Protokoll der Sitzung vom 15.12.2014

Ich weiß nicht, welche Schriftliche Kleine Anfrage zur Frage Frauenquote bei Professuren – ich glaube, es war unsere, es kann aber auch die von den Kollegen gewesen sein – zutage befördert hat, dass die Frauenquote bei den Professorinnen sinkt. Und wissen Sie auch, warum? Weil zufälligerweise jetzt sehr viele Professorinnen in Rente gehen. Und Sie wissen doch, was die Folge Ihrer Sparpolitik für die Hochschulen ist: 54,5 Professuren-Stellen werden an den Hamburger Hochschulen gestrichen. Das führt dazu, dass die weiblichen Professorinnen nicht durch weibliche Professorinnen ersetzt werden können, und deshalb sinkt die Frauenquote.

(Dr. Monika Schaal SPD: Weil die weniger arbeiten, oder was wollen Sie damit sagen?)

Das sollte man einfach wissen, wenn man solche Behauptungen wie gerade die von Ihnen, Herr Kühn, in den Raum stellt. Das wirkt dann – verzeihen Sie – etwas dümmlich.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei der CDU)

Aber ich wollte eigentlich ganz versöhnlich und gemeinschaftlich anfangen.

(Dietrich Wersich CDU: Ist fast gelungen!)

Fast, aber wenn man so einen Blödsinn hört, dann muss man doch reagieren dürfen.

(Beifall bei den GRÜNEN und der CDU)

Nichtsdestotrotz: In Deutschland leben 1,2 Prozent der Weltbevölkerung, und wir sind trotzdem viertstärkste Industrienation. Absolut betrachtet exportiert Deutschland am meisten Hightechprodukte, mehr als Amerika und mehr als China. Wie kann das sein, was ist die Basis für den wirtschaftlichen Erfolg? Richtig, die Basis hierfür liegt in Deutschlands Innovationskraft, und diese gründet natürlich auf Forschung und Entwicklung sowie auf Bildung. Und was für Deutschland gilt, das gilt selbstverständlich für Hamburg umso mehr. Bei uns ist die Akademikerquote mit 18,7 Prozent deutlich niedriger als zum Beispiel in München, wo sie bei

(Philipp-Sebastian Kühn)

26 Prozent liegt. Wir haben hier also noch viel zu tun und können besser werden.

Was passiert aber in Hamburg? Statt die richtigen Rahmenbedingungen zu setzen, kürzt und streicht der SPD-Senat bei der Forschungsförderung und den Hochschulen. Und mit den Hochschulverträgen – ich hatte das eben schon kurz angesprochen – wurde den Hochschulen ein verheerender Schrumpfungskurs aufgezwungen. Die Wissenschaftsstiftung ist aufgelöst, die Forschungsförderung gekürzt, und natürlich bringt das Fass zum Überlaufen die Weigerung des Senats, die durch die Übernahme der vollen BAföG-Zahlungen durch den Bund frei gewordenen Mittel in Höhe von rund 30 Millionen Euro nicht den Hochschulen zugutekommen zu lassen. Bundesbildungsministerin Wanka hat am 27. November im Bundestag ausgeführt, dass durch die Übernahme der BAföGZahlungen durch den Bund die Länder erheblich entlastet würden. Und jetzt hören Sie gut zu – Zitat Frau Wanka –:

"Dieses Geld ist insbesondere für die Hochschulen gedacht. Wir alle wissen, dass die Grundfinanzierung der Hochschulen trotz der vielen Gelder, die der Bund gegeben hat, nicht gestiegen ist. Rein theoretisch könnte die Grundfinanzierung aller Hochschulen ab dem 1. Januar 2015 dauerhaft um 5 Prozent steigen. […] Dieses Geld kann für die Finanzierung unbefristeter Stellen verwendet werden. Es ist ein geeignetes Instrument zur Lösung des Problems, wissenschaftlichen Nachwuchs zu finden. Dieses Instrument liegt auf dem Tisch der Länder."

So viel dazu.

Wir haben im Wissenschaftsausschuss über das Problem wissenschaftlicher Nachwuchs und prekäre Situation an den Hochschulen gesprochen. Wir waren einvernehmlich der Meinung, dass es gelöst werden sollte. Nun gibt uns die Bundesregierung, wo Sie, liebe SPD, auch beteiligt sind, den Schlüssel zur Lösung dieses Problems in die Hand. Und was passiert in Hamburg? Der Schlüssel verschwindet irgendwie. Das ist doch über die Maßen merkwürdig.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das muss nicht so sein. Andere Länder wie zum Beispiel Hessen und Baden-Württemberg machen das vor, sie gehen einen anderen Weg. Bei uns gehen die Hochschulen leer aus. Frau Senatorin Stapelfeldt, wie konnten Sie das zulassen? Als Sie am Pult standen und das begründet haben, waren Sie sehr blass. Ich nehme stark an, dass es gegen Ihren Willen passiert ist und nicht mit Ihrem Willen.

Seit Monaten laufen die Hochschulleitungen, die Studierenden sowie die Professoren und die wissenschaftlichen Mitarbeiter Sturm gegen die Wissenschaftspolitik der SPD.

(Dr. Martin Schäfer SPD: Wo ist der Sturm? Ich sehe bloß einen Wind hier!)

Sie lachen. Sie haben so ein bisschen eine Realitätsverschiebung. Ihre Parteitage sehen aus unserer Sicht auch ein wenig skurril aus. Aber bitte, machen Sie es, wie Sie wollen.

Es vergeht kaum eine Woche, in der sich nicht ein ranghoher Wissenschaftler über desaströse Hochschulpolitik in Hamburg in den Medien beschwert. Und anstatt umzusteuern, liebe Frau Stapelfeldt, versucht die Wissenschaftsbehörde, die Präsidenten der Hochschulen und ihre Professorenschaft einzuschüchtern und ihnen mit dienstrechtlichen Konsequenzen zu drohen, wenn sie weiter öffentlich ihre Meinung sagen. Ist Ihnen das nicht peinlich? Ich finde es wirklich sehr erstaunlich, dass eine Partei mit der Geschichte der SPD zum Mittel der Einschränkung der Meinungsfreiheit meint greifen zu müssen; das spricht Bände.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei der CDU)

Es ist Zeugnis für das völlige Versagen der Wissenschaftspolitik. Drohungen und Verbote statt Dialog und Meinungsaustausch, das ist der Kommunikationsstil der Wissenschaftsbehörde. Sie ist unter Druck und sie reagiert mit Zwang. Eigentlich weiß Frau Senatorin Stapelfeldt, dass ihre Politik falsch ist, falsch für die Hochschulen und falsch für die Zukunft unserer Stadt.

Zu den Zahlen. Die Sparvorgaben des Senats führen dazu, dass die Universität Hamburg bis 2016 54,5 Professorenstellen abbauen muss. 7 Prozent der Verwaltungsstellen werden gestrichen, und nach den Kennzahlen des Haushalts werden bis 2018 über 700 grundfinanzierte Studienplätze abgeschafft. Da reden wir schon längst nicht mehr von den 1400 Studienplätzen, die in der letzten Legislaturperiode von Schwarz-Grün zusätzlich aus Grundmitteln, aus Landesmitteln finanziert worden sind. Die haben Sie sang- und klanglos schon am Anfang Ihrer Regierungsübernahme beiseitegeschafft. Aber jetzt kommen noch einmal 700 Studienplätze, die Sie abschaffen, obendrauf.

Die TU hat einen Zehn-Punkte-Maßnahmenkatalog erlassen, um die Sparvorgaben umzusetzen. An der TU wie auch an der HAW und der Hochschule für Musik und Theater werden aus Spargründen Professuren nicht besetzt. Für wissenschaftliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gilt dasselbe. Auch hier werden Sperren eingeführt, und die HCU und die HFBK haben Stellen gestrichen. Das ist eine komplett falsche Entwicklung, und ich verstehe nicht, warum Sie das nicht einsehen können. Die Hochschulverträge müssen unbedingt nachverhandelt werden, die Kostensteigerung muss ausgeglichen werden können. Wir fordern im Einklang mit den Empfehlungen des Wissenschaftsrats, dass die Grundfinanzierung der Hochschulen 1 Prozent

über der Kostensteigerung liegt, damit auf die steigenden Studierendenzahlen und die zunehmende Heterogenität reagiert werden kann. Es soll eine Profilbildung an den Hochschulen stattfinden können, und natürlich soll die Qualität der Lehre verbessert werden. Wir brauchen mehr Professoren, die Vorlesungen halten, und weniger kostengünstige Lehrbeauftragte.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Noch eine Bemerkung zu den Rücklagen der Hochschulen. Es ist ein ziemlich peinliches Verteidigungsargument der Senatorin, das da lautet, aufgrund der Höhe der Rücklagen sei deutlich, dass die Finanzierung der Hochschulen auskömmlich sei. Im Rahmen der Haushaltsberatungen wurde im Wissenschaftsausschuss von den Kanzlern aller Universitäten und insbesondere vom Kanzler Hecht der Hamburger Universität sehr deutlich und sehr detailliert dargelegt, dass die Rücklagen bis auf den letzten Cent verplant seien, etwa für Berufungszusagen, vorgezogene Berufungen, Großgeräte-Finanzierung und eigene Baumaßnahmen. Ich zitiere das deshalb, weil ich nicht weiß, wie und wann die BWF beziehungsweise die Senatorin mit den Kanzlern der Hochschulen spricht, aber bei den Beratungen des Wissenschaftsausschusses war natürlich der Senat anwesend, und insofern wissen wir auch, dass Frau Senatorin und auch die Behördenvertreter das gehört haben. Insofern ist klar, dass diese Mittel nicht eingesetzt werden können zum Stopfen von Haushaltslöchern, die Sie bei den Universitäten reißen. Es wäre deshalb sehr begrüßenswert, wenn Sie sich dieser Tatsache endlich einmal stellen würden und wir nicht immer so redundant diskutieren müssten.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich möchte auch ein Wort zu den Baumaßnahmen sagen. Es ist bezeichnend, dass Sie, wenn Sie über Wissenschaft sprechen, eigentlich nur zwei Themen kennen. Das eine ist die Sanierung und das andere die außeruniversitäre Forschungsförderung. Die außeruniversitäre Forschungsförderung ist für Sie deshalb so interessant, weil die Mittel, die da hineinfließen, zu großen Teilen vom Bund kommen und der Bund in der Tat eine extreme Finanzierungsoffensive in den letzten Jahren betrieben hat, wie Sie sehr wohl wissen, nämlich in fünf Jahren jährlich 5 Prozent mehr. Genau das hat diese Schieflage in diesen Forschungssektor hineingebracht, weshalb die Hochschulen sagen, sie brauchen jetzt auch etwas mehr Geld.

Sie reden darüber, dass der Bund mehr Geld gäbe und dass deshalb dort gute Forschung produziert werde. Wir wollen eigentlich ganz gern, dass Sie Ihre Verantwortung wahrnehmen und die Landesmittel erhöhen, damit auch an unseren Hamburger Hochschulen besser und mehr geforscht werden kann.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei Dora Hey- enn DIE LINKE)

Das zweite Thema, über das Sie gern sprechen, ist die Sanierung der Hochschulgebäude. Wir begrüßen ausdrücklich die Baumaßnahmen am Campus Bundesstraße und finden es auch absolut richtig, dass Sie jetzt Planungsmittel für die Sanierung des Philosophenturms einstellen. Aber Sie wissen doch auch, wie hoch der Sanierungsbedarf an den Hamburger Hochschulen jenseits des Campus Bundesstraße ist. Das ist doch kein Geheimnis, es sind 630 Millionen Euro allein an der Universität. Wenn Sie die beiden Zahlen ins Verhältnis setzen, dann kommen Sie wie ich zu dem Ergebnis, dass das eben nur ein kleiner Teil ist, aber man muss sich doch der ganzen Aufgabe stellen. Deshalb wiederholen wir unsere Forderung und stellen erneut den Antrag, dass wir einen ordentlichen Kosten-, Finanzierungs- und Zeitplan brauchen, um den Sanierungsstau an den Hamburger Hochschulen abbilden zu können. Der Albtraum beispielsweise aller BWL-Studierenden, der Wiwi-Bunker, taucht bei Ihnen gar nicht auf und so weiter. Das heißt, man hat das Gefühl, es ist sehr sporadisch, was da auftaucht und was nicht kommt. Die HAW spricht im Übrigen von ungefähr 160 Millionen Euro beim Sanierungsbau und müsste auch in einem entsprechenden Konzept vorkommen.

Meine Damen und Herren! Sie sehen also, Hamburg braucht dringend einen Neuanfang in der Wissenschaftspolitik, und die Hochschulverträge müssen unverzüglich nachverhandelt werden.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei Dora Hey- enn DIE LINKE)

Die BAföG-Millionen müssen an die Hochschulen gehen, und wir brauchen dringend einen Finanzierungsplan zum Abbau des Sanierungsstaus. Wir würden uns sehr freuen, wenn Sie diesen Neuanfang in der Wissenschaftspolitik unterstützen würden, und bitten daher um Zustimmung für unsere Anträge. – Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei der CDU)

Herr Dr. Schinnenburg von der FDP-Fraktion hat jetzt das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Kühn, Sie wissen, dass ich Ihre Arbeit sehr schätze, und ich arbeite auch gern mit Ihnen im Wissenschaftsausschuss zusammen, ich als Vorsitzender, Sie als Schriftführer. Wir haben noch eine Sitzung, da werde ich es noch einmal sagen. Aber ich nutze die Gelegenheit gern, auch hier zu sagen, dass die Zusammenarbeit im Wissenschaftsausschuss mit Ihnen sehr angenehm war; das vorweg. Aber heute ist irgendwie etwas mit Ihnen durchgegangen,

(Dr. Eva Gümbel)

so etwas wie ein wildes Pferd. Frau Gümbel wies schon bezüglich der Frauenquote darauf hin, dass Sie sich da ein wenig zu falschen oder ungeschickten Aussagen haben hinreißen lassen.

Ich will noch einen zweiten Punkt anmerken. Sie haben zwei- oder dreimal gesagt, die Hochschulpolitik dieses Senats müsse sich nicht verstecken. Wenn das so ist, Herr Kühn, warum haben Sie dann die Debatte über diesen Etat so versteckt?

(Dr. Monika Schaal SPD: Was ist denn da versteckt?)

Nach der Generaldebatte, nach der Elefantenrunde, wenn sämtliche Medien weg sind, wollten Sie die Diskussion über die Wissenschaftspolitik ansetzen. Wenn da nichts zu verstecken ist, dann hätten Sie das auch nicht machen müssen.

(Beifall bei der FDP)

Zur Bedeutung von Wissenschaft und Forschung: Bildung ist der Rohstoff des 21. Jahrhunderts. Ohne einen guten Hochschulstandort werden wir den Wettbewerb um die besten Köpfe dieser Welt nicht gewinnen können. Und große Unternehmen werden schließlich ihren Standort dorthin verlegen, nicht auf die grüne Wiese, wo ein guter Wissenschaftsstandort ist. Mit anderen Worten: Es geht hier nicht nur um Hochschulen, Studenten und Professoren, es geht auch um die Zukunft Hamburgs. Ohne eine gute Wissenschaft hat Hamburg keine Zukunft. Es gibt ein Drama in nicht weniger als zwölf Akten, Herr Wersich, dass diese Senatorin die Wissenschaftspolitik in Hamburg an die Wand fährt.

(Beifall bei der FDP)

Erster Punkt: Es geht um die schon erwähnten 30 Millionen Euro BAföG. Es ist noch deutlicher und wilder, als Frau Gümbel angemerkt hat. Es geht nicht nur darum, was die Ministerin Wanka gesagt hat, Sie können es nachlesen. Im 25. BAföG-Änderungsgesetz steht in der Gesetzesbegründung der Großen Koalition, also auch von der SPD mit beschlossen, dass diese Mittel insbesondere für die Hochschulen einzusetzen seien. Das möchte der Bundesgesetzgeber, nicht nur Frau Wanka in einer Rede. Es wurde ausdrücklich gesagt, dass dieses Geld den Hochschulen zur Verfügung gestellt werden solle. Und was passiert? Nichts davon, kein Euro kommt an. Ich habe eine Schriftliche Kleine Anfrage gestellt, und der Senat hat nicht sagen können, wo es denn irgendwie bei den Hochschulen ankommt. Sie kommen immer wieder mit Ihren Baumaßnahmen in Bahrenfeld oder beim Geomatikum, Herr Kühn, aber Sie wissen so gut wie ich, das hat Herr Kleibauer schon erwähnt, dass sie 2018 oder 2019 eingeweiht werden. Also wenn überhaupt die BAföG-Mittel da verwendet werden, dann erst ab 2018. Sie stehen aber 2015 zur Verfügung, und mindestens die ersten Jahre wird kein einziger Cent von diesen

30 Millionen Euro ausgegeben. Es ist und bleibt ein schwaches Bild, wenn Sie es nicht einmal schaffen, Geld, das in Berlin abgeschickt wurde, bei den Hamburger Hochschulen abzuliefern. Das muss dringend geändert werden.

(Beifall bei der FDP)