger Betrieben kam. Hier fehlt also beruflicher Nachwuchs.
Nach wie vor haben 82,9 Prozent aller Auszubildenden, die für das Handwerk gewonnen werden, einen Haupt- oder Realschulabschluss, nur wenige Prozent haben keinen Schulabschluss und rund 10 Prozent die Allgemeine Hochschulreife oder die Fachhochschulreife. Wir sind also mit der Entwicklung der Stadtteilschule neben dem Gymnasium auf dem richtigen Weg. Mit einer durchlässigen Schulbildung und einem größtmöglichen Maß an Praxisorientierung gewährleisten wir den Jugendlichen alle Abschlussmöglichkeiten. Das braucht das Handwerk.
Ich halte es zudem für wichtig, den Betrieben dort Unterstützung anzubieten, wo Auszubildende Schwächen vorweisen, denen nicht allein durch das Unternehmen abgeholfen werden kann. Vorbildlich und sehr erfolgreich ist hier ein Modellprojekt mit dem Hamburger Handwerk zur ausbildungsbegleitenden Hilfe gewesen. Dieses Projekt war durch den Europäischen Sozialfonds gefördert und ist inzwischen ausgelaufen. Hier müssen wir fortführende Maßnahmen entwickeln.
Nach meiner Meinung sollte ein Schwerpunkt der Handwerkspolitik künftig bei dem Thema Nachwuchsund Fachkräftegewinnung liegen. Frau Rugbarth, bevor Sie wieder mit Ihrer Ausbildungsplatzabgabe kommen, es fehlt nicht an Ausbildungsplätzen, sondern an qualifizierten Nachfragern.
Ein weiterer Schwerpunkt wird im Bereich der politischen Rahmenbedingungen liegen müssen. Den Hamburger Handwerksbetrieben stellt sich immer stärker die Frage, ob sie an ihren Standorten, an denen sie oftmals über Jahre oder Jahrzehnte gewachsen sind, bleiben können. Die einen haben Probleme durch Anwohnerbeschwerden über Geruch, Lärm oder Verkehr, andere wollen sich erweitern und suchen geeignete Flächen. Im Zeitraum von 2005 bis 2009 hat allein die Hamburgische Gesellschaft für Wirtschaftsförderung 613 Unternehmen, davon 72 Handwerksbetrieben, bei der Suche nach passenden Grundstücken geholfen. Das zeigt, wie wichtig der Bedarf an geeigneten
Wir können zum Beispiel auch die Bildung von Gewerbehöfen in verdichteten Stadtteilen stärker unterstützen. Das ist regionale Wirtschaftsförderung, wie sie unter anderem in München sehr erfolgreich betrieben wird. Sie sichert den Betrieben am Standort das Überleben, zieht sogar neue Firmen in die Stadt und gibt ihnen die Möglichkeit einer wirtschaftlichen Entwicklung. Das kommt der Stadt durch neue Arbeits- und Ausbildungsplätze sowie Steuermehreinnamen wieder zugute, und die Nähe von Wohnen und Arbeit, kurze Wege und kurze Strecken zum Kunden tun der Umwelt gut. Für solche Projekte lassen sich sicher auch private Investoren finden.
Wichtig ist mir, dass Stadt und Bezirke hier eng zusammenarbeiten. Wichtig ist aber auch, dass nicht Wohnungsbau und Gewerbeflächenangebote gegeneinander ausgespielt werden. Reine Wohnsilos wie in Mümmelmannsberg sind nicht die Zukunft, sondern durchmischte Stadtteile wie Eimsbüttel oder Eppendorf. Nur wo der Bäcker oder der Klempner um die Ecke sind, entstehen attraktive Wohngebiete. Daher sehe ich das Umwidmen von Gewerbeflächen nicht als Allheilmittel gegen die Wohnungsknappheit.
Das Handwerk ist auch ein wesentlicher Treiber und Beteiligter bei der zukünftigen Umwelt-, Klimaund Energiepolitik. Die Betriebe sind sowohl Nutznießer auf diesem Wachstumsmarkt als auch diejenigen, die für Innovationen sorgen. Bereits heute gibt es zahlreiche Einrichtungen und Förderprogramme, die den Unternehmen und den Verbrauchern Anreize und Unterstützung beim Umweltund Ressourcenschutz bieten. Beispielhaft genannt sei die Umweltpartnerschaft. Sie ahnen gar nicht, wie viele Betriebe ein großes Interesse daran haben, ihr Unternehmen auf umweltfreundliche Techniken umzustellen und dabei am Ende sogar noch Geld zu sparen. Ich bin der festen Überzeugung, dass das der beste Weg ist, um auf diesem Gebiet eine Win-win-Situation für alle Beteiligten herzustellen.
Bemerkenswert finde ich dabei, dass fast die Hälfte der Mitglieder der Umweltpartnerschaft Handwerksbetriebe sind.
Völlig falsch ist es hingegen, eine Umweltzone oder eine City-Maut von oben zu diktieren, wenn diese zu keinen klimapolitischen Verbesserungen führen und für die Unternehmen unserer Stadt lediglich eine bürokratische und finanzielle Belastung darstellen. Da gibt es andere Konzepte und viel bessere Wege, bei denen die Unternehmen gern bereit sind, mitzumachen.
wirtschaft aber brauchen wird. Ich glaube, ein Grund dafür, dass das Handwerk nicht zu den interessantesten Arbeitgebern gehört, ist sein Image. Wenn man von Wirtschaft spricht, verbindet man in Hamburg damit natürlich Hafen und Handel, Medien und IT oder andere Dienstleistungsbranchen, aber nur selten die Betriebe des Hamburger Handwerks. Dabei ist das Handwerk einer der vielseitigsten Wirtschaftsbereiche, die es in Deutschland gibt. Mit seinen vielen kleinen und mittleren Betrieben bildet das Handwerk das Kernstück unserer Wirtschaft. In keiner anderen Branche gibt es so viele Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten und Abschlüsse sind möglich vom Gesellenbrief bis hin zum akademischen Bachelor, der auf der handwerkseigenen Berufsakademie erworben werden kann. Das Handwerk selbst hat darum eigenhändig und aus eigener Finanzierung eine Imagekampagne gestartet, die in den nächsten fünf Jahren deutschlandweit läuft. Ziel dieser Kampagne ist es unter anderem, junge Menschen für die Ausbildung in handwerklichen Berufen zu gewinnen. Es laufen Fernsehspots, Plakatkampagnen und Veranstaltungen, die insgesamt 50 Millionen Euro kosten und die durch die Unternehmen selbst finanziert werden. Das ist die größte Eigenwerbemaßnahme in der Geschichte des deutschen Handwerks. Ich finde, das ist mehr als begrüßenswert, es ist unterstützenswert.
Die CDU ist ein verlässlicher Partner, der sich für die Wirtschaft am Standort einsetzt. Zusammen mit der Kammer und den Innungen sollten wir einen Masterplan Handwerk erarbeiten, damit die Wirtschaftsmacht von nebenan auch weiterhin gute Bedingungen in Hamburg vorfindet. – Vielen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Stemmann, wir haben uns schon einmal im Februar dieses Jahres über das Handwerk unterhalten. Damals hatten wir leider nur das dritte Thema in der Aktuellen Stunde – ein undankbarer Platz – und konnten deshalb nur ein paar Minuten darüber sprechen. Insofern freue ich mich, dass wir heute durch Ihre Große Anfrage noch einmal die Gelegenheit haben, uns etwas näher mit dem Handwerk zu beschäftigen.
Sie haben schon auf die Bedeutung des Handwerks für unsere Stadt hingewiesen. Die Hamburger Handwerksbetriebe haben einen Anteil von 15 Prozent an allen Hamburger Betrieben, stellen 16 Prozent aller Arbeitsplätze und mit 7300 Lehrlingen 22 Prozent aller Ausbildungsplätze zur Verfügung. Das sind enorme Zahlen, die die große Hausmacht begründen, die das Handwerk hat.
Bundesweit arbeiten rund 4,8 Millionen Menschen in Handwerksbetrieben, 480 000 Lehrlinge erhalten dort eine qualifizierte Ausbildung und pro Jahr werden Umsätze von 511 Milliarden Euro erzielt.
Im Hamburger Handwerk als einem bedeutenden Wirtschaftsbereich haben im letzten Jahr 514 Frauen und Männer ihre Meisterprüfung abgelegt.
Bei unserem Disput in der Aktuellen Stunde im Februar bin ich besonders auf die Probleme im Hinblick auf die Ausbildungsstellen im Handwerk eingegangen. Das werde ich heute nicht noch einmal wiederholen. Ich hatte auch nicht vorgesehen, über die Ausbildungsplatzumlage zu sprechen; das behalten wir uns für später vor. Sie haben damals durchaus einiges Richtiges zu diesem Thema gesagt, auch Ihr seinerzeitiger Senator Gedaschko. Ich hoffe, dass diese inhaltliche Festlegung auch nach dem Wahltag Bestand haben wird. Wenn wir uns einig sind, dass der allergrößte Anteil der Beschäftigten und Auszubildenden in kleinen und mittelgroßen Betrieben tätig ist und dass wir das Handwerk in einer besonderen Rolle sehen und hier Arbeitsmarktprobleme abgemildert werden, dann haben wir schon viel gewonnen.
Im Übrigen finde ich es wirklich schade, und das sage ich ohne eine Spur von Häme in Ihre Richtung, dass es uns, weil Sie Ihre Senatsmitglieder so häufig wechseln, nun nicht mehr vergönnt ist, mit Herrn Gedaschko darüber zu sprechen, wie denn die konkreten Bedingungen unserer Handwerksbetriebe aussehen.
Da sehe ich durchaus Ansatzpunkte, wie wir ganz speziell Hilfestellung leisten können. Ein Beispiel, wo das notwendig wäre und wozu ich speziell Aussagen in der vorliegenden Drucksache vermisst habe, ist das Thema der Unternehmensnachfolgelösung in diesem Bereich. Damals war der Senator darauf eingegangen, als er darauf hingewiesen hat, dass 5000 Inhaber und Geschäftsführer im Hamburger Handwerk heute älter als 55 Jahre alt sind, das heißt, es rollt eine Welle von Unternehmensnachfolgen auf das Handwerk zu. 5000 Betriebe sind immerhin 30 Prozent aller Handwerksfirmen. Wir haben leider Gottes die Entwicklung, dass jährlich über 100 Betriebslöschungen aus Altersgründen stattfinden. Das ist bedauerlich, denn gerade Handwerksbetriebe – Sie hatten auch darauf hingewiesen, Herr Stemmann – sind ein wesentlicher Baustein für die regionale Versorgung unserer Bevölkerung.
die auch wohnortnahe Praktikums-, Ausbildungsoder Arbeitsplätze bieten. Auch hierbei ist es natürlich von entscheidender Bedeutung, dass es reale Hilfen gibt, die den tatsächlichen Bedürfnissen des Handwerks entsprechen.
Ich möchte noch andere wichtige Punkte aufgreifen: Wie kann es uns gelingen, dass nicht so viele neugegründete Handwerksbetriebe innerhalb kürzester Zeit aufgeben müssen? Herr Stemmann, Sie haben davon gesprochen, dass die Anzahl der Handwerksbetriebe ständig zunimmt. Aber aus dieser Großen Anfrage geht auch hervor, dass von den 2100 Betrieben, die 2005 gegründet wurden, heute nur noch 420 am Markt sind. Das ist eine bedauerliche Entwicklung, 80 Prozent der Neugründungen mussten in dieser Zeit aufgeben. Da muss man doch einmal nachfragen, da kann man aber nicht einfach zynisch von Marktbereinigung sprechen. Das haben Sie zwar nicht getan, aber ich kenne durchaus einige, die das so sagen. Da sind schlichtweg Existenzen vernichtet worden und Inhaber, Mitarbeiter und die dazugehörigen Familien in arge Bedrängnis geraten.
Ein ganz zentraler Punkt ist auch der Wegzug von Handwerksbetrieben über die Landesgrenzen hinaus. Auch das ist ein Thema, denn in einem Zeitraum von neun Jahren sind immerhin über 1000 Betriebe weggezogen. Hier müssen wir einmal überlegen, warum es nicht attraktiv genug ist, bei uns zu bleiben. Wir sollten im Rahmen der lokalen Wirtschaftsförderung natürlich auch bei der Standortsuche, bei Neuansiedlungen und dergleichen besser zum Erhalt der bestehenden Betriebe im Stadtteil beitragen als bisher. Hierzu braucht es aus meiner Sicht eine kleinräumige Bestandspflege mit niedrigschwelligen Beratungen und Informationen für die Unternehmen sowie eine sinnvolle Vernetzung der Aktivitäten und Angebote im jeweiligen Stadtteil. Diese Aufgaben sind in den Bezirken durch die bezirkliche Wirtschaftsförderung stärker zu verankern und vielleicht auch durch bezirkliche Gründerzentren zu unterstützen.
Im Übrigen muss man sich nicht immer einig sein, aber ich bin mir nicht sicher, ob die Handwerkskammer zum Beispiel mit ihrer Einschätzung richtig liegt, dass die Kreditklemme für den Bereich des Handwerks nicht existiert. Die Banken und auch die Kammern sagen zwar, es gebe keine Kreditklemme, aber wenn man draußen mit den Firmen spricht, stellt sich oftmals ein ganz anderes Bild dar.
Ich vermute, dass die Betriebe grundsätzlich Kredite bekommen können. Das bezweifele ich gar nicht, aber das Entscheidende sind schon die Konditionen, und da zahlt man nun einmal für das
schlechtere Risiko ebenso höhere Zinsen wie derjenige, der sich auf die Suche nach Wagniskapital macht. Sie alle kennen sicher das schöne Zitat von Mark Twain hinsichtlich des Bankensektors.